TE OGH 2020/9/29 9ObA81/20g

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Veröffentlicht am 29.09.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und Hon.-Prof. Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Klaus Oblasser (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** P*****, vertreten durch Dr. Franz Xaver Berndorfer, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch die Trummer & Thomas Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 135.000 EUR brutto sA (Revisionsinteresse: 67.500 EUR sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Juli 2020, GZ 12 Ra 39/20x-20, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Oberste Gerichtshof hat im Vorverfahren mit Urteil vom 25. 6. 2019, 9 ObA 53/18m, ausgesprochen, dass das zwischen den Streitteilen bestehende Dienstverhältnis über den 30. 9. 2016 hinaus bis zum 30. 6. 2017 aufrecht fortbestanden hat und die Beklagte dem Kläger für alle zukünftigen Schäden haftet, die ihm durch die Kündigung vom 16. 12. 2016 entstehen. Der Ausspruch jener (Eventual-)Kündigung war fristwidrig erfolgt.

Im vorliegenden Verfahren macht der Kläger mit seiner am 31. 1. 2018 eingebrachten Klage Entschädigungsansprüche für den Zeitraum Juli bis Dezember 2017 (Kündigungsentschädigung) geltend. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren teilweise, dh hinsichtlich des Zeitraums Juli bis September 2017, als verfristet (§ 34 AngG) ab. Der Präklusionseinwand der Beklagten sei auch nicht sittenwidrig.

Rechtliche Beurteilung

In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

1. Der Kläger argumentiert zunächst für einen späteren Beginn der Präklusivfrist des § 34 AngG: Ansprüche nach § 29 AngG hätten Entschädigungscharakter. Die Verjährung könne erst in dem Zeitpunkt zu laufen beginnen, in dem dem „Beschädigten“ Schaden und Schädiger bekannt würden. Die maßgeblichen Umstände stünden erst seit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Vorverfahren fest. Eine Prognose darüber wäre bei der Komplexität des Sachverhalts und der Rechtslage unzumutbar gewesen. Die Feststellung des Obersten Gerichtshofs stelle zudem auf einen künftigen Schaden ab. Dieser sei aber erst ab Ende Juli (Nicht-Erhalten des Juli-Gehalts 2017) eingetreten. Der Gesetzestext von § 29 Abs 1 und 2 AngG sei widersprüchlich. Auch sei unklar, ob die Ansprüche nach § 29 AngG erst mit entsprechender Forderung durch den Arbeitnehmer („kann der Angestellte ...“) oder per se fällig zum Beendigungstermin fällig würden.

Diesen Erwägungen stehen die Bestimmungen der §§ 29, 34 AngG und die dazu ergangene ständige Rechtsprechung entgegen:

Eine zeitwidrige Kündigung löst das Arbeitsverhältnis zum verfehlten Kündigungstermin auf. Es treten die Rechtsfolgen des § 29 AngG ein (RS0028223 ua).

Unstrittig ist § 29 Abs 2 S 1 AngG dahin zu verstehen, dass der Angestellte Ersatzansprüche für das ganze, einen Zeitraum von drei Monaten nicht übersteigende Entgelt ohne Abzug sofort, den Rest zur vereinbarten oder gesetzlichen Zeit fordern kann (arg „soweit“; s nur Kuras in Marhold/Burgstaller, AngG § 29 Rz 74). Für solche Ersatzansprüche gilt die sechsmonatige Verfallsfrist des § 34 AngG.

Zu deren Beginn ist es ständige Rechtsprechung, dass bei Ansprüchen, die erst nach der Auflösung des Dienstverhältnisses fällig werden, der Lauf der Ausschlussfrist des § 34 AngG erst mit dem Tag der Fälligkeit beginnt (RS0029690; RS0028739). Das ist bei Ansprüchen nach § 29 AngG, die – wie hier – sofort gefordert werden können, der Ablauf des Tages der Beendigung des Dienstverhältnisses (s schon RS0028739 [T1]). Die Bestimmung des § 29 Abs 2 AngG ist dagegen nicht dahin zu verstehen, dass die Fälligkeit nach dem Gutdünken des Arbeitnehmers auch zu einem späteren Zeitpunkt herbeigeführt werden könnte. Die Sechs-Monatsfrist beginnt vielmehr nach Ablauf des Tages, an dem der Anspruch erhoben werden konnte (RS0029690 [T2]). Das entspricht auch dem Grundsatz, dass die Fälligkeit und damit der Beginn der Verjährung einer Forderung nicht willkürlich durch Verzögerung hinauszuschieben sein sollen (vgl RS0021821 [T19] zum Beginn der Verjährung mit objektiver Möglichkeit der Rechnungslegung).

Auch die Komplexität der Sach- und Rechtslage steht hier der Möglichkeit der Geltendmachung der Klagsansprüche nicht entgegen: Nach der Rechtsprechung unterbricht eine Klage auf Feststellung des aufrechten Bestands des Arbeitsverhältnisses die Verjährung und den Verfall nur hinsichtlich des geltend gemachten Rechtsverhältnisses und der daraus abgeleiteten Ansprüche, nicht aber auch hinsichtlich der aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgeleiteten Ansprüche. Zur Verhinderung ihrer Verjährung bzw ihres Verfalls ist daher ein Eventualbegehren zu erheben (RS0118906). Wenngleich der Anspruch auf Kündigungsentschädigung für die ersten drei Monate im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz im Vorverfahren (11. 7. 2017) bereits fällig war, hat der Kläger ein solches Eventualbegehren nicht erhoben.

Entgegen dem Revisionsvorbringen kommt ein späterer Beginn des Fristenlaufs danach nicht in Betracht.

2. Nach der Rechtsprechung verstößt die Erhebung der Verjährungseinrede gegen die guten Sitten, wenn aus einem auch im eigenen Interesse gelegenen Zuwarten des Gegners mit kostenintensiver Prozessführung bis zur Beendigung eines präjudiziellen Rechtsstreits Anspruchsverjährung abgeleitet wird (RS0034537 [T7]); weiters auch ein Verhalten des Schuldners, aufgrund dessen der Gläubiger nach objektiven Maßstäben der Auffassung sein konnte, sein Anspruch werde entweder ohne Rechtsstreit befriedigt oder nur mit sachlichen Einwendungen bekämpft, sodass er aus diesen Gründen eine rechtzeitige Klagsführung unterlassen hat (RS0034537 [T8, T9]). Derartiges liegt hier nicht vor (s den bereits im Vorverfahren erhobenen Verfallseinwand der Beklagten, ON 35 S 13).

3. Die weiteren Erwägungen des Klägers zielen darauf ab, dass die Eventualkündigung erst wirksam werden sollte, wenn eine frühere Aufkündigung keinen Erfolg haben sollte. Diese Bedingung sei erst durch die endgültige Abklärung der Wirksamkeit der früheren Kündigung durch den Obersten Gerichtshof eingetreten. Dies könnte aber nichts daran ändern, dass diese Kündigung, mag sie auch nur für den Fall der Unwirksamkeit der vorangegangenen Kündigungen erklärt worden sein, mit Wirkung zum Kündigungstermin 30. 6. 2017 ausgesprochen worden war.

4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

Textnummer

E129760

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:009OBA00081.20G.0929.000

Im RIS seit

19.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.11.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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