TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/17 W242 2220077-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.08.2020
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Entscheidungsdatum

17.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W242 2220077-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HEUMAYR als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Kasachstan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.05.2019, Zl. XXXX , zu Recht:

A)       Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen Kasachstans, wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.11.2012, Zl. 12 10.747-BAT, der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihr eine bis 15.11.2013 befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt, die über Antrag der Beschwerdeführerin insgesamt viermal, zuletzt mit Bescheid vom 05.10.2017, bis 15.11.2019 verlängert wurde.

Am 21.12.2017 übermittelte das Bundesministerium für Inneres dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Kontrollmitteilung über eine Reisebewegung der Beschwerdeführerin, aus der hervorgeht, dass sie am 17.12.2017 versucht habe, von St. Petersburg nach Prag zu reisen, dabei im Besitz eines armenischen Reisepasses sowie eines österreichischen Fremdenpasses (gültig bis 31.07.2021) gewesen sei und keinen gültigen österreichischen Aufenthaltstitel habe vorweisen können, weshalb sie vom Flug ausgeschlossen worden sei.

Am 17.10.2018 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Dabei gab sie an, dass sie bisher sechs Operationen gehabt habe, eine Schulterprothese bekomme und Probleme mit dem Herz habe. Einen kranken Fuß habe sie schon in Kasachstan gehabt. Sie habe bisher keine Integrationsschritte gesetzt. Vorwiegend sei sie zu Hause und gehe im Park spazieren. Sie habe eine Freundin und besuche Versammlungen der Zeugen Jehovas. Aufgrund ihrer religiösen Aktivitäten drohe ihr im Falle der Rückkehr die Einweisung in eine Psychiatrie. In Kasachstan habe sie eine Schwester und deren Kinder. Im Dezember 2017 sei sie zu ihren Verwandten nach Russland gefahren, damals sei sie auch zum letzten Mal in Kasachstan gewesen.

Mit schriftlicher Stellungnahme vom 21.03.2019 wiederholte die Beschwerdeführerin ihre Rückkehrbefürchtungen im Zusammenhang mit ihrer Religion und führte ergänzend aus, dass die benötigten Operationen in Kasachstan nicht durchgeführt werden könnten und sie nicht die Medikamente bekommen würde, die sie in Österreich habe.

Mit Aktenvermerk vom 29.03.2019 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Verfahren zur Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten der BF ein.

Mit Schreiben vom 16.04.2019 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Beschwerdeführerin mit, dass die durchgeführte Anfrage an die Staatendokumentation zur Behandelbarkeit der bei der Beschwerdeführerin diagnostizierten Erkrankungen und Verfügbarkeit ihrer Medikamente in ihrem Herkunftsland ergeben habe, dass sie in Kasachstan sowohl einen Orthopäden aufsuchen als auch ihren Bluthochdruck behandeln lassen könne und die verordneten Medikamente bzw. solche mit alternativen Wirkstoffen erhältlich seien. Dazu erhielt die Beschwerdeführerin Gelegenheit bis 25.04.2019 Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben vom 26.04.2019 ersuchte die Beschwerdeführerin um Erstreckung der Stellungnahmefrist bis 10.05.2019.

In ihrer am 30.04.2019 übermittelten Stellungnahme führte die Beschwerdeführerin aus, dass das Gesundheitssystem nach wie vor auf privaten Zahlungen basiere und den zugrundeliegenden Berichten nicht zu entnehmen sei, ob der Beschwerdeführerin als Rentnerin unter Berücksichtigung, dass sie viel Geld für medizinische Behandlungen aufbringen müsse, ein Mindestmaß an Versorgung zukomme. Diese Situation sei bereits im Jahr 2012 vorgelegen. Aus der nunmehr herangezogenen Anfragebeantwortung der Staatendokumentation sei eine wesentliche Änderung ebensowenig erkennbar, zumal die in der Zuerkennungsentscheidung zur Lage in Kasachstan enthaltenen Feststellungen keine Auskunft über die Behandelbarkeit und den gesundheitlichen Zustand der Beschwerdeführerin geben würden. Die Beschwerdeführerin leide – wie im Zeitpunkt der Zuerkennung – an Bluthochdruck, sei in Uralsk aufgewachsen und habe noch nie an einem anderen Ort in Kasachstan gelebt. Im Falle der Rückkehr habe sie kein soziales, familiäres oder wirtschaftliches Netzwerk auf das sie sich stützen könne. Sie pflege ein enges Verhältnis zu ihrem Sohn, ihrem Enkelsohn und Stiefsohn, das im Falle ihrer Rückkehr zerrissen werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin der ihr mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.11.2012 zuerkannte Status der subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), die ihr mit Bescheid vom 05.10.2017 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen (Spruchpunkt II.) und ihr ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen die Beschwerdeführerin wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Kasachstan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, dass die medizinische Entwicklung der Beschwerdeführerin einen dauerhaft positiven Verlauf nehme und ihr Gesundheitszustand stabil sei, weshalb die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet nicht mehr vorliegen würden, zumal die Beschwerdeführerin nunmehr Unterstützung von ihrer Schwester und deren Familie erwarten könne.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass sie sich in laufender fachärztlicher Behandlung befinde. Ihre Schwester sei mittlerweile nach Russland ausgewandert, weshalb sie in ihrem Heimatland keine familiäre Unterstützung erwarten könne. Aufgrund ihres Gesundheitszustandes sei sie auf die Unterstützung und Pflege ihres Sohnes und Enkelsohnes angewiesen, mit denen sie im gemeinsamen Haushalt zusammenlebe. Eine professionelle Pflege könne sie sich nicht leisten. Zudem fühle sich die Beschwerdeführerin der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas zugehörig und sei nicht bereit, auf die Teilnahme an deren Versammlungen in Zukunft zu verzichten. Obwohl ihr daher aufgrund ihrer religiösen Ausrichtung im Falle der Rückkehr eine Verletzung in ihren Rechten nach Art. 3 EMRK drohe, habe die Behörde nähere Ermittlungen dazu unterlassen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin heißt XXXX und ist am XXXX in Turkmenistan geboren. Ihre Identität steht fest. Sie ist Staatsangehörige Kasachstans, gehört der Volksgruppe der Russen an und bekennt sich zum orthodoxen Glauben. Sie spricht Russisch, ist verwitwet und hat einen Sohn.

Die Schwester der Beschwerdeführerin lebt mit ihrer Familie in der Russischen Föderation. Die Beschwerdeführerin hat regelmäßigen Kontakt zu ihr.

Die Beschwerdeführerin leidet an Omarthrose (Gelenksverschleiß in der Schulter), paroxysmalem Vorhofflimmern (vorübergehende Herzrhythmusstörung), arterieller Hypertonie (Bluthochdruck), Adipositas (Ernährungskrankheit, die durch übermäßiges Fettgewebe gekennzeichnet ist), normozytärer Anämie (Blutarmut-Anämie, die mit normal großen Blutkörperchen einhergeht und bei fortgeschrittenem Alter gehäuft auftritt) und einem Halswirbelsäulensyndrom (Sammelbezeichnung für uncharakteristische Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule und des Nackens durch verschleißbedingte Erkrankungen). Sie ist regelmäßig in ärztlicher Behandlung und nimmt Medikamente.

Zum (Privat-)Leben der Beschwerdeführerin in Österreich:

Die Beschwerdeführerin reiste gemeinsam mit ihrem Sohn und ihrem Enkelsohn unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 16.08.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.11.2012, Zl XXXX , wurde der Antrag der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen, ihr der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihr eine bis 15.11.2013 befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

Festgestellt wurde, dass die Beschwerdeführerin verwitwet ist, zuletzt in Kasachstan gelebt hat, gemeinsam mit ihrem volljährigen Sohn und ihrem zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen Enkelsohn eingereist ist und in Österreich in ärztlicher Behandlung steht. Beweiswürdigend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass die Beschwerdeführerin in Kasachstan keine Verwandten mehr hat und ihre gesundheitliche Situation ein Abschiebungshindernis darstellt. Rechtlich stützte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Gewährung von subsidiärem Schutz auf die gesundheitlichen Probleme der Beschwerdeführerin.

Die der Beschwerdeführerin erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung wurde über ihren Antrag insgesamt viermal verlängert, zuletzt mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.10.2017 bis 15.11.2019.

Die Beschwerdeführerin ist seit 21.08.2012 durchgehend im Bundesgebiet gemeldet und lebt mit ihrem Sohn und ihrem Enkelsohn im gemeinsamen Haushalt zusammen. Ihre Schwiegertochter lebt ebenfalls im Bundesgebiet.

Die Beschwerdeführerin verfügt über Grundkenntnisse der deutschen Sprache und ist nicht erwerbstätig. Sie hat in Österreich eine Freundin und besucht ab und zu Versammlungen der Zeugen Jehovas. Sie hat bisher keine nennenswerten Integrationsschritte in Österreich gesetzt.

Die Beschwerdeführerin reiste von 02.03.2015 bis 30.03.2015, von 11.06.2015 bis 22.06.2015, von 07.12.2017 bis 17.12.2017 sowie von 09.10.2018 bis 14.10.2018 in die Russische Föderation, um ihre Verwandten zu besuchen.

Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten.

Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat:

Unter Berücksichtigung der individuellen Situation der Beschwerdeführerin und der Sicherheits- und Versorgungslage in Kasachstan, haben sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.11.2012, Zl. 12 10.747-BAT, bzw. seit der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.10.2017, nicht wesentlich und nachhaltig verändert.

Der Kenntnisstand der Behörde hinsichtlich jener Umstände, die zur Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, hat sich nachträglich nicht geändert und die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten wurde auch nicht auf Tatsachen gestützt, die sich nachträglich als unzutreffend erwiesen.

Zur maßgeblichen Situation in Kasachstan:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung vom 20.07.2018, wiedergegeben:

1.       Politische Lage

Das unabhängige Kasachstan hatte sich 1993 seine erste – parlamentarische – Verfassung gegeben. Schon 1995 wurde sie durch eine neue Konstitution ersetzt, die, orientiert an der französischen, einen starken Präsidenten etabliert. Durch mehrere Verfassungsänderungen wurden dessen Kompetenzen auf Kosten von Regierung und Parlament noch erweitert (GIZ 6.2018a).

Mit der am 10. März 2017 verabschiedeten Verfassungsreform erfolgte eine Kompetenzverlagerung vom Präsidenten zu Parlament und Regierung. Zudem soll mit der Reform die Unabhängigkeit der Justiz gestärkt werden. Auch nach der Reform bleiben weitreichende Vollmachten beim Präsidenten: Er ist dem Parlament gegenüber politisch nicht verantwortlich (Präsidentenanklage nur wegen Hochverrats). Auch nach dem Ende seiner Amtszeit genießt er verfassungsmäßig garantiert umfangreiche Immunitäten und das Recht, auf die kasachische Politik Einfluss zu nehmen („Führer der Nation“ seit Mai 2010). 2007 wurde zwar die Amtszeit des Präsidenten von sieben auf fünf Jahre bei nur einer möglichen Wiederwahl reduziert. Präsident Nasarbajew jedoch wurde als „Erster Präsident“ Kasachstans von dieser Wiederwahlbeschränkung durch Ausnahme in der Verfassung befreit. Er ist Vorsitzender der Regierungspartei Nur-Otan, die 1999 gegründet wurde und 2005 mit drei anderen Parteien fusionierte. Von einer echten Opposition kann in Kasachstan nicht gesprochen werden (AA 3.2018a).

Jegliche Art der Gewaltenteilung (checks and balances) im Sinne der Kontrolle der Exekutive ist extrem schwach. Die Exekutive beherrscht alle übrigen Bereiche der Regierung und innerhalb der Exekutive wiederum dominiert der Präsident mit seiner engsten Entourage und der Präsidialverwaltung. Während das gegenwärtige Regime relativ stabil ist, verhindert es das Entstehen neuer politischer Kräfte, verlangsamt die Entwicklung einer Mittelklasse und schafft auf lange Hinsicht Stabilitätsrisiken (BTI 2018).

Die prägende Gestalt des unabhängigen Kasachstan ist Nursultan Nasarbajew. Als Parteichef der KasSSR wurde er 1990 zunächst vom Obersten Sowjet der Unionsrepublik ins neu geschaffene Amt des Präsidenten gewählt und am 1.12.1991 als einziger Kandidat von der Bevölkerung in diesem Amt bestätigt und hat es seither ununterbrochen inne (1995 Verlängerung der Amtszeit per Referendum; 1999 und 2005 reguläre Präsidentschaftswahlen, 2011 um ein Jahr vorgezogene Wahlen). Im Februar 2015 wurden extrem kurzfristig wiederum um ein Jahr vorgezogene Wahlen für den 26.4.2015 angekündigt. Erwartungsgemäß hieß der Sieger erneut Nursultan Nasarbajew. Seine beiden Gegenkandidaten waren in der Bevölkerung unbekannt und ließen auch keinen Zweifel daran, dass sie den Amtsinhaber für die bessere Wahl hielten (GIZ 6.2018a). Nasarbajew wurde mit 97,75% im Amt bestätigt. Die Wahlbeteiligung lag bei 95% (IFES 2018a). Die nächsten Präsidentschaftswahlen finden regulär 2020 statt (AA 3.2018a).

Senat (Oberhaus) und Mazhilis (Unterhaus) sind die beiden Häuser des Parlaments. Der Senat setzt sich aus 47 Senatoren zusammen: Je Verwaltungsgebiet (Oblast) werden zwei Senatoren (Amtszeit 6 Jahre) von den örtlichen Vertretungskörperschaften (Maslikhate) gewählt; 15 Senatoren werden vom Präsidenten ernannt. Bei vorgezogenen Unterhauswahlen am 20. März 2016 hat die Präsidentenpartei „Nur Otan“ mit 82,15% den erwarteten Wahlsieg errungen. Oppositionsparteien boten keine ernst zu nehmende politische Alternative zur dominierenden Präsidentenpartei. Die Kommunistische Volkspartei (7,14%) und die wirtschaftsliberale Partei „Ak Zhol“ (7,18%) haben neben „Nur Otan“ die 7%Sperrklausel überwunden. Beide Parteien waren bereits im vorherigen Parlament vertreten (AA 3.2018a). Von den 98 Sitzen des Unterhauses fielen 84 auf „Nur Otan“, und je sieben auf die „Kommunistische Volkspartei“ sowie auf die „Demokratische Partei Ak Zhol“ (IFES 2018b). Die OSZE konstatierte zwar einige Fortschritte, doch hätte das Land noch Wesentliches vor sich, um die OSZE-Verpflichtungen für die Durchführung demokratischer Wahlen zu erfüllen. Der rechtliche Rahmen schränkt die grundlegenden politischen und Bürgerrechte ein, was eine umfassende Reform von Nöten macht. Am Wahltag selbst kam es zu ernsten prozeduralen Fehlern und Unregelmäßigkeiten (OSCE 21.3.2016).

Ende April 2016 kam es in ganz Kasachstan zu zahlreichenden Demonstrationen, gegen eine geplante Landreform, welche von den Gegnern als Ausverkauf kasachischen Bodens an ausländische Investoren aufgefasst wurde (Erhöhung der Pachtdauer von 10 auf 25 Jahre). In mehreren Städten sollen jeweils zwischen 1.000 und 2.000 Personen teilgenommen haben. Die Regierung dementierte, dass dies faktisch dem Verkauf von Land gleichkäme. Präsident Nasarbajew forderte, Provokateure, die bewusst Gerüchte über den Verkauf von Agrarland streuen, streng zu bestrafen. (BBC 28.4.2016; vgl. ZA 27.5.2016). In der Folge suspendierte die Regierung die Änderungen des Landrechts (ODF 20.5.2016), nachdem Präsident Nasarbajew am 5.5.2016 sein Veto bis zur „weiteren Klarstellung“ eingelegt hatte. Am selben Tag entließ Nasarbajew den Wirtschaftsminister, dessen Stellvertreter sowie den Landwirtschaftsminister, weil sie es verabsäumt hätten, der Bevölkerung die diesbezügliche Regierungspolitik zu erklären (JF 16.5.2016; vgl. ZA 16.2.2017).

2017 war die Lage in Kasachstan innenpolitisch – im Gegensatz zum eher unruhigen Vorjahr – stabil (AA 3.2018a).

[…]

2.       Sicherheitslage

Erstmals kam es im Jahre 2011 zu mehreren kleineren islamistisch-terroristische Anschlägen in Kasachstan. Daraufhin wurde im Oktober 2011 ein neues Religionsgesetz verabschiedet, um die Verbreitung extremistischer religiöser Strömungen einzudämmen (GIZ 6.2018a; vgl. AA 3.2018a).

2016 kam es zu den ersten größeren Anschlägen seit 2011 (USDOS 19.7.2017). Am 5.6.2016 und am Folgetag kam es in der 400.000 Einwohner-Stadt Aqtobe zu Schießereien zwischen mutmaßlichen islamistischen Extremisten und Sicherheitskräften, bei denen laut Innenministerium 19 Menschen getötet wurden. Zwei Dutzend junger Männer überfielen zwei Waffengeschäfte, dann einen Posten der Nationalgarde. Es wurde die oberste Terrorwarnstufe ausgerufen (FR 6.6.2016; vgl. ZA 30.6.2016). Unter den Toten waren 13 Attentäter, drei Zivilisten und drei Soldaten der Nationalgarde (RFE/RL 7.6.2016). Während nachfolgender Polizeirazzien wurden fünf weitere vermeintliche Attentäter getötet (RFE/RL10.6.2016). Die Staatsführung stufte beide Ereignisse als terroristische Akte ein und beschuldigte ausländische Akteure, obwohl die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden keine Hinweise auf eine direkte Verbindung zu ausländischen terroristischen Organisationen ergaben (USDOS 19.7.2017). So brachte etwa Präsident Nasarbajew die Anschläge mit den Farbrevolutionen in Georgien, der Ukraine und Kirgisistan 2010 in Verbindung (ZA 30.6.2016).

Am 18.7.2016 stürmte ein bewaffneter, offenbar islamistischer Einzeltäter mit krimineller Vergangenheit das Bezirkshauptquartier der Polizei in Almaty und tötete fünf Menschen – darunter drei Polizisten – und verletzte drei weitere Personen zum Teil lebensgefährlich (GIZ 6.2018a; vgl. ZA 29.7.2016). Der Hauptangeklagte des Anschlages wurde später zum Tode verurteilt (AA 3.2018a).

Kasachstan verfügt über eine umfassende Anti-Terrorismus-Gesetzgebung. Es gibt vier spezielle Anti-Terror-Einheiten beim Innenministerium sowie eine weitere beim Nationalen Sicherheitskomitee. Die Regierung hat schon seit langem die Möglichkeit einer Rückkehr ausländischer Terroristen aus dem Irak und Syrien befürchtet, doch haben die Anschläge vom Juni und Juli die Aufmerksamkeit der Regierung wieder verstärkt auf einheimische gewalttätige Extremisten gelenkt. Um dieser Bedrohung besser zu begegnen, änderte die Regierung die Anti-Terror-Gesetzgebung. Was den Umgang mit ehemaligen IS-Kämpfern anlangt, wird einerseits ein Rehabilitationsprogramm umgesetzt, andererseits werden ehemalige IS-Kämpfer auch verhaftet und gerichtlich verfolgt (USDOS 19.7.2017).

Im September 2016 wurde offiziell mitgeteilt, dass durch die Gerichte Kasachstans zahlreiche Urteile im Zusammenhang mit Förderung von „Extremismus“ und Terrorismus, sowie zu militanten Tätigkeiten in Syrien, sowie wegen Rekrutierung von Terroristen verhängt worden sind. Innerhalb von fünf Jahren wurden 64 terroristische Anschläge vereitelt und 445 Terroristen verurteilt, darunter 33 Heimkehrer aus Konfliktregionen (USDOS 19.7.2017).

Wurde im April 2015 die Zahl der Kasachen in Syrien mit 350 Personen angegeben (150 Kämpfer, der Rest Familienmitglieder) (USDOS 2.6.2016), wurden 2017 keine dahingehenden offiziellen Schätzungen abgegeben (USDOS 19.7.2017). US-amerikanische Quellen schätzten im Oktober 2017 die Zahl der kasachischen Staatsbürger unter den ISKämpfern auf 500 (ZA 27.1.2018).

Die Sicherheitslage in Kasachstan kann im Vergleich zu den Nachbarländern als stabil bezeichnet werden (BMEIA 25.4.2018). 2017 gab es keine islamistischen Anschläge (GIZ 6.2018a).

[…]

3.       Religionsfreiheit

Die Religionsfreiheit ist für traditionelle Religionen weitgehend gewährleistet. Voraussetzung für die freie Religionsausübung ist zumeist eine staatliche Registrierung und Beachtung verschiedener Auflagen. In letzter Zeit kam es wiederholt zu international und national kritisierten juristischen Verfahren gegen Vertreter unterschiedlicher Religionen bzw. gegen Gemeinschaften. Die kasachische Regierung betont ausdrücklich die Bedeutung der religiösen Vielfalt (AA 3.2018a).

Laut Schätzungen waren 2016 von den rund 18,5 Millionen Einwohnern Kasachstans 70% sunnitische Muslime, die meisten der Hanafi Schule angehörend. Andere islamische Gruppen, wie die Schiiten, umfassen zusammen weniger als ein Prozent der Bevölkerung. Die russisch-orthodoxen Christen machen circa 26% aus. Andere Gemeinschaften umfassen weniger als 3% der Bevölkerung (USDOS 29.5.2018).

Kasachstan ist laut Verfassung ein säkularer Staat, Religionsfreiheit sowie die Gleichberechtigung der Religionen sind garantiert. Politisch-religiöse Vereinigungen sind verboten (GIZ 6.2018b).

Religiöse Gruppen müssen sich per Gesetz beim Justizministerium registrieren lassen. Die Zugehörigkeit zu einer nicht registrierten religiösen Gruppe ist nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten strafbar. Religiöse Gruppen durften ihren Glauben nur an staatlich genehmigten Orten praktizieren. Zusammenkünfte religiöser Art und die Verteilung religiöser Schriften an nichtgenehmigten Orten wurden mit hohen Geldstrafen geahndet (AI 22.2.2018).

Der Islam wird von der Führung für das „State- und Nationbuilding“ verwendet. Seit der Unabhängigkeit wurden mit staatlichem Segen neue Moscheen errichtet. Islamische Feiertage werden eingehalten. Kasachstan ist Mitglied der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) und hatte dort 2011 sogar den Vorsitz inne. Daneben besteht ein Volksislam, der manches Element der vorislamischen Zeit enthält. Er wird eher kulturell, als streng den religiösen Geboten folgend, gelebt. Im Alltagsleben der Städte spielt der Islam noch kaum eine Rolle, in den traditionelleren Dörfern des Südens ist er stärker verankert, wobei es auch zu Konflikten zwischen den Bestimmungen des säkularen Staates und den religiösen Regeln kommt. Neue, sich unabhängig vom staatlich tolerierten Islam entwickelnde Bekenntnisse zum Islam, werden allerdings kritisch gesehen (GIZ 6.2018b). Der Pressedienst des Ministeriums für Religionsangelegenheiten und Zivilgesellschaft berichtet, dass die geistliche Direktion der kasachischen Muslime (DSKM) das Verbot des Tragens eines Hidschabs oder des Kopftuches an Schulen, an denen Uniformen getragen werden, unterstützt. Das Verbot war bereits im Januar 2016 verabschiedet worden. Gleichzeitig empfiehlt die DSKM muslimischen Frauen nach Erreichen der Volljährigkeit in der Öffentlichkeit ein Kopftuch zu tragen (ZA 29.6.2018).

Die christliche russisch-orthodoxe Kirche hat im Staat besondere Bedeutung, erst vor zwei Jahren wurde etwa in Astana eine prächtige (von Gazprom gesponserte) russisch-orthodoxe Kathedrale neu eröffnet. In Karaganda wurde ebenfalls vor zwei Jahren eine (vorwiegend aus österreichischen Spendenmitteln finanzierte) katholische Kathedrale neu eröffnet. Man kann davon ausgehen, dass die ethnisch russische Minderheit (ca. 4 Millionen, knapp 30% der Bevölkerung) russisch-orthodox ist. Römisch-katholische Christen zählen etwa 150.000, sie sind v.a. Nachkommen nach Kasachstan exilierter/vertriebener Osteuropäer (v.a. Polen). Es kann keinesfalls von einer Verfolgung der christlichen Bevölkerungsgruppe in Kasachstan gesprochen werden (ÖB Astana 16.2.2015).

Durch die Emigration von vor allem Russen und Ukrainern ist die Zahl der nominell wie tatsächlich russisch-orthodoxen Gläubigen stark zurückgegangen. Gleiches gilt für Protestanten und Katholiken durch die Aussiedlung von Deutschen und Polen. Das Verhältnis zwischen Islam und christlichen Kirchen ist entspannt. Sogenannte „nichttraditionelle Religionen“ – Scientology, Hare Krishna, Mormonen - hatten und haben Zulauf, was Widerspruch bei den Amtsträgern der traditionellen Glaubensrichtungen hervorruft und den Staat zum Handeln veranlasst hat. Beobachter beklagen den Versuch des Staates, auch religiöse Angelegenheiten traditioneller Glaubensrichtungen zu kontrollieren (GIZ 5.2018b).

Religiöse Gruppen sind angehalten, sich bei lokalen-, regionalen- oder nationalen Stellen des Justizministeriums zu registrieren. Dabei sind – je nach Verwaltungsorganisation – verschiedene Mitgliederzahlen für eine Registrierung erforderlich. Auf lokaler Ebene sind 50, auf regionaler Ebene 500 und auf nationaler Ebene 5000 Mitglieder erforderlich, um registriert zu werden. Viele Gruppen konnten diese Schwellenwerte nicht erreichen und so ist die Zahl registrierter Religionsgemeinschaften im Land stark zurückgegangen. Von 48 „nicht-traditionellen religiösen Organisationen“ wurden nur 16 neu registriert. Die Union der evangelischchristlichen Baptisten mit 11.000 Mitgliedern verweigerte aus Gewissensgründen eine Registrierung. Schiiten und Ahmadis wurden für eine Registrierung abgelehnt. Seit 2013 erfolgt eine Registrierung muslimischer Gruppen nur noch, wenn sie dem staatlich unterstützten muslimischen Vorstand angehören (USCIRF 3.2018).

Im Dezember 2015 bestätigten die Gerichte hohe Geldstrafen gegen zwei Zeugen Jehovas und einen Rentner, wegen Gesprächen über ihren Glauben in der Öffentlichkeit (USCIRF 4.2018). Ein Gericht in Astana verurteilte im Mai 2017 einen Zeugen Jehovas wegen des unerlaubten Abhaltens einer „Versammlung“ zu einer Haftstrafe von fünf Jahren. Ende Juni 2017 wurde auf Beschluss eines Gerichts in Almaty das Gebietsbüro der Zeugen Jehovas aus unbekannten Gründen für drei Monate geschlossen und eine hohe Geldstrafe gegen die Religionsgemeinschaft verhängt (ZA 27.1.2018).

Nach NGO-Angaben waren 2017 insgesamt 279 Verwaltungsstrafverfahren mit religiösem Hintergrund bekannt. 259 davon endeten mit Strafen, einschließlich Geldstrafen, einer kurzfristigen Gefängnisstrafe, Abschiebungen, Gottesdienstverboten, Beschlagnahmungen und der Vernichtung religiöser Literatur (Forum 31.1.2018).

[…]

4.       Bewegungsfreiheit

Das Gesetz garantiert die innere Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Trotz einiger Einschränkungen respektiert die Regierung diese Rechte und kooperiert mit dem Flüchtlingshochkommissariat und anderen humanitären Organisationen, um Binnenflüchtlingen, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen, Asylwerbern, Staatenlosen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu gewähren (USDOS 20.4.2018).

[…]

5.       Grundversorgung

Im Februar 2014 musste der Tenge um fast 20% abgewertet werden. Die Verschiebung bei der Aufnahme der Erdölförderung in Kaschachstan zeigte Auswirkungen, vor allem aber bereitet die schwächelnde russische Wirtschaft bei der engen Verknüpfung beider Ökonomien Probleme. Bei der mangelnden Diversifizierung der Wirtschaft hat Kasachstan darüber hinaus wenige Einflussmöglichkeiten. Der global immer weiter sinkende Ölpreis macht die wirtschaftliche Situation immer schwieriger. Ende 2015 hatte der Tenge einen um mehr als 50% geringeren Wert als zu Beginn des Jahres. Die Führung des Landes reagiert mit verschiedenen Antikrisenmaßnahmen. Beobachter halten vor allem auch eine effektive Bekämpfung der weit verbreiteten Korruption für notwendig (GIZ 6.2018c).

Die Wirtschaftskrise, traf die mittleren Einkommensgruppen am stärksten und verkleinerte die Kluft zu den ärmsten Bevölkerungsschichten. Laut UNDP-Bericht über die menschliche Entwicklung 2016 liegen 36,4% der Bevölkerung unter der nationalen Armutsgrenze. 2001 waren dies noch 47%. Dennoch bestehen soziale Ausgrenzung und Marginalisierung ebenso weiter, wie auch eine grundlegende Ausgrenzung durch Armut und schlechte Bildung (BTI 2018).

Die Reallöhne sinken seit mehreren Jahren. Unzufriedenheit mit der eigenen sozialen Lage und mit von der Regierung geplanten Reformen wirkt nur die Menschen wenig aktivierend. Anfang Februar 2014 hat die Freigabe des Tenge-Kurses und die darauffolgende Entwertung zu Protesten geführt, was ein Durchgreifen der Sicherheitskräfte provozierte. Die aktuelle Wirtschaftskrise und die damit verbundene Entwertung des Tenge verschärfen die sozioökonomische Lage großer Teile der Bevölkerung. Bislang tragen aber nur verzweifelte Hypothekenschuldner ihren Protest auf die Straße, doch kann man die Demonstrationen gegen das Projekt eines neuen Landgesetzes im Frühjahr 2016 - die bislang größten im unabhängigen Kasachstan - als Zeichen interpretieren, dass die Geduld vieler Kasachen nicht unendlich ist. Der Anteil der nach internationaler Definition Armen erscheint gering, doch erfordert das Überleben in so teuren Städten wie Almaty und Astana weit mehr als 2 US-Dollar pro Tag. Besonders von Armut betroffen sind häufig Rentner, daneben Arbeitslose und ländliche Zuwanderer. Die Arbeitslosenquote wurde im Juli 2017 offiziell mit 4,9% angegeben, inoffizielle Zahlen nennen mehr als 10% (GIZ 6.2018b).

Bei den Wohlfahrtsleistungen wird zwischen Zulagen und Sozialleistungen unterschieden. Erstere werden von der öffentlichen Hand an alle bedürftigen Bürger ausgeschüttet, zweitere werden von der Sozialversicherung nur an Beitragszahler ausbezahlt. Die Sozialversicherung ist verpflichtend für Arbeitnehmer und Selbständige (e.gov. 2.7.2018).

Der sogenannte monatliche Berechnungsindex (MCI) dient der Berechnung von Pensionen, Beihilfen und anderen Sozialleistungen. 2018 beträgt der MCI 2.405 KZT [das sind 5,95 € mit Stand 6.7.2018]. Das Mindestgehalt beträgt 2018 28.284 KZT, die Mindestpension 33.745 sowie die Mindeststufe für die Berechnung der Basis für die Sozialbeihilfe 28.284 KZT (e.gov 6.7.2018).

Die Dauer des Mutterschaftsurlaubs beträgt 126 Kalendertage (70 Kalendertage vor der Geburt und 56 Kalendertage nach der Geburt). Gemäß Gesetz darf der Arbeitgeber im Zusammenhang mit dem Mutterschaftsurlaub niemanden entlassen. Ein solcher Urlaub kann grundsätzlich vom Vater oder der Mutter in Anspruch genommen werden (e.gov 22.6.2018).

Die Unterstützungszahlungen im Falle der Schwangerschaft und Geburt werden als Einmalbeträge gewährt, während das Kindergeld monatlich bis zum Alter von einem Jahr ausgezahlt wird. Die monatliche Kinderbeihilfe bis zum Erreichen des ersten Lebensjahres berechnet sich nach dem monatlichen Durchschnittseinkommen. Anlässlich der Kindsgeburt wird für das erste bis dritte Kind das achtunddreissigfache des MCI-Wertes ausbezahlt (91.3590 KZT mit Stand 12.7.2018), für das vierte und weitere dreiundsechzigmal des MCIWertes. Das zusätzliche Monatsgeld bis zum Alter von einem Jahr beträgt für das erste Kind 5,76 mal der MCI, für das zweite 6,81 mal der MCI, für das dritte 7,85 mal der MCI und für jedes weiter Kind 8,90 mal der MCI (e.gov 22.6.2018).

Das Arbeitslosengeld richtet sich nach dem vormaligen Einkommen der letzten 24 Monate multipliziert mit einer Einkommensersatzrate. Die Bezugszeit hängt von der Länge der Beschäftigungszeit ab. Der Ersatzratenfaktor beträgt 0,3. Teilnehmer aus dem obligatorischen kasachischen Sozialversicherungssystem erhalten im Falle des Verlustes des Arbeitsplatzes je nach Beitragseinzahlungen abgestuft, zwischen einem Monat und sechs Monaten Arbeitslosengeld (e.gov 2.7.2018).

6.       Medizinische Versorgung

Die ärztliche und zahnärztliche Versorgung in Kasachstan entspricht nicht europäischen Verhältnissen. In Astana, in allen Stadtbezirken Almatys und in den größeren Städten Kasachstans existieren vereinzelt kleinere Kliniken mit internationalem Standard (SOS International, IMC, Interteach). Die Ausstattung der Apotheken in Kasachstan entspricht nicht europäischem Standard, jedoch sind in der Regel ausreichend Medikamente zur Behandlung unkomplizierter Krankheiten vorhanden (AA 9.3.2018).

Die Reform des Gesundheitswesens wurde und wird mit vielerlei Programmen vorangetrieben, während sich das zuständige Ministerium zufrieden mit den Ergebnissen zeigt, sind es die Betroffenen offenbar weniger. Nach Angaben der WHO wurden 2014 nur 4,3% des BIP für den Gesundheitssektor aufgewendet. Ein Überblick zeigt, dass der Gesundheitszustand der Bürger Kasachstans zu wünschen übriglässt. Die relativ hohe TBRate der neunziger Jahre hat sich zwar verbessert, ist aber immer noch vergleichsweise hoch. Nur eine Grundsicherung auf niedrigem Niveau ist kostenfrei, die notwendige Zuzahlung für viele Untersuchungen, plus die häufig geforderten „inoffiziellen“ Zahlungen schließen einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung, gerade Rentner, von der medizinischen Betreuung aus. Wer viel zahlen kann, wird bestens und auf höchstem Niveau behandelt. Das Versorgungsangebot ist auch sehr ungleichmäßig, wie überall in den Städten besser als auf dem Land, manche Gebiete Kasachstans sind aber auch sehr viel schlechter versorgt als andere. Dies wird sogar in einem mehrjährigen Unterschied beispielsweise der Lebenserwartung der Bevölkerung sichtbar: im Gebiet Nord-Kasachstan betrug sie 2010 66,3 Jahre, in der Stadt Astana 73,2 Jahre. Für eine zahlungskräftige ausländische Klientel von Medizintouristen ist Kasachstan dagegen sogar ein Anziehungspunkt geworden. Die Bezahlung des im öffentlichen Sektor beschäftigten medizinischen Personals ist sehr niedrig, was sich auf die Reputation der Gesundheitsberufe und manchmal auch das Engagement auswirkt (GIZ 6.2018b).

Tuberkulose stellt in Kasachstan ein relevantes Gesundheitsproblem dar. Es werden immer noch 100 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner pro Jahr erfasst. Die Resistenzrate des Tuberkelerregers gegen die üblichen Tuberkulosemedikamente liegt relativ hoch (AA 9.3.2018).

[...]

7.        Rückkehr

Die Lage der Zuwanderer ist prekär, sowohl der kasachischen, die auf der Suche nach Arbeit und besseren Lebensbedingungen vom Land in die Städte kommen und dort auf Wohnungsprobleme stoßen und nur wenig Geld mit wenig qualifizierten Tätigkeiten verdienen, als auch der Arbeitsmigranten aus den benachbarten zentralasiatischen Republiken, deren Status und soziale Lage noch problematischer sind (GIZ 6.2018b).

Zu Beginn wurde in Kasachstan, als Teil eines postsowjetischen Nation-Building-Prozesses, der staatliche Ansatz einer „Rückholung“ ethnischer Kasachen ins Land verfolgt. Die Umsetzung verschiedener Rückführungsprogramme erwies sich jedoch schwieriger als erwartet, da sich die Rückkehrer nicht „natürlich" in die kasachische Gesellschaft integriert haben. Die sogenannten „Oralmans“ [Rückkehrer] stellen damit bis heute eine problematische soziale Gruppe dar (CAP 4.2017) obwohl ihnen Mittel zwecks Landerwerbs, Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche, Bereitstellung von Ausbildungsplätzen für Kinder in Vorschuleinrichtungen und Schulen, und anderen sozialen Einrichtungen, weiterführende Ausbildungslehrgänge, Aufschub bei der Absolvierung des Wehrdienstes, Pensions- und Unterstützungszahlungen, medizinische Leistungen, zoll- und steuerfreier Transfer von Gütern, inklusive Viehbeständen, bei der Übersiedlung nach Kasachstan sowie Quotenplätze in Einrichtungen der mittleren und höheren Berufsbildung gewährt werden (e.gov 15.2.2018).

[…]

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch:

-        Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, insbesondere in die Protokolle der Erstbefragung vom 16.08.2012 sowie der niederschriftlichen Einvernahmen vom 15.10.2012 und 17.10.2018, die Verlängerungsanträge vom 15.10.2013, 09.09.2015 und 25.09.2017, in die Beschwerde vom 31.05.2019 sowie die Stellungnahmen vom 21.03.2019 und 30.04.2019;

-        Einsichtnahme in das aktuelle Länderinformationsblatt zu Kasachstan;

-        Einsichtnahme in die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Behandlung von Hypertonie, Vorhofflimmern und Omarthrose in Kasachstan vom 16.04.2019;

-        Einsichtnahme in die von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen;

-        Einsicht in das Strafregister.

Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführerin, ihrem Geburtsort und ihrer Staatsangehörigkeit basieren auf der im Akt erliegenden Kopie ihres kasachischen Reisepasses.

Ihre Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, ihre Sprachkenntnisse und ihr Familienstand ergeben sich aus ihren glaubhaften Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 17.10.2018.

Die Feststellung zum Aufenthaltsort ihrer Schwester ergibt sich aus den Ausführungen in der Beschwerde.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin gründen auf den vorgelegten medizinischen Unterlagen, insbesondere dem Patienten- und Entlassungsbrief vom 11.02.2019, dem Befundbericht vom 15.03.2019 und dem Befund vom 21.03.2019.

Zum (Privat-)Leben der Beschwerdeführerin in Österreich:

Die Feststellungen zur Einreise, zur Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten und zu den Anträgen auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ergeben sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakt, dessen Inhalt nicht bestritten wurde.

Der durchgehende Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet und das Zusammenleben mit ihrem Sohn und Enkelsohn gehen aus amtswegig eingeholten Auszügen aus dem zentralen Melderegister hervor und ergeben sich andererseits aus ihren Ausführungen in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 17.10.2018 sowie in der Beschwerde. Der Aufenthalt ihrer Schwiegertochter ergibt sich ebenfalls aus ihren Angaben am 17.10.2018.

Die Feststellungen zu ihren Deutschkenntnissen, ihrer Erwerbslosigkeit, ihren sozialen Kontakten, den Besuchen der Versammlungen der Zeugen Jehovas und ihrer Integration basieren auf ihren Ausführungen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Zusammenhalt mit den vorgelegten Unterstützungsschreiben von XXXX vom 20.05.2019 und XXXX vom 06.02.2019. Die Beschwerdeführerin legte im gesamten Verfahren keine Urkunden vor, aus welchen hervorgehen würde, dass sie bisher Deutschkurse besucht oder sonstige Integrationsschritte gesetzt hätte und gab im Zuge ihrer Einvernahme am 17.10.2018 auch zu Protokoll, dass sie keine Integrationsbemühungen unternommen hat.

Die Feststellungen zu den Besuchen in der Russischen Föderation gründen auf der im Akt erliegenden Kopie ihres Reisepasses und den darin abgebildeten Ein- und Ausreisestempeln der Russischen Föderation sowie der Mitteilung über ihre Reisebewegung vom 21.12.2017 in Verbindung mit den Angaben der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

Die Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ist aus einem amtswegig eingeholten Strafregisterauszug ersichtlich.

Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat:

Die Feststellung, wonach sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten bzw. seit der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nicht wesentlich und nachhaltig verändert haben, konnte im Lichte eines Vergleichs der individuellen Situation der Beschwerdeführerin sowie der Sicherheits- und Versorgungslage in (ganz) Kasachstan zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der rechtskräftigen Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung einerseits und zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides bzw. der vorliegenden Entscheidung andererseits getroffen werden. Dabei erfolgte insbesondere eine Gegenüberstellung des Inhalts der dem Bescheid vom 19.11.2012 zugrunde gelegten Länderberichte mit jener Berichtslage, die das Bundesamt bei Erlassung des angefochtenen Bescheides herangezogen hat sowie auch mit der zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung bestehenden Lage im Herkunftsstaat.

Das Bundesasylamt stützte die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten maßgeblich auf die gesundheitlichen Probleme der Beschwerdeführerin. Im angefochtenen Bescheid führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl demgegenüber nach Auflistung der durch ärztliche Befunde objektivierten Erkrankungen aus, dass akut lebensbedrohende physische oder psychische Erkrankungen nicht hätten festgestellt werden können und die Erkrankung der Beschwerdeführerin soweit therapiert und stabil sei, dass sie ohne ärztliche Intensivbetreuung auskomme.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass aus den im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vom 15.10.2012 vorgelegten medizinischen Unterlagen vom 02.10.2012 lediglich hervor geht, dass bei der Beschwerdeführerin eine arterielle Hypertonie (Bluthochdruck) diagnostiziert und ihr verschiedene Medikamente verschrieben wurden. Zudem ordnete der behandelnde Facharzt für Innere Medizin die Kontrolle beim Hausarzt für den nächsten Tag sowie regelmäßig Blutdruck-Kontrollen an. Mit Stellungnahme vom 06.11.2012 übermittelte die Beschwerdeführerin eine Ambulanzkarte vom 26.10.2012, der zu entnehmen ist, dass ihr abermals die Vorstellung beim Hausarzt und Medikamente zur Optimierung bzw. Einstellung der Blutdruck-Therapie empfohlen wurden. Obwohl bereits aus diesen Unterlagen weder eine schwere oder akut lebensbedrohliche physische oder psychische Erkrankung abzuleiten war und ebensowenig auf eine notwendige ärztliche Intensivbetreuung geschlossen werden konnte, erkannte das Bundesasylamt der Beschwerdeführerin den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu. Ebenso lassen sich aus den im Zuge ihrer Anträge auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vom 15.10.2013 und 09.09.2015 vorgelegten ärztlichen Befunden keine schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankungen ableiten, die eine Rückkehr der Beschwerdeführerin entgegengestanden wären und gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Verlängerungsanträgen trotzdem statt. Den letzten Verlängerungsantrag vom 25.09.2017 bewilligte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl überhaupt gänzlich ohne Einholung medizinischer Unterlagen. Die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten wurde daher weder auf unzutreffende Tatsachen gestützt, noch hat sich der Kenntnisstand der Behörde zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin seither geändert.

In ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 15.10.2012 gab die Beschwerdeführerin zu ihrem Gesundheitszustand befragt an, dass sie Bluthochdruck habe und bereits beim Arzt gewesen sei, der ihr Medikamente verschrieben habe. Zur Bestätigung legte sie die soeben erwähnten medizinischen Unterlagen vom 02.10.2012 und 26.10.2012 mit der Diagnose „arterielle Hypertonie“ vor. Dem ebenfalls im gegenständlichen Verfahren vorgelegten Patientenbrief vom 11.02.2019 ist zu entnehmen, dass bei der Beschwerdeführerin mittlerweile zusätzlich paroxysmales Vorhofflimmern, Adipositas, normochrome normozytäre Anämie und ein Halswirbelsäulensyndrom diagnostiziert wurden und sie nach wie vor Medikamente einnehmen muss. Außerdem ergibt sich aus einem am 21.03.2019 ausgestellten Befund, dass sie an einer beidseitigen Ormathrose leidet, weshalb ihr eine Schulterprothese empfohlen wurde. Aus einem Vergleich der im Zuerkennungsverfahren vorgelegten Unterlagen mit den im gegenständlichen Verfahren vorlegten Unterlagen ergibt sich daher, dass die Beschwerdeführerin nach wie vor an Bluthochdruck leidet und – ebenso wie im Zeitpunkt der Zuerkennung – auf eine laufende Therapie angewiesen ist, sodass eine wesentliche und nachhaltige Verbesserung ihres Gesundheitszustandes seit Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht eingetreten ist, zumal in der Zwischenzeit noch zusätzliche – wenn auch teilweise altersbedingte – Gebrechen diagnostiziert wurden.

Soweit das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl darauf verweist, dass die Beschwerdeführerin nunmehr ihre Schwester und deren Familie in Kasachstan habe, deren Unterstützung sie erwarten könne, ist festzuhalten, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diese Feststellung lediglich auf die Angaben der Beschwerdeführerin und ihres Sohnes am 17.10.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stützte, wonach sie die Schwester der Beschwerdeführerin und ihre zwei Söhne in Kasachstan aufhalten würden. Aus dem vorgelegten kasachischen Reisepass der Beschwerdeführerin gehen allerdings ausschließlich Besuche in der Russischen Föderation hervor. Ebenso ist in der vom Bundesministerium für Inneres übermittelten Kotrollmitteilung vom 21.12.2017 über eine Reisebewegung der Beschwerdeführerin lediglich ein Flug von St. Petersburg nach Prag, aber kein Aufenthalt in Kasachstan dokumentiert. Schließlich gab der Sohn der Beschwerdeführerin bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 17.10.2018 (vgl. Verfahren zu W242 2215133-1) an, dass zu den Verwandten in Kasachstan kein Kontakt bestehe, er zuletzt im Jahr 2012 in Kasachstan gewesen sei und die Beschwerdeführerin im Dezember 2017 zu einem Besuch ihrer Cousine in St. Petersburg begleitet habe. Es sind daher keine Anhaltspunkte hervorgekommen, aus denen abgeleitet werden könnte, dass die Angehörigen der Beschwerdeführerin tatsächlich willens und in der Lage wären, die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr zu unterstützten, zumal die Beschwerdeführerin zuletzt in der Beschwerde angab, dass ihre Schwester mittlerweile nach Russland verzogen sei.

Darüber hinaus war die Beschwerdeführerin seit ihrer Einreise in Österreich nie erwerbstätig, hat keine Deutschprüfung absolviert und auch sonst keine nennenswerten Integrationsschritte gesetzt, die ihre persönliche Situation im Vergleich zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten bzw. der letzten Verlängerung ihrer befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid vom 05.10.2017 verbessern würden.

Aus den im Zuerkennungsbescheid getroffenen Länderfeststellungen geht bereits hervor, dass zum damaligen Zeitpunkt in der Regel ausreichend Medikamente zur Behandlung unkomplizierter Krankheiten verfügbar waren und das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung schon damals in der kasachischen Verfassung verankert war. Im Gegensatz dazu ergibt sich aus den gegenständlich getroffenen Länderfeststellungen, die auch dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt wurden, dass nunmehr nur noch eine Grundsicherung der medizinischen Versorgung auf niedrigem Niveau kostenfrei ist und notwendige Zuzahlungen für viele Untersuchungen sowie die häufig geforderten „inoffiziellen“ Zahlungen einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung, insbesondere Rentner – zu denen auch die Beschwerdeführerin zählt – von der medizinischen Betreuung gänzlich ausschließen. Zwar ergibt sich aus der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 16.09.2019, dass die bei der Beschwerdeführerin diagnostizierten Erkrankungen in Kasachstan grundsätzlich behandelbar und die verschriebenen Medikamente bzw. Medikamente mit vergleichbaren Wirkstoffen erhältlich sind, allerdings hat sich die Möglichkeit des Zugangs zur medizinischen Betreuung insbesondere unter Berücksichtigung des Alters der Beschwerdeführerin im Vergleich zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten eher verschlechtert als verbessert.

Den Befürchtungen der Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nach Kasachstan aufgrund ihres orthodoxen Glaubens in die Psychiatrie eingewiesen zu werden ist entgegenzuhalten, dass darüber bereits im Bescheid vom 19.11.2012 rechtskräftig abgesprochen wurde, sodass sich eine erneute Auseinandersetzung damit erübrigt.

Hinsichtlich der Behauptung der Beschwerdeführerin, sie fühle sich nunmehr den Zeugen Jehovas zugehörig und sei deshalb in ihrem Herkunftsstaat der Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK ausgesetzt, ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass sie in ihrer Einvernahme am 17.10.2018 in Widerspruch dazu auf die Frage, ob sie Zeuge Jehova werden wolle, ausdrücklich mit „Nein“ antwortete und zu ihrer Religionsgemeinschaft befragt angab, dass sie orthodoxen Glaubens sei. Die Behörde ging daher zutreffend davon aus, dass eine Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas trotz der gelegentlichen Teilnahme an deren Versammlungen nicht glaubhaft erscheint und daher nicht anzunehmen ist, dass die Beschwerdeführerin im Falle der Rückkehr einer Verletzung von Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

Eine allgemein in Kasachstan eingetretene und für den gegenständlichen Fall relevante Lageänderung kann daher sowohl im Vergleich zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten bzw. der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als auch im Vergleich zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides verneint werden. Die Lage in Kasachstan stellt sich im Wesentlichen unverändert dar, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage (u.a. durch Einsichtnahme in das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation) versichert hat.

Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die den Länderfeststellungen zu Grunde liegenden Berichte wurden dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme übermittelt bzw. in der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebracht. Dem Beschwerdeführer wurde die Bedeutung dieser Berichte erklärt, insbesondere, dass aufgrund dieser Berichte die Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat getroffen werden, sowie deren Zustandekommen. Zuletzt wurde sowohl dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch dem Beschwerdeführer mit Parteiengehör vom 19.11.2019 Gelegenheit gegeben, binnen einer Frist von einer Woche Stellung zu nehmen und ist weder das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch der Beschwerdeführer den übermittelten Länderberichten entgegengetreten.

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und anzuwendendes Verfahrensrecht:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

Zu A)

Zur Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

§ 8 AsylG 2005 lautet:

„(1) Einem Fremden ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen,

1.       der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2.       dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

[…]

Nach Abs. 3 leg. cit. sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

Gemäß Abs. 4 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

[…]“

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1.       die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2.       er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3.       er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und

eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Nach Abs. 4 leg. cit. ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen.

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, we

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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