Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B* GmbH, *, vertreten durch Dr. Georg Bauer, Mag. Edwin Kerschbaummayr, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei P* GmbH, *, vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 73.314,40 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. Mai 2020, GZ 30 R 81/20g-19, womit das Zwischenurteil des Handelsgerichts Wien vom 30. Dezember 2019, GZ 16 Cg 20/19v-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Die Beklagte beauftragte die Klägerin am 10. Juli 2018 mit der Durchführung von Wärmedämmverbundsystemarbeiten. Nach dem (ursprünglichen) Bauzeitplan vom 20. Juli 2018 sollten die Arbeiten der Klägerin am 24. September 2018 beginnen und bis 23. November 2018 fertiggestellt sein. Da sich das Gewerk der Klägerin verzögerte, wurde der Bauzeitplan mehrfach abgeändert. Tatsächlich begann die Klägerin mit ihren Arbeiten Mitte Oktober 2018.
[2] Mit Schreiben vom 21. Jänner 2019 verlangte die Klägerin von der Beklagten eine Sicherstellung nach § 1170b ABGB in Form einer abstrakten Bankgarantie über zwei Fünftel der Auftragssumme von 285.798,93 EUR (brutto), somit von 114.319,57 EUR, und setzte hierfür eine Frist bis 1. Februar 2019.
[3] Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 22. Jänner 2019 mit, dass sich der Sicherstellungsanspruch auf ein Fünftel der Auftragssumme beschränke und die Auswahl der Sicherheit dem Auftraggeber überlassen bleiben müsse. Dennoch übermittelte die Beklagte der Klägerin mit E-Mail vom 31. Jänner 2019 eine bis zum 30. Juni 2019 befristete Bankgarantie über 57.159,79 EUR, deren Abrufbarkeit alternativ von der Vorlage eines schriftlichen Anerkenntnisses der Beklagten über den Werklohn, eines vollstreckbaren Urteils über den Werklohnanspruch, eines schriftlichen Gutachtens eines allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen über die vollständige und mangelfreie Werkleistung der Klägerin oder eines von beiden Parteien unterfertigten Protokolls über die mangelfreie Übernahme der Werkleistung abhängig war.
[4] Die Klägerin teilte der Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 4. und 5. Februar 2019 mit, dass die angebotene Garantie nicht den gesetzlichen Vorgaben entspreche, weshalb sie von ihrem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch mache und den Rücktritt vom Vertrag für den Fall erkläre, dass die Sicherheit nicht bis zum 8. Februar 2019 erbracht werde. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 7. Februar 2019 eine höhere Sicherheitsleistung abgelehnt hatte, erklärte die Klägerin mit Schreiben vom (richtig:) 11. Februar 2019 den Rücktritt vom Vertrag und legte am 22. März 2019 ihre Schlussrechnung über die bis dahin erbrachten Leistungen über 50.460,91 EUR.
[5] Bereits zuvor hatte die Beklagte mit Schreiben vom 24. Jänner 2019 von der Klägerin den Erlag einer Kaution nach Punkt 8.7.1 der ÖNORM B2110 binnen 14 Tagen gefordert und ihr mit Schreiben vom 7. Februar 2019 eine Nachfrist bis 15. Februar 2019 mit der Erklärung gesetzt, dass sie für den Fall des Nichterlags vom Vertrag zurücktrete.
[6] Die Klägerin begehrt Zahlung von 73.314,40 EUR sA. Sie habe einerseits Anspruch auf die Summe laut Schlussrechnung und andererseits auf den Werklohn für die nicht erbrachten Arbeiten abzüglich ihrer Ersparnis (§ 1168 ABGB). Sie sei berechtigt vom Vertrag zurückgetreten, weil die Beklagte keine Bankgarantie über 40 % der Auftragssumme gelegt habe, obwohl die Fertigstellung ihrer Arbeiten zu keinem Zeitpunkt mehr als drei Monate dauern hätte sollen. Außerdem sei die Bankgarantie auch deshalb keine ausreichende Sicherstellung, weil sie durch Effektivklauseln eingeschränkt und nur sehr kurz befristet gewesen sei. Der Rücktritt der Beklagten vom Vertrag sei wirkungslos, weil der Vertrag damals bereits aufgelöst gewesen sei.
[7] Die Beklagte wendete insbesondere ein, das Sicherstellungsbegehren der Klägerin sei überhöht und auch deshalb unbeachtlich gewesen, weil der Beklagten die Wahl des Sicherungsmittels verweigert worden sei. Dennoch sei die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Sicherstellung ausreichend nachgekommen. Die Befristung der Bankgarantie sei zulässig gewesen, weil die Arbeiten der Klägerin bis zum 23. November 2018 fertiggestellt werden hätten sollen. Der Rücktritt der Klägerin vom Vertrag sei daher zu Unrecht erfolgt. Demgegenüber sei die Beklagte aufgrund der ernstlichen und endgültigen Leistungsverweigerung der Klägerin zum Vertragsrücktritt berechtigt gewesen, sodass diese keine Ansprüche mehr geltend machen könne.
[8] Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Die dreimonatige Frist des § 1170b ABGB sei ab Vertragsabschluss zu berechnen, weil die Leistungspflicht mit Abschluss des Vertrags entstehe und die Sicherstellung bereits ab diesem Zeitpunkt gefordert werden könne. Stehe daher bei Vertragsabschluss – wie hier – die Fälligkeit (der Leistungszeitraum) noch nicht fest, müsse dies zu Lasten des Auftragnehmers gehen, der dann nur die geringere Sicherstellung (20 % der Auftragssumme) verlangen könne. Auch der Einwand der Beklagten, die Klägerin habe durch die Vorgabe des Sicherungsmittels das Wahlrecht des Werkbestellers verletzt, sei berechtigt. Allerdings habe die Forderung einer zu hohen Summe oder die Vorgabe eines bestimmten Sicherungsmittels nicht die Unwirksamkeit des Sicherungsbegehrens zur Folge, sondern das Begehren sei auf seinen zulässigen Inhalt zu reduzieren. Der Werkbesteller sei gegenüber einem ungerechtfertigten Sicherstellungsbegehren dadurch ausreichend geschützt, dass dem Werkunternehmer ein wirksamer Rücktritt verwehrt bleibe, wenn der Besteller dem Sicherstellungsbegehren im gerechtfertigten Umfang nachgekommen sei. Die letztlich gezeigte Bereitschaft der Beklagten, die geforderte Bankgarantie beizustellen, sei schließlich auch als einvernehmliche Auswahl des Sicherungsmittels anzusehen. Allerdings stelle die von der Beklagten tatsächlich gelegte Bankgarantie aufgrund der darin vorgesehenen Auszahlungsbedingungen kein geeignetes Sicherungsmittel dar. Grundsätzlich könnten Klauseln, die als Auszahlungsvoraussetzung etwa auf das Vorliegen eines vollstreckbaren Urteils abstellten, zulässig sein. Allerdings dürften solche Auszahlungsvoraussetzungen das Sicherungsmittel nicht soweit aushöhlen, dass die Verwertung der Sicherstellung faktisch vom guten Willen des Sicherungsgebers abhänge und andernfalls von vornherein unwahrscheinlich sei. Insbesondere bei einer Befristung der Bankgarantie müsse die Laufzeit so bemessen sein, dass die Auszahlungsbedingungen – aus Sicht ex ante – innerhalb dieser Laufzeit üblicherweise auch erfüllt werden könnten. Dies sei hier nicht der Fall. Es liege auf der Hand, dass die Voraussetzungen eines Anerkenntnisses der Beklagten oder eines gemeinsamen Protokolls keine geeignete Sicherstellung darstellen könnten, weil die Klägerin hier bei der Verwertung der Willkür der Beklagten unterworfen wäre. Ein vollstreckbares Urteil wäre zwar an sich eine zulässige Auszahlungsvoraussetzung, allerdings sei hier ex ante nicht damit zu rechnen gewesen, bis 30. Juni 2019 ein vollstreckbares Urteil erlangen zu können, zumal die Arbeiten der Klägerin am 31. Jänner 2019 noch gar nicht abgeschlossen gewesen seien. Auch das alternativ geforderte Sachverständigengutachten stelle eine unzulässige Einschränkung des Sicherungsmittels dar, zumal es schon zur Erstellung des Gutachtens einer gewissen Mitwirkung des Werkbestellers bedürfe und außerdem auch insoweit die Laufzeit mit 30. Juni 2019 zu kurz bemessen gewesen sei. Mangels ausreichender Sicherstellung sei die Klägerin daher wirksam vom Vertrag zurückgetreten und habe gemäß § 1168 ABGB Anspruch auf das vereinbarte Entgelt.
[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Der von ihr mit Schreiben vom 7. Februar 2019 erklärte Rücktritt vom Vertrag wäre erst mit Ablauf der in diesem Schreiben gesetzten Nachfrist am 15. Februar 2019 wirksam geworden. Entscheidungswesentlich sei daher die Frage, ob die Rücktrittserklärung der Klägerin vom 4. Februar 2019 mit Ablauf der von ihr bis 8. Februar 2019 gesetzten Nachfrist wirksam gewesen sei. Es sei somit zu klären, ob die von der Beklagten gelegte Bankgarantie entgegen der Ansicht des Erstgerichts als Sicherheit geeignet gewesen sei. Ob eine Bankgarantie im Anwendungsbereich des § 1170b ABGB von der Erbringung bestimmter formaler Nachweise (Effektivklauseln) abhängig gemacht werden dürfe, werde in der Literatur überaus kontrovers diskutiert. Dabei könne aber kein Zweifel darüber bestehen, dass eine Bankgarantie jedenfalls dann nicht den Vorgaben des § 1170b ABGB entspreche, wenn sie Bedingungen enthalte, die dazu führten, dass sie für den Auftragnehmer wertlos sei. Die von der Beklagten angebotene Bankgarantie habe vorgesehen, dass sie (ua) unter der Voraussetzung abgerufen werden könne, dass die Klägerin ein Anerkenntnis der Beklagten oder ein von beiden Parteien unterfertigtes Protokoll über die mangelfreie Übernahme der Werkleistung vorlege. Beide Alternativen seien von der Mitwirkung der Beklagten abhängig, weshalb die Bankgarantie insoweit nicht die von § 1170b ABGB geforderte Sicherheit bieten könne. Offenbar um den Auftraggeber vor einem missbräuchlichen Abruf der Bankgarantie zu schützen, wolle es ein Teil der Lehre zulassen, dass die Bankgarantie im Anwendungsbereich des § 1170b ABGB von der Vorlage eines Urteils abhängig gemacht werde, das den Auftraggeber zur Zahlung verpflichte. Im vorliegenden Fall sei zu berücksichtigen, dass die Bankgarantie (nur) bis 30. Juni 2019 befristet gewesen sei; damit wäre es der Klägerin jedenfalls im Fall der Bestreitung des Zahlungsanspruchs durch die Beklagte faktisch unmöglich gewesen, ein solches Urteil innerhalb der Laufzeit der Bankgarantie zu erlangen. Dem Vorbringen der Beklagten, wonach sie die Bankgarantie erforderlichenfalls verlängert hätte, sei zu entgegnen, dass die Klägerin im Vorhinein keine Sicherheit gehabt habe, dass es zu einer solchen Verlängerung kommen würde, und sie die Garantie ohne vollstreckbares Urteil auch nicht abrufen hätte können. Das als weitere Alternative vorgesehene Sachverständigengutachten hätte die Klägerin nicht ohne Mitwirkung der Beklagten erstellen lassen können, weil der Sachverständige darauf angewiesen gewesen wäre, dass ihm die Beklagte Zutritt zum Bauwerk gewähre. Abgesehen davon könne ein Sachverständiger, besonders wenn das Gutachten ohne zerstörende Eingriffe in die Bausubstanz erstellt werden solle, in vielen Fällen gar nicht feststellen, dass die Werkleistung mangelfrei erfolgt sei, weil viele Mängel erst später hervorkämen. Da ungewiss sei, ob die Klägerin, selbst wenn sie ihre Leistung mangelfrei erbracht hätte, ein solches Gutachten überhaupt erlangen hätte können, biete ihr die von der Beklagten angebotene Bankgarantie also nicht die von § 1170b ABGB geforderte Sicherheit. Weiters sei zu berücksichtigen, dass ein solches Gutachten mit einem erheblichen Kostenaufwand verbunden sein könne, obwohl § 1170b ABGB die vom Auftragnehmer zu tragenden Kosten mit 2 % der Sicherungssumme jährlich beschränke. Schließlich sei auch darauf zu verweisen, dass nach der Absicht des Gesetzgebers nur solche Vermögenswerte als Sicherheit iSd § 1170b ABGB in Betracht kämen, die eine rasche und günstige Verwertung ermöglichten. Die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens über die vollständige und mangelfreie Werkleistung sei weder rasch zu bewerkstelligen noch kostengünstig.
[10] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob eine Bankgarantie auch dann den Vorgaben des § 1170b ABGB genüge, wenn die Auszahlung von der Vorlage bestimmter Dokumente abhängig gemacht werde.
[11] Mit ihrer Revision strebt die Beklagte die Abweisung des Klagebegehrens an.
[12] Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
[13] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[14] 1. Gemäß § 1170b Abs 1 ABGB kann der Unternehmer eines Bauwerks, einer Außenanlage zu einem Bauwerk oder eines Teils hievon vom Besteller ab Vertragsabschluss für das noch ausstehende Entgelt eine Sicherstellung bis zur Höhe eines Fünftels des vereinbarten Entgelts, bei Verträgen, die innerhalb von drei Monaten zu erfüllen sind, aber bis zur Höhe von zwei Fünfteln des vereinbarten Entgelts, verlangen. Dieses Recht kann nicht abbedungen werden. Als Sicherstellung können Bargeld, Bareinlagen, Sparbücher, Bankgarantien oder Versicherungen dienen. Die Kosten der Sicherstellung hat der Sicherungsnehmer zu tragen, soweit sie pro Jahr zwei von Hundert der Sicherungssumme nicht übersteigen. Die Kostentragungspflicht entfällt, wenn die Sicherheit nur mehr wegen Einwendungen des Bestellers gegen den Entgeltanspruch aufrechterhalten werden muss und die Einwendungen sich als unbegründet erweisen.
[15] 2. Die Bestimmung des § 1170b ABGB wurde mit dem Handelsrechts-Änderungsgesetz, BGBl I 2005/120, in das ABGB eingefügt, und soll den Insolvenzrisiken im Bau- und Baunebengewerbe entgegenwirken. Sie sieht eine gesetzliche, vertraglich nicht abdingbare Sicherstellungspflicht (genauer gesagt eine Sicherstellungsobliegenheit: 4 Ob 209/18s) des Werkbestellers unabhängig von der Unsicherheitseinrede des § 1052 zweiter Satz ABGB vor, also unabhängig von einer Verschlechterung seiner Vermögensverhältnisse und Kenntnis davon. Kommt der Werkbesteller dem Sicherstellungsverlangen des Werkunternehmers nicht, nicht rechtzeitig oder unzureichend nach, so kann dieser die Erbringung seiner Leistung verweigern (§ 1170b Abs 2 Satz 2 ABGB) und unter Setzung einer angemessenen Nachfrist die Vertragsaufhebung erklären. Das Recht, Sicherstellung zu begehren, steht dem Werkunternehmer auch bei mangelhafter Bauleistung zu (1 Ob 107/16s mwN). Die Sicherstellung nach § 1170b ABGB kann grundsätzlich ab Vertragsabschluss gefordert werden, ohne dass der Unternehmer bereits eine Vorleistung erbracht haben müsste. Die Obliegenheit des Werkbestellers, auf Verlangen des Unternehmers eine Sicherstellung zu leisten, wird mit dem Vertragsabschluss begründet und besteht bis zur vollständigen Bezahlung des Entgelts (6 Ob 85/18d = RIS-Justiz RS0132039).
[16] 3. Nach dem Gesetzeswortlaut stellt jedenfalls eine abstrakte Bankgarantie ein taugliches Sicherungsmittel iSd § 1170b ABGB dar. Ob dies auch auf eine Bankgarantie zutrifft, die eine Effektivklausel enthält, ist, wie bereits das Berufungsgericht herausgearbeitet hat, im Schrifttum umstritten.
[17] 3.1. Bollenberger (Zum Inhalt der Sicherstellung des Bauunternehmers nach § 1170b neu ABGB: Muss der Besteller faktisch ein Vorleistungsrisiko tragen?, RdW 2006/200, 199 [202]) hält es für zulässig (und für den Werkbesteller ratsam), die Inanspruchnahme der Bankgarantie von der Erbringung bestimmter formalisierter Nachweise, etwa eines vom Besteller mitgefertigten Übernahmeprotokolls, abhängig zu machen.
[18] 3.2. Rebhahn/Kietaibl (in Schwimann/Kodek4 § 1170b ABGB Rz 17) stehen ebenfalls auf dem Standpunkt, dass der Abruf der Garantie davon abhängig gemacht werden dürfe, dass der Unternehmer bestimmte Dokumente vorlege, weil § 1170b ABGB die inhaltliche Ausgestaltung der beigebrachten Garantie nicht näher einschränke und die Forderung der Materialien, dass die beigebrachte Sicherheit rasch verwertbar sein müsse, sich im Gesetzestext nicht finde.
[19] 3.3. Auch Högl/Wiesinger (Offene Fragen zu § 1170b ABGB, JBl 2009, 155 [159]) vertreten die Auffassung, dass es dem Werkbesteller gestattet sei, die Inanspruchnahme von der Vorlage bestimmter Dokumente, insbesondere eines Anerkenntnisses des Bestellers oder eines Urteils, das diesen zur Zahlung verpflichte, abhängig zu machen.
[20] 3.4. Hörker/Klete?ka (in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1170b Rz 27) erachten es als für den Besteller empfehlenswert, die Bankgarantie so auszugestalten, dass der Unternehmer bei ihrer Inanspruchnahme bestimmte formalisierte Nachweise, wie etwa ein vom Besteller unterfertigtes Übernahmeprotokoll, präsentieren muss. Dies erscheine bereits deshalb zulässig, weil § 1170b ABGB die inhaltliche Ausgestaltung der Bankgarantie nicht näher einschränke. Hingegen sei es fraglich, ob auch eine Bankgarantie, deren Inanspruchnahme die Vorlage eines Anerkenntnisses des Bestellers oder eines (rechtskräftigen) Urteils fordere, das diesen zur Zahlung verurteile, zulässig sei, weil es bei solchen Gestaltungen zu einer Art Akzessorietät der Bankgarantie komme, sodass keine abstrakte Garantie im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr eine akzessorische Bankbürgschaft vorliege.
[21] 3.5. Skarics (Die Zulässigkeitsgrenzen vertraglicher Vereinbarungen zu § 1170b ABGB, ZRB 2013, 3 [8]) geht ebenfalls davon aus, dass keine abstrakte Sicherstellung geleistet werden müsse, sondern es zulässig sei, die Sicherungsmittel akzessorisch auszugestalten, sodass diese nur mit Nachweis der Berechtigung verwertet werden könnten. Dies ergebe sich daraus, dass sich weder aus dem Gesetzestext noch aus den Materialien diesbezüglich eine Beschränkung ableiten lasse.
[22] 3.6. In diesem Sinn argumentieren auch Berlakovits/Stanke (Das Sicherstellungsrecht des Auftragnehmers gemäß § 1170b ABGB in FS Georg Karasek, 77 [89]).
[23] 3.7. Klete?ka (Die Sicherstellung bei Bauverträgen nach § 1170b ABGB, JBl 2020, 413 [416]) leitet aus dem Umstand, dass § 1170b ABGB ua eine Versicherung als taugliche Sicherstellung anführt, ab, dass die Inanspruchnahme der Sicherheit vom Bestehen der besicherten Forderung abhängig sein könne. Es müsse daher auch eine Anknüpfung an ein Anerkenntnis des Bestellers oder an ein rechtskräftiges Urteil möglich sein.
[24] 3.8. Hingegen steht Schauer (in Krejci, Reformkommentar ABGB [2007] § 1170b ABGB Rz 11) auf dem Standpunkt, dass es sich bei der Bankgarantie iSd § 1170b ABGB um eine nicht-subsidiäre und nicht-akzessorische Sicherheit handle, deren Verwertung ohne ein gegen den Schuldner geführtes Verfahren möglich sei und die aufgrund ihrer einfachen Realisierbarkeit eine dem Bargeld vergleichbare Liquidationsfunktion habe.
[25] 3.9. Auch M. Bydlinski (in KBB6 § 1170b ABGB Rz 4) vertritt die Auffassung, dass eine Bankgarantie dann nicht als Sicherungsmittel iSd § 1170b ABGB ausreiche, wenn sie zu kurz befristet sei oder die Auszahlung von Nachweisen oder der Vorlage bestimmter Dokumente abhängig gemacht werde.
[26] 3.10. Panholzer (Die Anwendbarkeit des § 1170b ABGB, Erfahrungen seit der Einführung 2007 und die damit verbundenen Problemstellungen in der Praxis, bbl 2009, 83 [86]) leitet die generelle Unzulässigkeit der Beschränkung einer Bankgarantie durch Effektivklauseln aus der Wertung des Gesetzgebers ab, Bargeld, Bareinlagen und Sparbücher als taugliche Sicherungsmittel zuzulassen, weil deren faktische Inanspruchnahme nicht von der Vorlage bestimmter Dokumente (Nachweise) abhängig gemacht werden könne.
[27] 3.11. Schmidinger (Die Sicherstellung des Bauunternehmers nach § 1170b ABGB. Die in fünfjähriger Praxis gewonnenen Erkenntnisse und aufgeworfenen Fragestellungen, bauaktuell 2012, 42 [48]) erachtet eine Bankgarantie, die ausschließlich bei Vorliegen eines gerichtlichen Urteils oder im Insolvenzfall in Anspruch genommen werden kann, nicht als taugliche Sicherstellung iSd § 1170b ABGB, weil durch eine solche Ausgestaltung für den Werkunternehmer eine rasche und sichere Befriedigung durch Verwertung im Fall des Zahlungsverzugs des Werkbestellers nicht möglich sei. Im Fall der zeitlichen Befristung der Bankgarantie könne es außerdem dazu kommen, dass sie bis zur Erlangung eines Urteils bereits abgelaufen sei.
[28] 3.12. Schopper (Praktische und dogmatische Hürden beim Recht auf Sicherstellung nach § 1170b ABGB, ZVB 2020/59, 314 [317]) vertritt ebenfalls, dass es gegen § 1170b ABGB verstoße, wenn der Abruf der Bankgarantie die Mitwirkung des Werkbestellers erfordere und/oder von der Vorlage bestimmter Dokumente abhängig sei. Das Erfordernis eines vollstreckbaren Titels entfremde die Bankgarantie derart, dass keine abstrakte Garantie im eigentlichen Sinn mehr vorliege, sondern eine akzessorische Bürgschaft; eine (Bank-)Bürgschaft zähle aber gerade nicht zu den taxativ aufgezählten Sicherungsmitteln iSd § 1170b ABGB.
[29] 3.13. Hartlieb-Lamprechter (Sicherstellung gemäß § 1170b ABGB, [Vertragliche] Ausgestaltung und ausgewählte Problemstellungen in der Praxis, ecolex 2010, 223 [224 f]) verweist darauf, dass die noch im Ministerialentwurf vorgesehene Regelung, dass eine Sicherstellung nach § 1170b ABGB nur im Insolvenzfall oder bei Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils verwertet werden dürfe, nicht in das Gesetz Eingang gefunden habe, es also letztlich die Intention des Gesetzgebers gewesen sei, den Auftragnehmer hinsichtlich der Verwertung der Sicherstellung nicht auf diese Fälle einzuschränken. Würde die Inanspruchnahme der Sicherheit auf bestimmte Fälle eingeschränkt, wäre der Zugang des Auftragnehmers zu seinem Recht erschwert. Folglich wäre eine Bestimmung im Sicherungsmittel, wonach dessen Inanspruchnahme vom Insolvenzfall oder vom Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils abhänge, unzulässig. Werde die Inanspruchnahme der Sicherstellung von der Vorlage bestimmter Dokumente abhängig gemacht, sei zu differenzieren; sei dafür die Mitwirkung des Werkbestellers notwendig (zB ein von ihm unterschriebenes Übernahmeprotokoll oder ein Anerkenntnis) oder würde die Vorlage eine massive zeitliche Einschränkung für die Inanspruchnahme der Sicherstellung bedeuten (zB Inanspruchnahme nur nach erfolgter Übernahme oder nach Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils), sei diese Einschränkung nicht zulässig. Anderes müsse jedoch für das Erfordernis eines Dokuments gelten, für dessen Vorlage keine Mitwirkung des Werkbestellers notwendig sei, wie etwa die Ausgestaltung des zur Auszahlung auffordernden Schreibens an die Garantin als Einschreiben.
[30] 4. Der erkennende Senat hält die zuletzt zitierte differenzierende Ansicht für überzeugend: Demnach ist eine Bankgarantie mit Effektivklausel zwar nicht jedenfalls als Sicherungsmittel iSd § 1170b ABGB ungeeignet, jedoch dann, wenn ihre Inanspruchnahme durch den Werkunternehmer durch ein für ihren Abruf aufgestelltes Erfordernis ungebührlich erschwert oder gar unmöglich gemacht wird.
[31] 5. Ausgehend davon ist aber die Auffassung der Vorinstanzen, dass die konkrete Ausgestaltung der Bankgarantie dieser die Eignung als taugliches Sicherungsmittel iSd § 1170b ABGB nimmt, nicht zu beanstanden:
[32] 5.1. Eine Sicherstellung erfüllt den Zweck des § 1170b ABGB nicht, wenn der Werkbesteller es faktisch in der Hand hat, dem Werkunternehmer den (rechtmäßigen) Zugriff darauf zu verwehren. Dies ist immer dann der Fall, wenn der aus der Garantie Begünstigte diese nur mit Zustimmung des Garantieauftraggebers abrufen kann; eine solche Konstellation liegt, wie bereits die Vorinstanzen erkannt haben, insbesondere dann vor, soweit als (alternative) Voraussetzung für den Abruf ein Anerkenntnis der Beklagten oder ein von ihr (mit-)unterfertigtes Übernahmeprotokoll normiert wird. Es trifft zwar zu, wie die Revision geltend macht, dass nicht grundsätzlich jedem Werkbesteller Unredlichkeit unterstellt werden kann. Umgekehrt kann aber bei der – ex ante und nicht etwa ex post vorzunehmenden – Beurteilung, ob eine in einer Bankgarantie enthaltene Effektivklausel geeignet ist, dem Begünstigten den Zugang zur Sicherstellung zu verwehren, nicht schlechthin davon ausgegangen werden, die Garantieauftraggeberin werde sich unter allen Umständen (nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv) rechtmäßig verhalten. Der Werkunternehmer soll auch vor Zahlungsunwilligkeit geschützt werden (Kietaibl in Schwimann/Neumayr, ABGB-TaKom4 § 1170b Rz 13).
[33] 5.2. Es mag dem Werkunternehmer zwar prinzipiell möglich sein, ein Sachverständigengutachten über die Mängelfreiheit seines Gewerks auch ohne Befundaufnahme vor Ort – und damit ohne Mitwirkung des Werkbestellers – zu erlangen, etwa auf Grundlage einer von ihm bereits im Rahmen seiner Arbeiten erstellten Fotodokumentation (oder aufgrund des Befunds im Rahmen einer gerichtlichen Beweissicherung). Dennoch ist die der Klägerin in der Bankgarantie eingeräumte Möglichkeit, den Nachweis der mangelfreien und vollständigen Erbringung ihrer Arbeiten mittels Sachverständigengutachtens nachzuweisen, im vorliegenden Fall schon wegen der knappen Befristung der Garantie nur eine rein theoretische: Bei Ausstellung der Bankgarantie waren die Arbeiten der Klägerin nämlich noch keineswegs beendet; nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten (Revision S 23) waren sie damals rund zur Hälfte erbracht, sodass die Klägerin für die Fertigstellung jedenfalls noch etwa einen Monat benötigt hätte, die Arbeiten also – in Abhängigkeit von den Witterungsverhältnissen und auch vom (zwischen den Parteien strittigen) ordnungsgemäßen Abschluss sämtlicher notwendiger Vorarbeiten anderer Professionisten – allerfrühestens Ende Februar (wenn auch nicht, wie die Revision meint, am „31. 2.“) 2019 beenden hätte können. Die Beklagte steht zwar offenbar auf dem Standpunkt, die Klägerin hätte die Schlussrechnung „sofort“, also innerhalb weniger Tage legen müssen; allerdings wurde ihr im – von der Beklagten selbst vorgelegten – Werkvertrag (Punkt 10.1.3 der Beilage ./1) dafür eine Frist von immerhin 30 Tagen eingeräumt. Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, dass es der Klägerin möglich gewesen wäre, die Schlussrechnung innerhalb von 14 Tagen zu legen, hätte sie dies frühestens Mitte März 2019 tun können. Ab diesem Zeitpunkt lief aber eine Prüffrist von 30 Tagen, und erst nach weiteren 30 Tagen wäre die Zahlung fällig gewesen. Ex ante war also in Betracht zu ziehen, dass die Klägerin (frühestens, siehe oben) Mitte Mai 2019 Klarheit darüber gehabt hätte, dass die Beklagte allenfalls nicht bereit ist, die Schlussrechnung (zur Gänze) zu begleichen. In diesem Fall hätte sie aber auch im günstigsten Fall nur noch sechs Wochen Zeit gehabt, um einen Sachverständigen mit der Gutachtenserstattung zu beauftragen, dessen schriftliches Gutachten zu erhalten und dieses der Bank zu übermitteln. Angesichts der bei diesem Bauvorhaben bereits aufgetretenen Verzögerungen, die insbesondere dazu führten, dass die Klägerin mit ihren Arbeiten erst ca drei Wochen später als geplant beginnen und diese auch nicht in einem Zug abschließen konnte, war Ende Jänner 2019 allerdings nicht einmal zweifelsfrei davon auszugehen, dass die Arbeiten der Klägerin bis zum Ende der Garantiefrist überhaupt beendet sein würden. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang vorbringt, sie hätte die Bankgarantie erforderlichenfalls verlängert, ist ihr zu erwidern, dass sie dies der Klägerin nach der Aktenlage im Jänner 2019 nicht in irgendeiner Form verbindlich zugesagt hat.
[34] 5.3. Dass es nicht einmal innerhalb von fünf Monaten, geschweige denn in der der Klägerin, wie soeben dargelegt, in Wirklichkeit wesentlich kürzeren zur Verfügung stehenden Zeit, realistisch gewesen wäre, ein (strittiges) Urteil in einem Bauprozess zu erwirken, haben bereits die Vorinstanzen ausgeführt.
[35] 5.4. Im Hinblick darauf sind die Vorinstanzen zutreffend davon ausgegangen, dass die in der Bankgarantie enthaltenen Effektivklauseln diese Sicherheit völlig entwerteten, sodass sie nicht als taugliche Sicherstellung iSd § 1170b ABGB geeignet war. Schon aus diesem Grund ist die Klägerin aber berechtigt vom Vertrag zurückgetreten.
[36] 6. Darüber hinaus war die von der Beklagten übermittelte Bankgarantie aber auch deshalb nicht als Sicherstellung iSd § 1170b ABGB geeignet, weil sie der Höhe nach nicht der (berechtigten) Forderung der Klägerin entsprach:
[37] 6.1. Gemäß § 1170b Abs 1 ABGB ist die Sicherstellung zwar im Regelfall mit 20 % des vereinbarten Entgelts begrenzt; bei kurzfristig – innerhalb von drei Monaten – zu erfüllenden Verträgen beträgt die Obergrenze allerdings 40 %.
[38] 6.2. Ob diese Frist von drei Monaten mit Vertragsabschluss zu laufen beginnt oder aber mit Arbeitsbeginn, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Aufschluss über die Intention des Gesetzgebers geben allerdings – wie die Beklagte in ihrer Revision selbst aufzeigt – die Materialien (ErläutRV 1058 BlgNR 22. GP 72): Demnach erklären sich die unterschiedlichen Schwellen daraus, dass bei innerhalb von drei Monaten zu erfüllenden Verträgen die Abrechnung des Werks nach der Vollendung von Teilen nicht praktisch und auch nicht praktikabel sei; den insoweit höheren Insolvenzrisiken solcher Unternehmer solle durch eine höhere Schwelle Rechnung getragen werden.
[39] 6.3. Ausgehend von diesem Gesetzeszweck kann aber kein Zweifel daran bestehen, dass sich die Frist von drei Monaten nicht auf die Zeit zwischen Vertragsabschluss und (geplantem) Termin für die Beendigung der Arbeiten beziehen kann, sondern nur auf die veranschlagte Dauer der Arbeiten selbst, unabhängig davon, wie lange nach Vertragsabschluss sie begonnen werden. Da für die Arbeiten der Klägerin ein Zeitraum von bloß zwei Monaten vorgesehen war, steht ihr also eine Sicherstellung in Höhe von 40 % zu. Dass sich die Arbeitsdauer in der Folge (massiv) verzögerte, kann daran nichts ändern, weil die Sicherstellung nach § 1170b ABGB bereits ab Vertragsabschluss zusteht und der relevante Prozentsatz nicht dadurch nachträglich verändert werden kann, dass sich – aus welchen Gründen auch immer – die Fertigstellung des betreffenden Gewerks verzögert.
[40] 7. Da der Klägerin also die von ihr begehrte Sicherstellung sowohl dem Grunde als auch im verlangten Ausmaß zustand, bedarf es hier keiner Klärung der Frage, welche Rechtsfolge es hat, wenn der Werkunternehmer eine objektiv überhöhte Sicherstellung iSd § 1170b ABGB fordert.
[41] 8. Die Revision muss daher erfolglos bleiben.
[42] Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Textnummer
E129744European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2022:E129744Im RIS seit
19.11.2020Zuletzt aktualisiert am
03.02.2022