TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/30 95/01/0129

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Veröffentlicht am 30.09.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §5 Abs1 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Zeljko Gazarek in Linz, geboren am 29. Mai 1965, vertreten durch Dr. Johann Rathbauer, Rechtsanwalt in Linz, Weißenwolfstraße 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. April 1995, Zl. 4.212.812/3-III/13/95, betreffend Feststellung gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Kroatiens, war mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 12. November 1985 als Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) anerkannt worden. Mit Bescheid vom 14. Februar 1995 stellte das Bundesasylamt gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 fest, daß im Fall des Beschwerdeführers der in Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 der Genfer Flüchtlingskonvention genannte Tatbestand eingetreten sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 11. April 1995 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 verliert ein Flüchtling das Asyl, wenn festgestellt wird, daß hinsichtlich seiner Person einer der im Artikel 1 Abschnitt C oder F lit. a oder c oder Art. 33 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Tatbestände eingetreten ist.

Gemäß Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 der Genfer Flüchtlingskonvention wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet, wenn die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.

Der Beschwerdeführer hat - mit der Auffassung der Behörde erster Instanz, daß Gründe, die zu seiner Anerkennung als Flüchtling geführt hätten, zufolge Etablierung des auch international anerkannten kroatischen Staates weggefallen seien, konfrontiert - bei einer seitens der Behörde erster Instanz am 1. Februar 1995 mit ihm durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme im wesentlichen ausgeführt, er werde, weil ihm die Vollendung des Militärdienstes aufgeschoben worden sei, polizeilich gesucht und müsse damit rechnen, "gegen die Serben in Kriegseinsatz gestellt zu werden".

Die Behörde erster Instanz ging davon aus, daß angesichts der divergierenden Angaben über die Gründe, die der Beschwerdeführer seinerzeit für das Vorliegen seiner Flüchtlingseigenschaft ins Treffen geführt habe - nämlich einerseits kroatisch-nationale Bestrebungen und damit verbundene Diskriminierung bzw. andererseits Auseinandersetzung mit Serben und in Anschluß daran Ladung vor ein Militärgericht -, die im Zusammenhang mit dem ihm vorgehaltenen Wegfall der zu seiner Anerkennung als Flüchtling führenden Umstände getätigte Aussage des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz "äußerst unglaubwürdig klingt". Kroatien habe sich in der Zwischenzeit zu einem demokratischen Staat entwickelt, sodaß nicht davon ausgegangen werden könne, daß der Beschwerdeführer wegen kroatisch-nationaler Bestrebungen in diesem Staat Verfolgung zu erwarten hätte. Befürchtungen des Beschwerdeführers, seinen Grundwehrdienst, dessen Vollendung ihm aufgeschoben worden sei, ableisten zu müssen, sei entgegenzuhalten, daß es sich hiebei um eine auch Angehörige andrer demokratischer Staaten treffende Staatsbürgerpflicht handle, deren Durchsetzung sich als ein legitimes staatliches Recht darstelle. Der Schlußfolgerung, bei den dem Vater des Beschwerdeführers zugestellten behördlichen Schreiben müsse es sich um Einberufungsbefehle gehandelt haben, könne nicht gefolgt werden, weil der Beschwerdeführer angegeben habe, Militärdienst im Ausmaß von sechs Monaten im früheren kommunistischen Jugoslawien abgeleistet zu haben, während er nunmehr behaupte, vom kroatischen Staat eingezogen zu werden. Beweisanträgen, den Vater bzw. auch den Bruder des Beschwerdeführers einzuvernehmen, sei nicht zu folgen gewesen, weil diese nach den Angeben des Beschwerdeführers lediglich bezeugen könnten, daß er einen Einberufungsbefehl erhalten habe und daß deswegen nach ihm gefahndet werde. Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer eingewendeten Kriegsgefahr sei darauf zu verweisen, daß kein Staat der Welt in der Lage sei, eine solche auszuschließen.

Die belangte Behörde begründete die Abweisung der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung damit, daß angesichts der Existenz des aus der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik Kroatien gebildeten souveränen Staates, in dem freie Wahlen stattgefunden hätten, dessen Regierung demokratisch legitimiert sei und welcher nunmehr als Heimatstaat des Beschwerdeführers zu betrachten sei, kein Anlaß bestehe, dort gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung zu befürchten. Hinsichtlich der Befürchtungen des Beschwerdeführers, im Fall seiner Rückkehr zum Militärdienst herangezogen zu werden, verwies die belangte Behörde auf die diesbezüglichen begründenden Ausführungen der Behörde erster Instanz im erstinstanzlichen Bescheid und erhob diese Passagen zum Bestandteil des angefochtenen Bescheides. Vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten, mit dem Verlust des Flüchtlingsstatus verbundene Nachteilen komme keine Asylrelevanz zu.

Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, dem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 12. November 1985, mit dem er als Flüchtling anerkannt worden sei, könne nicht entnommen werden, welche Umstände für diese Anerkennung maßgebend gewesen seien. Demzufolge könne nunmehr nicht festgestellt werden, daß diese Umstände weggefallen seien. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Anerkennung des Beschwerdeführers als Flüchtling in der Begründung dieses Bescheides ausdrücklich darauf gestützt wurde, daß der Beschwerdeführer im Zuge des mit ihm durchgeführten Feststellungsverfahrens für die Anerkennung sprechende Gründe habe glaubhaft machen können. Daraus folgt, daß die im Rahmen dieses Feststellungsverfahrens vom Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 16. September 1985 erstatteten Angaben dem Anerkennungsbescheid zugrunde gelegt wurden. Somit konnte die belangte Behörde davon ausgehen, daß dem Beschwerdeführer deswegen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden war, weil er diesen Angaben zufolge mit Serben eine Auseinandersetzung gehabt, einem intervenierenden Polizisten widersprochen habe, sodann versetzt, von seinem Militärkommandanten befragt und angezeigt sowie schließlich vom Militärgericht vorgeladen worden sei; weiters weil er zufolge Verbreitung antijugoslawischer Propaganda bereits während seiner Berufsschulzeit mit einer mehrjährigen Haft habe rechnen müssen.

Der Beschwerdeführer hat der Schlußfolgerung der belangten Behörde, er habe zufolge der Etablierung des souveränen Staates Kroatien keine Verfolgung aus den Gründen, die zu seiner Anerkennung als Flüchtling geführt hätten, zu fürchten - abgesehen von der Rüge von Verfahrensmängeln -, lediglich entgegengesetzt, es lägen Verfolgungshandlungen aus politischer Motivation vor, ohne dies näher auszuführen. Soweit diese Ausführungen dahin zu verstehen sein sollten, daß damit auf die behauptete Fahndung wegen des Ablaufs des dem Beschwerdeführer für die Vollendung des Militärdienstes gewährten Aufschubes Bezug genommen wird, ist - wie dies die Behörde erster Instanz bereits zutreffend in den zu Bestandteilen des angefochtenen Bescheides erklärten Passagen ihres Bescheides ausgeführt hat - darauf zu verweisen, daß die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes - sei es durch Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehls, sei es durch Desertion und somit auch durch Überschreiten einer Aufschubfrist - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein nicht die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling bzw. die Annahme des Fortbestehens von Verfolgung rechtfertigt. Der Verwaltungsgerichtshof geht allerdings von einer asylrechtlich relevanten Furcht vor Verfolgung in solchen Fällen aus, in denen die Einberufung aus einem der in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Gründen erfolgt, in denen damit gerechnet werden müßte, daß ein Asylwerber bzw. ein Flüchtling nach Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes aus diesen Gründen im Vergleich zu Angehörigen anderer Gruppierungen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt würde oder in denen davon auszugehen ist, daß eine wegen Wehrdienstverweigerung drohende Strafe aus diesen Gründen gegen diesen schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen verhängt würde (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, Slg. Nr. 14.089/A). Anders als in dem Fall, der dem angeführten Erkenntnis eines verstärkten Senates zugrunde lag, hat der Beschwerdeführer im nunmehrigen Verwaltungsverfahren keine Ausführungen, die auf das Vorliegen von in der Aufforderung, sich zum Militärdienst zu melden, bzw. in polizeilichen Nachforschungen liegender Verfolgung im Sinne obiger Judikatur hindeuten würden, gemacht. Daß aber etwa das seinerzeitige Eintreten des Beschwerdeführers für kroatisch-nationale Bestrebungen nunmehr nach Entstehen des souveränen Staates Kroatien eine strengere Bestrafung wegen der Wehrdienstverweigerung nach sich zöge, hat der Beschwerdeführer selbst nicht behauptet. Da die vom Beschwerdeführer beantragte Einvernahme von Zeugen zufolge dem vom Beschwerdeführer bei dieser Gelegenheit genannten Beweisthema lediglich auf den Beweis des Vorliegens solcher Aufforderungen bzw. Nachforschungen abzielten, kann im Unterbleiben der Zeugeneinvernahmen Rechtswidrigkeit nicht erblickt werden (vgl. die in Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S. 302, E 28a, zitierte Judikatur).

Soweit der Beschwerdeführer rügt, die Ladung zur Einvernahme vom 1. Februar 1995 habe den Gegenstand der Einvernahme nicht näher bezeichnet, kann daraus für ihn nichts gewonnen werden, weil er nicht darlegt, welche weiteren Ausführungen er für den Fall einer seiner Ansicht nach ausreichenden Konkretisierung des Vernehmungsgegenstandes gemacht hätte (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit 3, S. 610 angeführte Judikatur).

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann dem angefochtenen Bescheid mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, welche Berufung gegen welchen Bescheid damit abgewiesen wird. So wird der Spruch des angefochtenen Bescheides mit der Nennung des Bescheides der Behörde erster Instanz mit Datum und Zahl eingeleitet und wird ausdrücklich auf die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des namentlich angeführten Beschwerdeführers Bezug genommen. Der Beschwerdeführer hat auch nicht geltend gemacht, daß es ihm zufolge der vermeintlichen Unklarheiten unmöglich gewesen wäre, festzustellen, um welche Berufung gegen welchen Bescheid es sich bei der mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesenen Berufung handelt.

Wenn schließlich der Beschwerdeführer den Umstand, daß er um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft angesucht habe, als Vorfrage für die Aberkennung des Asyls geltend macht, ist ihm entgegenzuhalten, daß die Frage, ob einem anerkannten Flüchtling allenfalls die Staatsbürgerschaft verliehen werden wird, keine Vorfrage für die Prüfung des Weiterbestehens der Umstände, die zur Anerkennung als Flüchtling geführt haben, darstellen kann. Allerdings würde im Fall der Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer gemäß Art. 1 Abschnitt E der Genfer Flüchtlingskonvention dieses Abkommen auf ihn keine Anwendung mehr finden.

Die sich sohin insgesamt als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995010129.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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