TE OGH 2020/8/31 6Ob136/20y

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Veröffentlicht am 31.08.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache des Betroffenen J*****, geboren am ***** 1939, *****, vertreten durch die gerichtliche Erwachsenenvertreterin Mag. B*****, Rechtsanwältin, *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Einschreiters J*****, vertreten durch Dr. Herbert Marschitz und andere Rechtsanwälte in Kufstein, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 17. April 2020, GZ 51 R 106/19s-80, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung:

Zwischen dem Betroffenen und dem Einschreiter kam es – noch vor Bestellung der (damals) Sachwalterin für den Betroffenen – zum Abschluss eines Übergabsvertrags (9. 12. 2015; ON 4) betreffend zweier Liegenschaften samt landwirtschaftlichem Betrieb, der in weiterer Folge über Betreiben der (damals) Sachwalterin nachverhandelt wurde. Im Zuge dieser Nachverhandlungen trafen die (damals) Sachwalterin für den Betroffenen und der Einschreiter eine Treuhandvereinbarung (29. 5. 2017; ON 39), die das Erstgericht mit Beschluss vom 5. 7. 2017 „sachwalterschaftsgerichtlich“ genehmigte (ON 40); dieser Beschluss wurde dem Betroffenen und der (damals) Sachwalterin zugestellt und erwuchs in Rechtskraft. Den (weiteren) Beschluss des Erstgerichts vom 23. 7. 2018 (ON 49), mit dem dieses den ursprünglichen Übergabsvertrag pflegschaftsgerichtlich genehmigte, hob das Rekursgericht über Rekurs des Betroffenen allerdings ersatzlos und mit der Begründung auf, der Vertrag sei bereits vor Einleitung des Sachwalterbestellungsverfahrens abgeschlossen worden (ON 50).

Im Jahr 2019 kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen der (nunmehr; vgl ON 72) gerichtlichen Erwachsenenvertreterin des Betroffenen und dem Einschreiter betreffend Mieterlöse einer vom Übergabsvertrag mitumfassten Almhütte, die offenbar (vgl den Schriftverkehr ON 68) bis Februar 2019 vom Betroffenen vereinnahmt worden waren; der Einschreiter verlangt diesbezüglich einen Rückersatz in Höhe von 7.800 EUR durch den Betroffenen.

Der Einschreiter strebt die Gewährung der Einsicht in jene Teile des Erwachsenenschutzaktes an, „die die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Treuhandvereinbarung zwischen [ihm und] der betroffenen Person vom 29. 5. 2017“ betreffen.

Die Vorinstanzen wiesen den Antrag unter Hinweis auf § 141 AußStrG ab.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 141 Abs 1 Satz 1 AußStrG, der unter anderem auch auf Erwachsenenschutzverfahren anzuwenden ist (vgl bloß Schoditsch in Schneider/Verweijen, AußStrG [2018] § 141 Rz 6; Beck in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG II² [2019] § 141 Rz 8), darf das Gericht Auskünfte über Einkommens- und Vermögensverhältnisse der vertretenen Person sowie Informationen zu deren Gesundheitszustand nur dieser und ihrem gesetzlichen Vertreter erteilen, womit allein schon die Richtigkeit der Entscheidungen der Vorinstanzen belegt ist.

Beck (aaO Rz 14) weist darüber hinaus unter „Besonderheiten des Erwachsenenschutzverfahrens“ darauf hin, dass ein solches Verfahren dem besonderen Schutz der vertretenen Person diene und es mit dieser Zweckbestimmung des Verfahrens nicht vereinbar wäre, einer dritten Person Informationsmöglichkeiten einzuräumen, die dieser ohne die Führung des Verfahrens nicht zur Verfügung stünden (vgl auch RS0005812). Dies gelte insbesondere für (gegenwärtige oder künftige) Prozessgegner; es wäre geradezu widersinnig, einerseits spezielle Verfahren für im Sinn des § 21 Abs 1 ABGB schutzberechtigte Personen zu führen und sie andererseits durch eine leichtfertige Weitergabe von Informationen über ihre Lebens- und Vermögensverhältnisse zu „gläsernen Parteien“ zu machen, weshalb eine Akteneinsicht an Prozessgegner schon grundsätzlich nicht in Betracht komme (vgl auch RS0005812; RS0116925 [T1]). Aufgrund der offensichtlich aufgetretenen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Einschreiter und der gerichtlichen Erwachsenenvertreterin sind diese Überlegungen auch auf den Einschreiter anzuwenden.

2. (Einziges) Argument des Einschreiters in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs ist die Überlegung, er sei kein Dritter, wie von den Vorinstanzen angenommen, sondern Partei der Treuhandvereinbarung und des Genehmigungsverfahrens und deshalb einsichtsberechtigt in die bezughabenden Aktenteile.

2.1. Die ErläutRV (224 BlgNR 22. GP 90 f) zu § 141 AußStrG idF AußStrG BGBl I 2003/111 führen wie folgt aus:

Im Interesse der Geheimhaltung der Vermögensverhältnisse der beteiligten Pflegebefohlenen war eine Beschränkung der gerichtlichen Auskünfte auf die durch das Familienrechts- und Sachwalterschaftsverfahren geschützten Personen einzuführen. Soweit in Akten nach diesem Hauptstück Angaben über Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Pflegebefohlenen – oder der ihm gegenüber Unterhaltspflichtigen – enthalten sind, dürfen die Gerichte Auskünfte darüber nur dem betroffenen Pflegebefohlenen und seinen gesetzlichen Vertretern, nicht aber sonstigen Personen oder Stellen erteilen. Unberührt davon bleibt das einer Verfahrenspartei in diesem Zusammenhang zustehende Recht auf Akteneinsicht, wobei auch dieses auf einen bestimmten Verfahrensabschnitt eingeschränkt ist. So dürfen etwa für eine Unterhaltsentscheidung relevante Einkommens- und Vermögensdaten zwar den Parteien des Unterhaltsverfahrens, nicht aber auch den Parteien eines Besuchsrechtsverfahrens mitgeteilt werden. Diese Regelung schränkt den gesetzmäßigen Aufgabenbereich der Gerichte ein. Dies hat zur Folge, dass auch Auskünfte durch Aktenübersendung im Rahmen der Amtshilfe nicht mehr zulässig sind.

Gestützt auf diese Ausführungen meinen Schoditsch (aaO Rz 7) und Beck (aaO Rz 10), das Recht von Verfahrensparteien auf Akteneinsicht würde durch § 141 Abs 1 AußStrG in keiner Weise beschränkt, woraus – im Einklang mit den ErläutRV – zu schließen sei, dass für konkrete Teilverfahren (siehe das Beispiel „Unterhaltsverfahren“ in den ErläutRV) der der vertretenen Person durch § 141 Abs 1 AußStrG gewährte Schutz durchbrochen wird. Für den Einschreiter ist aber auch daraus nichts zu gewinnen:

2.2. Es entspricht nämlich ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers zum AußStrG BGBl I 2003/111 das Pflegschaftsverfahren nur dazu dient, die Interessen des Pflegebefohlenen, nicht aber diejenigen seiner Vertragspartner und sonstiger Dritter zu schützen; die Parteistellung im Verfahren über eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung ist deshalb auf den Pflegebefohlenen beschränkt (RS0006212 [T8, T9]; RS0006225 [T13, T15]; RS0123647 [T6]; RS0006210 [T8]; RS0006157 [T4]). Die rechtlich geschützte Stellung Dritter wird hingegen durch die gerichtliche Tätigkeit in einem Erwachsenenschutzverfahren nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar beeinflusst (RS0006610 [T14]). An dieser Rechtsprechung hat das 2. Erwachsenenschutz-Gesetz nichts geändert (vgl 3 Ob 205/19x).

Damit ist der Einschreiter aber auch nicht Partei des Teilpflegschaftsverfahrens betreffend die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Treuhandvereinbarung gewesen.

Textnummer

E129540

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00136.20Y.0831.000

Im RIS seit

18.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.11.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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