TE Bvwg Beschluss 2020/8/5 W104 2232056-1

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Veröffentlicht am 05.08.2020
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Entscheidungsdatum

05.08.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
MOG 2007 §6
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W104 2232056-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Christian Baumgartner über die Beschwerden von XXXX , BNr. XXXX , gegen den Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria (AMA) vom 10.1.2020, AZ II/4-DZ/19-14257052010, betreffend die Gewährung von Direktzahlungen für das Antragsjahr 2019:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben, der Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist unzulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. Mit 5.6.2018 gaben XXXX und die Beschwerdeführerin mit Formular „Bewirtschafterwechsel“ einen Übergang der Betriebsführung des Betriebs mit der BNr. XXXX von der bisherigen Bewirtschafterin auf die Beschwerdeführerin per 1.7.2018 bekannt. Dass alle Ansprüche an der Basisprämie (alle Zahlungsansprüche mit Flächen) an die Beschwerdeführerin weitergegeben werden, wurde nicht angekreuzt.

2. Die Beschwerdeführerin stellte in der Folge für das Antragsjahr 2019 einen Mehrfachantrag-Flächen für die übernommenen Flächen im Ausmaß von 26,3529 ha.

3. Mit dem angefochtenen Bescheiden wurde ihr Antrag auf Direktzahlungen mit der Begründung abgewiesen, dass keine Zahlungsansprüche (ZA) zur Verfügung stünden.

4. In ihrer Beschwerde vom 20.1.2020 machte die Beschwerdeführerin geltend, der Betrieb verfüge über ZA, die jedoch beim Bewirtschafterwechsel mit 1.7.2018 irrtümlicher Weise nicht übertragen worden seien. Mit der Korrektur des Bewirtschafterwechsel-Formulars stellten sie dies jedoch richtig und ersuchten um Auszahlung der Direktzahlungen.

5. Mit Übermittlung der Beschwerde wies die Behörde darauf hin, dass die Übergabe der ZA nunmehr positiv berücksichtig werden könne, was zu einer stattgebenden Entscheidung führen könnte, wäre die AMA noch zuständig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Mit 5.6.2018 gaben Inge und XXXX und die Beschwerdeführerin mit Formular „Bewirtschafterwechsel“ einen Übergang der Betriebsführung des Betriebs mit der BNr. XXXX von der bisherigen Bewirtschafterin auf die Beschwerdeführerin per 1.7.2018 bekannt. Dass alle Ansprüche an der Basisprämie (alle Zahlungsansprüche mit Flächen) an die Beschwerdeführerin weitergegeben werden, wurde nicht angekreuzt.

Die Beschwerdeführerin stellte in der Folge für das Antragsjahr 2019 einen Mehrfachantrag-Flächen für die übernommenen Flächen im Ausmaß von 26,3529 ha.

Mit korrigiertem Formular „Bewirtschafterwechsel“ vom 20.1.2020 wurde ergänzt, dass nunmehr alle Ansprüche aus der Basisprämie mit übertragen werden sollten und als Rechtsgrundlage „Kauf“ angegeben.

2. Beweiswürdigung:

Die angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und wurden von keiner Partei bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

§ 28 Abs. 2 und 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet:

„(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.       der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.       die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.“

Aufgrund eines Irrtums konnte nach einem Bewirtschafterwechsel die entsprechenden Zahlungsansprüche nicht übertragen werden. Nach Angaben der Behörde es ist nach einer Ergänzung des entsprechenden Formulars nunmehr möglich, eine Neuberechnung vorzunehmen. Damit liegt neuer Sachverhalt vor, zu dem die Behörde bisher nicht ermittelt hat.

Der Amtswegigkeitsgrundsatz und der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit verpflichten die Behörde jedoch, von Amts wegen ohne Rücksicht auf Vorträge, Verhalten und Behauptungen der Parteien die entscheidungserheblichen Tatsachen zu erforschen und deren Wahrheit festzustellen. Der Untersuchungsgrundsatz verwirklicht das Prinzip der materiellen (objektiven) Wahrheit, welcher es verbietet, den Entscheidungen einen bloß formell (subjektiv) wahren Sachverhalt zu Grund zu legen. Vor dem Hintergrund des Amtswegigkeitsprinzips und dem Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit, hätte die belangte Behörde den wahren Sachverhalt hinsichtlich des Bewirtschafterwechsels somit ermitteln müssen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, 2. Teilband, Wien 2005, Manz Verlag, § 39 Rz 3ff).

Daraus ergibt sich, dass der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt unzureichend ermittelt wurde. In Anbetracht der Komplexität der Bezug habenden Beihilferegelung und des technischen Charakters der Entscheidung über die aus dem neuen Sachverhalt erfließenden Berechnungen läge eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht weder im Interesse der Raschheit noch wäre diese mit einer Kostenersparnis verbunden. Vielmehr dient die Zurückverweisung der Angelegenheit einer raschen und kostensparenden Vervollständigung des neuen Sachverhalts.

Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war und Art. 47 GRC dem nicht entgegenstand.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zur Zurückverweisung liegt ständige einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, von der nicht abgewichen wird.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Betriebsübernahme Direktzahlung Ermittlungspflicht Kassation mangelhaftes Ermittlungsverfahren mangelnde Sachverhaltsfeststellung Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W104.2232056.1.00

Im RIS seit

17.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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