Entscheidungsdatum
19.07.2020Norm
AsylG 2005 §18 Abs1Spruch
W228 2168017-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX 1998, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, hat sein Heimatland verlassen, ist illegal in das Bundesgebiet eingereist und hat am 31.07.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
In der am 31.07.2015 durchgeführten Erstbefragung führte der Beschwerdeführer aus, dass er Afghanistan vor drei Jahren verlassen habe, weil er im Iran arbeiten habe wollen. Ca. vier Monate vor seiner Flucht nach Europa sei er nach Afghanistan abgeschoben worden. Er habe nicht in sein Heimatdorf zurückkehren könne, weil dort die Sicherheitslage schlecht sei. Im Iran habe er keine Aufenthaltspapiere gehabt und sei deshalb nach Österreich gekommen. Er könne nicht nach Afghanistan zurückkehren, da er keine Arbeit finden würde und seit ca. einem Jahr keinen Kontakt zu seiner Familie habe.
Aus dem Gutachten zur Altersfeststellung des Beschwerdeführers vom 03.12.2015 ergibt sich als spätestmögliches Geburtsdatum des Beschwerdeführers der XXXX 1998.
Der Beschwerdeführer wurde am 17.07.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er aus der Provinz Ghazni stamme. Sein Vater sei vor fünf Monaten bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Die Mutter und die Geschwister des Beschwerdeführers würden nach wie vor im Heimatdorf leben. Zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer aus, dass er für einen Arbaki-Kommandanten ( XXXX ) in der Provinz Uruzgan gearbeitet habe. Nach dem ersten Monat sei der Beschwerdeführer nicht wie vereinbart bezahlt worden. Daraufhin sei er mit dem Gewehr des Kommandanten nach Jaghuri gefahren, wo ein Freund des Beschwerdeführers das Gewehr verkauft habe, damit der Beschwerdeführer zu Geld komme. Der Freund habe auch Arbeit für den Beschwerdeführer gefunden. Der Beschwerdeführer habe Sachen transportieren sollen. Er wisse nicht, was er transportiert habe, ob es christliche Bücher gewesen seien. Aber eines Tages hätten die Leute ihn gefragt, ob er zum Christentum übergetreten sei. Der Vater des Beschwerdeführers habe dann entschieden, dass der Beschwerdeführer ausreisen solle. Befragt, was er im Falle einer Rückkehr zu befürchten hätte, gab er an, dass er das Gewehr mitgenommen und verkauft habe und deshalb Schwierigkeiten mit dem Kommandanten bekommen könnte.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 19.07.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).
In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seinem Fluchtgrund, zur Situation im Falle seiner Rückkehr und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers habe nicht festgestellt werden können. Dem Beschwerdeführer sei jedoch subsidiärer Schutz zu gewähren, zumal die Sicherheitslage in der Provinz Ghazni volatil sei und er in anderen Provinzen über keine familiären Anknüpfungspunkte verfüge.
Gegen Spruchpunkt I. des verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheides wurde mit Schreiben der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 10.08.2017 Beschwerde erhoben. Darin wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer Afghanistan aus Furcht vor Verfolgung durch XXXX verlassen habe, da er Streitigkeiten mit jenem gehabt und schließlich dessen Waffe gestohlen habe. Der Beschwerdeführer befürchte Verfolgungsmaßnahmen einerseits durch XXXX , andererseits durch die Dorfbevölkerung, da er ohne sein Wissen christliche Bücher verteilt habe und würde ihm daher Verfolgung aus religiösen Gründen drohen.
Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 18.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Am 31.07.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Lehrvertrag betreffend den Beschwerdeführer ein.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 22.01.2020 dem Beschwerdeführer das Merkblatt des BFA betreffend Asylwerber-Lehrlinge und deren Lehrberechtigte übermittelt.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde in der gegenständlichen Rechtssache am 22.06.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertretung, sowie eines Dolmetschers für die Sprache Farsi durchgeführt. Die belangte Behörde entschuldigte ihr Fernbleiben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans und ist am XXXX 1998 im Distrikt Malestan, Provinz Ghazni, geboren. Er wuchs mit seinen Geschwistern in seinem Elternhaus in seinem Heimatdorf auf. Der Beschwerdeführer hat lediglich drei Winter lang eine Koranschule besucht und verfügt über keine sonstige Ausbildung. Ab und zu hat er seinem Vater, der als Bauarbeiter tätig war, bei der Arbeit geholfen. Von 2012 bis 2015 hat sich der Beschwerdeführer im Iran aufgehalten und hat dort gearbeitet. Nach drei Jahren Aufenthalt im Iran wurde er nach Afghanistan abgeschoben, hat Afghanistan allerdings gleich wieder verlassen und ist in den Iran zurückgekehrt. Er hat sich in weiterer Folge noch ca. zweieinhalb Monate im Iran aufgehalten bevor er nach Europa gereist ist.
Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Die Mutter und die Geschwister des Beschwerdeführers leben nach wie vor im Heimatdorf in Afghanistan.
Der Beschwerdeführer ist Hazara, ist schiitischer Moslem und spricht Dari sowie Farsi.
Der Beschwerdeführer ist ledig. Er ist gesund und arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer ist illegal spätestens 31.07.2015 in das Bundesgebiet eingereist. Ein Onkel des Beschwerdeführers lebt in Österreich. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer war in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung weder durch XXXX noch durch die Dorfbevölkerung ausgesetzt. Es wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan keine konkrete individuelle Verfolgungsgefahr droht.
Zur Situation im Herkunftsland Afghanistan wird Folgendes festgestellt:
XXXX
Bei XXXX handelt es sich um einen bekannten ehemaligen Kommandanten der ALP (Afghan Local Police) aus Malestan, der die ALP-Truppen in Khas Uruzgan angeführt hat. Bevor er im Jahr 2011 Kommandant der ALP wurde, war XXXX Mitglied der Afghan Security Guards und hat für die US Special Forces gearbeitet. Er wird einer Vielzahl an Tötungen und Misshandlungen gegenüber der lokalen paschtunischen Bevölkerung beschuldigt, sowohl während der Zeit, als er für die US Special Forces gearbeitet hat, als auch während seiner Zeit als Kommandant der ALP. Als Kommandant der ALP führte XXXX eine Vielzahl bewaffneter Männer (Söldner) an.
Hazara
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 9 bis 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt; der Hazaradjat [zentrales Hochland] umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz (Maidan) Wardak sowie Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul. Jahrzehntelange Kriege und schwierige Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Hazara leben hauptsächlich in den zentralen und westlichen Provinzen sowie in Kabul.
Die Stadt Kabul ist in den letzten Jahrzehnten rasant gewachsen und ethnisch gesehen vielfältig. Neuankömmlinge aus den Provinzen tendieren dazu, sich in Gegenden niederzulassen, wo sie ein gewisses Maß an Unterstützung ihrer Gemeinschaft erwarten können (sofern sie solche Kontakte haben) oder sich in jenem Stadtteil niederzulassen, der für sie am praktischen sie ist, da viele von ihnen - zumindest anfangs - regelmäßig zurück in ihre Heimatprovinzen pendeln. Die Auswirkungen neuer Bewohner auf die Stadt sind schwer zu evaluieren. Bewohner der zentralen Stadtbereiche neigen zu öfteren Wohnortwechseln, um näher bei ihrer Arbeitsstätte zu wohnen oder um wirtschaftlichen Möglichkeiten und sicherheitsrelevanten Trends zu folgen. Diese ständigen Wohnortwechsel haben einen störenden Effekt auf soziale Netzwerke, was sich oftmals in der Beschwerde bemerkbar macht "man kenne seine Nachbarn nicht mehr". Viele Hazara leben unter anderem in Stadtvierteln im Westen der Stadt, insbesondere in Kart-e Se, Dasht-e Barchi sowie in den Stadtteilen Kart-e Chahar, Deh Buri, Afshar und Kart-e Mamurin.
Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild. Ethnische Hazara sind mehrheitlich Zwölfer-Schiiten, auch bekannt als Jafari Schiiten. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradjat lebt, ist ismailitisch. Ismailische Muslime, die vor allem, aber nicht ausschließlich, Hazara sind, leben hauptsächlich in Kabul sowie den zentralen und nördlichen Provinzen Afghanistans.
Die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, hat sich grundsätzlich verbessert und Hazara bekleiden inzwischen auch prominente Stellen in der Regierung und im öffentlichen Leben, sind jedoch in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert. Hazara werden am Arbeitsmarkt diskriminiert. Soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara, basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten, finden ihre Fortsetzung in Erpressung (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Inhaftierung. Nichtsdestotrotz, genießt die traditionell marginalisierte schiitische muslimische Minderheit, zu der die meisten ethnischen Hazara gehören, seit 2001 eine zunehmende politische Repräsentation und Beteiligung an nationalen Institutionen.
Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Kernfamilie bzw. dem Klan. Sollte der Haushaltsvorstehende Mann versterben, wird die Witwe Haushaltsvorständin, bis der älteste Sohn volljährig ist (MRG o.D.c). Es bestehen keine sozialen und politischen Stammesstrukturen.
Hazara neigen sowohl in ihren sozialen, als auch politischen Ansichten dazu, liberal zu sein, was im Gegensatz zu den Ansichten sunnitischer Militanter steht. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen führen weiterhin zu Konflikten und Tötungen. Berichten zufolge halten Angriffe durch den ISKP und andere aufständische Gruppierungen auf spezifische religiöse und ethno-religiöse Gruppen - inklusive der schiitischen Hazara - an.
Während des Jahres 2018 intensivierte der IS Angriffe gegen die Hazara. Angriffe gegen Schiiten, davon vorwiegend gegen Hazara, forderten im Zeitraum 1.1.2018 bis 30.9.2018 211 Todesopfer. Das von schiitischen Hazara bewohnte Gebiet Dasht-e Barchi in Westkabul ist immer wieder Ziel von Angriffen. Die Regierung hat Pläne zur Verstärkung der Präsenz der afghanischen Sicherheitskräfte verlautbart. Angriffe werden auch als Vergeltung gegen mutmaßliche schiitische Unterstützung der iranischen Aktivitäten in Syrien durchgeführt.
In Randgebieten des Hazaradjat kommt es immer wieder zu Spannungen und teilweise gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Nomaden und sesshaften Landwirten, oftmals Hazara.
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert. NGOs berichten, dass Polizeibeamte, die der Hazara-Gemeinschaft angehören, öfter als andere Ethnien in unsicheren Gebieten eingesetzt werden oder im Innenministerium an symbolische Positionen ohne Kompetenzen befördert werden.
Länderfeststellungen betreffend den Abfall vom islamischen Glauben werden nicht getroffen, da das diesbezügliche Vorbingen des Beschwerdeführers – wie beweiswürdigend ausgeführt wird – nicht glaubwürdig ist.
2. Beweiswürdigung:
Hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, der Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seinen Lebensumständen in Afghanistan und im Iran sowie zum Aufenthaltsort seiner Angehörigen stützt sich das Bundesverwaltungsgericht auf die Angaben des Beschwerdeführers.
Zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung angab, am XXXX 1999 geboren zu sein. Aufgrund des eingeholten Gutachtens vom 03.12.2015 steht jedoch fest, dass der Beschwerdeführer spätestens am XXXX 1998 geboren wurde und war daher dieses Datum als sein Geburtsdatum festzustellen.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer Verfolgung einerseits durch XXXX sowie andererseits durch die Dorfbevölkerung ausgesetzt wäre, ist beweiswürdigend wie folgt auszuführen:
Zunächst ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer seine beiden nunmehrigen Hauptfluchtgründe, nämlich einerseits die Verfolgung durch XXXX sowie andererseits die Verfolgung durch die Dorfbevölkerung aufgrund des Umstandes, dass er christliche Bücher geliefert habe, bei der Erstbefragung mit keinem Wort erwähnte, sondern gab er dort lediglich an, dass er Afghanistan verlassen habe um im Iran zu arbeiten. Auch wenn den Angaben im Zuge der Erstbefragung kein allzu großes Gewicht zukommt, ist dennoch festzuhalten, dass das völlige Nichterwähnen der später vorgebrachten Fluchtgründe gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers sowie für ein gesteigertes Vorbringen spricht.
Des Weiteren ist festzuhalten, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu beiden Fluchtgründen unplausibel, nicht nachvollziehbar und teilweise widersprüchlich blieb.
Hinsichtlich des Umstandes, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr eine Verfolgung durch XXXX zu befürchten hätte, ist beweiswürdigend wie folgt auszuführen: Zunächst erscheint das Vorbringen, wie der Beschwerdeführer überhaupt zu seiner Arbeit bei XXXX gelangt ist, unplausibel. So gab der Beschwerdeführer an, dass er sich persönlich an XXXX gewandt und nach Arbeit gefragt habe. XXXX habe ihm schließlich gesagt, dass er keine bestimmte Arbeit für ihn habe, er aber für ihn kochen, aufräumen und putzen könne. Dass XXXX , welcher laut Aussage des Beschwerdeführers 200 Bewaffnete kommandierte, selbst sein Personal einstellt, erscheint nicht lebensnah.
Des Weiteren gab der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor der belangten Behörde an, dass er wieder nachhause gefahren sei, nachdem er nach dem ersten Monat, in dem er für XXXX gearbeitet habe, nicht bezahlt worden sei. In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er widersprüchlich dazu an, dass er, obwohl er nach dem ersten Monat nicht bezahlt worden sei, noch einen weiteren Monat für XXXX gearbeitet habe und erst nach Ende des zweiten Monats wieder nachhause gefahren sei. Es erscheint allerdings nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer zwei Monate lang ohne Bezahlung gearbeitet habe, zumal es sich hierbei – folgt man den Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich der vereinbarten Entgelthöhe – um einen Verlust in Höhe von 22.000 Afghani handelt.
In diesem Zusammenhang ist beweiswürdigend weiters auszuführen, dass XXXX auf die Hilfe und Unterstützung seiner Leute, welche für ihn arbeiteten, angewiesen war. Hätte er tatsächlich einen seiner Arbeiter nicht bezahlt, ist davon auszugehen, dass dies unter den Kämpfern die Runde gemacht hätte und ist in weiterer Folge davon auszugehen, dass XXXX in einem solchen Fall die Loyalität seiner Söldner verloren hätte. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er von XXXX nicht bezahlt worden sei, ist daher auch aus diesem Grund nicht glaubwürdig, zumal es nicht nachvollziehbar erscheint, dass XXXX so leichtfertig das Vertrauen seiner Leute, auf die er angewiesen ist, verspielt hätte.
Zuletzt ist zu bemerken, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen betreffend die Verfolgung durch XXXX dahingehend steigerte, als er in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erstmals angab, dass er, als er bereits im Iran gewesen sei, Drohanrufe von XXXX bekommen habe. XXXX habe ihm gedroht, ihn zu töten, weil er sein Gewehr verkauft habe. Zudem führte der Beschwerdeführer erstmals aus, dass XXXX auch die in Afghanistan lebende Familie des Beschwerdeführers bedroht und schikaniert habe und er mehrmals zur Familie gekommen sei und deren Schafe und Kühe mitgenommen habe. All diese Umstände ließ der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor der belangten Behörde völlig unerwähnt und gab er dort lediglich vage und unsubstantiiert an, dass er aufgrund des Umstandes, dass er das Gewehr des XXXX verkauft habe, Schwierigkeiten bekommen könnte. Dass konkrete Drohungen seitens XXXX vorgelegen seien, erwähnte er in der Einvernahme vor der belangten Behörde mit keinem Wort.
In einer Gesamtschau erscheint sohin das gesamte Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer für XXXX gearbeitet habe, er danach dessen Waffe verkauft habe und infolge dessen einer Verfolgungsgefahr durch XXXX ausgesetzt wäre, nicht glaubwürdig.
Zum weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er christliche Bücher transportiert bzw. geliefert habe und er aus diesem Grund einer Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. im Falle einer Rückkehr ausgesetzt wäre, ist beweiswürdigend wie folgt auszuführen: In der Einvernahme vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer wörtlich an: „Ich habe Sachen transportiert. Ich weiß nicht, was ich transportiert habe, ob es christliche Bücher waren. Aber eines Tages haben mich die Leute gefragt, ob ich zum Christentum übergetreten wäre (…)“. In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer hingegen widersprüchlich dazu an, dass er, als er die Lieferung dem Kunden übergeben habe und der Kunde die Bücher aus der Verpackung herausgenommen habe, ein Kreuz auf den Büchern gesehen habe und daher bemerkt habe, dass es sich um christliche Schriften handle.
Des Weiteren brachte der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor der belangten Behörde keinerlei gegen ihn gerichtete Drohungen vor, sondern gab er lediglich an, dass die Leute ihn und seinen Vater gefragt hätten, ob der Beschwerdeführer zum Christentum konvertiert sei. In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht steigerte der Beschwerdeführer sein Vorbringen dahingehend, als er erstmals angab, dass der Priester der Moschee zu den Eltern des Beschwerdeführers gegangen sei und gesagt habe, dass der Beschwerdeführer gesteinigt werde, weil er christliche Schriften verkauft habe. In einer Gesamtschau erscheint sohin auch dieses Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig.
Insgesamt erscheint eine konkrete Bedrohung des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht glaubwürdig.
Die Feststellungen zu XXXX ergeben sich aus den Berichten „Taleban Attacks an Khas Uruzgan, Jaghori and Malestan (I) und (II): A new and violent push into Hazara areas“ von XXXX und XXXX , veröffentlicht von AAN – Afghan Analysts Network.
Die weiteren Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aufgrund des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation (Gesamtaktualisierung am 13.11.2019), dem EASO-Bericht „Afghanistan Security Situation – Update“ vom Mai 2018, dem EASO-Bericht „Afghanistan Security Situation“ vom Juni 2019 und der UNHCR-RL vom 30.08.2018.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Letztere Variante traf unter Berücksichtigung der in ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG vertretenen Ansicht über den prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auf die gegenständliche Konstellation zu (vgl. dazu etwa VwGH 28.07.2016, Zl. Ra 2015/01/0123).
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides
Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 1991 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, Zl. 95/01/0627). Im Asylverfahren stellt das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, Zl. 92/01/0560). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH 25.03.1999, 98/20/0559).
So erscheint es im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht unschlüssig, wenn den ersten Angaben, die ein Asylwerber nach seiner Ankunft in Österreich macht, gegenüber späteren Steigerungen erhöhte Bedeutung beigemessen wird (vgl. VwGH 08.07.1993, Zl. 92/01/1000; VwGH 30.11.1992, Zl. 92/01/0832; VwGH 20.05.1992, Zl. 92/01/0407; VwGH 19.09.1990, Zl. 90/01/0133). Der Umstand, dass ein Asylwerber bei der Erstbefragung gravierende Angriffe gegen seine Person unerwähnt gelassen hat (hier Schläge, Ziehen an den Haaren, Begießen mit kaltem Wasser) spricht gegen seine Glaubwürdigkeit (VwGH 16.09.1992, Zl. 92/01/0181). Die gilt umso mehr für Widersprüche (vgl. zur Erstbefragung nach § 19 Abs. 1 AsylG 2005 auch VwGH 02.01.2017, Zl. Ra 2016/18/0323, Rz 8). Auch unbestrittene Divergenzen zwischen den Angaben eines Asylwerbers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung und dem Inhalt seines schriftlichen Asylantrages sind bei schlüssigen Argumenten der Behörde, gegen die in der Beschwerde nichts Entscheidendes vorgebracht wird, geeignet, dem Vorbringen des Asylwerbers die Glaubwürdigkeit zu versagen (Vgl. VwGH 21.06.1994, Zl. 94/20/0140). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH 30.09.2004, Zl. 2001/20/0006, zum Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. VwGH vom 23.01.1997, Zl. 95/20/0303 zu Widersprüchen bei einer mehr als vier Jahre nach der Flucht erfolgten Einvernahme hinsichtlich der Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in seinem Heimatdorf nach seiner Haftentlassung) können für sich allein nicht ausreichen, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. dazu auch VwGH 26.11.2003, Zl. 2001/20/0457). Auch oberflächlich und allgemein gehaltene Angaben, welche jeden konkreten, (insbesondere zeitlich) nachprüfbaren Anhaltspunkt vermeiden, und die trotz mehrfacher Aufforderungen, Details zu schildern, erfolgen, sind grundsätzlich geeignet, in einer schlüssigen Begründung zur Verneinung der Glaubwürdigkeit dieser Angaben betreffend eine drohende individuelle Verfolgung herangezogen zu werden (vgl. etwa VwGH 26.06.1996, Zl. 95/20/0205).
Die amtswegigen Ermittlungspflichten im Asylverfahren sind im § 18 Abs. 1 AsylG 2005 geregelt, der inhaltlich nahezu wortgleich der Vorgängerbestimmung des § 28 AsylG 1997 entspricht. Der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. AsylG 1997 folgend stellt diese Gesetzesstelle eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehende Verpflichtung der Verwaltungsbehörden dar, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht (vgl. VwGH 08.04.2003, Zl. 2002/01/0522). Grundsätzlich obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche, insbesondere seine wahre Bedrohungssituation in dem seiner Auffassung nach auf ihn zutreffenden Herkunftsstaat, für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (Vgl. VwGH 31.05.2001, Zl. 2001/20/0041; VwGH 23.07.1999, Zl. 98/20/0464). Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 28 AsylG 1997 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (Vgl. VwGH 14.12.2000, Zl. 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, Zl. 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0222). Die Ermittlungspflicht der Behörde geht auch nicht soweit, den Asylwerber zu erfolgversprechenden Argumenten und Vorbringen anzuleiten (vgl. VwGH vom 21.09.2000, Zl. 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0599).
Aufgrund der Beweiswürdigung ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der GFK glaubhaft zu machen:
Wie bereits in der Beweiswürdigung hinlänglich ausgeführt wurde, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine aktuelle Verfolgungsgefahr in Afghanistan durch XXXX glaubhaft zu schildern. Auch ist es ihm nicht gelungen, eine aktuelle Verfolgungsgefahr durch die Dorfbevölkerung bzw. den Priester der Moschee aufgrund des Umstandes, dass er christliche Bücher geliefert habe, glaubhaft zu schildern.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Fluchtgründe Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit mündliche Verhandlung Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W228.2168017.1.00Im RIS seit
17.11.2020Zuletzt aktualisiert am
17.11.2020