TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/30 95/08/0348

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Veröffentlicht am 30.09.1997
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §67 Abs4;
BAO §14 Abs1;
EStG 1988 §10 Abs5;
EStG 1988 §24 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der H GesmbH in Z, vertreten durch Dr. Clemens Schnelzer, Rechtsanwalt in 3910 Zwettl, Landstraße 46, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 7. November 1995, Zl. VII/2-5824/5-1995, betreffend Haftung als Betriebsnachfolger gemäß § 67 Abs. 4 ASVG (mitbeteiligte Partei: Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in 3100 St. Pölten, Dr. Karl Renner-Promenade 14-16), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Am 10. Februar 1994 wurde gegenüber der Beschwerdeführerin seitens der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse folgender Bescheid vom 2. Februar 1994 erlassen:

"B E S C H E I D

Als Betriebsnachfolger der Firma H, Malermeister, 3910 Zwettl, haften Sie zur ungeteilten Hand für die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren von

S 1.017.147,37

und 10,5 % Verzugszinsen p.a. ab 01.09.1993.

Sie sind verpflichtet, diesen Betrag binnen 14 Tagen nach

Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen ... zu

bezahlen."

Nach der Begründung dieses Bescheides schulde der im Bescheid erwähnte Betriebsvorgänger aus den Beiträgen "Rest Mai bis November 1993 sowie dem Nachtrag vom 5.10.1993 (06/91 bis 07/93) S 1,017.147,37 und weitere Verzugszinsen. Mit Beschluß des Landesgerichtes Krems vom 15. September 1993 sei zu S 22/93 über das Vermögen des Betriebsvorgängers das Konkursverfahren eröffnet worden. Laut Rechnung vom 1. September 1993 seien diverse Maschinen, Geräte und Einrichtungsgegenstände vom Betriebsvorgänger an die Beschwerdeführerin verkauft worden. Auch seien Dienstnehmer, die bereits beim Betriebsvorgänger beschäftigt gewesen seien, von der Beschwerdeführerin zur Versicherung gemeldet worden. Darüber hinaus werde von der Beschwerdeführerin die gleiche Tätigkeit ausgeübt, sodaß die Voraussetzungen für die Betriebsnachfolgehaftung gegeben seien. Der Betriebsvorgänger sei gewerberechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Einspruch, in dem sie nicht in Zweifel zog, daß der Betriebsvorgänger die im angefochtenen Bescheid genannten Sozialversicherungsbeiträge schulde, jedoch einwendete, daß als Betriebsnachfolger nur jene Person zu verstehen sei, die den Betrieb bzw. wesentliche Teile des (Unternehmens des) Betriebsvorgängers aufgrund eines Veräußerungsgeschäfts von diesem erworben habe. Die Beschwerdeführerin habe - was die Gebietskrankenkasse wegen Fehlens eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt habe - das Unternehmen in Räumlichkeiten etabliert, welche sie mit Mietvertrag vom 6. September 1993 vom Betriebsvorgänger angemietet habe. Es liege daher insoweit kein Veräußerungsgeschäft vor. Auch die Einstellung einzelner Dienstnehmer sei für eine Haftung nach § 67 Abs. 4 ASVG ohne Bedeutung. Auch habe die Beschwerdeführerin für die Übernahme der vom Betriebsvorgänger angekauften Maschinen und Fahrnisse ein "äquivalentes Entgelt" entrichtet, weshalb eine verfassungskonforme Interpretation auf Grundlage der sogenannten "Haftungsfondsthese" zur Haftungsfreiheit der Beschwerdeführerin führen müßte. Andernfalls würde nämlich die Haftungsmasse für die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse verdoppelt. Überdies seien die vom Betriebsvorgänger angekauften Maschinen und Fahrnisse nicht in dessen unbeschränktem Eigentum gestanden;

Vorbehaltseigentümer sei vielmehr eine näher bezeichnete Volksbank gewesen, die auch in einem näher bezeichneten Exekutionsverfahren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse gegen den Betriebsvorgänger hinsichtlich dieser Fahrnisse exzindiert habe, weshalb die Exekution wegen Fremdeigentum zur Einstellung gebracht worden sei. Die Fahrnisse hätten daher überhaupt keinen Haftungsfonds für die übrigen Gläubiger gebildet. Der von der Beschwerdeführerin bezahlte Kaufpreis sei zur Gänze zur Begleichung von offenen Forderungen des Betriebsvorgängers verwendet worden.

Mit Bescheid vom 7. November 1995 wies die belangte Behörde den Einspruch der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. In tatsächlicher Hinsicht stellte die belangte Behörde fest, daß über das Vermögen des Betriebsvorgängers mit Beschluß des Landesgerichtes Krems vom 15. September 1993, S 22/93, das Konkursverfahren eröffnet worden sei. Sämtliche Dienstverhältnisse seien vom Masseverwalter gemäß § 25 KO gelöst worden. Bei der Zwangsausgleichstagsatzung am 25. Jänner 1994 sei der Vorschlag des Gemeinschuldners auf Zahlung einer 20-%igen Quote angenommen worden.

Aufgrund des Gesellschaftsvertrages vom 27. August 1993 sei am 16. September 1993 die Beschwerdeführerin in das Firmenbuch beim Landesgericht Krems eingetragen worden, wobei die Ehegattin des Gemeinschuldners als Geschäftsführerin fungiert habe. Laut Rechnung vom 1. September 1993 seien die wesentlichen Betriebsmittel vom Betriebsvorgänger an die Beschwerdeführerin verkauft worden. Sämtliche Dienstnehmer des Betriebsvorgängers seien nach Eröffnung des Konkursverfahrens bzw. nach "Ende ihres Einspruches auf Kündigungsentschädigung" (gemeint wohl: Ende ihres Anspruches auf Kündigungsentschädigung) von der Beschwerdeführerin zur Versicherung gemeldet worden. Der Betriebsvorgänger sei auch gewerberechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführerin und alleiniger Eigentümer des Objekts in 3910 Zwettl, Industriestraße 8, das laut Vertrag vom 6. September 1993 an die Beschwerdeführerin vermietet worden sei. In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß ein Betrieb im Sinne des § 67 Abs. 4 ASVG (dies sei die durch den Tätigkeitsbereich bestimmte, die Beschäftigten, Betriebsmittel, Geschäftsbeziehungen, Erfahrungen, Kundschaft und Absatzgelegenheit zusammenfassende organisatorische Einheit als Objekt im Rechtsverkehr) auf die Beschwerdeführerin übergegangen sei, wobei es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das Erkenntnis vom 30. November 1983, Zl. 82/08/0021) nur auf den Übergang jener Betriebsmittel ankomme, die die wesentliche Grundlage im Betrieb des Betriebsvorgängers gebildet hätten und den Betriebsnachfolger in die Lage versetzten, den Betrieb fortzuführen. Alle Argumente der Beschwerdeführerin, welche sich mit § 1409 ABGB beschäftigten, seien "im Gegenstand nicht relevant".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes führt die Beschwerdeführerin der Sache nach neuerlich aus, daß sie die mit Rechnung vom 1. September 1993 erworbenen Maschinen, Geräte und Einrichtungsgegenstände des Betriebsvorgängers zu einem angemessenen Entgelt erworben habe und dieses Entgelt den Gläubigern zur Gänze zugute gekommen sei. Aus diesem Grund hafte die Beschwerdeführerin nicht mehr nach § 67 Abs. 4 ASVG, da diese Bestimmung zwar der mitbeteiligten Partei eine besondere Sicherung für ihre Eintreibungsmöglichkeiten zuerkennen habe wollen, womit aber eine "Verdoppelung bzw. Erweiterung der Haftungsmasse nicht in Einklang" stehe. Auch seien die angekauften Maschinen und Fahrnisse nicht im unbeschränkten Eigentum des Betriebsvorgängers, sondern im Vorbehaltseigentum der Volksbank gestanden. Der gegenständliche Ankauf habe in Verbindung mit einer entsprechenden Rückstehungserklärung der Volksbank erst den Abschluß eines Zwangsausgleichs für die übrigen Gläubiger ermöglicht. Die Haftung des Betriebsnachfolgers sei überdies für die Zeit von höchstens zwölf Monaten vom Tag des Erwerbes zurückgerechnet beschränkt; demgegenüber sei die Beschwerdeführerin für Beitragsschulden in Anspruch genommen worden, welche erst nach dem Tag des Erwerbes entstanden seien. Auch hätte die belangte Behörde Feststellungen dahingehend treffen müssen, welche Maschinen, Geräte und Einrichtungsgegenstände angekauft worden seien und ob es sich dabei um wesentliche Teile "des Betriebsvorgängers" (gemeint offenbar: von dessen Betrieb) gehandelt habe.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 67 Abs. 4 ASVG in der Fassung der 41. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 111/1986, haftet dann, wenn ein Betrieb übereignet wird, der Erwerber für Beiträge, die sein Vorgänger zu zahlen gehabt hätte, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Vorgängers sowie der Haftung des Betriebsnachfolgers nach § 1409 ABGB unter Bedachtnahme auf § 1409a ABGB und der Haftung des Erwerbers nach § 25 des Handelsgesetzbuches für die Zeit von höchstens zwölf Monaten vom Tag des Erwerbs zurückgerechnet. Im Falle einer Anfrage beim Versicherungsträger haftet er jedoch nur mit dem Betrag, der ihm als Rückstand ausgewiesen worden ist.

Gemäß § 67 Abs. 5 ASVG (in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 411/96) gilt Abs. 4 nicht bei einem Erwerb aus einer Konkursmasse oder im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens.

Für die Betriebsnachfolgehaftung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht maßgebend, ob der Vorgänger auf Dauer in der Lage war, mit den Betriebsmitteln, die auf den Nachfolger übergingen, ohne nennenswerte Investitionen Gewinne zu erzielen oder zumindest Verluste zu vermeiden; ausschlaggebend ist vielmehr, ob vom Nachfolger eine organisierte Erwerbsgelegenheit als Objekt im Rechtsverkehr erworben wurde, die als solche geeignet ist, unabhängig von den im Zeitpunkt des Erwerbs gegebenen Gewinnchancen oder Verlustgefahren, wirtschaftlich werthafte Leistungen (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 30. November 1983, Slg. Nr. 11.241/A) auf dem für sie in Betracht kommenden Markt zu erbringen. Wurden vom Nachfolger nicht ein Betrieb als solcher, sondern nur Betriebsmittel erworben, so kommt es für die Qualifizierung als Betriebserwerb im Sinne des § 67 Abs. 4 ASVG darauf an, ob jene Betriebsmittel erworben wurden, die nach der Betriebsart und dem Betriebsgegenstand die wesentliche Grundlage des Betriebes des Vorgängers, also die Grundlage für die Erbringung wirtschaftlich werthafter Leistungen im genannten Sinn gebildet haben und den Erwerber mit ihrem Erwerb objektiv in die Lage versetzen, den Betrieb (in dem Umfang, mit dem Betriebsgegenstand und in der Betriebsart wie der Vorgänger) unter Einsatz weiterer, nicht die wesentliche Grundlage des Betriebes bildender Betriebsmittel fortzuführen (vgl. die Erkenntnisse vom 19. November 1987, Zl. 86/08/0217, und vom 27. September 1988, Zl. 86/08/0074). Diese - zu § 67 Abs. 4 ASVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 111/1986, entwickelte - Rechtsprechung ist - da der Gesetzgeber mit der 41. ASVG-Novelle lediglich der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 67 Abs. 4 ASVG (alte Fassung) Rechnung getragen hat - auch auf die Fassung der 41. ASVG-Novelle anzuwenden (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 17. Dezember 1991, Zl. 89/08/0211, und vom 7. April 1992, Zl. 91/08/0041). Nach dieser Rechtsprechung ist es auch nicht entscheidend, ob der Betrieb tatsächlich fortgeführt wird oder ob im Falle der Fortführung der Betriebsgegenstand und die Betriebsart gleich bleiben (vgl. dazu näher auch das Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 95/08/0248).

Was zunächst die beiden Haupteinwände in der vorliegenden Beschwerde betrifft, so ist ihnen folgendes zu entgegnen:

Entgegen der Beschwerdeauffassung kommt es für die Haftung nach § 67 Abs. 4 ASVG nicht darauf an, ob die Beschwerdeführerin als Betriebsnachfolgerin ein "äquivalentes Entgelt" für den Erwerb der wesentlichen Betriebsmittel geleistet hat. Entscheidend ist vielmehr, daß der Erwerber mit dem den Erwerb des Betriebes begründenden Rechtsgeschäft (bzw. solchen Rechtsgeschäften) mit dem Beitragsschuldner die kraft Gesetzes eintretende und durch privatrechtliche Vereinbarung nicht ausschließbare Haftung für die fremden Schulden unter Berücksichtigung der wechselseitigen Leistungen

- typischerweise - in seine wirtschaftlichen Überlegungen im Sinne einer (wenn auch nur subjektiv wirtschaftlichen) Äquivalenz zwischen dem übernommenen Betrieb und den offenen Beitragsschulden, für die er zu haften hat, einbeziehen kann (vgl. dazu die Ausführungen im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 30. November 1983, Slg. Nr. 11.241/A, Seite 583). Unterläßt dies der Betriebsnachfolger, so kann er sich nicht darauf berufen, eine "doppelte Haftungsmasse" geschaffen zu haben. Eine ausdrückliche gesetzliche Einschränkung in dem von der Beschwerdeführerin behaupteten Sinne kann § 67 Abs. 4 ASVG nicht entnommen werden.

Auch der Einwand, der Betriebsvorgänger sei nicht unbeschränkter Eigentümer der übernommenen betrieblichen Fahrnisse gewesen, vermag den angefochtenen Bescheid nicht als rechtswidrig erscheinen zu lassen: Entscheidend ist, ob die Beschwerdeführerin die wesentlichen Betriebsmittel des Betriebsvorgängers erworben hat. Dies wird auch in der vorliegenden Beschwerde nicht bestritten. Aus der aktenkundigen "Rechnung" vom 1. September 1993, die auch eine Aufstellung sämtlicher Maschinen, Geräte und Einrichtungsgegenstände enthält, die die Beschwerdeführerin um einen Gesamtbetrag von S 911.084,40 erworben hat, geht zwar hervor, daß diese Maschinen "unter Eigentumsvorbehalt verkauft und vereinbarungsgemäß die Eigentumsrechte an diesen der

Volksbank ... übertragen" worden seien bzw., daß die

Beschwerdeführerin angewiesen werde, "die Geräte im Namen der genannten Bank innezuhaben". Andererseits wird nicht bestritten, daß diese Rechnung zur Gänze bezahlt wurde, sodaß ein allenfalls vereinbarter Eigentumsvorbehalt erloschen wäre.

Schließlich spricht auch nicht gegen eine Betriebsnachfolge, daß die Beschwerdeführerin die Betriebsliegenschaft (die im Eigentum des Betriebsvorgängers steht) aufgrund eines Mietvertrages vom 6. September 1993 nutzt. Es ist zwar richtig, daß die Überlassung von Betriebsmitteln aufgrund eines Mietvertrages kein "Erwerb" im Sinne des § 67 Abs. 4 ASVG ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hängt die Frage, welche Betriebsmittel die wesentlichen Betriebsmittel des Betriebsvorgängers sind, im besonderen von Art und Gegenstand des Betriebes ab. Die Liegenschaft, auf der ein Unternehmen betrieben wurde, zählt dann zu den wesentlichen Betriebsmitteln, wenn der Standort für den Betrieb von besonderer Bedeutung ist, wie etwa im Falle von Gastronomiebetrieben (vgl. etwa das zu § 14 BAO ergangene Erkenntnis vom 19. September 1995, Zl. 95/14/0038). Der Betriebsvorgänger der Beschwerdeführerin war nach der Aktenlage "Malermeister". Es ist bei diesem Gewerbe nicht erkennbar, daß dem Standort besondere Bedeutung für die Möglichkeit der Betriebsfortführung zukäme. Es bedarf daher schon aus diesen Gründen keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Umstand, daß die im Eigentum des Betriebsvorgängers stehende Betriebsliegenschaft dem Nachfolger bloß zur Miete überlassen wird, der Haftung des § 67 Abs. 4 ASVG entgegenstünde. Im übrigen gilt auch für die Dienstnehmer (zur Rolle der Dienstnehmer bei der Frage der Betriebsübernahme vgl. neuerlich das Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 95/08/0248 mit weiteren Hinweisen), daß ihre Übernahme für die Frage, ob eine Betriebsnachfolge im Sinne des § 67 Abs. 4 ASVG vorliegt, nur insoweit von Bedeutung ist, als es sich um für den Weiterbetrieb des Unternehmens unerläßliche Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern handelt. Im Beschwerdefall deutet nichts auf einen solchen Sachverhalt hin; auch die Beschwerdeführerin bringt in dieser Richtung nichts vor.

Die Beschwerdeführerin ist aber mit ihrem Einwand im Recht, der angefochtene Bescheid verpflichte sie zur Zahlung von Beiträgen, die erst nach Betriebsübernahme entstanden seien:

Die belangte Behörde geht - freilich ohne dies ausdrücklich in der Begründung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck zu bringen - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erkennbar davon aus, daß die Betriebsübernahme mit der Übertragung der von der Beschwerdeführerin gekauften "Maschinen, Geräte und Einrichtungsgegenstände" laut Rechnung vom 1. September 1993 erfolgt sei. Dies steht auch im Einklang mit dem aktenkundigen Mietvertrag zwischen dem Vorgänger und der Beschwerdeführerin, in dessen Punkt VII. die Beschwerdeführerin am 6. September 1993 ausdrücklich bestätigt, das Bestandobjekt bereits übernommen zu haben. Geht man von diesem Zeitpunkt der Betriebsübernahme aus, dann ist in der Tat kein Grund ersichtlich, aus dem die Beschwerdeführerin auch für die erst am 30. September 1993 (oder später) fällig gewordenen Sozialversicherungsbeiträge für die Monate September 1993 bis November 1993 sowie für aufgelaufene Verzugszinsen im Zeitraum vom 1. September 1993 bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides haftet. Die Haftung des Betriebsnachfolgers ist nämlich in § 67 Abs. 4 ASVG ausdrücklich auf jene Beiträge

beschränkt, die "sein Vorgänger zu zahlen gehabt hätte ... für

die Zeit von höchstens zwölf Monaten vom Tage des Erwerbes zurückgerechnet".

Der Umstand, daß die Dienstnehmer erst am 30. September 1993 vom Betriebsvorgänger von der Versicherung abgemeldet worden sind, vermag die Belastung der Beschwerdeführerin mit den genannten Beiträgen schon deshalb nicht zu rechtfertigen, da die belangte Behörde von einer Betriebsübernahme nach dem 30. September 1993 in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht ausgeht. Auch hilft das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. September 1985, Zl. 84/08/0230, wonach es auf den Tag der Verfügungsberechtigung über die Betriebsmittel und nicht auf den Abschluß des Kaufvertrages ankomme, schon deshalb nichts, weil die belangte Behörde eine Feststellung über eine Übereignung der Betriebsmittel nach dem 30. September 1993 nicht getroffen hat. Es kommt daher entscheidend darauf an, wann der Betriebsnachfolger in rechtlicher Hinsicht die Verfügungsberechtigung über die wesentlichen Betriebsmittel des Betriebsvorgängers erlangt hat. Auch dies kann losgelöst von den Umständen des Einzelfalles nicht generell beurteilt werden. Wenn - wie im Beschwerdefall - am 1. September 1993 die wesentlichen Betriebsmittel an die Beschwerdeführerin verkauft wurden und diese am 6. September 1993 die Übernahme der Betriebsliegenschaft bestätigt, so wird man im allgemeinen davon ausgehen können, daß spätestens zu diesem Zeitpunkt die Beschwerdeführerin die Verfügungsberechtigung über die wesentlichen Betriebsmittel der Betriebsvorgängerin erlangt hat. Da es nur darauf ankommt, nicht aber auf die Frage, ob überhaupt der Betrieb fortgeführt wurde, ist auch unerheblich, ob die Beschwerdeführerin schon zu diesem Zeitpunkt oder erst später (allenfalls nach Übernahme der Dienstnehmer vom Betriebsvorgänger) ihren Betrieb tatsächlich aufgenommen hat.

Die Beschwerde ist aber auch insoweit berechtigt, als die belangte Behörde keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob es sich bei den übernommenen Maschinen, Geräten und Einrichtungsgegenständen des Betriebsvorgängers um die für den Betrieb wesentlichen Teile gehandelt hat, d.h. ob es die in der Rechnung vom 1. September 1993 verzeichneten Betriebsmittel gewesen sind, durch die die Beschwerdeführerin in die Lage versetzt worden ist, den Betrieb des Betriebsvorgängers fortzuführen, oder ob es sich nur um einen Teil der Betriebsmittel des Betriebsvorgängers gehandelt hat, die für sich allein genommen die Fortführung eines Malerbetriebes nicht ermöglicht hätten. Die darin liegende Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes im Sinne des Aufhebungsgrundes des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG tritt jedoch hinter die bereits aufgezeigte Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides zurück, sodaß der Bescheid aus dem erstgenannten Grund aufzuheben ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Für Stempelmarken gebührt aufgrund der sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 Abs. 1 ASVG) kein Ersatz, sodaß das diesbezügliche Kostenbegehren abzuweisen war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995080348.X00

Im RIS seit

08.01.2002

Zuletzt aktualisiert am

02.01.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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