TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/10 G314 2232747-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.08.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

10.08.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §60 Abs1

Spruch

G314 2232747-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a BAUMGARTNER über die Beschwerde des serbischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .03.2020, Zl. XXXX , betreffend den Antrag auf Aufhebung des Einreiseverbots zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (BF) war im Bundesgebiet ohne Aufenthaltstitel und ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung von XXXX .12.2018 bis XXXX .05 2019 als Arbeiter erwerbstätig, wobei er sich mit gefälschten slowenischen Dokumenten als EWR-Bürger ausgegeben hatte. Am XXXX .06.2019 reiste er mit seinem am XXXX .05.2019 ausgestellten und bis XXXX .05.2029 gültigen serbischen Reisepass wieder in das Bundesgebiet ein, wo er ab XXXX .07.2019 in einem Hotel XXXX als Arbeiter beschäftigt und mit Nebenwohnsitz gemeldet war. Er sich abermals mit gefälschten slowenischen Identitätsdokumenten (Personalausweis, Führerschein) ausgewiesen und verfügte weder über einen Aufenthaltstitel noch über eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung.

Am XXXX .08.2019 wurde der BF von Polizeibeamten an seinem Arbeitsplatz betreten und nach Feststellung der Fälschung der Dokumente festgenommen. Nachdem er seinen echten serbischen Reisepass vorgelegt hatte, wurde er (nach der Sicherstellung der gefälschten Dokumente) auf freien Fuß gesetzt und darüber informiert, dass er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und zur sofortigen Ausreise verpflichtet sei.

Der BF verließ das Bundesgebiet nicht, sondern verzog nach XXXX , wo er ab XXXX .08.2019 unter Verwendung einer Kopie der gefälschten Dokumente in einem Hotel als Arbeiter beschäftigt und mit Nebenwohnsitz gemeldet war. Dort wurde er am XXXX .08.2019 von Polizeibeamten betreten, festgenommen und in Schubhaft genommen.

Nach Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde mit dem Bescheid vom XXXX .08.2019 gegen ihn (unter anderem) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG samt einem auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbot gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 (gemeint wohl: Abs 2) Z 7 FPG erlassen, weil er zur Arbeitsaufnahme eingereist und im Bundesgebiet unter einer falschen Identität mit gefälschten Dokumenten erwerbstätig gewesen sei. Es bestünde kein Familienleben und lediglich ein gewisses privates Interesse an einem Verbleib im Schengenraum, das aber weniger schwer wiege als das öffentliche Interesse an einem funktionierenden Fremdenwesen und an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Da der BF bei einer Beschäftigung betreten worden sei, die er nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen, und § 53 Abs 2 Z 7 FPG erfüllt sei, sei aufgrund der wiederholten Erwerbstätigkeit, die er sogar nach der Betretung durch die Exekutive fortgesetzt habe, ein Einreiseverbot zu erlassen. Aufgrund der geständigen Verantwortung und der Ausreisewilligkeit des BF habe mit einem zweijährigen Einreiseverbot (bei maximal möglichen fünf Jahren) das Auslangen gefunden werden können. Ein Einreiseverbot in dieser Dauer sei notwendig, um einen Wandel seiner Einstellung zur Rechtsordnung zu bewirken und die öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie das Interesse des Staates an einem funktionierenden Fremdenwesen zu schützen. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und dem BF gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt.

Dieser Bescheid wurde dem BF am XXXX .08.2019 zugestellt. Er verzichtete auf Rechtsmittel dagegen.

Am XXXX .08.2019 wurde der BF zur unverzüglichen Ausreise aus der Schubhaft entlassen. Am XXXX .08.2019 verließ er das Bundesgebiet im Rahmen der freiwilligen Ausreise und reiste nach Serbien aus.

Mit seiner an das Landesgericht XXXX gerichteten und von diesem an das BFA weitergeleiteten Eingabe vom 27.11.2019 beantragte der BF, das gegen ihn erlassene Einreiseverbot aufzuheben oder zu verkürzen. Er habe Österreich sofort verlassen, nachdem er von seiner Ausreiseverpflichtung erfahren habe. Er habe nicht beabsichtigt, gegen Gesetze zu verstoßen, sondern nur arbeiten und Geld verdienen wollen. Seine Deutschkenntnisse hätten nicht ausgereicht, um die Vorschriften zu verstehen, sodass er zum Opfer einer Erpressung (durch die Person, die ihm die gefälschten Dokumente beschafft habe, Anm.) geworden sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies das BFA diesen Antrag gemäß § 60 Abs 1 FPG ab (Spruchpunkt I.) und verpflichtete den BF gemäß § 78 AVG zur Entrichtung von EUR 6,50 an Bundesverwaltungsabgaben (Spruchpunkt II.). Die Antragsabweisung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich seine Situation seit der Erlassung des Einreiseverbots nicht entscheidungsrelevant geändert habe. Die Voraussetzungen für die Aufhebung oder Verkürzung des Einreiseverbots lägen nicht vor.

Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheids richtet sich die wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde des BF, mit der er dessen Behebung und die Aufhebung, hilfsweise die Verkürzung, des Einreiseverbots beantragt. Dies wird zusammengefasst damit begründet, dass er keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mehr darstelle. In den Monaten seit der Erlassung des Einreiseverbots habe er sich wohlverhalten. Im Strafverfahren wegen der Fälschung besonders geschützter Urkunden (§§ 223 Abs 2, 224 StGB) habe er ein reumütiges Geständnis abgelegt, sodass es zu einer diversionellen Erledigung gekommen und er weiterhin unbescholten sei. Er habe in Serbien mittlerweile eine Beschäftigung in der Landwirtschaft gefunden und plane, sich mit der Produktion von Fruchtschnäpsen selbständig zu machen. Er habe sich auch für einen Deutschkurs angemeldet. Die Gründe, die zur Erlassung des Einreiseverbots geführt hätten, seien nicht mehr gegeben.

Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Antrag vor, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungsrelevante Widersprüche aus dem Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und der Gerichtsakten des BVwG sowie aus den Abfragen im Zentralen Melderegister, im Strafregister und im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister, sodass sich eine eingehendere Beweiswürdigung erübrigt.

Rechtliche Beurteilung:

Ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs 2 FPG, wie es gegen den BF erlassen wurde, kann gemäß § 60 Abs 1 FPG über einen entsprechenden Antrag unter Berücksichtigung der für die Erlassung der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung oder des seinerzeitigen Einreiseverbotes maßgeblichen Umstände verkürzt oder aufgehoben werden, wenn der Drittstaatsangehörige das Gebiet der Mitgliedstaaten fristgerecht verlassen hat, was er nachzuweisen hat. Ein solcher Antrag kann grundsätzlich nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu seinen Gunsten geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung auch auf die nach der Verhängung der Maßnahme eingetretenen und gegen deren Aufhebung sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist.

Hier scheitert eine Verkürzung oder Aufhebung des Einreiseverbots schon daran, dass der BF das Gebiet der Mitgliedstaaten nicht fristgerecht nach der Erlassung der Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot, die mit der Zustellung des entsprechenden Bescheids am XXXX .08.2019 erfolgte, verlassen hat, zumal der Beschwerde die aufschiebende Wirkung rechtskräftig aberkannt wurde und keine Frist zur freiwilligen Ausreise bestand. Der BF wurde am XXXX .08.2019 aus der Schubhaft entlassen und reiste erst zwei Tage später, am XXXX .08.2019, aus. Mangels fristgerechter Ausreise kommt eine Verkürzung oder Aufhebung des Einreiseverbots nicht in Betracht.

Auch unabhängig davon sind die Voraussetzungen für die Verkürzung oder Aufhebung des mit zwei Jahren ohnedies maßvoll bemessenen Einreiseverbots nicht erfüllt, zumal seit seiner Erlassung noch nicht einmal ein Jahr vergangen ist.

Eine unter Verwendung gefälschter Dokumente und Vortäuschung einer Identität als EWR-Bürger ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung ausgeübte Erwerbstätigkeit stellt eine schwerwiegende Gefährdung öffentlicher Interessen dar. Wenn der BF behauptet, er habe nicht vorgehabt, gegen Gesetze zu verstoßen, ist ihm entgegenzuhalten, dass eine vorsätzliche Vorgehensweise keine Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestandes nach § 53 Abs 2 Z 7 FPG ist und es auf seine subjektive Sicht nicht ankommt. Von einem eine Beschäftigung in Österreich aufnehmenden Drittstaatsangehörigen muss nämlich verlangt werden, sich mit den dafür einschlägigen Rechtsnormen vertraut zu machen (VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311). Es war dem BF jedoch jedenfalls bekannt, dass er als serbischer Staatsangehöriger nicht ohne weiteres in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgehen durfte, sonst hätte er ja keine Veranlassung dafür gehabt, sich unter Verwendung gefälschter Dokumente als EWR-Bürger auszugeben. Dazu kommt, dass er dieses Verhalten wiederholte und sogar noch nach der Betretung durch Polizeibeamte und Information über seine Ausreiseverpflichtung fortsetzte.

Demgegenüber wiegt weder die diversionelle Erledigung des wegen der Fälschung besonders geschützter Urkunden geführten Strafverfahrens noch der Umstand, dass der BF derzeit in Serbien erwerbstätig ist, so schwer, dass das Einreiseverbot verkürzt oder aufgehoben werden kann, zumal es weder auf eine Straftat noch auf die Mittellosigkeit des BF gestützt wurde, sondern auf die Betretung bei einer nach dem AuslBG unzulässigen Beschäftigung. Seine geständige Verantwortung wurde ohnedies schon bei der Erlassung des Einreiseverbots zu seinen Gunsten berücksichtigt. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit der Erwerb von Deutschkenntnissen und der Besuch eines Deutschkurses die vom BF ausgehende Gefährdung öffentlicher Interessen reduzieren könnte.
Die Erfüllung eines Tatbestandes nach § 53 Abs 2 FPG indiziert, dass der (weitere) Aufenthalt des BF die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährdet. Diese Gefährdungsannahme ist beim Tatbestand des § 53 Abs 2 Z 7 FPG auch bereits bei einmaliger Verwirklichung berechtigt (siehe VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311). Der seit der Ausreise des BF verstrichene Zeitraum reicht noch nicht aus, um von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der von ihm ausgehenden, durch die mehrfache unerlaubte Erwerbstätigkeit und den Gebrauch gefälschter Dokumente zur Vortäuschung einer Identität als EWR-Bürger indizierten Gefährlichkeit ausgehen zu können.

Private oder familiäre Bindungen des BF, die einer Aufrechterhaltung des Einreiseverbots entgegenstehen, werden weder in der Beschwerde behauptet noch lassen sie sich den Verwaltungsakten entnehmen. Im Ergebnis ist die gegen die Abweisung des Aufhebungsantrags gerichtete Beschwerde daher als unbegründet abzuweisen.

Da der relevante Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt werden konnte und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine positive Entscheidung über seinen Antrag denkbar ist, liegt ein eindeutiger Fall vor, sodass eine Beschwerdeverhandlung, von deren Durchführung keine weitere Klärung der Angelegenheit zu erwarten ist, gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG unterbleibt.

Die Revision ist nicht zu zulassen, weil sich das BVwG im vorliegenden Einzelfall an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte und keine qualifizierte Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte.

Schlagworte

Einreiseverbot Interessenabwägung öffentliche Interessen strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2232747.1.00

Im RIS seit

17.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten