Entscheidungsdatum
24.07.2020Norm
AVG §39Spruch
W131 2230662-1/28E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK als Vorsitzenden, durch die fachkundige Laienrichterin Dr´a Ilse Pohl als Beisitzerin der Auftraggeberseite und durch den fachkundigen Laienrichter Mag Matthias Wohlgemuth als Beisitzer der Auftragnehmerseite betreffend das Vergabeverfahren der Auftraggeberin Republik Österreich (= Bund = AG), diese vertreten durch die Bundesministerin für Landesverteidigung und beim BVwG durch die Finanzprokuratur, mit der Vergabeverfahrensbezeichnung „1140 Wien, Breitenseerstraße 116, Militärische Liegenschaft Breitensee, Objekt 000, Instandsetzung Elektroanlage, Elektroinstallationsarbeiten NEU“ und betreffend den diesbezüglich von der anwaltlich vertretenen Antragstellerin XXXX (= ASt) gestellten Feststellungsantrag mit den darin enthaltenen Begehren zu Recht erkannt:
A)
Das Begehren gemäß § 334 Abs 4 Z 1 BVergG,
festzustellen, dass der Widerruf vom 23.4.2020 wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht rechtswidrig war,
wird abgewiesen.
Das weitere Begehren gemäß § 357 BVergG
das Bundesverwaltungsgericht möge den erklärten Widerruf gemäß § 357 BVergG für unwirksam erklären,
wird gleichfalls abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die AG führte das im Entscheidungskopf ersichtliche Vergabeverfahren als nicht offenes Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich durch, dies mit einem geschätzten Auftragswert iHv 300.000,00 Euro.
Die ASt legte ein Angebot mit knapp über diesem Auftragswert.
Nach einer Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der ASt erteilte die AG jedoch den Zuschlag nicht, sondern erklärte im Unterschwellenbereich ohne vorangehende Widerrufsentscheidung gemäß § 150 Abs 7 BVerG unmittelbar den Widerruf. In der Widerrufserklärung wurde § 149 Abs 1 Z 1 BVergG als Widerrufsgrundlage benannt.
Nach vorprozessualer Korrespondenz stellte die ASt den gegenständlichen Feststellungsantrag.
Die AG brachte vor dem und im Feststellungsverfahren verschiedene Rechtfertigungen für den Widerruf vor, ua auch die einer einfach benötigten, jedoch doppelt ausgeschriebenen Leistungsposition im Leistungsverzeichnis.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Verfahrensgang und die darin festgehaltenen Tatsachen des Vergabeverfahrens werden als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt.
Darüber hinaus wird ausdrücklich festgestellt, dass die AG ein falsches Leistungsverzeichnis (= LV) verwendet hat, bei dem die Position [richtig:] „Verteilerüberarbeitung“ doppelt sowohl zu 13021146Z als auch zu 15021145Z enthalten ist.
[Es geht hier evident um die LV - Positionen 13 021146 Z Verteilerüberarbeitung NSP Obj. 15 einerseits und 15 021145 Z Verteilerüberarbeitung NSPObjekt 15 andererseits, wobei die Parteien in den Schriftsätzen irrtümlich die letzte Zahl der 2. Position mit "6" benannt hatten und derart eine offenkundig falsche Positionszahl konkretisiert hatten, was rücksichtlich des Leistungsverzeichnisses ein evidenter Schreibfehler ist - Eingaben der ASt und der AG OZ 14 und 17 des Verfahrensakts W131 2230662-1.]
Während andere Bieter hier doppelt auspreisten, hat die ASt einmal mit einem Positionspreis und einmal mit Null ausgepreist. Die ASt wusste um diesen LV - Fehler. Die AG beziffert eine solche Auftragsposition nicht substantiiert bestritten mit rund 23.000,00 Euro Teilwert - OZ 17 des Verfahrensakts.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus der Aktenlage der Gerichtsakten und aus den vorgelegten Vergabeunterlagen.
Dass die ASt auch von einer irrtümlich doppelten Aufnahme dieser Position ins LV ausgeht, ergibt sich insb auch aus dem Vorbringen der ASt in ihrer Replik, OZ 14 des Verfahrensakts W131 2230662-1, soweit dort vorgebracht wird:
...
Idente Arbeiten zu den Positionen „Verteilerarbeiten“ zu 13021146Z sowie 15021146Z sind fälschlicherweise doppelt ausgepriesen worden.
Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass die Antragstellerin in ihrem Angebot darauf hingewiesen und diese Position daher mit EUR 0,00 ausgepreist hat. Auch wenn bei sämtlichen Mitbietern diese Position gestrichen würde, würde dies zu keinem Bietersturz führen, weshalb diese Position unbeachtlich, allerdings wohl zu hinterfragen ist, weshalb das von den Mitbietern nicht ebenfalls erkannt wurde. Auch dieser angeführte Fehler im Leistungsverzeichnis – der allerdings ausschließlich von der ausschreibenden Stelle zu vertreten ist und allfällige Regressansprüche gegen den Ersteller zu begründen vermag - stellt daher weder einen zwingenden Grund zum Widerruf gemäß § 149 Abs. 1 Z 1 BVergG, noch eine sachliche Rechtfertigung nach § 149 Abs. 1 Z 3 BVergG dar
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gegenständlich ist wegen der Vergabeverfahrenseinleitung nach dem 21.08.2018 das BVergG 2018 gemäß BGBl I 2018/65 einschlägig, § 376 Abs 4 BVergG 2018 (im Folgenden: BVergG).
Unstrittig kommen dabei gemäß §§ 1 und 3 BVergG die Bestimmungen des 2. Teils des BVergG für klassische öffentliche Auftraggeber zur Anwendung.
3.1.1. Das BVwG hatte gegenständlich in der im Entscheidungskopf ersichtlichen Senatsbesetzung zu entscheiden - § 328 BVergG 2018 iVm § 6 VwGVG.
Als Verfahrensrecht waren dabei abseits der Sonderverfahrensvorschriften des BVergG das VwGVG und die in § 333 BVergG 2018 verwiesenen Teile des AVG anzuwenden.
3.1.2. Eine mündliche Verhandlung konnte entfallen, da die Abweisung auf einer unstrittigen Akten- bzw Tatsachenlage beruht, nämlich auf einer irrtümlich bestandsfesten doppelt ausgeschriebenen LV - Position - § 339 Abs 1 Z 3 BVergG, zumal eine weitere Erörterung der sich daran anschließenden Rechtsfragen nach mehrmaligen Schriftsatzwechseln auch iSv Art 6 EMRK oder iSv Art 47 GRC nicht geboten war
Zu A) Zur Abweisung
3.2.
Zur erkenntnismäßigen Abweisung
3.2.1. Gemäß § 356 Abs 1 BVerG ist eine Feststellung wie die des § 354 Abs 4 Z 1 BVergG nur dann zu treffen, wenn die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Verfahrens von wesentlichem Einfluss ist.
§ 356 Abs 1 BVergG verfolgt dabei das idente Rechtsschutzkonzept wie § 347 Abs 1 BVergG (vor Zuschlagserteilung bzw vor Widerruf), wie es auch schon in § 325 Abs 1 BVergG 2006 enthalten war.
Der ASt ist vorab zuzugestehen, dass die AG in der Rechtfertigung des Widerrufs variierend argumentiert.
Jedoch hat der VwGH zur Widerrufsbestimmung des BVergG 2006 für den Sektorenbereich iZm der Frage des wesentlichen Einflusses zu Zl 2008/04/0109 wie folgt ausgeführt:
...
§ 278. Der Sektorenauftraggeber kann ein Vergabeverfahren widerrufen, wenn dafür sachliche Gründe bestehen.
...
Wie dargestellt bekämpft die beschwerdeführende Partei somit [...]. Vielmehr vertritt sie den Standpunkt, die belangte Behörde hätte die Widerrufsentscheidung schon deshalb für nichtig erklären müssen, weil jene Gründe, die die mitbeteiligte Auftraggeberin gegenüber der beschwerdeführenden Partei für den Widerruf des Vergabeverfahrens angegeben hatte, nicht vorgelegen seien. Die beschwerdeführende Partei geht somit davon aus, die Vergabekontrollbehörde müsse die angefochtene Entscheidung eines Auftraggebers schon dann aufheben, wenn diese Entscheidung vom Auftraggeber (bloß) fehlerhaft begründet sei, und zwar selbst dann, wenn diese Entscheidung, wie im gegenständlichen Fall unstrittig, mit den maßgebenden Vorschriften des Vergaberechts im Einklang steht.
Mit dem genannten Vorbringen übersieht die beschwerdeführende Partei, dass ein Unternehmer gemäß § 320 Abs. 1 BVergG 2006 nur die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren "Entscheidung" wegen Rechtswidrigkeit beantragen kann. Die Vergabekontrollbehörde hat die "Entscheidung" des Auftraggebers gemäß § 325 Abs 1 BVergG 2006 nur dann für nichtig zu erklären, wenn (Z 1) sie oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung den Antragsteller in dem von ihm nach § 322 Abs. 1 Z 5 geltend gemachten Recht verletzt, und (Z 2) die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.
Daher ist Voraussetzung für eine Nichtigerklärung gemäß § 325 BVergG 2006 die Rechtswidrigkeit der "Entscheidung" des Auftraggebers (gegenständlich somit gemäß § 2 Z 16 lit. a sublit. dd BVergG 2006 die Rechtswidrigkeit der Widerrufsentscheidung). Umgekehrt hat die Nichtigerklärung zu unterbleiben, wenn die "Entscheidung" des Auftraggebers mit den Rechtsvorschriften im Einklang steht. Eine (bloß) unzutreffende Begründung der Entscheidung des Auftraggebers reicht daher für eine Nichtigerklärung nicht aus.
...
Wenn der VwGH zur Kann -Bestimmung des § 278 BVergG 2006 den nachträglichen Austausch des Widerrufsgrunds zu Zl 2008/04/0109 ausdrücklich als zulässig angesehen hat und danach dort die Abweisung des Nichtigerklärungsantrags bestätigte, geht der erkennende Senat in Anwendung dieser Grundsätze auch hier davon aus, dass das gegenständliche Feststellungsbegehren abzuweisen ist, wenn (überhaupt nur) ein sachlicher Widerrufsgrund erweislich ist.
Unstrittig ist, dass eine nur einmal zu beschaffende Leistungsverzeichnisposition irrtümlich doppelt ausgeschrieben wurde, womit zumindest bei einer der beiden LV - Positionen der tatsächliche Beschaffungswille iSd § 20 Abs 4 BVergG bereits ursprünglich gefehlt hat.
Insoweit beurteilt es der Senat als sachlichen Grund, in einem solchen Fall wie dem vorliegenden gemäß § 149 Abs 2 Z 3 BVergG zu widerrufen (, wenn eben zuviel ausgeschrieben wurde, was in diesem Umfang nicht benötigt wird).
Damit war der Feststellungsantrag gemäß § 334 Abs 4 Z 1 BVergG gemäß § 356 Abs 1 BVerG - mangels wesentlichen Einflusses der Begründungsrechtswidrigkeit der Widerrufserklärung - abzuweisen.
Die Widerufserklärung entspricht zumindest im Ergebnis der Rechtsordnung.
3.2.2. Mangels entsprechend erfolgter Feststellung gemäß § 334 Abs 4 Z 1 BVergG war auch der gemäß § 357 BVergG zulässige Antrag auf Unwirksamerklärung des Widerrufs abzuweisen.
3.3. Insoweit waren weitere Ermittlungen bzw Erörterungen bzw Begründungen zu anderen im Verfahren vor dem BVwG erörterten allfälligen Widerrufsgründen nicht mehr erforderlich - § 39 AVG iVm § 17 VwGVG.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
3.5. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision war gegenständlich beim Abweisungsausspruch zur Gänze zuzulassen, weil noch keine gefestigte Rsp des VwGH zur grundsätzlichen Rechtsfrage besteht, ob die Rsp des VwGH zu Zl 2008/04/0109, ergangen zur Widerrufsregelung im Sektorenbereich im BVergG 2006 mit der dortigen Kann - Bestimmung, auf die Ermessenswiderrufsmöglichkeit gemäß § 149 Abs 2 Z 3 BVergG 2018 übertragbar ist. In gleicher Weise fehlt eine gefestigte Rsp des VwGH, ob im Falle der Abweisung des Feststellungsbegehrens gemäß § 334 Abs 4 Z 1 BVergG ein Antrag nach § 357 BVergG zurück- oder abzuweisen ist.
Schlagworte
Feststellungsantrag Feststellungsverfahren Irrtum Rechtswidrigkeit Revision zulässig Unionsrecht Vergabeverfahren Widerruf des VergabeverfahrensEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W131.2230662.1.00Im RIS seit
17.11.2020Zuletzt aktualisiert am
17.11.2020