Entscheidungsdatum
17.08.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W132 2207634-2/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzerinnen, über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , bevollmächtigt vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 30.08.2019, OB 55089147400100, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme einer Zusatzeintragung in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ in den Behindertenpass liegen vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) hat dem Beschwerdeführer am 29.08.2012 einen bis 31.05.2018 befristeten Behindertenpass ausgestellt und einen Grad der Behinderung in Höhe von 60 vH eingetragen.
1.1. Am 16.06.2016 hat die belangte Behörde die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ im weiterhin bis 31.05.2018 befristeten Behindertenpass des Beschwerdeführers vorgenommen.
1.2. Am 20.06.2016 hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer einen bis 31.05.2018 befristeten Ausweis gem. § 29b StVO ausgestellt, und den Zusatzvermerk „Der Inhaber des Behindertenpasses ist im Besitz eines Ausweises gem. §29b StVO“ im Behindertenpass vorgenommen.
2. Der Beschwerdeführer hat am 26.02.2018 bei der belangten Behörde unter Vorlage eines medizinischen Beweismittels einen Antrag auf Verlängerung des befristet ausgestellten Behindertenpasses, und Ausweises gem. § 29B StVO gestellt.
2.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde in das im Rahmen eines Verfahrens nach dem Behinderteneinstellungsgesetz eingeholte Sachverständigengutachten Dris. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 27.07.2017, Einsicht genommen, in welchem der Grad der Behinderung in Höhe von 80 vH bewertet, jedoch festgestellt wurde, dass die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzvermerkes „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ nicht vorlägen.
2.2. Im Rahmen des gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten des Parteiengehörs wurden Einwendungen erhoben.
2.3. Zur Überprüfung der Einwendungen wurde von der belangten Behörde vom bereits befassten Sachverständigen, Dr. XXXX , basierend auf der Aktenlage, eine mit 14.06.2018 datierte medizinischen Stellungnahme mit dem Ergebnis eingeholt, dass weder die erhobenen Einwendungen, noch die vorgelegten Beweismittel geeignet seien, eine geänderte Beurteilung zu begründen.
2.4. Am 18.06.2018 hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer einen unbefristeten Behindertenpass ausgestellt, und einen Grad der Behinderung in Höhe von 80 vH eingetragen. Dagegen wurde kein Rechtsmittel erhoben.
2.5. Mit dem Bescheid vom 18.06.2018 hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 BBG abgewiesen.
In der Bescheidbegründung wurde von der belangten Behörde ergänzend angemerkt, dass über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gem. § 29 Straßenverkehrsordnung nicht abgesprochen werde, da die grundsätzlichen Voraussetzungen dafür, nämlich die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ im Behindertenpass, nicht vorlägen.
3. Gegen diesen Bescheid wurde von der bevollmächtigten Vertretung des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben. Unter Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass im Einwand gegen das Parteiengehör beantragt worden sei, eine neue Untersuchung durchzuführen, da das Sachverständigengutachten bereits mehrere Monate vor dem Antrag auf Weitergewährung gestellt worden sei. Diese Untersuchung sei von der belangten Behörde nicht durchgeführt worden. Der Beschwerdeführer leide seit Jahren an einer radikalen Zystoprotatektomie mit Lymphadenektomie bei papillärem Urothelcarcinom, und Bildung einer Neoblase. Weiters liege ein Zustand bei Teilresektion des Dünndarms bei Dünndarmileus mit Abszess im rechten Unterbauch vor. Insbesondere durch diese Dünndarmteilresektion leide der Beschwerdeführer an imperativem Stuhldrang, und auf Grund des geringen Fassungsvermögens der Neoblase auch an imperativem Harndrang. Die Neoblase könne nur im Sitzen mittels Bauchpresse vollständig entleert werden. Der Beschwerdeführer müsse sowohl Stuhldrang als auch Harndrang sofort Folge leisten, wobei diese weder vorhersehbar, noch zu beeinflussen seien. Die Verwendung von am Markt befindlichen Hygieneprodukten sei daher entgegen den Ausführungen des Sachverständigen nicht ausreichend. Zur Bestätigung werde in der Beilage der Befund Dris. XXXX übermittelt. Weiters leide der Beschwerdeführer an dekompensierter Leberzirrhose, mit Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit, und an einer chronisch venösen Insuffizienz. Auch habe der Sachverständige selbst festgestellt, dass der Allgemeinzustand des Beschwerdeführers reduziert sei, dass sich an den Unterschenkeln ein chronisches Stauungsekzem mit narbigen Veränderungen, und Hautulcerationen finde, sowie dass das Gangbild kleinschrittig, schlürfend, und nicht allzu wendig erscheine. Die eingeschränkte Mobilität mache es dem Beschwerdeführer noch schwerer, rechtzeitig eine Toilette zu erreichen.
3.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat in Erledigung der Beschwerde mit Beschluss vom 18.04.2019, GZ W132 2207634-1/8E, den Bescheid vom 18.06.2018 behoben, und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.
Der belangten Behörde wurde aufgetragen, unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens, zusätzlich zu dem bereits eingeholten allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten, ein ärztliches Sachverständigengutachten der Fachrichtung Innere Medizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, einzuholen, und die Ergebnisse bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.
Anschließend habe die belangte Behörde den Beschwerdeführer vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Kenntnis zu setzen, mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs.
3.2. Im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde den medizinischen Sachverständigenbeweis erweitert, und ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Innere Medizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 03.07.2019, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht vorlägen.
3.3. Im Rahmen des gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs wurde von der bevollmächtigten Vertretung des Beschwerdeführers unter Vorlage weiterer Beweismittel im Wesentlichen vorgebracht, dass der Sachverständige selbst festhalte, dass das Gangbild des Beschwerdeführers ataktisch, plump, breit und unsicher sei, und dass die Schrittlänge verkürzt sei. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass der Sachverständige zu dem Ergebnis komme, dass es dem Beschwerdeführer möglich sei, ein öffentliches Verkehrsmittel zu erreichen, bzw. bei diesem ein- oder auszusteigen. Auf Grund der Gesamtmobilität sei auch der sichere Transport in diesem nicht möglich. Bereits bei der letzten Untersuchung sei festgehalten worden, dass das Gangbild kleinschrittig, schlurfend, und nicht allzu wendig sei. Der Beschwerdeführer könne nur an sehr wenigen Tagen bis zu 30 Minuten gehen. Auch sei auf den vorliegenden Zustand nach Dünndarmteilresektion mit imperativem Stuhldrang, und auf das geringe Fassungsvermögen der Harnblase mit imperativem Harndrang, nicht eingegangen worden. Die angelegte Neoblase könne nur im Sitzen mittels Bauchpresse entleert werden. Sowohl Stuhl- als auch Harndrang seien nicht vorhersehbar, und auch nicht beeinflussbar.
3.4. Zur Überprüfung der Einwendungen wurde von der belangten Behörde vom bereits befassten Sachverständigen, Dr. XXXX , basierend auf der Aktenlage, eine mit 29.08.2019 datierte medizinischen Stellungnahme mit dem Ergebnis eingeholt, dass die erhobenen Einwendungen nicht geeignet seien, eine geänderte Beurteilung zu begründen.
3.5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.08.2019, hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 BBG abgewiesen.
4. Gegen diesen Bescheid wurde von der bevollmächtigten Vertretung des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben. Unter Vorlage von bereits im Akt befindlichen Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass auf den Zustand nach Dünndarmteilresektion mit imperativem Stuhldrang, sowie auf das geringe Fassungsvermögen der Harnblase mit imperativem Harndrang, nicht eingegangen worden sei. Der Beschwerdeführer müsse sowohl seinem Stuhldrang, als auch seinem Harndrang sofort Folge leisten, da diese nicht vorhersehbar seien, und auch nicht beeinflusst werden könnten. Die das Vorbringen dokumentierenden medizinischen Beweismittel seien bereits in Vorlage gebracht worden. Weiters bestünden ein Zustand nach dekompensierter Leberzirrhose mit Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit, und eine chronisch venöse Insuffizienz. Es werde vom Sachverständigen keine Stellung bezüglich der Auswirkung dieser Leiden auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel genommen. Bereits im Gutachten vom 27.07.2017 sei ein reduzierter vorgealterter Allgemeinzustand festhalten worden, und habe der Sachverständige an beiden Unterschenkeln ein chronisches Stauungsekzem mit narbigen Veränderungen und Hautulzerationen, festgestellt. Im aktuellen Gutachten werde zwar festgehalten, dass der Beschwerdeführer beidseits Unterschenkelbandagen und Unterschenkelstützstrümpfe trage, zu den Auswirkungen dieser Erkrankung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei aber nicht Stellung genommen worden. Es werde in diesem Gutachten ausdrücklich festgehalten, dass das Gangbild ataktisch plump, und die Schrittlänge beidseits verkürzt sei. Der Sachverständige halte sogar ausdrücklich fest, dass sich der Beschwerdeführer beim Hinsetzen auf den Sessel habe plumpsen lassen, dass die Bewegung ruckartig imponiere, und sich nicht bremsen lasse. Wie der Sachverständige zu dem Ergebnis komme, dass es dem Beschwerdeführer möglich sei, eine ausreichende Strecke selbständig zurückzulegen, sei daher nicht nachvollziehbar. Die Gesamtmobilität des Beschwerdeführers sei deutlich eingeschränkt, und liege eine gegenseitige negative Leidensbeeinflussung vor.
4.1. Mit dem – im Bundesverwaltungsgericht am 09.10.2019 eingelangten – Schreiben selben Datums hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt und die Beschwerde vorgelegt.
4.2. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Fachärztin für Innere Medizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 15.06.2020, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung vorlägen.
4.3. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG mit Hinweis auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG erteilten Parteiengehörs haben weder die belangte Behörde noch der Beschwerdeführer Einwendungen erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich der Beschwerdeführer mit der Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ in den Behindertenpass nicht einverstanden erklärt hat, war dies zu überprüfen.
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland und besitzt einen Behindertenpass.
Der Verwaltungsakt ist unter Anschluss der Beschwerdeschrift am 09.10.2019 im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
1.2. Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.
1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:
Allgemeinzustand: reduziert. Ernährungszustand: adipös.
Kopf frei beweglich, Hirnnervenaustrittspunkte frei, Hörvermögen gut, Sehvermögen gut. Hals: keine vergrößerten Lymphknoten tastbar, Schilddrüse schluckverschieblich.
Thorax: Herz: Herztöne rhythmisch, rein, normofrequent. Lunge: abgeschwächtes AG, keine Rasselgeräusche, Lungenbasen verschieblich.
Abdomen: Bauch: weich, leichter Druckschmerz. Aszites. Leber und Milz nicht tastbar. 50cm lange Lap. Narbe bland, keine Wunddehiszenzen. Narbengewebe, Hernia cicatricea.
Wirbelsäule: HWS: Rotation der HWS frei, KJA 3cm. BWS: achsengerade, nicht klopfdolent. LWS: Klopfschmerz in der Lendenwirbelsäule.
Obere Extremitäten: Rechte obere Extremität: Schulter: endlagig schmerzbedingt in der Beweglichkeit eingeschränkt. Ab- und Adduktion nur sehr eingeschränkt möglich, Schürzen und Nackengriff eingeschränkt möglich. Ellbogen- Hand- und Fingergelenke aktiv und passiv frei. Periphere Sens. und DB zum Untersuchungszeitpunkt o.B. Linke obere Extremität: Schulter endlagig eingeschränkt in der Beweglichkeit, Nacken und Schürzengriff eingeschränkt. Ellbogen-, Hand- und Fingergelenke aktiv und passiv frei. Periphere Sens. und DB zum Untersuchungszeitpunkt o.B.
Untere Extremitäten: Rechte untere Extremität: Hüfte: leichter Rotation- oder Stauchungsschmerz Knie: Beugung und Streckung eingeschränkt Untersuchungszeitpunkt o.B. Becken: stabil. Linke untere Extremität: Hüfte: geringer Rotation- oder Stauchungsschmerz. Knie: Beugung und Streckung eingeschränkt.
Muskulatur der oberen und unteren Extremität seitengleich ausgebildet, atroph. Sensibilitätsstörungen in beiden Unterschenkel, Beinbandagen beidseits, Beinödeme sichtbar. Hautkolorit: blass.
Status Psychicus: Pat. wirkt klar, orientiert, antwortet teilweise eher umständlich auf Fragen, weitschweifend —laut Gattin besteht ein beginnendes dementielles Zustandsbild.
Gehfähigkeit: Kommt langsam gehend in die Ordination, das Schrittbild behäbig, schlurfend, teilweise ataktisch, teilweise leicht schwankend. Keine Gehhilfe in Verwendung, normale Straßenkleidung wird getragen, aufstehen und hinsetzten erfolgt unter anhalten, der freie Stand leicht schwankend.
Art der Funktionseinschränkungen:
- Portale Hypertension mit therapierefraktärem Aszites
- St. P TIPS — Reduktionsstentimplantation 04/2017 bei rez. hepatischer Encephalopathie
- Leukencephalopathie
- Symmetrische Polyneuropathie
- Hepatogener Pleuraerguss
- re St.p. Wundheilungsstörung bei Z.n. Platzbauch mit VAC Versorgung
- St.p. akutem Nierenversagen
- Ulcera cruris beidseits
- St.p. Dünndarm Teilresektion 01/2016 bei Ileus mit Abszess rechten Unterbauch 10/12
- Multiloc. Karzinom der Harnblase mit Operation einer Neoblase
- Lymphadenektomie
- Hypertonie
- Diabetes Mellitus 2 — insulinpflichtig
- St.p. Nikotinabusus
- Adipositas
- Psoriasis vulgaris
1.2.2. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Der Beschwerdeführer kann sich nicht im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen, und ist der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich eingeschränkt, eine kurze Wegstrecke (ca. 300 m - 400 m) kann nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, gegebenenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden. Die dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens aus. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist erheblich eingeschränkt.
Die Gesamtmobilität und die körperliche Belastbarkeit sind maßgebend beeinträchtigt.
Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich im Zusammenwirken in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich – in freier Beweiswürdigung – in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die eingeholten und vorgelegten Beweismittel:
Das durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten Dris. XXXX ist vollständig, schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wurde zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel umfassend Stellung genommen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die befasste Sachverständige hat sich eingehend damit auseinandergesetzt. Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach dem konkret vorliegenden Krankheitsbild auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.
Dr. XXXX beurteilt die Mobilität des Beschwerdeführers nachvollziehbar als insofern eingeschränkt, als beim Beschwerdeführer eine ausgeprägte Polyneuropathie und Beinödeme in beiden unteren Extremitäten (symmetrisch ausgebildet) bestehen, die zu zunehmender Unsensibilität und dadurch zu einer erhöhten Verletzungsgefahr führen, da Unebenheiten nicht sofort ertastet werden können, und es dadurch zu häufigem Stolpern kommt. Die Sachverständige erläutert vor dem Hintergrund der persönlichen Untersuchung schlüssig, dass ein langsames, behäbiges, ataktisches Gangbild besteht (v.a. Hinterstrangataxie), und dass es durch die venöse Insuffizienz zusätzlich zur Ödembildung kommt, wodurch teilweise nur offene Schuhe getragen werden können, was insgesamt zu einer beeinträchtigten Gesamtmobilität führt, welche das Zurücklegen einer längeren Wegstrecke verunmöglicht.
Sie erläutert weiters fachärztlich überzeugend, dass die dekompensierte Leberzhirrose mit Aszites, Beinödemen, und wiederkehrendem delirantem Zustandsbild, bei hepatischer Encephalopathie im Vordergrund stehen, welche in Zusammenschau mit dem Zustand nach Dünndarmresektion, nach Karzinom der Harnblase, dem Diabetes, dem Bluthochdruck, und der chronisch venösen Insuffizienz, zu einer wesentlichen Reduktion des Allgemeinzustandes führen, wodurch dem Beschwerdeführer das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300 bis 400 m in angemessener Zeit nicht möglich ist. Der Beschwerdeführer muss bereits nach wenigen Metern eine Pause einlegen, da einerseits die Beschwerden in den Beinen zunehmen und das Gangbild sich verschlechtert, und andererseits zusätzlich absolute Erschöpfung mit Atemnot auftritt.
Zusammenfassend beschreibt die Sachverständige nachvollziehbar, dass aufgrund der Gesamtsituation, in Zusammenschau vom Untersuchungsbefund, und den vorliegenden medizinischen Beweismitteln, eine wesentliche Einschränkung der Gehfähigkeit, vor allem auch durch die erhöhte Stolpergefahr besteht, und der Beschwerdeführer aufgrund der konsumierenden hepatalen Erkrankung nicht mehr ausreichend belastbar ist, um die erforderliche Wegstrecke in angemessener Zeit zurückzulegen. Die Sachverständige beschreibt schlüssig, dass auch der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln eingeschränkt ist, da das Anhalten zwar möglich scheint, aber ein sicherer Stand durch die Polyneuropathie, und die insgesamt beim Beschwerdeführer bestehende körperliche Schwäche bei reduziertem Allgemeinzustand, nicht ausreichen gewährleistet ist.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, dass bei Zustand nach Karzinom der Harnblase und Operation einer Neoblase imperativer Harndrang vorliege, beschreibt die Sachverständige, dass es bei voller Neoblase zu vorzeitigem Harnverlust kommt, der nicht unmittelbar gestoppt werden kann, und somit als imperativ anzusehen ist. Durch die Neoblase bleibt eine beträchtliche Menge Restharn zurück, welche mittels Bauchpresse entleert werden muss, wodurch der Beschwerdeführer in regelmäßigen Abständen eine Toilette aufsuchen muss, um Harnverlust bei voller Blase vorzubeugen.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, dass imperativer Stuhlverlust besteht, führt die Sachverständige aus, dass zwar imperativer Stuhlverlust im Rahmen der persönlichen Untersuchung nicht zur Sprache gekommen ist, dieser aber aufgrund der erfolgten Dünndarmresektion, und der hepatalen Erkrankung, vorstellbar und mit beiden Erkrankungsbildern in Einklang zu bringen ist.
Das durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholte auf persönlicher Untersuchung basierende Sachverständigengutachten Dris. XXXX steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen, sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln, kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen, oder deren Beurteilung, beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Auch haben die Verfahrensparteien den Inhalt des eingeholten Sachverständigengutachtens im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht erteilten Parteiengehörs unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.
Die Abweichung zur Beurteilung im der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Sachverständigengutachten resultiert aus der nunmehr erfolgten persönlich-fachärztlich internistischen Begutachtung, der Neuaufnahme des Leidens Polyneuropathie in die Diagnoseliste, und der Beurteilung des Zusammenwirkens der beim Beschwerdeführer vorliegenden Leidenszustände, im Hinblick auf die Möglichkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen.
Die Angaben des Beschwerdeführers waren sohin geeignet, das der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Sachverständigengutachten zu entkräften, und eine geänderte Beurteilung zu begründen.
Zur Erörterung der Rechtsfrage, ob dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittelzumutbar ist, siehe die rechtlichen Erwägungen unter Punkt II.3.1.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)
Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)
Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)
Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird u.a. Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):
Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Betreffend das Kalkül „kurze Wegstrecke“ wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 – 400 m ausgeht. (vgl. u.a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014, 2012/11/0186 vom 27.01.2015)
Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, ist das Beschwerdevorbringen geeignet darzutun, dass die der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte gutachterliche Beurteilung nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß des Beschwerdeführers entspricht.
Der Zustand bei dekompensierter Leberzhirrose mit Aszites, Beinödemen und wiederkehrendem delirantem Zustandsbild bei hepatischer Encephalopathie, im Gesamtbild mit dem Zustand nach Dünndarmresektion, Karzinom der Harnblase, Diabetes, Bluthochdruck und chronisch venöser Insuffizienz und der Polyneuropathie, wirken sich maßgeblich negativ auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus, weil aufgrund der daraus resultierenden maßgeblichen Reduktion des Allgemeinzustandes, sowie der eingeschränkten Gehstrecke, und der Gangunsicherheit, dem Beschwerdeführer das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke aus eigener Kraft, und ohne fremde Hilfe, in angemessener Zeit nicht möglich ist, und das Be- und Entsteigen von öffentlichen Verkehrsmitteln, sowie der sichere Transport in diesen, beim Beschwerdeführer nicht gewährleistet sind.
Da festgestellt worden ist, dass der Leidenszustand des Beschwerdeführers in seiner Gesamtheit die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschwert, und die dauernden Gesundheitsschädigungen im Zusammenwirken ein Ausmaß erreichen, welches die Eintragung des Zusatzes „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ in den Behindertenpass rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für den beantragten Zusatzvermerk sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.
Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern. Das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch nicht bestritten. Das Beschwerdevorbringen war – wie unter Punkt II.2. bzw. II.3.1. bereits ausgeführt – geeignet, relevante Bedenken an den Feststellungen der belangten Behörde hervorzurufen. Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden im eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt, und resultiert daraus die geänderte Beurteilung. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung einerseits von Tatsachenfragen abhängt. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen. Andererseits sind Rechtsfragen zu lösen, welchen keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stützen.
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird ausgeführt, dass damit präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden sollen. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt. Es war sohin keine – von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende – Neuregelung beabsichtigt.
Vielmehr wird in den Erläuterungen ausdrücklich festgehalten, dass im Hinblick auf die ab 01.01.2014 eingerichtete zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Einheitlichkeit der Vollziehung der im Behindertenpass möglichen Eintragungen sicherzustellen, die Voraussetzungen, die die Vornahme von Eintragungen im Behindertenpass rechtfertigen, in einer Verordnung geregelt werden sollen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Unzumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W132.2207634.2.00Im RIS seit
16.11.2020Zuletzt aktualisiert am
16.11.2020