TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/30 96/01/0495

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Veröffentlicht am 30.09.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Ehan Haljimi in Graz, geboren am 6. Jänner 1977, vertreten durch Dr. Otmar Franiek, Rechtsanwalt in Graz, Pestalozzistraße 1/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. Dezember 1995, Zl. 4.347.948/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. Dezember 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der "Jugosl. Föderation", der am 18. November 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 20. November 1995 den Asylantrag gestellt hat, gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 27. November 1995 abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hatte anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 22. November 1995 im Beisein seines gesetzlichen Vertreters angegeben, er sei albanischer Nationalität und moslemischen Glaubens. Er habe sein Heimatland wegen des Militärdienstes verlassen. Vor drei bis vier Wochen habe ihn die Polizei wegen der Musterung gesucht. Er sei nicht zu Hause gewesen. Er habe sich dann zu seinem Onkel begeben. Bei diesem sei er bis zu seiner Flucht geblieben. Er habe nicht zum Militärdienst wollen, weil man in das Kriegsgebiet in Bosnien geschickt werde. Das habe er in der Zeitung gelesen. Hätte ihn die Polizei erwischt, wäre er sofort in das Kriegsgebiet geschickt worden. Zu einer gerichtlichen Bestrafung wäre es gar nicht gekommen. Auf die Frage, warum er aufgrund seiner albanischen Abstammung einberufen worden sei, antwortete er, daß die Serben genauso einberufen würden. Von der Möglichkeit der Ableistung des Zivildienstes habe er noch nie gehört. Seine Eltern seien mit seiner Ausreise einverstanden gewesen. Er sei nicht gleich geflüchtet, weil er erst Geld für die Flucht habe organisieren müssen. Er wolle erst dann in seine Heimat zurückkehren, wenn der Kosovo eine eigene Republik werde.

Das Bundesasylamt wies den Antrag des Beschwerdeführers unter anderem deswegen ab, weil er nicht Flüchtling sei. Es begründete nach Zusammenfassung des Inhaltes der niederschriftlichen Einvernahme zu den Fluchtgründen und allgemeinen Ausführungen zur Situation im Kosovo diese Ansicht folgendermaßen:

"Sie haben Ihr Heimatland verlassen, da Sie nicht zum Militärdienst eingezogen werden wollten.

Die Flucht eines Asylwerbers vor einem ihm drohenden Militärdienst (mag dieser z.B. auch aus religiösen Gründen abgelehnt werden) ist ebensowenig ein Grund für die Anerkennung als Flüchtling (VwGH 10.2.1988, 86/01/0250; 4.10.1989, 89/01/0230) wie die Furcht vor einer wegen Desertion oder Wehrdienstverweigerung drohenden (unter Umständen) auch strengen Bestrafung (VwGH 31.5.1989, 89/01/0059).

Ihrer Behauptung - in Bosnien-Herzegowina auf einem Kriegsschauplatz eingesetzt zu werden - muß entgegengehalten werden, daß - wie bereits schon in den Feststellungen ausgeführt - die Armee der Jugoslawischen Föderation nicht in einem kriegerischen Einsatz in Bosnien steht. Bereits im Jahre 1994 haben sich die bosnischen Serben von der Zentralmacht in Belgrad losgelöst. Seither wird diesen jegliche Unterstützung aus Belgrad versagt. Es ist daher absolut ausgeschlossen, daß ein Bewohner der Jugoslawischen Föderation nach Bosnien einberufen wird. Darüberhinaus werden die Kosovo-Albaner im speziellen nur mehr in technischen Einheiten eingesetzt und nicht mehr an Waffen ausgebildet, sowie nur mehr zu Hilfsdiensten herangezogen. Im Falle einer Einberufung zum Militär hätten Sie somit auf keinen Fall das zu befürchten gehabt, was Sie als Fluchtgrund angegeben haben. Nach dem neuesten Stand der Dinge haben bereits zehntausende Kosovo-Albaner die Einberufung zum Militär verweigert. Die erkennende Behörde stellt nicht in Abrede, daß die Polizei Sie wegen des Militärdienstes gesucht haben wird. Wenn Sie deswegen eine Verfolgung zu erwarten hatten, dann lediglich aus strafrechtlichem Hintergrund, weil Sie den Einberufungsbefehl mißachtet haben, jedoch mit Sicherheit nicht aus einem im § 1 Ziffer 1 Asylgesetz 1991 aufgezählten Gründen. Auch in allen westlichen Ländern Europas muß jeder, der den Einberufungsbefehl mißachtet, mit Bestrafung rechnen. Diese Umstände haben also nicht mit Ihrer albanischen Abstammung zu tun.

Ihren eigenen Angaben zufolge werden die Serben ebenso zum Militärdienst einberufen."

Die dagegen erhobene Berufung lautet:

"Die Bezirkshauptmannschaft Baden als Vertreter des Haljimi Ehan vertritt die Meinung, daß die Asylbehörde bei der Bescheiderstellung zuwenig auf die vom Asylwerber bei der Einvernahme vorgebrachten Angaben eingegangen ist und die Situation im Heimatland nicht richtig beurteilt hat. Eine Rückkehr des Asylwerbers in seine Heimat erscheint zum jetzigen Zeitpunkt, aber auch in der nahen und fernen Zukunft unter den dort herrschenden Verhältnissen für seine Sicherheit nicht ratsam.

Die genauere Überprüfung der Angaben des Asylwerbers hätten dem gegenständlichen Verfahren andere Entscheidungskriterien eröffnet."

Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde erhob die vom Bundesasylamt wiedergegebenen niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers zum Inhalt des angefochtenen Bescheides. Sie ging von der Anwendbarkeit des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 aus und legte der Abweisung der Berufung und damit der Versagung von Asyl die im erstinstanzlichen Bescheid zusammengefaßten Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die maßgebenden Erwägungen der Beweiswürdigung und die Beurteilung der Rechtsfrage durch das Bundesasylamt vollinhaltlich zugrunde und erhob diese Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid zum Inhalt des angefochtenen Bescheides, wozu sie, ohne diese wiederholen zu müssen, berechtigt war (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0045).

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG iVm § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Falle hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinn der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800 bis 0803, und vom 25. April 1995, Zl. 95/20/0112). Der Beschwerdeführer hat seine Furcht aber ausschließlich auf den ihm drohenden Militärdienst gegründet. Insofern der Beschwerdeführer nunmehr in der Beschwerde einen eventuellen Zusammenhang mit einer Gruppenverfolgung der Kosovo-Albaner herzustellen versucht, ist ihm zu entgegnen, daß er selbst angegeben hat, daß die Serben genauso einberufen würden. Schon aus diesem Grund geht der nicht näher detaillierte Hinweis des Beschwerdeführers ins Leere.

Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, daß die Einberufung zur Militärdienstleistung im allgemeinen keine asylrechtliche relevante Verfolgung darstelle, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung wird in diesem Sinne grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung auch in Fällen vertreten, in denen in den betroffenen Heimatstaaten Bürgerkrieg, Revolten oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattgefunden haben. Die Flucht wegen Einberufung zum Militärdienst könnte nur dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen die Behandlung während der Militärdienstleistung nachteiliger bzw. eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen gewesen wäre (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377 = Slg. Nr. 14.089/A). Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren lediglich angegeben, der Einberufung deshalb keine Folge geleistet zu haben, weil er Furcht vor dem seiner Einberufung folgenden Einsatz in Bosnien habe. Anders als in dem Fall, der dem angeführten Erkenntnis eines verstärkten Senates zugrundelag, hat der Beschwerdeführer damit bei seiner Ersteinvernahme keine Ausführungen gemacht, die auf das Vorliegen von Verfolgung im Sinne obiger Judikatur hindeuten würden. Auf die vom Bundesasylamt herangezogene und von der belangten Behörde übernommene Begründung, die Armee der "Jugoslawischen Föderation" versage seit der Loslösung der bosnischen Serben von der Zentralmacht in Belgrad im Jahre 1994 diesen jegliche militärische Unterstützung, weshalb es ausgeschlossen sei, daß ein Bewohner der "Jugoslawischen Föderation" nach Bosnien einberufen werde, geht der Beschwerdeführer weder in der Berufung noch in der Beschwerde ein. Da jene Armee, zu der der Beschwerdeführer einberufen werden sollte, jedoch nach den diesbezüglich unwidersprochen gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde in kriegerische Auseinandersetzungen in Bosnien nicht verwickelt ist, erscheint es auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, daß der Beschwerdeführer in Bosnien eingesetzt hätte werden sollen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides (Sicherheit des Beschwerdeführers vor Verfolgung in Ungarn) sowie mit dem hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996010495.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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