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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Olukayode Olawepo, geboren am 26. März 1963, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. August 1996, Zl. 4.347.867/3-III/13/96, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. August 1996 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Nigeria, der am 4. September 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 16. April 1996 den gegenständlichen (zweiten) Asylantrag gestellt hat, gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 30. Mai 1996 abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 11. September 1995 einen Asylantrag gestellt und sei am 13. und 14. September sowie am 29. September 1995 niederschriftlich vernommen worden. Er habe die Abgabestelle ohne Angabe der neuen Adresse verlassen, weshalb ein "Negativbescheid" gemäß § 19 Asylgesetz 1991 ergangen sei. Aufgrund der dagegen erhobenen Berufung sei dieser Bescheid behoben worden. Nachdem der Beschwerdeführer einer neuerlichen Ladung zu einer ergänzenden Vernehmung für den 16. (richtig: 6.) März 1996 wieder nicht Folge geleistet habe, seine Adresse neuerlich nicht festgestellt habe werden können, sei am 7. März 1996 ein zweiter "Negativbescheid gemäß § 19 Asylgesetz 1991" ergangen, welcher in Rechtskraft erwachsen sei. Der Beschwerdeführer habe über seinen bevollmächtigten Vertreter daraufhin den gegenständlichen Asylantrag gestellt. Er sei aufgrund dieses Asylantrages am 8. Mai 1996 niederschriftlich vernommen worden. Da er in seinem zweiten schriftlichen Asylantrag auf Verfolgung im Heimatland verwiesen und angekündigt habe, die genauen Umstände bei der mündlichen Einvernahme zu schildern, sei ihm das bisherige Ermittlungsergebnis zur Kenntnis gebracht worden. Ebenso sei ihm ein fachärztliches unfallchirurgisches Gutachten des Oberarztes Dr. Geisl, Facharzt für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie sowie allgemein gerichtlich beeideter Sachverständiger, vom 23. Oktober 1995 vorgehalten worden. Mit Schreiben vom 21. Mai 1996 habe der Beschwerdeführer einen "klinischen Befundbericht" vom 21. Mai 1996 der Universitätsklinik für Psychiatrie in Vorlage gebracht.
Daraufhin habe das Bundesasylamt den Asylantrag mit Bescheid vom 30. Mai 1996 abgewiesen, wogegen der Beschwerdeführer berufen habe.
Im angefochtenen Bescheid zog die belangte Behörde zur Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes die erstinstanzlichen Aussagen des Beschwerdeführers, das als ausführlich und im Aufbau und Inhalt klar und widerspruchsfrei sowie absolut nachvollziehbar bewertete Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Dr. Geisl, nicht aber den als ungeeignet befundenen Bericht der Psychiatrischen Universitätsklinik vom 21. Mai 1996 heran. Da das Gutachten Dris. Geisl die vom Beschwerdeführer angegebenen Verletzungen im Bereich des Schädels als objektiv nicht verifizierbar ansehe und die Annahme enthalte, daß die Beschwerden nur vorgetäuscht seien, sowie die übrigen Verletzungen nicht von den die Verfolgung des Beschwerdeführers auslösenden Ereignissen vom 18. Juli 1994 herrühren könnten, die Aussagen des Beschwerdeführers zu dem Verletzungskomplex in teils krassem Widerspruch zu Befund und Gutachten Dris. Geisl stünden und der Beschwerdeführer die Widersprüche nicht aufzuklären vermocht habe, sprach die belangte Behörde dem Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Glaubwürdigkeit ab. Sie untermauerte ihre Ansicht mit im einzelnen wiedergegebenen Widersprüchen in den Aussagen des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren zu seiner behaupteten Flucht aus dem Militärcamp, in dem der Beschwerdeführer angehalten worden sei. Aufgrund der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers könne seine angebliche Teilnahme an der Demonstration vom 18. Juli 1994 auch nicht als glaubwürdig angesehen werden. Dem unglaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführers seien keine Indizien einer Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 zu entnehmen, weshalb dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme.
Auf die auf der rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung nach dem Suchtgiftgesetz beruhende Begründung des Bescheides erster Instanz zur Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers nahm die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid keinen Bezug.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer rügt zunächst, daß dem fachärztlichen Gutachten Dris. Geisl nicht zu entnehmen sei, inwieweit bei der Untersuchung des Beschwerdeführers "ein Amtsdolmetscher anwesend" gewesen sei. Ein "allenfalls beizuziehender Amtssachverständiger, bzw. ein beeideter Sachverständiger hätte mit Sicherheit eine größere Sorgfalt bei der Übersetzung der maßgebenden Textpassagen an den Tag gelegt".
Diese Rüge geht schon aus dem Grund ins Leere, als der Beschwerdeführer nicht behauptet, daß es mit dem nach dem Inhalt des Gutachtens zur Erstellung des Befundes beigezogenen Dolmetsch Verständigungsprobleme gegeben hätte, aufgrund deren vom Beschwerdeführer gemachte Angaben unrichtig oder unvollständig übersetzt worden wären. Er zeigt damit die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht auf.
Des weiteren wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vor, wobei er auf den von ihm vorgelegten "klinischen Befundbericht" vom 21. Mai 1996 hinweist.
Der Beschwerdeführer verkennt hiebei, daß das fachärztliche unfallchirurgische Gutachten vom 23. Oktober 1995 zur Aufnahme des Befundes die vom Beschwerdeführer in vorangegangenen niederschriftlichen Befragungen behaupteten Verletzungen, seine ergänzende Befragung unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers, die ärztliche Untersuchung der angegebenen Verletzungsstellen sowie die Anfertigung von Röntgenbildern des Schädels und des Fersenbeines verwertete. Die aufgenommenen Befunde wurden vom Sachverständigen auf die Wahrscheinlichkeit der Entstehung der Verletzungen anläßlich des vom Beschwerdeführer behaupteten Ereignisses (18. Juli 1994) bewertet. Das Gutachten wurde von einem für die Beurteilung derartiger Verletzungen geeigneten Facharzt (Unfallchirurgie und Sporttraumatologie) erstellt.
Demgegenüber beruht der vom Beschwerdeführer als "Gutachten" bezeichnete, von den Ärzten (Univ. Prof. Dr. Lenz, Assistenzarzt Dr. Wenzel) der Universitätsklinik für Psychiatrie im Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien erstellte "klinische Befundbericht" vom 21. Mai 1996 offenkundig ausschließlich auf Angaben des Beschwerdeführers anläßlich einer Vorstellung (welche zudem datumsmäßig nicht näher bezeichnet ist; der Beschwerdeführer spricht von Februar 1996) bei der Ambulanz der Universitätsklinik für Psychiatrie, wobei kein Hinweis auf die Beiziehung eines Dolmetschers enthalten ist. Dieser "klinische Befundbericht" befaßt sich in keiner Weise damit, ob die "deutlich erkennbaren Narben im Bereich des Schädels sowie der Extremitäten" aus medizinischer Sicht überhaupt von dem vom Beschwerdeführer behaupteten Ereignis vom 18. Juli 1994 herrühren können, sondern nehmen diesen Zusammenhang ohne objektive medizinische Begründung, welche nicht nur auf den anläßlich der Vorstellung des Beschwerdeführers angegebenen Beschwerden beruht, einfach als gegeben an. Ergebnisse einer darin "empfohlenen" zusätzlichen "neurologisch-radiologischen Abklärung" legte der Beschwerdeführer nicht vor. Zudem ist nicht ersichtlich, ob die den "klinischen Befundbericht" erstellenden Ärzte auch eine andere Fachausbildung als jene der Psychiatrie besitzen, sodaß sie zur wesentlichen Frage des Alters der Narben eine fachkundige Auskunft hätten geben können.
Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muß ein Sachverständigen-Gutachten einen Befund und das Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund besteht in der Angabe der tatsächlichen Grundlagen, auf denen das Gutachten (im engeren Sinn) aufgebaut ist, und der Art, wie sie beschafft wurden. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen beschafft wurden, erkennen läßt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar. Denn der Sachverständige muß auch darlegen, auf welchem Weg er zu seinen Schlußfolgerungen gekommen ist, damit eine Überprüfung der Schlüssigkeit des Gutachtens vorgenommen werden kann (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, Seite 311, wiedergegebene
hg. Rechtsprechung). Da der "klinische Befundbericht" es unterläßt, diese Grundlagen und die Art ihrer Beschaffung zu nennen, sondern sich anscheinend nur mit den Angaben des Beschwerdeführers zu einem Zeitpunkt von mehr als eineinhalb Jahren nach dem die Verletzungen angeblich verursachenden Ereignis begnügt, wobei nicht einmal angegeben ist, ob eine Verständigung mit dem Beschwerdeführer unter Beiziehung eines Dolmetschers erfolgte, darüber hinaus nicht objektiv begründet wird, weshalb die Verletzungen vom 18. Juli 1994 stammten und letztlich die für die Beurteilung des Alters von Verletzungsnarben notwendige Fachkenntnis der den "klinischen Befundbericht" erstellenden Ärzte nicht erkennbar ist, ist die Rechtsansicht der belangten Behörde, dieser "klinische Befundbericht" sei als Beweismittel unbrauchbar, nicht rechtswidrig. Hingegen entspricht das Gutachten Dris. Geisl den genannten Kriterien, weshalb es von der belangten Behörde ihren Überlegungen zu Recht zugrundegelegt werden durfte.
Der Beschwerdeführer wendet sich auch gegen die von der belangten Behörde aus dem Gutachten Dris. Geisl gezogenen Schlüsse. Die Beweiswürdigung ist an sich ein Denkprozeß, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges als solchen handelt bzw. darum, ob der Sachverhalt, der in diesem Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 549 ff, wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
Das Gutachten Dris. Geisl beruhte auf folgenden Verletzungsschilderungen des Beschwerdeführers, welche er am 18. Juli 1994 erlitten zu haben behauptet:
"Ich wurde dann mit Gewehrkolben von den Soldaten geschlagen, auch mit Stangen. Am ganzen Körper habe ich noch Narben. (Anm. der AW zeigt Narben: linke Augenbraue, Narbe vermutlich Platzwunde, Narbe auf der Schädeldecke nach Schlag, der angeblich Bewußtlosigkeit zur Folge hatte, linkes
Fersenbein - Narbe: angeblich offener Knochenbruch, linker
Oberschenkel: Narbe von Schlägen) Ich wachte erst wieder im Militärkrankenhaus auf. ... Drei Monate lange wurde ich im Militärspital behandelt."
Anläßlich der Befundaufnahme wurden die Verletzungen wie folgt dargestellt:
"Am 18.07.1994 wurde ich im Rahmen einer Protestkundgebung von Soldaten geschlagen, wobei praktisch alle Körperteile entweder offene Wunden oder innere Verletzungen abbekommen haben.
Die schwerste Verletzung habe ich am Kopf erlitten, ich bin mit einem mir nicht bekannten Gegenstand (da der Schlag von hinten kam) geschlagen worden und war danach bewußtlos.
Ich bin erst dann im Krankenhaus aufgewacht, es war dann auch mein linkes Auge komplett blutunterlaufen.
Über die Zeitdauer der Bewußtlosigkeit kann ich nichts aussagen, ich bin jedoch noch am selben Tag zu mir gekommen, der Weg vom Ort des Überfalls zum Krankenhaus dauert mit einem Fahrzeug ca. zwanzig bis fünfundzwanzig Minuten.
Auf die Frage, ob er noch weitere Verletzungen erlitten habe, gibt Herr O. an, er habe keine weiteren Wunden gehabt, es sei nur der linke Oberschenkel beträchtlich geschwollen gewesen.
Auf die Vorhaltung, er hätte in der Niederschrift des Asylverfahrens angegeben, er hätte einen Knochenbruch im Bereich der linken Ferse erlitten, sagt Herr O., er sei vor vielen Jahren in dieser Gegend operiert worden und durch eine Schlagwirkung sei diese Wunde wiederum aufgeplatzt.
Auf die Frage, ob er eine medizinische Versorgung erhalten habe, wird angegeben, er sei ja im Krankenhaus wieder zu sich gekommen und sei danach dort rund drei Monate geblieben, über die durchgeführte Therapie wird nur angegeben, er habe Verbände auf seine Wunden erhalten und sei relativ lang im Bett gelegen.
Auf die Frage, ob er Kopfschmerzen, Schwindel, Erbrechen oder andere vegetative Symptome gehabt habe, wird angegeben, er habe nur Kopfschmerzen gehabt."
Konkret gab der Beschwerdeführer bei der Untersuchung des Kopfes "in der Scheitelregion rechts Schmerzen" an, wobei im Bereich der Haut in dieser Region keine Narbe festzustellen war. Des weiteren gab er an, er habe durch Schlagwirkung während eines Verhörs bei der dem 18. Juli 1994 folgenden Haft eine Wunde im Bereich des Unterkiefers links erlitten. Dort finde sich eine hypertrophe Narbe, welche älter sei als es dem angegebenen Zeitraum entspreche.
Der Gutachter kam zusammengefaßt zu folgendem Ergebnis:
"Aus medizinischer Sicht ist es zwar theoretisch möglich, daß Herr O. durch Schlagwirkung gegen den Schädel eine kurzfristige Bewußtlosigkeit erlitten hat, eine länger dauernde Bewußtlosigkeit oder schwerwiegendere Hirnverletzung hat sicherlich nicht stattgefunden, einen medizinischen Beweis für das stattgefundene Ereignis gibt es nicht.
Die Wunden im Bereich der Augenbraue und des Kinns sind von ihrer Struktur her vermutlich wesentlich älter als dem angegebenen Zeitpunkt entsprechen würde, ebenso die Wunde im Bereich des linken Oberschenkels, wobei zudem aus medizinischer Sicht angezweifelt werden muß, daß diese Wunde durch Schlagwirkung entstanden ist.
Im Bereich des linken Fersenbeines findet sich ein Zustand nach Versorgung entweder einer Knochennekrose im Bereich der Wachstumsfuge odere nach Explosions- oder Schußverletzung, einen medizinischen Beweis für ein Aufplatzen der Wunde vor rund ein bis eineinhalb Jahren gibt es ebenfalls nicht."
Insofern der Beschwerdeführer die Ausführungen im Gutachten Dris. Geisl, Blatt 8, die zarte Narbe im Bereich der linken Augenbraue sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit älter als ein Jahr, isoliert gesehen als Bestätigung seiner Angaben ansieht, die Narbe stamme vom Vorfall 18. Juli 1994, übersieht der Beschwerdeführer den Gesamtzusammenhang des Gutachtens. Zwar spräche die zitierte Stelle des Gutachtens allein für sich gesehen tatsächlich nicht gegen die Entstehung der Verletzung am 18. Juli 1994, doch bezieht sich der Gutachter im Gesamtzusammenhang immer auf dieses Ereignis, was aus mehreren Gutachtensstellen, insbesondere aber aus der oben wiedergegebenen Zusammenfassung zu erkennen ist.
Zu beachten ist, daß der Beschwerdeführer seine Verletzungen in unterschiedlicher Weise darstellte und eine drei Monate dauernde Spitalsbehandlung behauptete, welche mit der vom Gutachter für möglich erachteten kurzfristigen Bewußtlosigkeit und den übrigen Verletzungen - unabhängig davon, ob sie überhaupt vom 18. Juli 1994 bzw. danach stammten - nicht in Einklang zu bringen ist. Die anläßlich der Befundaufnahme auf der rechten Scheitelregion angegebenen - noch bestehenden - Schmerzen waren objektiv nicht verifizierbar, sodaß der Gutachter zur Annahme gelangte, daß die Beschwerden vorgetäuscht seien. Im Zusammenhang mit der Entstehung der Wunden im Bereich der Augenbraue und des Kinns und des linken Oberschenkels schloß Dris. Geisl deren Entstehung am 18. Juli 1994 zwar nicht aus, erachtete sie jedoch als eher unwahrscheinlich. Diese Umstände lassen die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die Teilnahme des Beschwerdeführers an der Demonstration vom 18. Juli 1994, die hiebei erlittenen Verletzungen und die anschließende Inhaftierung sei unglaubwürdig, nicht als unschlüssig erkennen.
An dieser Beurteilung ändert auch der Umstand nichts, daß der Beschwerdeführer anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 8. Mai 1996 nach Vorhalt des Gutachtens Dris. Geisl vorbrachte, er sei Universitätsabsolvent der Fachrichtung Zoologie und er habe nie behauptet, daß alle Wunden, die an seinem Körper seien, vom Vorfall 18. Juli 1994 stammten. Er habe gesagt, daß er noch heute gelegentlich an Schwindelanfällen leide, und nicht gesagt, daß er lediglich Kopfschmerzen gehabt habe. Zur Wunde am Auge habe er gesagt, daß es sich auch um eine ältere Wunde handle, doch es gebe dort zwei Nähte, eine ältere und eine frischere. Denn in dieser Niederschrift hat der Beschwerdeführer - vor Vorhalt des Gutachtens - angegeben, er sei bei der Demonstration von Soldaten niedergeschlagen worden. Er sei bewußtlos geworden, er sei mit Gewehrkolben geschlagen und mit Füßen getreten worden. Als er zu sich gekommen sei, habe er sich in einem Militärkrankenhaus befunden. Er glaube, daß er weniger als eine Stunde bewußtlos gewesen sei. Er sei fast drei Monate im Militärkrankenhaus verblieben. Auf Befragen gab er seine Verletzungen nunmehr so an, daß er eine Kopfverletzung davongetragen habe, die nicht geblutet habe. Zudem habe er eine Platzwunde am Auge erlitten und eine alte Wunde am linken Fersenbein sei wieder aufgegangen. Diese Schilderung seiner Verletzungen divergiert erneut zur Behauptung der Verletzungen in der Niederschrift vom 13. September 1995.
Darüber hinaus stützte die belangte Behörde ihre Ansicht auf Widersprüche in den Aussagen des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz zu seiner Flucht. Ihr liegen folgende Aussagen zugrunde:
13. September 1995:
"Meine Familie nahm dann Kontakt mit der NADECO auf. Ich habe Kontakte hergestellt. Als politische Person in meinem Bezirk war ich bekannt und die Leute sahen auch, wie ich in das Militärlager überstellt wurde. In Nigeria ist es eine normale Vorgangsweise, politisch andersdenkende Personen in ein Militärlager zu bringen. In meinem Bezirk befanden sich eine Reihe von solchen Lagern. Die Kontakte knüpfte ich über Soldaten - das Wachpersonal wechselte ständig. Es gab Soldaten meines Stammes, mit denen ich sprach.
Insgesamt wurde ich von meiner Familie dreimal besucht.
Wir wurden manchesmal in das Krankenhaus geschickt zur Untersuchung. Auch wenn man sagte, man fühle sich krank, wurde man in das Krankenhaus gebracht.
Es ist der NADECO dann gelungen, in die Struktur dieses Militärlagers einzudringen. Dazu muß man sagen, daß Nigeria ein korruptes Land ist und die Korruption bis in die kleinste Faser eingedrungen ist. Durch Bestechung ist es der NADECO gelungen, meine Flucht über den Umweg eines Spitalsbesuches vorzubereiten.
Es wurde organisiert, daß mich eine Wache in das Spital führte, die eingeweiht war. Ich mußte weder laufen noch einen Ausbruch durchführen, ich wurde einfach aus dem Lager gebracht.
In einem solchen Camp leben tausende von Soldaten. Es werden auch Verkaufsstände aufgebaut, bei denen von verschiedenen Leuten Waren angeboten werden. Innerhalb eines Lagers weiß man gar nicht, wer wer ist. Sobald mich der Wachesoldat verlassen hat, konnte ich ungehindert aus dem Camp gehen. Ich wurde nirgendwo kontrolliert."
8. Mai 1996:
"Mir ist die Flucht gelungen, indem es möglich war, in das System einzudringen. Die NADECO ist eine sehr umsichtige Mutterorganisation. Sie kümmert sich um alle Mitglieder. Man hatte schon vorher nach mir gesucht, indem die Leute von Polizeistation zu Polizeistation gingen und nach mir fragten. Es ist mir dann gelungen, eine Nachricht hinauszuschicken zu meiner Familie und die hat dann die NADECO angesprochen. Ich habe mitbekommen, wie ich von verschiedenen Soldaten behandelt wurde. Ich wurde je nach Schicht von vier bis fünf Wächtern bewacht. Man bekommt mit, wer einem wohlgesinnt ist. Als politischer Gefangener ist es leichter, mit den Leuten in Kontakt zu treten. Die Wächter, die Soldaten, sind auch schlecht bezahlt und mit der Lage nicht zufrieden. So war es leicht, mit einem der mir wohlgesonnenen Soldaten in Kontakt zu treten und ihn zu bitten, meiner Familie eine Nachricht zu übermitteln.
Frage: Welche Nachricht haben Sie übermittelt? Antwort: Ich bat den Soldaten einfach meinen Aufenthaltsort mitzuteilen. Wenn Sie mein Vater wären und Sie würden die Nachricht erhalten, daß ich im Gefängnis wäre, wüßten Sie auch, was zu tun ist.
Einer der Anführer unserer örtlichen Parteiorganisation, Adebayo Sarumi, organisierte die Flucht - Geld, Hilfe, und die sonstigen Maßnahmen. Natürlich kam die Flucht durch Bestechung zustande: Es war ein großer Geldbetrag im Spiel, wie alles genau gelaufen ist, weiß ich nicht. Ein Mann, den alle Bishop nannten, hat dann einen Reisepaß auf den Namen "Collins" oder so ähnlich besorgt. Ich gehe davon aus, daß das auf höherer Ebene abgewickelt wurde. Da Sarumi ein Anführer bei uns war, hat er sicherlich nicht mit den Wärtern, sondern vielleicht mit dem Leiter des Camps gesprochen. In Nigeria kann man alles mit viel Geld und wenig Gewissen erreichen. Das System ist verdorben und korrupt.
Bonny Camp ist ein riesiges Armeeareal. Ich war damals immer noch unter ärztlicher Behandlung und wurde mehrmals zum Arzt vorgeführt. Am 2.9.1995 führte mich ein Soldat aus der Zelle und ließ mich frei. Durch diesen Soldaten habe ich auch erfahren, daß meine Freilassung so erfolgen würde. Der Soldat ließ mich dann noch innerhalb des Camps gehen. Ich bin einfach durch einen Ausgang hinaus. Das Datum war von vornherein nicht fixiert, sondern ich wußte, daß ich beim nächsten Krankenhausbesuch flüchten konnte. Ich wurde auch nicht von dem Soldaten abgeholt, der mich eigentlich bewachte, sondern von einem anderen. Er holte mich mit dem Auto ab und brachte mich Richtung Krankenhaus im Lager. Bonny Camp ist um ein vielfaches größer als diese Anlage hier in Traiskirchen. Ich wurde zum Arzt gebracht und als ich das Behandlungszimmer verließ, war der Soldat nicht mehr da. Ich konnte ohne weiteres das Lager verlassen."
An diesen Aussagen fällt auf, daß sie - trotz mehrfacher Schilderung des wesentlichen Vorganges der Flucht - im Gegensatz zu den detailreichen Angaben des (sich selbst als Universitätsabsolvent bezeichnenden) Beschwerdeführers zur politischen Lage und seiner eigenen Tätigkeit vor dem 18. Juli 1994 vage, unbestimmt und dennoch - im Gegensatz zur Ansicht des Beschwerdeführers - nicht völlig miteinander übereinstimmen.
Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie daraus den Schluß gezogen hat, der Beschwerdeführer habe das, was er in diesem Zusammenhang vorgebracht habe, nicht wirklich erlebt, also auch nicht die behauptete vielmonatige Anhaltung in dem Militärcamp.
Die belangte Behörde handelte auch nicht rechtswidrig, wenn sie ausgehend von ihrer Beweiswürdigung, welche das Vorbringen des Beschwerdeführers im Hinblick auf die ihm individuell widerfahrene Verfolgung als unglaubwürdig ansah, keine weiteren Ermittlungen über die allgemeine Situation in der Heimat des Beschwerdeführers durchführte.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der von dem Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996010944.X00Im RIS seit
20.11.2000