TE Vfgh Erkenntnis 1995/11/27 A16/94

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Veröffentlicht am 27.11.1995
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art137 / sonstige Klagen
VStG §50 Abs7
VfGG §41

Leitsatz

Abweisung einer Klage auf Rückerstattung einer mit Organstrafverfügung verhängten, nach Ablauf der zweiwöchigen Zahlungsfrist eingezahlten Geldstrafe

Spruch

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Organstrafverfügung vom 8. September 1992 wurde gegen den Kläger wegen Übertretung des §4 des Wiener Parkometergesetzes, LGBl. Nr. 47/1974 idgF, eine Geldstrafe in Höhe von S 200,-- verhängt, da er sein Kraftfahrzeug in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt habe, ohne einen Parkschein auszufüllen.

Diesen Betrag hat der Kläger am 23. September 1992 eingezahlt.

1.2. Mit Schreiben vom 23. Dezember 1993 stellte der Kläger beim Magistrat der Stadt Wien den Antrag, die von ihm seiner Ansicht nach rechtsgrundlos bezahlte Geldstrafe rückzuüberweisen. Nachdem seitens des Magistrats keine Reaktion erfolgte, forderte der Kläger am 8. September 1994 unter Fristsetzung von 14 Tagen erneut die Rücküberweisung des überwiesenen Geldbetrages. Am 28. September 1994 erhob er schließlich Klage an den Verfassungsgerichtshof.

1.3. Das Land Wien als beklagte Partei hat - vertreten durch die Magistratsabteilung 4 der Stadt Wien - die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der es beantragt, die Klage kostenpflichtig abzuweisen. Begründend wird im wesentlichen ausgeführt:

"Das Verwaltungsstrafgesetz 1950, i.d.F. BGBl. Nr. 172/1950, §50 Abs1 ermächtigte die Behörde, Geldstrafen bis S 20,- in einem einheitlichen, im vornhinein festzusetzenden Betrag sofort einzuheben. Nachdrücklich normierte Abs3, letzter Satz, leg.cit., daß gegen die Organstrafverfügung (und deren notwendige, gleichzeitige Bezahlung) kein Rechtsmittel zulässig ist. Gemäß Abs4 leg.cit. war ein Zwang zur Einbringung der vom Amtsorgan auferlegten Strafe unzulässig. Die persönliche Anwesenheit des Beanstandeten, die ein derartiges Vorgehen überhaupt erst ermöglicht und die Verpflichtung zur 'sofortigen Einhebung der Geldstrafe', erübrigte Regelungen über eine Zahlung zu einem späteren Zeitpunkt.

Mit Novelle BGBl. Nr. 275/1971 zum Verwaltungsstrafgesetz 1950 wurde das Instrument der Organstrafverfügung in der heutigen Form eingeführt. Diese Regelung war notwendig, weil insbesondere bei Übertretung von Normen des ruhenden Verkehrs der Täter in den meisten Fällen nicht an Ort und Stelle angetroffen wird. Dem nicht angetroffenen Täter (in der Praxis: dem Parksünder) sollte es ermöglicht werden, den mit Organstrafverfügung verhängten Betrag binnen zwei Wochen mit einem computergerecht gestalteten Erlagschein einzuzahlen.

Erfolgte keine termingerechte Zahlung, galt dies als Verweigerung der Zahlung und war die Anzeige an die Behörde zu erstatten. Gemäß Abs7 leg.cit. war der Strafbetrag zurückzuzahlen, sofern das Verfahren eingestellt oder eine Ermahnung erteilt wurde oder er war auf eine allfällige Geldstrafe oder Nebenkosten anzurechnen.

Die zitierte Bestimmung wurde vereinfacht und lautet im Verwaltungsstrafgesetz 1991 nunmehr:

'(7) Wird der Strafbetrag nach Ablauf der in Abs6 bezeichneten Frist oder nicht mittels Beleges (Abs2) bezahlt und weist der Beschuldigte die Zahlung im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens nach, so ist der Strafbetrag zurückzuzahlen oder anzurechnen.'

Die historische Entwicklung des Instruments der Organstrafverfügung wurde deshalb dargestellt, weil aus ihr der Wille des Gesetzgebers klar erkennbar ist, den Notwendigkeiten einer bargeldlosen Organstrafverfügung Rechnung zu tragen. Klar ersichtlich ist dabei auch die Absicht des Gesetzgebers, ein Verwaltungsstrafverfahren nur dann zu initiieren, wenn keine Zahlung des Strafbetrages erfolgt. Selbstverständlich war der Gesetzgeber dabei gezwungen, ein verbindliches Zahlungsziel zu normieren, um Verzögerungen des Verwaltungsstrafverfahrens - mit Eintritt von Säumnisfolgen - zu verhindern. Gleichzeitig hat er aber die Regelung des (jetzigen) Abs7 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 getroffen, derzufolge eine Rückzahlung oder Anrechnung nur für den Fall der Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens zum Tragen kommt. Daraus folgt aber auch, daß der Zeitraum zwischen Ablauf der zweiwöchigen Zahlungsfrist und der tatsächlichen Erstattung der Anzeige, die freilich erst nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist erfolgen kann, einen Bereich bildet, in dem die verspätete Zahlung, wie die rechtzeitige Zahlung, eine die Verwaltungsübertretung endgültig beendende Wirkung entfacht. Erfolgt die Verbuchung der (verspäteten) Zahlung aber erst nach Erstattung der Anzeige, so ist - und nur dann - entsprechend der zitierten Gesetzesstelle vorzugehen.

Eine Vorgangsweise derart, daß bei jeder, auch geringfügigen Überschreitung der zweiwöchigen Zahlungsfrist ein Verwaltungsstrafverfahren zu führen ist, ist denkmöglich, wäre aber gegenüber den Überlegungen des Gesetzgebers, der mit der Organstrafverfügung ein Instrument schaffen wollte, Verwaltungsübertretungen im kürzesten Wege zu ahnden, kontraproduktiv."

1.4. Der Kläger hat auf die Gegenschrift der beklagten Partei mit einer Äußerung geantwortet, in der er im wesentlichen folgendes ausführt:

"Der Verwaltungsstrafbehörde steht nach Ausstellung einer Organstrafverfügung kein Ermessen zu, ob bei Außerkrafttreten der Verfügung die Anzeige erstattet wird oder nicht. Durch die verspätete Einzahlung von Organstrafverfügungen werden diese ohne Rücksicht auf die Ursache der verspäteten Einzahlung gegenstandslos (stRsp; z.B. VwGH 13.2.1985, 85/18/0030) und die Behörde hat das Strafverfahren gegen den Täter weiterzuführen (§50 Abs6 VStG; Walter-Mayer, Verwaltungsverfahren3, 297).

Die in der Gegenschrift aufgezeigte Vorgangsweise des Landes Wien, Zuwarten auch nach Ablauf der Zahlungsfrist des §50 Abs6 VStG, um sich Verfahrensaufwand zu ersparen, ist rechtswidrig.

Der Gesetzgeber geht erkennbar davon aus, daß einerseits bei verspäteter Zahlung zwingend das Verwaltungsstrafverfahren weiterzuführen und andererseits bei Nachweis der verspäteten Zahlung der Betrag zurückzuzahlen ist.

...

Die Organstrafverfügung existiert nicht im rechtsfreien Raum. Bereits mit ihrer Ausstellung beginnt ein Verwaltungsstrafverfahren, das entweder durch fristgerechte Zahlung endet oder durch Erstattung der Anzeige in ein Verfahren gegen eine bestimmte Person übergeführt wird.

Mein Rückzahlungsantrag vom 23.12.1993 zum Strafmandat 4855196 erfolgte sohin im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens im Sinne des §50 Abs7 VStG.

... Die zu enge Auslegung der Beklagten führt zwingend zur analogen Anwendung des §50 Abs7 VStG. Es ist kein Grund ersichtlich, warum zwar eine Rückzahlung erfolgen sollte, wenn ein Verfahren gegen eine bestimmte Person geführt wird, nicht aber, wenn ein solches unterbleibt.

Durch das Außerkrafttreten der Organstrafverfügung fehlt in jedem Falle der Rechtsgrund, die Zahlung einzubehalten. Die Interessenslage ist daher völlig gleich, wenn keine Anzeige erstattet wird."

2. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (vgl. VfSlg. 8666/1979, 8812/1980, VfGH 16.12.1994 A1/94) - Klage erwogen:

Die beklagte Partei vertritt unter Berufung auf die historische Entwicklung des Instruments der Organstrafverfügung die Auffassung, daß der Zeitraum zwischen Ablauf der zweiwöchigen Zahlungsfrist und der tatsächlichen Erstattung der Anzeige einen Bereich bildet, in dem eine erst nach Ablauf dieser Frist geleistete Zahlung eine die Verwaltungsübertretung (gemeint offenkundig: das Verwaltungsstrafverfahren) beendende Wirkung entfaltet. Die klagende Partei vertritt die Auffassung, daß eine verspätete Zahlung im Hinblick auf das Außerkrafttreten der Organstrafverfügung und das Fehlen eines Rechtsgrundes rückzuleisten sei. Beide Prozeßparteien berufen sich zur Stützung ihrer Rechtsansicht auf §50 Abs7 VStG. Diese Bestimmung lautet:

"(7) Wird der Strafbetrag nach Ablauf der in Abs6 bezeichneten Frist oder nicht mittels Beleges (Abs2) bezahlt und weist der Beschuldigte die Zahlung im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens nach, so ist der Strafbetrag zurückzuzahlen oder anzurechnen."

Aus dieser Bestimmung ergibt sich einerseits, daß eine nach Ablauf der in Abs6 bezeichneten Frist geleistete Zahlung auf eine im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens verhängte Strafe anzurechnen ist oder, wenn ein eingeleitetes Verwaltungsstrafverfahren ohne Verhängung einer Verwaltungsstrafe endet, der erst nach Ablauf der Frist gezahlte Betrag rückzuleisten ist. Eine Rückleistung hat aber dann nicht zu erfolgen, wenn sich die Behörde mit der wenn auch verspätet eingelangten Bezahlung der Organstrafverfügung begnügt.

Die Klage war daher abzuweisen.

3. Kosten waren nicht zuzusprechen, weil das obsiegende Land zwar den Ersatz der Prozeßkosten begehrt, diese aber nicht ziffernmäßig verzeichnet hat (vgl. zB VfSlg. 10161/1984, 10986/1986, 11939/1988).

4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.

Schlagworte

VfGH / Klagen, Verwaltungsstrafrecht, Strafverfügung, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:A16.1994

Dokumentnummer

JFT_10048873_94A00016_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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