Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde der Mariana-Narcisa Valean in Wien, vertreten durch
Dr. Richard Soyer, Rechtsanwalt in Wien I, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 17. Februar 1997, Zl. MA 61/IV - V 262/95, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 17. Februar 1997 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer am 16. März 1975 geborenen rumänischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) ab.
Die belangte Behörde begründete die Abweisung des Verleihungsantrages im wesentlichen damit, daß in Ermangelung einer taxativen Anführung von besonders berücksichtigungswürdigen Gründen im Staatsbürgerschaftsgesetz in jedem Einzelfall konkret geprüft werde, ob ein solcher Grund vorliege, der eine Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 3 StbG rechtfertige, und ob bei Erfüllung der übrigen Verleihungsvoraussetzungen vom freien Ermessen im positiven Sinne Gebrauch gemacht werden könne. Ein solcher besonders berücksichtigungswürdiger Grund sei im vorliegenden Fall im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen. Das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens sei der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht worden; es sei hiezu keine weitere Stellungnahme abgegeben worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG kann die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden, wenn er seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann von der Voraussetzung des Abs. 1 Z. 1 abgesehen werden, wenn es sich um einen Minderjährigen handelt oder wenn der Fremde seit mindestens vier Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat und ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 16. Oktober 1996, Zl. 96/01/0573, mit weiteren Judikaturhinweisen) handelt es sich bei der Beurteilung der Frage, ob ein "besonders berücksichtigungswürdiger Grund" im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG vorliegt, um eine zwingende Verleihungsvoraussetzung.
Unbestritten ist, daß die Beschwerdeführerin die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG nicht erfüllt, da sie nach dem mit dem Inhalt der Verwaltungsakten übereinstimmenden Beschwerdevorbringen erst seit Jänner 1990 ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik Österreich hat. Es ist daher zu prüfen, ob gemäß § 10 Abs. 3 leg. cit. vom Erfordernis des zehnjährigen ununterbrochenen Hauptwohnsitzes wegen Vorliegens eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes abgesehen werden kann.
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist zu ersehen, daß die Beschwerdeführerin dem Ansuchen um Verleihung der Staatsbürgerschaft neben den erforderlichen Unterlagen die Geburtsurkunden ihrer Kinder, die Arbeitsbestätigung ihres Ehegatten und den Bescheid über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an ihren Vater sowie die darin ausgesprochene Erstreckung der Verleihung auf ihre Mutter und ihre minderjährigen Geschwister beigelegt hat. Etwaig vorliegende "besonders berücksichtigungswürdige Gründe", welche für eine vorzeitige Einbürgerung der Beschwerdeführerin sprächen, wurden von dieser im Verwaltungsverfahren nicht ausdrücklich vorgebracht.
Am 20. Jänner 1997 wurde der Beschwerdeführerin das Ergebnis des fortgesetzten Ermittlungsverfahrens behördlich zur Kenntnis gebracht und wurde sie darüber informiert, "daß eine positive Erledigung Ihres Ansuchens um Verleihung der Staatsbürgerschaft in Ermangelung eines mindestens zehnjährigen ununterbrochenen Wohnsitzes im Gebiet der Republik sowie eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG weiterhin nicht möglich sei. Hiezu hat die Beschwerdeführerin keine Erklärung und auch in der Folge keine schriftliche Stellungnahme abgegeben.
In der Beschwerde werden nunmehr als "besonders berücksichtigungswürdige Gründe" die von der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten in Österreich entfaltete Arbeitstätigkeit, ihre Integration, die Geburt ihrer drei ehelichen Kinder im Bundesgebiet sowie die Verleihung der Staatsbürgerschaft an die Eltern und Geschwister der Beschwerdeführerin geltend gemacht.
Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß es sich bei der Sicherung des Lebensunterhaltes - welche in der überwiegenden Zahl der Fälle durch Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit erfolgt - nach § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG um eine zwingende Verleihungsvoraussetzung handelt. Die Ausübung einer Beschäftigung an sich kann daher nicht zusätzlich als besonders berücksichtigungswürdiger Grund im Sinne des § 10 Abs. 3 leg. cit. angesehen werden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1996, Zl. 95/01/0091). Ebensowenig wird durch die von der Beschwerdeführerin angeführte vollständige Integration im Bundesgebiet ein die Anwendung der Ausnahmebestimmung des § 10 Abs. 3 StbG rechtfertigender besonders berücksichtigungswürdiger Grund aufgezeigt, ist doch das Bemühen um Anpassung an die Lebensverhältnisse des Aufenthaltslandes als selbstverständlich zu erwartende Lebenshaltung anzusehen. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kann auch nicht ersehen werden, warum die Geburt ihrer Kinder in Österreich, welche die selbe Staatsangehörigkeit wie die Verleihungswerberin besitzen, einen für ein Absehen von der allgemeinen Verleihungsvoraussetzung der mindestens zehnjährigen Aufenthaltsdauer in Österreich sprechenden besonders berücksichtigungswürdigen Grund im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG darstellen soll.
Wenn die Beschwerdeführerin ins Treffen führt, daß auch ihre engsten Familienangehörigen bereits die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen, so ist der (im übrigen nicht mehr minderjährigen) Beschwerdeführerin zu entgegnen, daß dem von ihr in der Beschwerde angesprochenen "Grundsatz der Familieneinheit" bereits in einzelnen Bestimmungen des StbG 1985 (so in den §§ 7, 7a, 11a, 16, 17, 25 Abs. 2 und 27) hinreichend Rechnung getragen worden ist. Dies bedeutet, daß der "Grundsatz der Familieneinheit" zwar in mehreren Bestimmungen des StbG Berücksichtigung findet, als besonders berücksichtigungswürdiger Grund im Sinne des § 10 Abs. 3 leg. cit. jedoch nicht angesehen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1996, Zl. 96/01/0091).
Es ergibt sich somit, daß die Beschwerdeführerin weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde einen für ihre vorzeitige Einbürgerung sprechenden besonders berücksichtigungswürdigen Grund darzutun vermochte, sodaß auch eine umfassendere Begründung des angefochtenen Bescheides und weitere Sachverhaltsermittlungen nicht geeignet gewesen wären, einen für die Beschwerdeführerin günstigeren Verfahrensausgang herbeizuführen. Denn wenn auch das Verwaltungsverfahren vom Grundsatz der materiellen Wahrheitsforschung geprägt ist, so ist es nicht Aufgabe der Behörde, im Fall eines hinsichtlich des Vorliegens eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes für die Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht hinreichend belegten Ansuchens von sich aus Ermittlungen darüber anzustellen, ob allenfalls noch weitere, von der Antragstellerin nicht näher ausgeführte Gründe in dieser Hinsicht vorliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1988, Zl. 88/01/0120).
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin war die belangte Behörde auch nicht verpflichtet, etwa Umstände, die im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG als besonders berücksichtigungswürdige Gründe anzusehen sind, beispielsweise anzuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. September 1997, Zl. 97/01/0282).
Schließlich geht auch der von der Beschwerdeführerin erhobene Vorwurf der unrichtigen Ermessensübung ins Leere, da eine solche erst dann einsetzen kann, wenn alle Verleihungsvoraussetzungen im Sinne des § 10 StbG - somit bei einer das Ausmaß von zehn Jahren unterschreitenden Dauer des Hauptwohnsitzes in Österreich auch das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes - gegeben sind. Ein solcher konnte jedoch im Fall der Beschwerdeführerin nicht festgestellt werden, weshalb die in § 11 zweiter Satz StbG vorgesehene Ermessensübung der Behörde nicht zum Tragen kam.
Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997010390.X00Im RIS seit
20.11.2000