TE OGH 2020/9/28 8Ob67/20s

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Veröffentlicht am 28.09.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A*****, vertreten durch Auer Bodingbauer Leitner Stöglehner Rechtsanwälte OG in Linz, gegen die beklagte Partei Gemeinde L*****, vertreten durch Dr. Gerhard Haslbauer, Rechtsanwalt in Laakirchen, wegen 30.421,15 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 7.947,44 EUR) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 27. Mai 2020, GZ 4 R 24/20g-91, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Ein Abzug „neu für alt“ ist nach herrschender Lehre und Rechtsprechung nicht von Amts wegen vorzunehmen. Der Schädiger trägt die Behauptungs- und Beweislast in Bezug auf eine mit der notwendigen Reparatur verbundenen Werterhöhung der Sache (RIS-Justiz RS0022849 [T3]). Ob die beklagte Partei im konkreten Fall den entsprechenden Einwand ausreichend deutlich erhoben hat, ist eine Frage des Einzelfalls, die – von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO bildet (9 Ob 415/97p). Eine solche Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz liegt hier nicht vor.

1.2 Nach Ansicht des Berufungsgerichts beschränkte sich das Vorbringen der Beklagten in der „Klagebeantwortung“, der Kläger habe sich für allfällig erbrachte Tischlereiarbeiten nach dem Grundsatz „neu für alt“ Vorteile der neuen Einrichtung anrechnen zu lassen, es werde zu hinterfragen sein, wie alt die angeblich beschädigten Gegenstände gewesen seien, nicht auf „Tischlerarbeiten und auf Vorteile der neuen Einrichtung“. Dafür spricht, dass in der Mahnklage selbst nicht zwischen Tischlerarbeiten, Einrichtungsgegenständen und sonstigen Reparaturen differenziert wurde. Vielmehr wurden die einzelnen Schadenspositionen – abgesehen von diversem Material – nur den Rechnungsausstellern (wie „T*****“, „H*****“ etc) bzw der Position Eigenleistungen zugeordnet, ohne dass die verrichteten Arbeiten beschrieben worden wären. Da im Hinblick darauf ein präziseres Bestreitungsvorbringen nicht zu erwarten war, ist die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, der Einwand der Beklagten habe sich auf sämtliche geltend gemachte Positionen bezogen, nicht zu beanstanden.

2.1 Im Rahmen des Schadenersatzrechts ist stets eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten (RS0030206). Bei Erneuerung von Sachbestandteilen ist folgendermaßen zu unterscheiden: Werden Teile einer Sache erneuert, die ohne Beschädigung vor dem natürlichen Zugrundegehen bzw Unbrauchbarwerden der Sache nicht hätten erneuert werden müssen und erfährt die alte Sache in ihrer Gesamtheit keine Werterhöhung, so hat der Haftende im Rahmen der Tunlichkeit einer Reparatur die gesamten Reparaturkosten zu ersetzen. Werden hingegen Teile einer Sache erneuert, die ohne Beschädigung vor dem Zugrundegehen bzw vor dem Unbrauchbarwerden der Sache ohnehin hätten erneuert werden müssen, so führt eine Erneuerung der Teile unter Tragung der Gesamtkosten durch den Schädiger dann zu einer Bereicherung des Geschädigten, wenn die Sache auch insgesamt keine Wertsteigerung erfährt, wie dies etwa bei Häusern, Installationen etc der Fall ist (RS0030206 [T1]).

Haben zerstörte Teile auf den gesamten Wert eines Hauses keinen maßgebenden Einfluss, dann hat der Eigentümer nur Anspruch auf den nach ihrer Lebensdauer ermittelten Zeitwert der beschädigten Zubehörteile, nicht aber auf Ersatz der vollen Reparaturkosten (4 Ob 525/90). Um eine Bereicherung des Geschädigten zu vermeiden, sind ihm somit nur aliquote Anteile der Erneuerungskosten zu ersetzen. Dabei sind in erster Linie die Restlebensdauer, die der beschädigte Sachteil gehabt hätte, und die Lebensdauer, die der erneuerte Sachteil haben wird, in Beziehung zu setzen (5 Ob 292/05k mwN).

Die Beurteilung, ob ein Abzug „neu für alt“ entsprechend einer verhältnismäßigen Abnützungsquote gerechtfertigt ist, bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls (vgl RS0030246 [T9]).

2.2 In Einklang mit dieser Rechtsprechung haben die Vorinstanzen dem zugesprochenen Schadenersatzbetrag die festgestellten „Zeitwerte“ der durch das Schadensereignis im Jahr 2016 beschädigten Teile des Hauses des Klägers und nicht die begehrten Reparaturkosten zugrunde gelegt.

2.3 Dem hält der Kläger entgegen, dass bei den im Revisionsverfahren noch strittigen Positionen ein wirtschaftlicher Vorteil für ihn nicht auf der Hand liege und nicht festgestellt sei.

Das Erstgericht hat aber – unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Ausführungen des Gerichtssachverständigen – sehr wohl festgestellt, dass „bei den Positionen Verputzarbeiten, bei der Gipskartondecke und den Malerarbeiten jeweils aufgrund des verlängerten Nutzwertes der Zeitwert zu berücksichtigen [ist], wobei daher bei den Verputzarbeiten ein Abschlag [...] auf brutto 1.167,27 EUR, bei der Gipskartondecke ein Abschlag [...] auf brutto 584,95 EUR und den Malerarbeiten [...] auf brutto 208,54 EUR vorzunehmen ist“. Weiters steht fest, dass bei der Erneuerung von neun Türstöcken sowie der Holzverkleidung der Brandschutztür „der Zeitwert für die neuen Türen zu berücksichtigen [ist] (Alter der Türen zum Schadenszeitpunkt: 32 Jahre bei Nutzungsdauer 60 Jahre), weshalb eine Kürzung [...] auf 3.240,16 EUR vorzunehmen ist.

[…] Aufgrund des Alters [des beschädigten Stiegenhausfensters] beträgt der Zeitwert hierfür 20 %, sohin 132,25 EUR.“

2.4 Der Kläger weckt keine Bedenken an der Annahme des Berufungsgerichts, das Erstgericht habe damit „implizit und unmissverständlich“ Feststellungen zum verlängerten Nutzwert getroffen. Dass der Kläger selbst den Feststellungen dieses Verständnis beigemessen hat, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass er die den Abschlägen jeweils innewohnende Nutzungsdauer (von 70 Jahren für den Verputz, 60 Jahren für die Türen etc) in der Berufung mit Tatsachenrüge (erfolglos) bekämpft hat. Dabei ist er von einer 100-jährigen Nutzungsdauer für Einfamilienhäuser ausgegangen, woraus sich zwangsläufig ergibt, dass alle beschädigten Teile eine wesentlich geringere Nutzungsdauer hatten, als das gesamte Haus, und (nach Ablauf der Nutzungsdauer) auch ohne das Schadensereignis hätten erneuert werden müssen.

3. Letztlich meint der Kläger, er hätte, da er zum Schadenszeitpunkt im 70sten Lebensjahr gestanden sei, als Eigentümer überhaupt keinen relevanten wirtschaftlichen Vorteil durch die Erneuerung von Teilen des Hauses gehabt. Nach der bereits zitierten Rechtsprechung kommt es aber in erster Linie auf die (Rest-)Lebensdauer der beschädigten und der erneuerten Sache und nicht auf die „Restlebenszeit“ des Klägers an. Aus der – die konkreten Besonderheiten des Einzelfalls betonenden – Entscheidung 2 Ob 234/05h ergibt sich nichts anderes: Ein wirtschaftlicher Vorteil für die dortige Klägerin lag nicht auf der Hand, weil die beschädigte (bereits 100 Jahre alte) Gewölbedecke noch einer Nutzung über einen Zeitraum von weiteren 100 Jahren standgehalten hätte und aufgrund des Erhaltungszustands besondere Reparaturmaßnahmen (und damit der Klägerin als Eigentümerin zur Last fallende Aufwendungen) nicht zu erwarten waren. Dass der Oberste Gerichtshof – so wie das dortige Berufungsgericht – dem Umstand, dass die Klägerin „bereits betagt“ war, besondere Bedeutung zugemessen hätte, ist im Hinblick auf eine – die durchschnittliche Lebenserwartung in jedem Fall übersteigende – Restnutzungsdauer von 100 Jahren indes nicht erkennbar.

4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

Textnummer

E129752

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0080OB00067.20S.0928.000

Im RIS seit

19.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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