TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/20 I405 2225503-1

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Veröffentlicht am 20.07.2020
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Entscheidungsdatum

20.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I405 2225503-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , StA. Marokko, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2020, ZI. 1244307500-190895115/BMI-EAST_WEST, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.05.2020, zu Recht:

A) I. Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides hat zu lauten:

"Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

II. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), eine Staatsangehörige von Marokko, stellte am 02.09.2019 nach illegaler Einreise den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am selben Tag wurde sie durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einvernommen. Zu ihrem Fluchtgrund befragt gab sie an, dass ihr Vater sie mit einem um einiges älteren Mann zwangsverheiratet habe. Ihr Mann sei zudem impotent gewesen und sie habe ihn verlassen wollen, jedoch sei sie von ihrem Vater immer wieder zu diesem zurückgeschickt worden. Bei einer Rückkehr nach Marokko würde sie umgebracht werden.

3. In einer niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 24.09.2019 gab die BF an, dass sie Marokko verlassen habe, da ihr Mann körperlich stark eingeschränkt und impotent gewesen sei. Sie habe ihn gepflegt und getragen. Manchmal habe sie es nicht ausgehalten und sei zu ihren Eltern gegangen, aber ihr Vater habe sie dann wieder zu ihrem Mann zurückgeschickt. 2015 habe sie sich durch die Hilfe ihres Schwagers scheiden lassen können. Ihr Vater habe sie dann in ihrem Zimmer eingesperrt und öfters geschlagen. Der Vater habe sie so zu einer Rückkehr zu ihrem Mann zwingen wollen. Eines Tages habe sie zu ihrer Schwester und ihrem Schwager nach Spanien flüchten können. Ihr Vater habe dann den ebenfalls dort lebenden Bruder beauftragt, sie nach Marokko zu bringen. Nach einem Handgerangel des Bruders mit dem Schwager sei sie geflüchtet. Durch ihren Schwager habe sie kurz nach ihrer Einreise nach Österreich ihren Verlobten kennengelernt.

4. Am 03.10.2019 wurde die BF neuerlich vom BFA einvernommen und wiederholte im Wesentlichen die Misshandlungen und die Bedrohung durch den Vater

5. Mit angefochtenem Bescheid des BFA vom 10.10.2019 wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Marokko abgewiesen (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. wurde der BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz erlassen (Spruchpunkt IV.), und es wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Marokko zulässig sei (Spruchpunkt V.). Mit Spruchpunkt VI. wurde festgelegt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe. Mit Spruchpunkt VII. wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitig beim BFA eingebrachte Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Begründend wurde ausgeführt, dass die BF vor dem BFA einen Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung geltend gemacht habe. So habe sie angegeben, dass sie zwangsverheiratet worden sowie Opfer von häuslicher Gewalt sei. Die BF sei jedoch trotz dieser Umstände im Beisein eines männlichen Dolmetschers bzw. von einem männlichen Organwalter einvernommen worden, weshalb sie es auch schwierig empfunden habe, über die Vergewaltigungen in ihrer Ehe zu sprechen. Im Falle einer Rückkehr drohe der BF eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, zumal sie von den Schleppern, die sie nach Europa gebracht hätten, verfolgt werden würde, weshalb der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen sei.

7. Mit Schriftsatz vom 15.11.2019, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 19.11.2019, legte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

8. Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.11.2019, Zl. I405 2225503-1/4Z wurde der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

9. Am 29.05.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt. In dieser gab die BF zu ihrem Fluchtgrund an, dass ihre Ehe von ihrem Vater arrangiert und sie nicht damit einverstanden gewesen sei. Ihr Mann sei krank gewesen und habe sich mehreren Operationen unterziehen müssen, was ihn immer aggressiver gemacht habe. Er habe sie beschimpft, geschlagen und vergewaltigt. Auch habe er ihr die Schuld für ihre kinderlose Ehe gegeben und sei noch gewalttätiger geworden. In weiterer Folge habe ihr Mann durch die Hilfe ihres Schwagers und unter der Bedingung, dass sie auf alle Rechte verzichte, in eine Scheidung eingewilligt. Nach ihrer Scheidung sei sie in ihr Elternhaus zurückgekehrt und von ihren Eltern eingesperrt sowie misshandelt worden. Eines Tages habe sie fliehen können; sie sei zu ihrer Schwester gegangen und habe von dort aus das Land verlassen. Bei einer Rückkehr nach Marokko würde sie der Tod erwarten, da sie Schande über ihre Familie gebracht habe. In Österreich lebe sie mit ihrem Verlobten und dessen drei Kindern zusammen und sei für diese wie eine Mutter.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der BF:

Die volljährige BF ist geschieden, kinderlos, Staatsangehörige von Marokko und bekennt sich zum sunnitisch-moslemischen Glauben. Ihre Identität steht fest.

Die BF leidet unter keiner schweren oder gar lebensbedrohlichen Erkrankung und ist arbeitsfähig. Die BF ist in psychotherapeutischer Behandlung (Gesprächstherapie) und wird eine Posttraumatische Belastungsstörung (F 43.1) vermutet, sie nimmt allerdings keine Medikamente ein.

Die BF verließ Marokko im August 2019 und hielt sich ca. einen Monat in Spanien auf. Am 02.09.2019 stellte sie in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Eltern und drei Schwestern der BF leben in der Stadt Tangier in Marokko. Zwei Schwestern und ein Bruder leben in Spanien. Mit der jüngsten in Spanien lebenden Schwester hat die BF Kontakt.

Die BF ist in Österreich nicht vorbestraft.

Unmittelbar nach ihrer Einreise nach Österreich hat die BF ihren Verlobten, einen aus Ägypten stammenden österreichischen Staatsbürger, kennengelernt, mit welchem sie traditionell verheiratet ist und seit ca. zehn Monaten zusammenlebt. Ihr Verlobter hat vier Kinder, zwei davon leben im gemeinsam Haushalt mit der BF. Ansonsten weist sie in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf. Sie hat keinen Deutschkurs besucht, geht keiner Beschäftigung nach und ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer Organisation.

1.2. Zu den Fluchtmotiven der BF:

Es ist der BF nicht gelungen, eine asylrelevante Verfolgung aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung glaubhaft zu machen.

Im Fall ihrer Rückkehr nach Marokko wird sie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zur allgemeinen Situation in Marokko:

Die aktuelle Situation im Herkunftsstaat der BF stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:

Politische Lage:

Marokko ist ein zentralistisch geprägter Staat. Das Land ist eine Monarchie mit dem König als weltlichem und geistigem Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und "Anführer der Gläubigen" (AA 6.5.2019a; vgl. USDOS 11.3.2020). Laut der Verfassung vom 1.7.2011 ist Marokko eine konstitutionelle, demokratische und soziale Erbmonarchie, mit direkter männlicher Erbfolge und dem Islam als Staatsreligion. Abweichend vom demokratischen Grundprinzip der Gewaltenteilung kontrolliert der König in letzter Instanz die Exekutive, die Judikative und teilweise die Legislative (GIZ 8.2019a; vgl. ÖB 5.2019). Im Zusammenhang mit den Protestbewegungen in Nordafrika im Frühjahr 2011 leitete der König im Jahr 2011 eine Verfassungsreform und vorgezogene Neuwahlen ein. Proteste im Norden des Landes sind vor allem Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Umsetzung sozio-ökonomischer Reformen, die schleppend verläuft (AA 6.5.2019a). Die Verfassung vom 1.7.2011 brachte im Grundrechtsbereich einen deutlichen Fortschritt für das Land; in Bezug auf die Königsmacht jedoch nur eine Abschwächung der absolutistischen Stellung. Das Parlament wurde als Gesetzgebungsorgan durch die neue Verfassung aufgewertet und es ist eine spürbare Verlagerung des politischen Diskurses in die Volksvertretung hinein erkennbar. Die Judikative wird als unabhängige Staatsgewalt gleichberechtigt neben Legislative und Exekutive gestellt. Das System der checks und balances als Ergänzung zur Gewaltenteilung ist jedoch in der Verfassung vergleichsweise wenig ausgebildet (ÖB 5.2019).

Einige Schlüsselministerien sind in Marokko der Kontrolle des Parlamentes und des Premierministers entzogen. Dies betrifft folgenden vier Ressorts: Inneres, Äußeres, Verteidigung, Religiöse Angelegenheiten und Stiftungen. Soziale Reformen während der Regentschaft Mohamed VI sollten mehr Wohlstand für alle bringen - doch faktisch nahm die ohnehin starke Kontrolle der Königsfamilie und ihrer Entourage über die Reichtümer und Ressourcen des Landes weiter zu (GIZ 8.2019a). Hauptakteure der Exekutive sind die Minister, der Regierungschef und der König, der über einen Kreis hochrangiger Fachberater verfügt. Der König ist Vorsitzender des Ministerrates, hat Richtlinienkompetenz und ernennt nach Art. 47 der Verfassung von 2011 den Regierungschef aus der Partei, die bei den Wahlen als Sieger hervorgeht. Marokko verfügt seit der Unabhängigkeit über ein Mehrparteiensystem. Das Wahlrecht macht es schwierig für eine Partei, eine absolute Mehrheit zu erringen; Mehrparteienkoalitionen sind deshalb die Regel (AA 6.5.2019a).

Das marokkanische Parlament besteht aus zwei Kammern, dem Unterhaus (Chambre des Représentants, Madschliss an-Nuwwab) und dem Oberhaus (Chambre des conseillers, Madschliss al-Mustascharin). Die Abgeordneten des Unterhauses werden alle fünf Jahre in direkten allgemeinen Wahlen neu gewählt. Das Unterhaus besteht aus 395 Abgeordneten. Entsprechend einer gesetzlich festgelegten Quote sind mindestens 12% der Abgeordneten Frauen. Das Oberhaus (Chambre des Conseillers) besteht aus mindestens 90 und maximal 120 Abgeordneten, die in indirekten Wahlen für einen Zeitraum von sechs Jahren bestimmt werden (GIZ 8.2019a).

In Marokko haben am 7.10.2016 Wahlen zum Repräsentantenhaus stattgefunden. Als stärkste Kraft ging die seit 2011 an der Spitze der Regierung stehende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung („Parti de la Justice et du Développement“) hervor. Am 5.4.2017 ernannte König Mohammed VI Saad-Eddine El Othmani zum Premier-Minister. Größte Oppositionspartei ist die Partei für Authentizität und Modernität (PAM) (AA 6.5.2019a). Sie rangiert an zweiter Stelle mit 102 Sitzen und konnte ihre Stimmengewinne mehr als verdoppeln und gilt daher als heimliche Siegerin. Dahinter gereiht ist mit 46 Sitzen die traditionsreiche Unabhängigkeitspartei (PI – Parti de l'Istiqlal), dahinter andere Parteien (GIZ 8.2019a).

Seit Anfang 2017 ist Marokko wieder offiziell Mitglied der Afrikanischen Union (GIZ 8.2019a).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (6.5.2019a): Marokko - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/-/224120, Zugriff 21.1.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019a), LIPortal - Marokko - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/marokko/geschichte-staat/, Zugriff 21.1.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

-        USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 2.4.2020

Sicherheitslage:

Marokko kann grundsätzlich als stabiles Land betrachtet werden (EDA 21.1.2020). Das französische Außenministerium rät bis auf einige Regionen zu normaler Aufmerksamkeit im Land, dem einzigen in Nordafrika, das auf diese Weise bewertet wird (FD 21.1.2020). In den Grenzregionen zu Algerien wird zu erhöhter Aufmerksamkeit geraten (FD 21.1.2020), bzw. wird von Reisen abgeraten (AA 21.1.2020).

Die Westsahara darf nur nach Genehmigung durch die marokkanischen Behörden und nur auf genehmigten Strecken bereist werden (FD 21.1.2020). Zusätzlich besteht für die Grenzregionen zu Mauretanien in der Westsahara eine Reisewarnung (AA 21.1.2020 ; vgl. FD 21.1.2020, BMEIA 21.1.2020 ).

Im Jahr 2018 konnte Marokko das Terrorismusrisiko weitgehend eindämmen, obwohl das Land weiterhin sporadischen Bedrohungen ausgesetzt war, vor allem von kleinen, unabhängigen Terrorzellen, von denen die Mehrheit behauptete, vom sogenannten Islamischen Staat (IS) inspiriert oder mit dem IS verbunden zu sein. Marokko erlebte mit der Ermordung zweier skandinavischer Touristen im Dezember 2018 den ersten terroristischen Zwischenfall seit 2011. Im Jahr 2018 wurden gemäß Berichten der marokkanischen Strafverfolgungsbehörden 71 Personen verhaftet und mehr als 20 Terroristenzellen, die Angriffe planten, zerschlagen (USDOS 1.11.2019; vgl. AT 28.11.2019).

Demonstrationen und Protestaktionen sind jederzeit im ganzen Land möglich (EDA 21.1.2020; vgl. IT-MAE 11.3.2020). Auch nicht genehmigte Demonstrationen verlaufen meist friedlich, es kommt jedoch vereinzelt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Die Proteste entzünden sich meist an wirtschaftlichen und sozialen Missständen (IT-MAE 11.3.2020; vgl. AA 21.1.2020, BMEIA 21.1.2020, EDA 21.1.2020). In der Region Rif kann es zu Übergriffen durch Kriminelle kommen, die in Drogenproduktion und -handel involviert sind (FD 21.1.2020; vgl. EDA 21.1.2020).

In großen Teilen der Sahara sind bewaffnete Banden und islamistische Terroristen aktiv, die vom Schmuggel und von Entführungen leben. Das Entführungsrisiko ist in einigen Gebieten der Sahara und der Sahelzone hoch und nimmt noch zu. Die Grenze zu Algerien ist geschlossen (AA 21.1.2020; vgl. EDA 21.1.2020; BMEIA 21.1.2020).

Das völkerrechtlich umstrittene Gebiet der Westsahara erstreckt sich südlich der marokkanischen Stadt Tarfaya bis zur mauretanischen Grenze. Es wird sowohl von Marokko als auch von der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario beansprucht. Die United Nations Mission for the Referendum in Western Sahara MINURSO überwacht den Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien. Auf beiden Seiten der Demarkationslinie (Sandwall) sind diverse Minenfelder vorhanden (EDA 21.1.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (21.1.2020): Marokko - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080, Zugriff 21.1.2020

-        AT - Africa Times (28.10.2019): Morocco’s latest terror arrests renew a focus on chemical weapons, https://africatimes.com/2019/10/28/moroccos-latest-terror-arrests-renew-a-focus-on-chemical-weapons/, Zugriff 2.4.2020

-        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (21.1.2020): Reiseinformation Marokko, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/, Zugriff 21.1.2020

-        EDA - Eidgenössisches Departemenet für auswärtige Angelegenheiten (21.1.2020): Reisehinweise für Marokko, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/marokko/reisehinweise-marokko.html, Zugriff 21.1.2020

-        FD - France Diplomatie (21.1.2020): Conseils aux Voyageurs - Maroc - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/maroc/#derniere_nopush, Zugriff 21.1.2020

-        IT-MAE - Ministero degli Affari Esteri e della Cooperazione Internazionale (11.3.2020) : Viaggiare Sicuri – Marocco, http://www.viaggiaresicuri.it/country/MAR, Zugriff 2.4.2020

-        USDOS - United States Department of State (1.11.2019): Country Reports on Terrorism 2018 – Morocco, S 143-145, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/11/Country-Reports-on-Terrorism-2018-FINAL.pdf, Zugriff 2.4.2020

Frauen:

Die Lage der Frauen in Marokko ist gekennzeichnet durch die Diskrepanz zwischen dem rechtlichen Status und der Lebenswirklichkeit. Insbesondere im ländlichen Raum bestehen gesellschaftliche Zwänge aufgrund traditioneller Einstellung fort. Zwar garantiert die Verfassung von 2011 in Art. 19, dass „Männer und Frauen gleichberechtigt die Rechte und Freiheiten ziviler, politischer, wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und ökologischer Natur“ genießen, schränkt diese Rechte durch Bezugnahme auf den Islam als Staatsreligion aber wieder ein. In internationalen Abkommen hat sich Marokko zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen verpflichtet, aber auch hier den Vorrang des Islams geltend gemacht (AA 14.2.2018).

Obwohl die Änderung des Familienrechts zugunsten der Frauen vom 6.2.2004 („Moudawana“) mit den Grundsätzen

- Abschaffung der Gehorsamspflicht der Ehefrau“ (AA 14.2.2018; vgl. GIZ 12.2019b),

- Anhebung des grundsätzlichen Ehefähigkeitsalters der Frau auf 18 Jahre (AA 14.2.2018),

- Abschaffung der Hinzuziehung eines Vormunds zur Eheschließung für volljährige Frauen (AA 14.2.2018; vgl. GIZ 122019b),

- Einführung der gerichtlichen Ehescheidung (GIZ 12.2019b),

- Abschaffung der einseitigen Verstoßung für den Ehemann, Einführung des Zerrüttungsprinzips, relativ weitgehende Gleichstellung von Männern und Frauen im Scheidungsrecht (GIZ 12.2019b),

- Polygamie nur noch in genehmigten Ausnahmefällen (AA 14.2.2018),

und mit der Einrichtung von Familiengerichten eine deutliche Verbesserung der Rolle der Frau geschaffen hat, gibt es weiter Defizite in der Gleichberechtigung, wie z. B. die ungleiche Behandlung im Erb- und Familienrecht. Der Menschenrechtsrat CNDH kritisiert Gesetzentwurf das Fehlen von Definitionen von Gleichstellung und Diskriminierung und fordert Reformen (AA 14.2.2018).

Von einer wirklichen rechtlichen und sozialen Gleichstellung sind Frauen und Männer in Marokko noch weit entfernt. In der marokkanischen Gesellschaft dominieren weiterhin patriarchale Einstellungen und diskriminierende Verhaltensweisen. Viele der ehrgeizigen Gesetzesreformen werden bislang nur partiell umgesetzt (GIZ 12.2019b).

Außerehelicher Geschlechtsverkehr ist strafbar. Alle ledigen Mütter sind damit von strafrechtlicher Verfolgung bedroht. Tatsächlich wird außerehelicher Geschlechtsverkehr nur in Ausnahmefällen strafrechtlich verfolgt. Meist geschieht dies auf Anzeige von Familienangehörigen und nur in Ausnahmefällen auch direkt durch den Staat (AA 14.2.2018).

Seit Mitte der 1980er Jahre sind in Marokko immer mehr NGOs entstanden, die sich gleichzeitig für Demokratie und für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern einsetzen. Die politisch einflussreichsten dieser NGOs sind die Association Démocratique des Femmes Marocaines (ADFM), die Fédération de la Ligue Démocratique pour la Défense des Droits des Femmes (FLDDF), die Association Marocaine des Droits des Femmes (AMDF) und die Union de L'Action Féminine (UAF) (GIZ 12.2019b).

Vergewaltigung steht unter Strafe. Das Strafmaß beträgt fünf bis zehn Jahre; wenn das Opfer minderjährig ist, zehn bis zwanzig Jahre (USDOS 11.3.2020). Es kommt häufig zu Gewalt gegen Frauen. Die Straftaten Gewalt und Vergewaltigung in der Ehe sind nicht gesondert kodifiziert. Diese Fälle werden von den betroffenen Frauen in aller Regel nicht zur Anzeige gebracht. Kommt es zu einer Anzeige, gestaltet sich der Nachweis der Straftat schwierig (AA 14.2.2018; USDOS 11.3.2020). Am 12.9.2018 trat ein neues Gesetz in Kraft (GIZ 12.2019b; vgl. USDOS 11.3.2020), das einen stärkeren Rechtsrahmen zum Schutz von Frauen vor Gewalt, sexueller Belästigung und Missbrauch schafft. Die Zahl der Frauen, die sich trauen, Vergewaltigungen und Übergriffe bei der Polizei anzuzeigen, ist rapide gestiegen (GIZ 12.2019b). Nach dem neuen Gesetz kann eine Verurteilung wegen sexueller Gewalt zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren und einer Geldstrafe von 2.000 bis 10.000 Dirhams (210 bis 1.050 $) führen. Allgemeine Beleidigungs- und Verleumdungsklagen bleiben im Strafgesetzbuch. Einige NGOs für Frauenrechte kritisierten die mangelnde Klarheit der Verfahren und des Schutzes für die Meldung von Missbrauch nach dem neuen Gesetz (USDOS 11.3.2020.

Viele Richter sind voreingenommen und urteilen zugunsten des Mannes. Neben gesellschaftlichen Ursachen (Gewalt gegen Frauen, insbesondere in der Familie, wird von den meisten Männern als legitim betrachtet) gibt es auch staatliche und rechtliche Defizite. Die Anzahl von Frauenhäusern und Zufluchtsorten für Frauen ist begrenzt (AA 14.2.2019). Nach Angaben von lokalen NGOs meldeten Opfer die überwiegende Mehrheit der sexuellen Übergriffe nicht an die Polizei, da sie unter sozialem Druck standen und befürchteten, dass die Gesellschaft die Opfer höchstwahrscheinlich zur Verantwortung ziehen würde. Die Polizei untersucht Fälle selektiv; von der geringen Zahl, die vor Gericht gestellt werden, bleiben erfolgreiche Strafverfolgungen selten (USDOS 11.3.2020). Missbrauch von Kindern und Kinderprostitution ist ein verbreitetes Problem, Statistiken hierzu sind nicht erhältlich. In der Mehrzahl der Fälle von Kinderprostitution handelt es sich um Kinder aus ländlichen Gegenden, die zum Geldverdienen in Städte geschickt werden. Das Strafgesetz sieht eine Strafe für die sexuelle Ausbeutung von Jugendlichen vor. Strafverschärfende Maßnahmen gelten bei minderjährigen Opfern (Art 497, 498 Strafgesetzbuch). Verurteilte Vergewaltiger und Pädophile sind von einer möglichen Amnestie ausgeschlossen. In der Praxis kommt es selten zur Strafverfolgung dieser Tatbestände (AA 14.2.2018).

Das Gesetz verlangt gleichen Lohn für gleiche Arbeit, obwohl dies in der Praxis nicht der Fall ist. Die Regierung leitete einige Anstrengungen zur Verbesserung der Stellung von Frauen am Arbeitsplatz, insbesondere das vom Parlament im August 2017 errichtete Verfassungsmandat für die Schaffung einer Behörde für Geschlechterparität und die Bekämpfung aller Formen der Diskriminierung. Die Gender Parity Authority ist jedoch noch nicht funktionsfähig (USDOS 11.3.2020). Auch im Berufsleben bleibt die Lage der Frauen schwierig, insbesondere auf dem Land, wo patriarchale Strukturen dominant sind. In höheren Ämtern nimmt der weibliche Anteil im Vergleich mit männlichen Amtsinhabern rasch ab, auch wenn Frauen vereinzelt besonders exponierte Führungspositionen einnehmen. Bei den Parlamentswahlen wurden lediglich 10 von 305 direkt gewählten Parlamentsmandaten von Frauen gewonnen. 90 weitere Sitze sind über eine spezielle Liste für Frauen und junge Menschen reserviert (AA 14.2.2018; vgl. FH 1.4.2020).

Beim Gender-Ranking des Weltwirtschaftsforums von Davos bildet Marokko regelmäßig das Schlusslicht (aktuell Platz 143 von 149). Maßgeblich für die schlechte Platzierung sind die rechtliche Diskriminierung marokkanischer Mädchen und Frauen sowie die geringe Partizipation am Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft. Im Landesdurchschnitt sind nur 22 % der Frauen im erwerbstätigen Alter berufstätig: In den Städten sind es noch weniger (GIZ 12.2019b).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 5.9.2019

-        FH - Freedom House (1.4.2020): Freedom in the World 2020 – Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2020, Zugriff 2.4.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019b): LIPortal - Marokko - Gesellschaft, https://www.liportal.de/marokko/gesellschaft/, Zugriff 21.1.2020

-        USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 2.4.2020

Grundversorgung:

Die Grundversorgung der Bevölkerung ist gewährleistet, Brot, Zucker und Gas werden subventioniert. Staatliche soziale Unterstützung ist kaum vorhanden, vielfach sind religiös-karitative Organisationen tätig. Die entscheidende Rolle bei der Betreuung Bedürftiger spielt nach wie vor die Familie. Staatliche und sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer gibt es nicht (AA 14.2.2018).

König Mohammed VI. und die bisherige Regierung streben eine durchgreifende Modernisierung und Diversifizierung des Landes an, das seine Chancen neben dem Hauptpartner EU verstärkt in Afrika sucht. Gebergemeinschaft, OECD und IWF unterstützen diesen Modernisierungskurs (AA 6.5.2019c). Formal ist Marokko eine freie Marktwirtschaft. Bedingt durch die starke Stellung der Königsfamilie und alteingesessener Eliten ist der Wettbewerb jedoch verzerrt. Seit dem Machtantritt von König Mohammed VI. hat die Vormachtstellung der Königsfamilie in Schlüsselsektoren wie Landwirtschaft, Bergbau, Einzelhandel, Transport, Telekommunikation und erneuerbaren Energien weiter zugenommen. Gleichzeitig sind immer mehr Marokkaner auf Überweisungen aus dem Ausland angewiesen, um zu überleben (GIZ 12.2019c).

Ein gravierendes Problem bildet nach wie vor die Arbeitslosigkeit 2018 (laut IMF bei 9,8%, Dunkelziffer liegt wesentlich höher), vor allem unter der Jugend (ÖB 5.2019). Der Bevölkerungszuwachs in den aktiven Altersgruppen liegt deutlich höher als die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Die reale Arbeitslosenquote, insbesondere bei Jugendlichen, liegt deutlich über den offiziell angegebenen ca. 10% (AA 6.5.2019c).

Laut Informationen der Weltbank steht Marokko in der MENA-Region bei der Höhe der Auslandsüberweisungen von Migranten (Remittances) an dritter Stelle. Zur Sicherung des sozialen und politischen Friedens verteilt der Staat Subventionen: Diese wurden in den letzten Jahren allerdings gekürzt, von 5 Mrd. Euro auf voraussichtlich umgerechnet 1,2 Mrd. Euro in 2018. Für das Jahr 2019 wurde eine Erhöhung um 30% auf 1,6 Mrd. Euro angekündigt. Trotz Subventionskürzungen und Privatisierungen hat die Staatsverschuldung in den vergangenen Jahren zugenommen (GIZ 12.2019c).

Der informelle Bereich der Wirtschaft wird statistisch nicht erfasst, entfaltet aber erhebliche Absorptionskraft für den Arbeitsmarkt. Fremdsprachenkenntnisse - wie sie z.B. Heimkehrer aufweisen - sind insbesondere in der Tourismusbranche und deren Umfeld nützlich. Arbeitssuchenden steht die Internet-Plattform des nationalen Arbeitsmarktservices ANAPEC zur Verfügung (www.anapec.org), die neben aktueller Beschäftigungssuche auch Zugang zu Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt. Unter 30-Jährige, die bestimmte Bildungsebenen erreicht haben, können mit Hilfe des OFPPT (www.ofppt.ma/) eine weiterführende Berufsausbildung einschlagen. Die marokkanische Regierung führt Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbaus. Eine staatlich garantierte Grundversorgung/arbeitsloses Basiseinkommen existiert allerdings nicht. Der Mindestlohn (SMIG) liegt bei 2.570 Dirham (ca. EUR 234). Ein Monatslohn von etwa dem Doppelten dieses Betrags gilt als durchaus bürgerliches Einkommen. Statistisch beträgt der durchschnittliche Monatslohn eines Gehaltsempfängers 4.711 Dirham, wobei allerdings die Hälfte der - zur Sozialversicherung angemeldeten - Lohnempfänger nur den Mindestlohn empfängt. Ein ungelernter Hilfsarbeiter erhält für einen Arbeitstag (10 Std.) ca. 100 Dirham, Illegale aus der Subsahara erhalten weniger (ÖB 5.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 14.10.2019

-        AA - Auswärtiges Amt (6.5.2019c): Marokko - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/wirtschaft/224082, Zugriff 5.9.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): LIPortal - Marokko – Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/marokko/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 21.1.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

Medizinische Versorgung:

Politisch verantwortlich für die medizinische Versorgung ist das Gesundheitsministerium. Die meisten Marokkaner müssen für ihre Gesundheit allein vorsorgen. Wer einen formellen Arbeitsvertrag hat, ist zwar offiziell krankenversichert, aber viele Leistungen müssen trotzdem aus eigener Tasche bezahlt werden. Patienten mit geringem Einkommen haben seit 2002 die Möglichkeit, sich im Rahmen der öffentlichen Assurance Maladies Obligatoire (AMO) oder des Gesundheitssystems Régime d'Assistance Médicale (RAMED) behandeln zu lassen (GIZ 12.2019b).

Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht ganz zu vergleichen. In Rabat und Casablanca finden sich allerdings ausgezeichnete Privatkliniken von hohem Standard. Auf dem Lande hingegen kann die medizinische Versorgung bezüglich der apparativen Ausstattung bzw. Hygiene problematisch sein (AA 21.1.2020).

Die medizinische Grundversorgung ist vor allem im städtischen Raum weitgehend gesichert. Medizinische Dienste sind kostenpflichtig und werden bei bestehender gesetzlicher Krankenversicherung von dieser erstattet. Es gibt einen großen qualitativen Unterschied zwischen öffentlicher und (teurer) privater Krankenversorgung. Selbst modern gut ausgestattete medizinische Einrichtungen garantieren keine europäischen Standards. Insbesondere das Hilfspersonal ist oft unzureichend ausgebildet, Krankenwagen sind in der Regel ungenügend ausgestattet. Die Notfallversorgung ist wegen Überlastung der Notaufnahmen in den Städten nicht immer gewährleistet, auf dem Land ist sie insbesondere in den abgelegenen Bergregionen unzureichend (AA 14.2.2018).

Rund 30.000 Menschen in Marokko sollen mit HIV infiziert sein. Knapp 50% der Infizierten sind weiblich. Schätzungsweise 2% der Prostituierten sind HIV-positiv. Damit hat Marokko in der MENA-Region eine Spitzenposition inne (GIZ 10.2019b). Chronische und psychiatrische Krankheiten oder auch AIDS-Dauerbehandlungen lassen sich in Marokko vorzugsweise in privaten Krankenhäusern behandeln. Bei teuren Spezialmedikamenten soll es in der öffentlichen Gesundheitsversorgung bisweilen zu Engpässen kommen. Bei entsprechender Finanzkraft ist allerdings fast jedes lokal produzierte oder importierte Medikament erhältlich (AA 14.2.2018).

Im Bereich der Basis-Gesundheitsversorgung wurde 2012 das Programm RAMED eingeführt und erstreckt sich auf 8,5 Mio. Einwohner der untersten Einkommensschichten bzw. vulnerable Personen, die bisher keinen Krankenversicherungsschutz genossen. Im Oktober 2012 waren bereits 1,2 Mio. Personen im RAMED erfasst (knapp 3% der Haushalte). RAMED wird vom Sozialversicherungsträger ANAM administriert, der auch die Pflichtkrankenversicherung AMO der unselbständig Beschäftigten verwaltet. Zugang haben Haushaltsvorstände und deren Haushaltsangehörige, die keiner anderen Pflicht-Krankenversicherung unterliegen. Die Teilnahme an RAMED ist gratis („Carte RAMED“), lediglich vulnerable Personen zahlen einen geringen Beitrag (11 € pro Jahr pro Person). Ansprechbar sind die Leistungen im staatlichen Gesundheitssystem (Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung und Vorsorge sowie Krankenhäuser) im Bereich der Allgemein- und Fachmedizin, stationärer Behandlung, Röntgendiagnostik etc. Die Dichte und Bestückung der medizinischen Versorgung ist auf einer Website des Gesundheitsministeriums einsehbar (ÖB 5.2019). Mittellose Personen können auf Antrag bei der Präfektur eine „Carte RAMED“ erhalten. Bei Vorlage dieser Karte sind Behandlungen kostenfrei (AA 14.2.2018).

Auf 1.775 Einwohner entfällt ein Arzt. 141 öffentliche Krankenhäuser führen etwas mehr als 27.000 Betten (ein Spitalsbett auf ca. 1.200 Einwohner); daneben bestehen 2.689 Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung. Inhaber der Carte RAMED können bei diesen Einrichtungen medizinische Leistungen kostenfrei ansprechen. Freilich ist anzumerken, dass dieser öffentliche Gesundheitssektor in seiner Ausstattung und Qualität und Hygiene überwiegend nicht mit europäischen Standards zu vergleichen ist. Lange Wartezeiten und Mangel an medizinischen Versorgungsgütern und Arzneien sind zu beobachten. Wer weder unter das RAMED-System fällt, noch aus einem Anstellungsverhältnis pflichtversichert ist, muss für medizinische Leistungen aus eigenem aufkommen (ÖB 5.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 14.10.2019

-        AA - Auswärtiges Amt (21.1.2020): Marokko: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080, Zugriff 21.1.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (10.2019b): LIPortal - Marokko - Gesellschaft, https://www.liportal.de/marokko/gesellschaft/, Zugriff 14.10.2019

-        ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

Rückkehr:

Das Stellen eines Asylantrags im Ausland ist nicht strafbar und wird nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet. Aus den letzten Jahren sind keine Fälle bekannt, in denen es zu einem Gerichtsurteil wegen der Stellung eines Asylantrags oder wegen des in einem Asylantrag enthaltenen Vorbringens gekommen wäre (AA 14.2.2018).

Auf institutioneller Basis wird Rückkehrhilfe von IOM organisiert, sofern der abschiebende Staat mit IOM eine diesbezügliche Vereinbarung (mit Kostenkomponente) eingeht; Österreich hat keine solche Abmachung getroffen. Rückkehrer ohne eigene finanzielle Mittel dürften primär den Beistand ihrer Familie ansprechen; gelegentlich bieten auch NGOs Unterstützung. Der Verband der Familie und Großfamilie ist primärer sozialer Ankerpunkt der Marokkaner. Dies gilt mehr noch für den ländlichen Raum, in welchem über 40% der Bevölkerung angesiedelt und beschäftigt sind. Rückkehrer würden in aller Regel im eigenen Familienverband Zuflucht suchen. Der Wohnungsmarkt ist über lokale Printmedien und das Internet in mit Europa vergleichbarer Weise zugänglich, jedenfalls für den städtischen Bereich (ÖB 5.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 6.9.2019

-        ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

Zudem handelt es sich bei Marokko um einen sicheren Herkunftsstaat.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zu den vorliegenden Akten eingeholt. Außerdem wurde das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Marokko (Stand 07.04.2020) berücksichtigt.

2.2. Zur Person der BF:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität der BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen und unbestritten gebliebenen Feststellungen sowie der in Vorlage gebrachten marokkanischen ID-Card und den Visa-Daten.

Die Feststellung betreffend die Religionszugehörigkeit der BF ergibt sich aus ihren glaubhaften Aussagen.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit der BF ergeben sich aus den Aussagen der BF vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung. Aus der Stellungnahme ihrer Psychotherapeutin vom 22.05.2020 ergibt sich zwar, dass die BF eine Gesprächstherapie in Anspruch nimmt, allerdings wird keine medikamentöse Behandlung angeführt und verneinte dies die BF auch in der mündlichen Verhandlung. Eine lebensbedrohliche gesundheitliche Beeinträchtigung ergibt sich folglich nicht.

Die Feststellung zum Aufenthalt der BF in Österreich ergibt sich aus ihren Aussagen sowie aus dem entsprechenden ZMR-Auszug vom 07.07.2020.

Die Feststellungen zu den Lebensverhältnissen, zur Schulbildung, den beruflichen Erfahrungen und den Angehörigen der BF in Marokko basieren auf ihren Angaben beim BFA sowie in der mündlichen Verhandlung und der vorgelegten Scheidungsurkunde vom 14.05.2015.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit der BF ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 07.07.2020.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse, die Lebensumstände und die Integration der BF in Österreich beruhen ebenfalls auf ihren Aussagen sowie der zeugenschaftlichen Aussage ihres Lebensgefährten in der mündlichen Verhandlung.

2.3. Zum Vorbringen der BF:

Die BF gab zusammengefasst an, dass sie Marokko verlassen habe, da sie von ihrem Vater zwangsverheiratet und von ihrem Ehemann vergewaltigt und misshandelt worden sei. Mit Hilfe ihres Schwagers habe sie eine Scheidung durchsetzen können. Nach ihrer Rückkehr ins Elternhaus sei sie allerdings geschlagen und eingesperrt worden, da sie Schande über die Familie gebracht habe.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt auf Grundlage der ergänzenden Ermittlungen zum Ergebnis, dass die BF keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen konnte. Vorweg ist festzuhalten, dass die erkennende Richterin das Vorhandensein von etwaigen familiären Schwierigkeiten der BF in Marokko nicht ausschließen kann, jedoch konnte aufgrund der vagen, unplausiblen und widersprüchlichen Angaben der BF nicht festgestellt werden, dass diese fluchtkausal waren bzw. asylrelevant sind.

Die Glaubwürdigkeit der Angaben der BF war aus mehreren Gründen anzuzweifeln. So gab sie zunächst in beiden Einvernahmen vor dem BFA betreffend ihren Ehemann zwar an, dass er krank, impotent und sehr geizig gewesen sei, allerdings führte sie keinerlei Misshandlungen durch ihren Ehemann, sondern lediglich jene durch ihren Vater an. In der Beschwerde und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht war dann erstmals die Rede von erlittenen Misshandlungen, Gewalttätigkeiten und Vergewaltigungen durch ihren Ehemann. Seitens der erkennenden Richterin wird diesbezüglich auch berücksichtigt, dass sich die BF aufgrund der Anwesenheit eines männlichen Dolmetschers vor dem BFA möglicherweise nicht vollständig öffnen hat können, weswegen das Verschweigen der angeblich erlittenen Vergewaltigungen auch nachvollziehbar wäre. Allerdings erklärt dies nicht, warum sie nicht zumindest ansatzweise die Schläge und Gewalttätigkeiten des Ehemannes angeführt hat, zumal sie doch auch jene des Vaters problemlos schildern hat können.

Des Weiteren widersprach sich die BF in derselben Einvernahme, wenn sie vor dem BFA zunächst angab, dass sie über das Handy ihrer Mutter und einem alten Computer ihrer Schwester in ihrem Zimmer Zugang zum Internet gehabt habe, im Verlauf der Einvernahme aber erklärte, dass sie sich in Marokko keine Hilfe suchen sowie sich über Frauenhäuser informieren habe können, da sie zu Hause kein Internet gehabt habe, da ihr Computer sehr alt gewesen sei.

Auch gab sie bei ihrer ersten Einvernahme beim BFA an, dass sie nicht bei Behörden oder Frauenhäusern um Hilfe gebeten habe, da diese sowieso nicht helfen würden. Bei ihrer zweiten Einvernahme erklärte sie dann aber, dass sie sich an eine Freundin gewandt habe, welche ihr mitgeteilt habe, dass die Behörden in so einem Fall nicht helfen würden, es aber Schutzeinrichtungen für Frauen gäbe, welche allerdings bereits voll wären. Unabhängig davon, dass nicht ersichtlich ist, warum die Freundin der BF die Kapazitäten der Frauenhäuser in Marokko bekannt sein sollen, ist nicht nachvollziehbar, warum sich die BF lediglich an eine Freundin und nicht selbst an eine entsprechende Schutzeinrichtung gewendet haben soll und vor allem, warum sie dies erst bei ihrer zweiten Einvernahme erwähnte.

Unglaubhaft ist auch ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung betreffend die Organisation und Finanzierung ihrer Flucht. So erklärte sie zunächst, dass ihre Flucht spontan bei der erstbesten Gelegenheit von Statten gegangen sei. Sie sei zunächst zu ihrer Schwester geflüchtet, um zu fragen, was sie machen solle, welche ihr zu einer Flucht ins Ausland geraten habe. Dann habe sie ihren Goldschmuck, welchen sie bereits bei sich gehabt habe, bei einem Juwelier verkauft. Wäre ihre Flucht tatsächlich spontan erfolgt, dann kann davon ausgegangen werden, dass sie wohl kaum ihr Erspartes bzw. ihren Goldschmuck mitgenommen hätte.

Schließlich sind auch die Angaben der BF zu ihrer Reiseroute nicht plausibel. So will sie von Marokko nach Spanien zu ihrer Schwester geflohen und dort von ihrem Bruder bedroht worden sein. Wegen des Problems mit ihrem Bruder habe sie dann in einem Park geweint und sei von einem in Deutschland lebenden Paar auf Arabisch angesprochen worden. Diese haben ihr angeboten, sie nach Deutschland mitzunehmen. Sie habe sich vorher aber bereits informiert gehabt und ihnen mitgeteilt, sie möchten sie doch bitte nach Österreich bringen. Es ist allerdings äußerst unplausibel, dass sie weinend im Park genau von einem Arabisch sprechenden Paar angesprochen worden sei, welches ihr dann auch unverzüglich Fluchthilfe angeboten und sie einfach so über mehrere Landesgrenzen bis nach Österreich, obwohl selbst in Deutschland wohnhaft, gebracht haben soll.

Zudem ist nicht verständlich, warum sie sich nicht spätestens in Spanien schutzsuchend an die Behörden gewandt hat, zumal ihre Schwester sich bereits länger dort aufhielt und ihr bekannt sein hätte müssen, dass der spanische Polizeiapparat gut funktioniert und die spanischen Behörden in einem solchen Fall immer tätig werden. Die BF hat aber laut ihren Angaben, nachdem sie ihr Bruder in Spanien aufgesucht sowie geschlagen habe, sich zu ihrem Schutz eine Menschenmenge gebildet und man die Polizei rufen wollen habe, Spanien verlassen. Zudem hatte sie in weiterer Folge ja auch keine Bedenken sich an die österreichischen Behörden zu wenden und erklärte sogar, sich vorab über Frauenrechte in Österreich informiert zu haben. Wäre es der BF tatsächlich um Schutz vor Verfolgung bzw. um Frauenrechte gegangen, hätte sie sich zunächst in Marokko an die entsprechenden Organisatoren gewendet bzw. spätestens in Spanien einen Asylantrag gestellt. Stattdessen ist sie jedoch direkt nach Österreich gereist, wo sich ihr nunmehriger Verlobten befindet, weshalb aus einer Gesamtbetrachtung der Angaben der BF der Schluss zu ziehen, dass sie gezielt nach Österreich gereist ist, um mit ihrem Verlobten eine Familie zu gründen.

Zusammenfassend gelangt daher die erkennende Richterin aufgrund der oben angeführten Ausführungen zu dem Schluss, dass der BF die somit insgesamt die Glaubhaftigkeit zu der behaupteten Verfolgung zu versagen war und sie ihre Heimat nicht aus asylrelevanten Gründen verlassen hat.

2.4. Zu den Länderfeststellungen:

Die unter Punkt 1.3. getroffenen Feststellungen zur Lage in Marokko basieren auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 07.04.2020; zu den darin verwendeten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nichtstaatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Die BF trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland in der mündlichen Verhandlung auch nicht substantiiert entgegen.

Die Feststellung, dass Marokko als sicherer Herkunftsstaat gilt, beruht auf § 1 Z 9 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

In der Beschwerde wurde vorgebracht, dass die BF zur sozialen Gruppe der von Zwangsehe betroffenen Frauen und zur sozialen Gruppe der von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen in Marokko gehöre. Wie oben ausgeführt ist das entsprechende Vorbringen der BF aber nicht glaubhaft, so dass eine Verfolgung durch ihren Vater bzw. Ehemann nicht festgestellt werden konnte. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die in der Beschwerde genannte Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der von Gewalt betroffenen Frauen eine soziale Gruppe im Sinne der Statusrichtlinie darstellt und somit Asylrelevanz entfaltet, kann gegenständlich unterbleiben, da keine Verfolgung der BF glaubhaft gemacht wurde.

Die BF konnte somit nicht glaubhaft machen, dass ihr aus einem der Gründe der Genfer Flüchtlingskonvention Verfolgung droht; eine Verfolgung durch ihren Vater bzw. Ex-Ehemann, kann nicht festgestellt werden. Sonstige Fluchtgründe wurden nicht vorgebracht.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

In Marokko herrscht keine allgemeine existenzbedrohende Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse), weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR obliegt es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (Beschluss des VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden Nr. 61204/09; sowie Erkenntnis des VwGH vom 25.02.2016, Ra 2016/19/0036 sowie vom 13.09.2016, Ra 2016/01/0096-3). Derartige Beweise wurden nicht vorgelegt.

Es wird nicht verkannt, dass die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat auch eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation aber nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174) und ist die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ausreichend (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 200/01/0443 und zuletzt VwGH, 25.05.2016, Ra 2016/19-0036-5).

Die BF verfügt über Schulbildung und Berufserfahrung als Näherin und Bäckerin, die sie zur Sicherung ihrer Grundbedürfnisse einsetzen könnte. Die BF auch nicht dargetan, dass sie im Falle ihrer Rückkehr von ihrem Schwager und seiner Frau, somit der Schwester der BF in Marokko, die sie bei ihrer Scheidung unterstützt haben sowie von ihrer Schwester in Spanien nicht unterstützt werden würde. Somit könnte sie in Marokko auf keine familiäre Unterstützung zurückgreifen und so sich eine neue Existenz aufbauen. Zudem ist Marokko ein sicherer Herkunftsstaat, was auch gegen eine allgemeine Gefährdungslage spricht. Es ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die BF im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät.

Es besteht daher durch die Rückkehr der BF nach Marokko keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bzw. bringt diese für sie auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG abzuweisen war.

3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das BFA unter Zitierung des § 57 AsylG zwar ausgesprochen hat, dass ein Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ gemäß § 57 AslG nicht erteilt werde, dass sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch unzweifelhaft ergibt, dass das BFA tatsächlich rechtsrichtig über eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG abgesprochen und eine solche nicht erteilt hat.

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem BF daher nicht zuzuerkennen.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 57 AsylG abzuweisen.

3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG hat das BFA einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet wie folgt:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wi

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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