TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/21 I408 2228646-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.08.2020
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Entscheidungsdatum

21.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I408 2228646-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Ägypten, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 30.07.2020, Zl. XXXX, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

C)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsbürger, beantragte am 23.11.2015 erstmals in Österreich internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er an, sein Vater sei 2013 von Muslimbrüdern ermordet worden und Männer wären in das Familienhaus gekommen, haben ihn geschlagen und mit dem Tod bedroht.

Der Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 01.03.2017 abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Dieser Bescheid blieb unbekämpft und die Entscheidung erwuchs mit 05.04.2017 in Rechtskraft.

Nach Aushändigung dieser Entscheidung tauchte der Beschwerdeführer unter, eine Effektuierung der ergangen Rückkehrentscheidung war damit nicht möglich und er verblieb im Bundesgebiet. In dieser Zeit verfügte er Beschwerdeführer weder über einen gemeldeten Wohnsitz noch ging er einer gemeldeten Beschäftigung nach.

Am 06.02.2020 wurde er bei einer Polizeikontrolle aufgegriffen. Er hatte Barmittel in Höhe von € 10, -- bei sich, wurde in Schubhaft genommen und stellte aus der Haft heraus am 07.02.2020 den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

In der Ersteinvernahme am 07.02.2020 gab er an, dass sein Vater 2015 verstorben sei und ihn sein Onkel aus der Wohnung geworfen habe. Bei den Einvernahmen vor der belangten Behörde am 11.02.2020 und 14.02.2020 führte er explizit aus, dass sein Vater nicht – wie im Erstverfahren abgegeben - von den Muslimbrüdern ermordet worden sei, sondern im Feber 2012 an einem Hepatitits C Virus verstarb. Er habe danach keine Arbeit mehr gehabt und deshalb das Land verlassen. Er hasse das Land seit dem Tod seines Vaters und mag Ägypten prinzipiell nicht.

Im Anschluss an die Einvernahme am 14.02.2020 wurde die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes mündlich verkündet und mit ho. Beschluss vom 20.02.2020, I419 2228646-1/4E bestätigt.

Am 18.03.2020 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen, weil eine zeitnahe Überstellung aufgrund der Corona-Pandemie nicht realisierbar erschien und mit Verfahrensanordnung eine verpflichtende Unterkunftnahme angeordnet.

Am 06.06.2020 verließ der Beschwerdeführer die ihm zugeteilte Unterkunft und vollzog trotz Belehrung einen nicht genehmigten Privatverzug. Seit 08.06.2020 ist er unter einer privaten Wohnanschrift gemeldet.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 30.07.2020 wies die belangte Behörde den neuerlichen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 07.02.2020 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.) und erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt V.), es wurde ihm keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.) und gegen ihn ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.). Zudem wurde ihm aufgetragen ab 18.03.2020 Quartier in der Betreuungsstelle XXXX zu nehmen (Spruchpunkt VIII.) Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 09.08.2020 polizeilich zugestellt.

Dagegen richtet sich die wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde mit den Anträgen, eine Beschwerdeverhandlung anzuberaumen und dem Beschwerdeführer in Abänderung des angefochtenen Bescheids internationalen Schutz zu gewähren, in eventu festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, in eventu, den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und die Angelegenheit an die Erstbehörde zurückzuverweisen und in eventu das Einreiseverbot zu beheben oder die Dauer zu verkürzen. Zusammengefasst bringt der Beschwerdeführer dazu vor, dass es zu Erbstreitigkeiten gekommen sei. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen, sozialen Lage und der vielen Sicherheitsprobleme in Ägypten sowie der schlechten medizinischen Versorgung, welche kausal für den Tod seines Vaters war, habe er sein Erbe verkauft und vor der Situation in Ägypten sowie vor seinem Onkel geflüchtet. Der Beschwerdeführer sei bemüht Deutsch zu lernen, lebe beinahe fünf Jahre in Österreich, habe viele österreichische Freunde, die ihn unterstützen und habe hier gearbeitet, sei arbeitsfähig und arbeitswillig. Er sei strafgerichtlich unbescholten und sein Verbleib in Österreich stelle keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 18.08.2020 vorgelegt.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt die behördlichen Verwaltungsakte, der Angaben des Beschwerdeführers in den beiden Verfahren und den vom Gericht eingeholten Abfragen aus ZMR, GVS, AJ-WEB Auskunftsverfahren und Strafregister. Es sind keine entscheidungswesentlichen Widersprüche aufgetreten bzw. in der Beschwerde vorgebracht worden.

Ein Vergleich der Informationen über die allgemeine Lage in Ägypten in den Bescheiden des der belangten Behörde vom 01.03.2017 und vom 30.07.2020 sowie im ho. Beschluss des BVwG vom 20.02.2020, I419 2228646-1/4E, zeigt, dass sich die Situation dort seit dem Abschluss des Vorverfahrens nicht entscheidungswesentlich verändert hat. Eine relevante Änderung, insbesondere Verschlechterung, der Verhältnisse dort wird weder vom Beschwerdeführer behauptet noch ist sie amtsbekannt.

Aus den aktuellen Hinweisen des Bundesministeriums für Europäische und internationale Angelegenheit zu Ägypten ist nicht zu entnehmen, dass das ägyptische Gesundheitssystem aufgrund Covid 19 nicht funktioniert.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Zu Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die (außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG) die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheids begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs 2 und 4 AVG findet.

Verschiedene "Sachen" iSd § 68 Abs 1 AVG liegen vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhalts die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Eine neue Sachentscheidung ist auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor dem Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen. Einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft der über den Erstantrag absprechenden Entscheidung entgegen. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783).

Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und ist in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten, so steht die Rechtskraft des ergangenen Bescheids dem neuerlichen Antrag entgegen. (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; vgl auch VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307). Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen (VwGH 25.02.2016, Ra 2015/19/0267). Im Folgeantragsverfahren können - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089).

Das BVwG muss somit prüfen, ob die belangte Behörde auf Grund des zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (vgl VwGH 12.10.2016, Ra 2015/18/0221; 25.04.2017, Ra 2016/01/0307). Die Prüfung der Zulässigkeit des Folgeantrags wegen geänderten Sachverhalts hat - von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen - nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen. Im Rechtsmittelverfahren ist ausschließlich zu prüfen, ob die belangte Behörde zu Recht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass keine wesentliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist (VwGH 24.06.2014, Ra 2014/19/0018).

Da sich hier weder die Rechtslage noch das Begehren des Beschwerdeführers seit der Abweisung seines ersten Antrags auf internationalen Schutz geändert hat und die von ihm nunmehr vorgebrachten Fluchtgründe bereits vor dem Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ist der Folgeantrag zurückzuweisen, zumal auch keine maßgebliche Änderung der Situation im Irak behauptet wird.

Der Beschwerdeführer tritt der Zurückweisung des Folgeantrags auf internationalen Schutz weder in Bezug auf die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten noch der subsidiär Schutzberechtigten substantiiert entgegen.

Der Beschwerdeführer hat keine neuen Tatsachen vorgebracht, die einen Folgeantrag rechtfertigen. Vielmehr ist seinem nunmehrigen Vorbringen nur zu entnehmen, dass er im Erstverfahren schlichtweg die Unwahrheit gesagt hat. Wenn er die beiden unterschiedlichen Fluchtvorbringen mit unzureichende Dolmetscherleistungen zu erklären versucht, übersieht er, dass er im Erstverfahren zweimal und mit unterschiedlichen Dolmetschern als Fluchtgrund die Tötung seines Vaters durch Muslimbrüder sowie eine persönliche Bedrohung mit dem Tod durch unbekannte Personen angegeben hat. Von einem natürlichen Tod seines Vaters sowie von Erbstreitigkeiten mit einem Onkel war keine Rede. Da sich auch die Lage in seinem Herkunftsstaat nicht maßgeblich geändert hat, erweist sich die Zurückweisung des neuerlichen Antrags sowohl in Bezug auf die Gewährung des Status von Asylberechtigten als auch in Bezug auf die Gewährung des Status von subsidiär Schutzberechtigten als richtig. Einer inhaltlichen Erledigung des neuen Antrags auf internationalen Schutz steht die rechtskräftige Abweisung seines ersten Antrags entgegen. Die Zurückweisung des zweiten Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache war daher zu bestätigen.

Zu Spruchpunkt III., IV. und V. des angefochtenen Bescheides:

Wenn ein Antrag auf internationalen Schutz zurück- oder abgewiesen wird, der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ist gemäß § 58 Abs 1 AsylG von Amts wegen die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG zu prüfen. Gemäß § 58 Abs 3 AsylG ist darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" ist gemäß § 57 Abs 1 AsylG Drittstaatsangehörigen, die sich im Bundesgebiet aufhalten, zu erteilen, wenn entweder der Aufenthalt gemäß § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen weiterhin vorliegen, sofern sie keine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit sind und nicht wegen eines Verbrechens verurteilt wurden, oder zur Gewährleistung der Strafverfolgung oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von damit im Zusammenhang stehenden zivilrechtlichen Ansprüchen. Letztlich ist ein solcher Aufenthaltstitel auch Opfern von Gewalt zu erteilen, wenn eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO ("Schutz vor Gewalt in Wohnungen") oder nach § 382e EO ("Allgemeiner Schutz vor Gewalt") erlassen wurde oder hätte erlassen werden können, wenn dies zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich war zu keiner Zeit geduldet. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Gewährleistung der Strafverfolgung oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von damit im Zusammenhang stehenden zivilrechtlichen Ansprüchen erforderlich wäre oder dass der BF Opfer von Gewalt wurde. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 Abs 1 AsylG liegen daher nicht vor.

Eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs 2 AsylG ist ebensowenig erfolgt wie eine Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 3a AsylG.

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung über die Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem achten Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird und auch kein Fall der §§ 8 Abs 3a oder9 Abs 2 AsylG vorliegt.

Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG hat die belangte Behörde gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs 3a oder 9 Abs 2 AsylG vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das BFA gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Die Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG ist mit einer Entscheidung über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 52 Abs 2 Z 2 FPG zu verbinden. Wenn eine relevante Sachverhaltsänderung im Hinblick auf das Privat- und Familienleben eingetreten ist, kann eine negative Entscheidung über einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs 1 AVG mit einem Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG verbunden werden (siehe VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082 unter Hinweis auf EB RV 582 BlgNR 25. GP, 15).

Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Drittstaatsangehörigen eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG jedenfalls begründet abzusprechen, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese auf Dauer unzulässig ist. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung ist nur dann von Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger und Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Erhebliche neue Tatsachen, die zu einem anderen Ergebnis der Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG führen, liegen hier nicht vor. Der VwGH hat dazu ausgesprochen, dass ein weiterer Verbleib im Bundesgebiet samt den damit einhergehenden Elementen einer sozialen Integration, der Besuch eines Deutschkurses und die behauptete Möglichkeit einer künftigen Berufstätigkeit keine maßgeblichen Sachverhaltsänderungen begründen, die eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art 8 EMRK erforderlich machen (VwGH 23.04.2015, Ra 2015/21/0033).

Schon aufgrund des unsteten Lebenswandels des Beschwerdeführers nach Ausfolgung der negativen Entscheidung zu seinem Erstantragsverfahren seit 2017 ist von keiner maßgeblichen Sachverhaltsänderung in Bezug auf sein Privat- und Familienleben auszugehen und wurde auch nicht behautet. Auch insoweit hat sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht geändert.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, wie in der Beschwerde angeführt, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (vgl VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253).

Der Beschwerdeführer hat nach wie vor eine ausreichende Bindung zu seinem Herkunftsstaat, wo mehrere Familienangehörige nach wie vor leben. Er hat dort den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht, ist sprachkundig und mit den Gepflogenheiten vertraut.

Der Behörde anzulastende überlange Verfahrensverzögerungen liegen nicht vor.

Der vergleichsweise geringen Schutzwürdigkeit des Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich steht das große öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen gegenüber, dem als Teil des Interesses am Schutz der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt. Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sein persönliches Interesse am Verbleib nach wie vor überwiegt.

Durch die Rückkehrentscheidung wird Art 8 EMRK somit im Ergebnis nicht verletzt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen oder wurden in der Beschwerde behauptet, die eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erscheinen lassen. Eine amtswegige Prüfung der Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 AsylG kommt daher nicht in Betracht.

Gemäß § 50 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art 2 EMRK oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat zulässig. Es liegen unter Berücksichtigung der Situation in Ägypten und der Lebensumstände des Beschwerdeführers keine konkreten Gründe vor, die eine Abschiebung dorthin unzulässig machen würden, zumal sich die Verhältnisse dort seit dem Vorverfahren nicht wesentlich geändert haben. Eine Rückkehrentscheidung erweist sich damit als rechtmäßig.

Zu Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht keine Frist für eine freiwillige Ausreise in Fällen einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG.

Zu Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides):

Die belangte Behörde erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm 2 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot.

Im Lichte einer aktuellen Entscheidung des VwGH, in welcher dieser neuerlich darauf hinweist, dass der bloße unrechtmäßige Aufenthalt eines Fremden nach dem System der Rückführungsrichtlinie noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung darstellt, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbotes gebieten würde, dieses jedoch bei Hinzutreten weiterer Faktoren wie dem Nichtnachkommen einer Ausreiseverpflichtung oder Mittellosigkeit des Fremden durchaus geboten sein kann, ist die Verhängung eines Einreiseverbots gegen den Beschwerdeführer im vorliegenden Fall als angemessen zu erachten (VwGH, Erkenntnis vom 24.05.2018, Ra 2018/19/0125).

Aus der Formulierung des § 53 Abs. 2 FPG ergibt sich, dass die dortige Aufzählung nicht als taxativ, sondern als demonstrativ bzw. enumerativ zu sehen ist ("Dies ist insbesondere dann anzunehmen, ..."), weshalb die belangte Behörde in mit den in Z 1 - 9 leg. cit expressis verbis nicht genannten Fällen, welche jedoch in ihrer Interessenslage mit diesen vergleichbar sind, ebenso ein Einreisverbot erlassen kann.

Wie schon die belangte Behörde im verfahrensgegenständlichen Bescheid ausführlich dargelegt hat, beruht das Einreiseverbot nicht nur auf der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers, sondern vor allem auf den Umstand, dass er nach Erhalt der negativen Asylentscheidung der belangten Behörde seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist, sich an die drei Jahre rechtswidrig im Bundesgebiet aufgehalten und durch sein Untertauchen die Effektivierung der Rückkehrentscheidung bewusst verhindert hat.

Zur Dauer des Einreiseverbotes wird festgehalten, dass die belangte Behörde die nach § 53 Abs. 2 FPG zur Verfügung stehende gesetzlich zulässigen Dauer von fünf Jahren nicht ausgeschöpft hat. Die Beschwerde zeigt auch keine Gründe auf, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre. Wie bereits dargelegt, verfügt der Beschwerdeführer über kein schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich.

Zur Anordnung der Unterkunftnahme:

Gemäß §15b AsylG kann einem Asylwerber mittels Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) des Bundesamtes aus Gründen des öffentlichen Interesses, der öffentlichen Ordnung oder aus Gründen der zügigen Bearbeitung und wirksamen Überwachung des Antrags auf internationalen Schutz aufgetragen werden, in einem von der für die Grundversorgung zuständigen Gebietskörperschaft zur Verfügung gestellten Quartier durchgängig Unterkunft zu nehmen. Über die Verfahrensanordnung ist im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. Bei der Beurteilung, ob Gründe des öffentlichen Interesses oder der öffentlichen Ordnung vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Voraussetzungen zum Verlust des Aufenthaltsrechts gemäß § 13 Abs. 2 oder für eine Entscheidung gemäß § 2 Abs. 4 GVG-B 2005 vorliegen (Z 1), der Antrag auf internationalen Schutz sich auf einen Staat gemäß § 19 BFA-VG bezieht (Z 2) oder vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine Rückkehrentscheidung gegen den Drittstaatsangehörigen rechtskräftig erlassen wurde (Z 3). Bei der Beurteilung, ob aus Gründen der zügigen Bearbeitung und wirksamen Überwachung des Antrags auf internationalen Schutz die Unterkunftnahme anzuordnen ist, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Asylwerber seinen Mitwirkungsverpflichtungen gemäß § 15 nachgekommen ist oder ob weitere Erhebungen zur Identität erforderlich sind. Die Anordnung der Unterkunftnahme gilt bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz, solange dem Asylwerber das Quartier zur Verfügung gestellt wird, es sei denn, dem Asylwerber wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt oder ein Aufenthaltstitel nach dem 7. Hauptstück erteilt. Bezieht sich die Anordnung auf eine Betreuungseinrichtung des Bundes, so tritt sie mit Zuweisung des Asylwerbers an eine Betreuungsstelle eines Bundeslandes außer Kraft.

Da beim Beschwerdeführer bereits eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seine Identität nicht feststeht, erweist sich die mit Verfahrensanordnung vom 18.03.2020 angeordnete Unterkunftnahme als rechtmäßig.

Im Ergebnis war die Beschwerde vollinhaltlich abzuweisen.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, kann eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG unterbleiben. Dem angefochtenen Bescheid ging ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren der belangten Behörde voran. Die belangte Behörde hat die die entscheidungswesentlichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung offen gelegt. Das Gericht teilt die tragenden Erwägungen der behördlichen Beweiswürdigung, zumal die Beweisergebnisse keine für die Entscheidung relevanten Widersprüche aufweisen. In der Beschwerde wurde kein für die rechtliche Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet, der dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegensteht oder darüber hinausgeht.

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Abschiebung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel aufrechte Ausweisung Ausreiseverpflichtung berücksichtigungswürdige Gründe Einreiseverbot Einreiseverbot rechtmäßig entschiedene Sache Folgeantrag freiwillige Ausreise Frist Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Identität der Sache illegaler Aufenthalt Interessenabwägung Mittellosigkeit öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung res iudicata Rückkehrentscheidung subsidiärer Schutz Wohnsitzauflage Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I408.2228646.2.00

Im RIS seit

17.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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