TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/24 I421 2234081-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.08.2020
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Entscheidungsdatum

24.08.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §66 Abs1
FPG §66 Abs2
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I421 2234081-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , Staatsbürgerin der Slowakei, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH ARGE Rechtsberatung, 1170 Wien, Wattgasse 48/3, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Niederösterreich (BAT) vom 21.07.2020, Zl. 1030177710-190335322, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und das gegen die Beschwerdeführerin erlassene befristete Aufenthaltsverbot für die Dauer von sieben (7) Jahren erlassen.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die belangte Behörde hat mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 1.9.2014 der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gem § 67 Abs 1 und FPG gegen die Beschwerdeführerin geprüft wird. Anlass dafür war die Verständigung vom Landesgericht XXXX bzgl der Verurteilung der Beschwerdeführerin zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels zu XXXX vom 8.8.2014, rechtskräftig mit selben Tag.

Die Beschwerdeführerin hat dazu eine Stellungnahme datiert vom 15.9.2014 aus der JA XXXX eingebracht, insbesondere darauf hingewiesen, sie würde auf die gerichtliche Entscheidung zu ihrem Antrag auf Strafaufschub warten, zumal ihr der Gutachter Therapiefähigkeit und –willigkeit bestätigt habe.

Tatsächlich wurde der Beschwerdeführerin Strafaufschub unter Auflagen bis 8.8.2016 mit Beschluss vom 30.9.2014 gewährt.

Mit neuerlicher Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 13.05.2020 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbots geprüft werde und die Beschwerdeführerin wegen Verbrechen nach dem SMG zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei und ihre Strafhaft in der JA XXXX verbüße. Diese Verständigung wurde von der Beschwerdeführerin am 13.5.2020 übernommen und eine Stellungnahme vom 14.05.2020 eingebracht.

Mit nunmehr bekämpften Bescheid hat die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen, keinen Durchsetzungsaufschub erteilt und einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dieser Bescheid und die Verfahrensanordnung vom 21.7.2020 wurden der Beschwerdeführerin am 22.7.2020 zugestellt.

Die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 13.8.2020 wurde dem Bundesverwaltungsgericht mit Behördenakt mit Schriftsatz vom 13.8.2020, eingelangt am 17.8.2020 vorgelegt.

Im Akt fehlte das Strafurteil des LG XXXX zu XXXX , das über telefonisches Ersuchen durch den Richter von der belangten Behörde am 24.8.2020 nachgereicht wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der eingangs wiedergegebene Verfahrensgang ergibt sich zweifels- und widerspruchsfrei aus dem vorliegenden Behördenakt und wird auf dessen Grundlage zu Feststellungen erhoben.

Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist slowakische Staatsbürgerin, geboren am XXXX in der Slowakei, geschieden und Mutter zweier Kinder, nämlich eines am XXXX .2000 geborenen Sohnes, der österreichischer Staatsbürger ist und eines minderjährigen Sohnes, geb. am XXXX .2012, der slowakischer Staatsbürger ist. Die beiden Kinder wohnen in Wien und sind an der Wohnanschrift der Eltern der Beschwerdeführerin gemeldet.

Hinsichtlich des 2012 geboren Sohnes der Beschwerdeführerin scheinen im zentralen Melderegister folgende Meldungen auf:

Wohnsitze

Straße XXXX

Postleitzahl XXXX

Ortsgemeinde XXXX

Unterkunftgeber XXXX

Gemeldet 15.03.2016 - Hauptwohnsitz

Straße XXXX

Adresszusatz XXXX

Postleitzahl XXXX

Ortsgemeinde XXXX Unterkunftgeber XXXX

Gemeldet 16.10.2014 - 15.03.2016 Hauptwohnsitz

Straße XXXX

Postleitzahl XXXX

Ortsgemeinde XXXX

Unterkunftgeber XXXX

Gemeldet 01.04.2014 - 16.10.2014 Hauptwohnsitz

Straße XXXX

Postleitzahl XXXX

Ortsgemeinde XXXX

Unterkunftgeber XXXX

Gemeldet 22.08.2012 - 01.04.2014 Hauptwohnsitz

Hinsichtlich des volljährigen Sohnes:

Wohnsitze

Straße XXXX

Postleitzahl XXXX

Ortsgemeinde XXXX

Unterkunftgeber XXXX

Gemeldet 27.11.2014 - Hauptwohnsitz

Straße XXXX

Postleitzahl XXXX

Ortsgemeinde XXXX Unterkunftgeber XXXX

Gemeldet 14.05.2014 - 27.11.2014 Hauptwohnsitz

Straße XXXX Postleitzahl XXXX Ortsgemeinde XXXX Unterkunftgeber XXXX

Gemeldet 07.08.2008 - 14.05.2014 Hauptwohnsitz

Straße XXXX Postleitzahl XXXX

Ortsgemeinde XXXX

Unterkunftgeber XXXX

Straße XXXX

Postleitzahl XXXX

Ortsgemeinde XXXX

Unterkunftgeber XXXX Gemeldet 25.04.2007 - 05.11.2007 Hauptwohnsitz

Straße XXXX

Postleitzahl XXXX

Ortsgemeinde XXXX

Unterkunftgeber XXXX

Gemeldet 27.11.2006 - 25.04.2007 Hauptwohnsitz

Straße XXXX

Postleitzahl XXXX

Ortsgemeinde XXXX

Unterkunftgeber XXXX

Gemeldet 08.03.2006 - 28.08.2006 Hauptwohnsitz

Straße XXXX

Postleitzahl XXXX

Ortsgemeinde XXXX

Unterkunftgeber XXXX

Gemeldet 30.01.2007 - 25.04.2007 Nebenwohnsitz

Seit April 2005 ist die Beschwerdeführerin unter wechselnden Anschriften in Österreich polizeilich gemeldet, teils mit Hauptwohnsitz, teils mit Nebenwohnsitz. Eine Verfestigung am Arbeitsmarkt ist nicht eingetreten, die überwiegenden gemeldeten Zeiten im Versicherungsdatenauszug gründen sich auf Bezug von Notstandshilfe und Krankengeld, kurzfristig unterbrochen durch eine geringfügige Beschäftigung. Nur in der Anfangszeit ihres Aufenthalts in Österreich bestand von Juli 2006 bis Juli 2008 eine durchgehende Meldung als Arbeiterin.

Im Österreichischen Strafregister sind zwei Verurteilungen der Beschwerdeführerin vorgemerkt, jeweils wegen Verbrechen und Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz. Die erste Verurteilung aus dem Jahr 2014 LG XXXX vom 08.08.2014 RK 08.08.2014, § 28a (1) 5. 6. Fall SMG, § 27 (1) Z 1 1. 2. Fall, (2) SMG Datum der (letzten) Tat 14.07.2014, Freiheitsstrafe 2 Jahre.

Die zweite Verurteilung aus dem Jahr 2019 LG XXXX vom 23.08.2019 RK 23.08.2019 §§ 28a (1) 5. Fall, 28a (4) Z 1 SMG § 12 3. Fall StGB §§ 28a (1) 2. Fall, 28a (1) 3. Fall, 28a (4) Z 1 u 3 SMG § 12 2. Fall StGB §§ 27 (1) Z 1 1. 2. Fall, 27 (2) SMG Datum der (letzten) Tat 26.03.2019, Freiheitsstrafe 4 Jahre.

Der Verurteilung aus dem Jahr 2014 liegt folgender Schuldspruch zugrunde:

XXXX

Der Urteilstenor des rechtskräftigen Strafurteils aus 2019 lautet:

„ XXXX , geboren am XXXX , slowakische Staatsangehörige, geschieden, ohne Beschäftigung, derzeit zu hg. AZ XXXX in Strafhaft wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 1 und Z 3 SMG, 12 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen erhobene Anklage nach der am 23.08.2019 in Anwesenheit des Staatsanwalts XXXX , der Angeklagten XXXX , ihres Verteidigers XXXX , der Dolmetscherin XXXX , Mgr. durchgeführten Hauptverhandlung, welche mittels Video- und Tonbandaufzeichnung aufgenommen wurde, am selben Tag zu Recht erkannt:

XXXX ist schuldig, sie hat in Wien und anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich „PICO“ (Wirkstoff: Methamphetamin, Reinheitsgehalt zumindest 60 %), I./ in Bezug auf Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, wobei sie die Straftat als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begangen hat und schon einmal zu AZ XXXX des Landesgerichts XXXX wegen § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden ist, und zwar

A./ aus der Slowakei mit dem PKW ausgeführt und nach Österreich eingeführt, und zwar

1./ im Zeitraum von Jänner bis März 2019 bei einer Fahrt insgesamt zumindest 10 Gramm

PICO gemeinsam mit XXXX ;

2./ im Sommer 2018 bei einer Fahrt eine nicht mehr festzustellende Menge PICO gemeinsam mit XXXX , XXXX und XXXX ;

3./ im Sommer 2018 bei einer Fahrt insgesamt zumindest 10 Gramm PICO gemeinsam mit dem bereits rechtskräftig verurteilten XXXX , indem sie ihn zum Ankauf bei XXXX begleitete, bei der Übergabe als Dolmetscherin fungierte und das Suchtgift gemeinsam mit ihm nach Österreich brachte;

4./ im Zeitraum von März 2018 bis zumindest Juni 2018 bei zumindest 15 Fahrten insgesamt

zumindest 400 Gramm PICO gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten XXXX ,

indem sie den Kontakt für diesen bei XXXX herstellte, die Treffen organisierte,

diesen bei seiner Einkaufsfahrt begleitete, bei der Übergabe in der Slowakei als

Dolmetscherin fungierte und das Suchtgift gemeinsam mit ihm nach Österreich brachte, wobei

sie dafür einen Teil des Erlöses aus dem anschließenden Weiterverkauf erhielt;

5./ im Frühjahr 2018 bei einer Fahrt insgesamt zumindest 20 Kubikzentimeter PICO (=

zumindest 16 Gramm PICO), gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten XXXX ,

indem sie den Kontakt für diesen bei einem nicht mehr festzustellenden Dealer herstellte, das

Treffen organisierte, das Suchtgift mit ihm gemeinsam übernahm und mit dem Zug nach

Österreich brachte;

B./ nachfolgende Personen dazu bestimmt, Suchtgift aus der Slowakei aus- und nach

Österreich einzuführen, indem sie ihnen den diesbezüglichen Auftrag erteilte, und zwar

1./ im Zeitraum März 2018 bis Mai 2018 in zumindest fünf Angriffen gemeinsam mit Sunay

XXXX zur Einfuhr von insgesamt zumindest 170 Gramm PICO;

2./ im Zeitraum April 2018 bis Juni 2018 in mehreren Angriffen XXXX zur Einfuhr von

insgesamt zumindest 50 Gramm PICO;

3./ im September 2018 XXXX in zumindest drei Angriffen zur Einfuhr von insgesamt

zumindest 50 Gramm PICO;

II./ in einer die Grenzmenge (§ 28b) übersteigenden Menge, als Mitglied einer kriminellen

Vereinigung, nachgenannten Abnehmern teilweise gewinnbringend überlassen, wobei sie die Tat gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) begangen hat und schon einmal zu AZ XXXX des Landesgerichts XXXX wegen § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden ist, und zwar

A./ als unmittelbare Täterin

1./ im Zeitraum zwischen Juli 2018 und Oktober 2018 in mehreren Angriffen insgesamt zumindest 3 Gramm PICO gewinnbringend an den abgesondert verfolgten Abnehmer XXXX ;

2./ im Zeitraum zwischen Juli 2018 und Oktober 2018 in mehreren Angriffen gemeinsam mit XXXX insgesamt zumindest 3 Gramm PICO zu einem Grammpreis von zumindest EUR 100, -- gewinnbringend an den noch festzustellenden unbekannten Abnehmer „Riki“;

3./ im Zeitraum zwischen Juli 2018 und Oktober 2018 in mehreren Angriffen gemeinsam mit XXXX insgesamt zumindest 3 Gramm PICO zu einem Grammpreis von zumindest EUR 100, -- gewinnbringend an den noch festzustellenden unbekannten Abnehmer „ XXXX “;

4./ im September 2018 in mehreren Angriffen gemeinsam mit dem bereits rechtskräftig verurteilten XXXX insgesamt zumindest 24 Gramm PICO gewinnbringend an nicht mehr festzustellende Abnehmer, wobei sie das Suchtgift zuvor, wie in Pkt C./ 3./ ausgeführt, von XXXX geliefert bekamen;

5./ im Zeitraum von September 2018 bis zum Oktober 2018 in mehreren Angriffen gemeinsam mit dem bereits rechtskräftig verurteilten XXXX insgesamt zumindest 6 Gramm

PICO zu einem Grammpreis von zumindest EUR 90, -- gewinnbringend an XXXX ;

6./ im Zeitraum von November 2018 bis März 2019 in mehreren Angriffen insgesamt zumindest 75 Gramm PICO an nicht mehr festzustellende Abnehmer, wobei sie dafür von den Lieferanten PICO für sich selbst erhielt;

7./ im Zeitraum Dezember 2018 bis März 2019 eine nicht mehr festzustellende Menge PICO an nicht mehr festzustellende Abnehmer gemeinsam mit XXXX ;

B./ in mehrfachen Angriffen zur Überlassung von Suchtgift beigetragen, und zwar

1./ im Zeitraum zwischen April 2018 und Juni 2018 in mehreren Angriffen von der unter Pkt I./ B./ 2./ angeführten Menge durch XXXX an XXXX , indem sie die Übergaben mit XXXX organisierte und bei der Übergabe anwesend war;

2./ im Herbst 2018 von einer noch festzustellenden Menge PICO durch XXXX und XXXX an XXXX , indem sie XXXX den Kontakt zu XXXX und XXXX vermittelte;

III./ in mehrfachen Angriffen in Wien und an anderen Orten teilweise zum eigenen Gebrauch

erworben und besessen und zwar

1./ im Oktober und November 2018 insgesamt zumindest 10 Gramm PICO von einem unbekannten Täter „ XXXX “;

2./ im Jänner und Februar 2019 gemeinsam mit XXXX insgesamt zumindest 10 Kubikzentimeter PICO (= 8 Gramm PICO) von XXXX ;

3./ zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt gemeinsam mit XXXX eine nicht mehr festzustellende Menge PICO von einem unbekannten Lieferanten;

XXXX hat hiedurch

zu I./: das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 1 und Z 3 SMG, 12 zweiter Fall StGB;

zu II./: das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 1 SMG, 12 dritter Fall StGB;

zu III./: die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG;

begangen und wird hiefür, unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB, nach § 28a Abs 4 SMG zu einer

F r e i h e i t s s t r a f e in der Dauer von 4 (vier) Jahren sowie gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.“

Bei der Strafzumessung wertete das Gericht als e r s c h w e r e n d: das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen und Vergehen, die doppelte Qualifikation in § 28a Abs 4 SMG, als m i l d e r n d: das vollinhaltliche Geständnis und der umfassende Beitrag zur Wahrheitsfindung.

Beide Verurteilungen sind rechtskräftig. Hinsichtlich der Erstverurteilung wurde der Beschwerdeführerin mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom 30.09.2014 Strafaufschub bis 08.08.2016 unter der Auflage gewährt, um sich der Gesundheitsbezogenen Maßnahme einer ärztlichen Behandlung einschließlich der Entzugs- und Substitutionsbehandlung stationärer Behandlung zu unterziehen (AS 55f). Die Beschwerdeführerin befindest sich derzeit in Strafhaft aus der zweiten Verurteilung in der JA XXXX .

Im Lagebericht zur Suchtmittelkriminalität 2019 des Bundeskriminalamts ist zum Suchtmittel Methamphetamin (Pico oder Crystal Meth) berichtet:

„Das in Österreich auf dem Markt befindliche Methamphetamin wurde nicht nur mehr wie bisher in Tschechien und der Slowakei illegal produziert, sondern stammte auch aus anderen Schengen-Ländern, wohin die Produktion verlagert wurde. Zunehmend wurden Produktionsstätten in Polen, den Niederlanden und Ungarn festgestellt, wodurch die Verfügbarkeit in Europa gewährleistet war.

Nach wir vor wurde Methamphetamin, das mittels Postversand von Mexiko nach Österreich gelangte, sichergestellt. War Methamphetamin bis vor einigen Jahren nur in den Grenzgebieten zu Tschechien und der Slowakei verfügbar, wurde diese Droge mittlerweile in allen Bundesländern angeboten. Das sichergestellte Methamphetamin war nach wie vor hochwertig, der Wirkstoffgehalt lagt bei 70 bis 80 Prozent und teilweise sogar darüber. Aufgrund des hohen Suchtpotentials von Methamphetamin war mit weiteren Steigerungsraten zu rechnen.“

Zu Risiken und Folgen dieses Suchtwirkstoffes berichtet das Institut Suchtprävention:

„Neben strafrechtlichen Risiken führt der Konsum von Amphetamin und vor allem jener von Methamphetamin sehr rasch zu einer psychischen Abhängigkeit. Der Körper gewöhnt sich schnell an die Substanz und die Dosis muss erhöht werden, um die gewünschte Wirkung zu erzielen (Toleranzentwicklung). Amphetamine aktivieren das Herz-Kreislauf-System. Bereits bei geringem Konsum steigen der Puls und die Herzfrequenz, was zu Herzrasen, Bluthochdruck bis hin zu Wärmestau, Kollapszuständen und Schlaganfällen führen kann. Zu weiteren Nebenwirkungen zählen das Ansteigen der Körpertemperatur, Schweißausbrüche, Zittern, Muskelkrämpfe, Mundtrockenheit, Appetitlosigkeit, Schwindel, Hautjucken, Verdauungsstörungen, erweiterte Pupillen, zwanghaftes Zähneknirschen, starker Rededrang. Bei Gebrauch von größeren Mengen oder bei länger andauerndem Gebrauch tritt häufig eine paranoide Amphetaminpsychose auf. Hierbei fühlen sich die Konsumenten verfolgt, bedroht oder vergiftet, können optische und akustische Halluzinationen haben. Nach dem Konsum kommt es zu ausgeprägten Nachwirkungen, die mehrere Tage anhalten können. Dazu zählen u.a. depressive Verstimmungen, erhöhte Ängstlichkeit, starke Müdigkeit, Erschöpfungs- und Katerstimmung, Lethargie, Antriebs- und Interessenslosigkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten. Diese Nachwirkungen werden oftmals als Entzugserscheinungen empfunden und führen meist zu erneutem Konsum. Bei langfristigem Crystal-Meth-Konsum kann es zu starkem Gewichtsverlust, Hirnschädigungen (Konzentrations- und Merkfähigkeit), chronischen Hautentzündungen, Zahnschäden bis zum Zahnausfall, Magenerkrankungen, Störungen des Monatszyklus bei Frauen, Herz-Kreislauferkrankungen, Nierenschäden usw. kommen.

Im Gegensatz zu Amphetamin, das meist nur stark gestreckt auf dem Schwarzmarkt erhältlich ist, besitzt das Methamphetamin, vor allem in seiner kristallinen Form als „Crystal Meth“ einen hohen Wirkstoffgehalt (bis zu 90%). Bei Verwechslung der beiden Substanzen kann es zu lebensbedrohlichen Vergiftungen durch Überdosierung kommen!“ (https://www.praevention.at/sucht-und-suchtvorbeugung/suchtmittel/crystal-meth-crystal-speed).

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen wurden vom erkennenden Richter nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung getroffen. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich Widerspruchsfrei aus dem Behördenakt, dem Strafregisterauszug, dem Versicherungsdatenauszug, dem Melderegister und den genannten und zitierten Berichten des Bundeskriminalamts sowie des Instituts für Suchtprävention. Der wesentliche Sachverhalt wird in der Beschwerde auch nicht inhaltlich bestritten.

Insofern in der Beschwerde moniert wird, die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 13.05.2020 sei der Beschwerdeführerin in die JA XXXX zugesendet und übernommen wurde (S 3 der Beschwerde) und die Beschwerdeführerin zu dieser Zeit in JA XXXX war, weshalb aus diesem Grund der Bescheid mit groben Mängeln behaftet sei, ist dem entgegen zu halten, dass diese Verständigung die Beschwerdeführerin tatsächlich am 13.05.2020 in der JA XXXX übernommen hat (AS 91) und von ihrem Recht auf Parteiengehör mit Stellungnahme vom 14.05.2020 (AS 93 f) gebrauch gemacht hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jener der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg cit als EWR-Bürger, jener Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

Die Beschwerdeführerin als Staatsangehörige der Slowakei ist sohin EWR-Bürgerin iSd. § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

Die mit „Ausweisung“ und "Aufenthaltsverbot" betitelten §§ 66 und 67 FPG lauten:

§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

"§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

Der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA war aus folgenden Gründen nur teilweise stattzugeben:

Die Beschwerdeführerin hält sich seit 2005 in Österreich auf. Die Beschwerdeführerin ist zwar vom Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung zurückgerechnet mehr als 10 Jahre im Bundesgebiet aufhältig (vgl. EuGH 16.01.2014, C-400/12), aber vor ihrer ersten Verurteilung im August 2014, der auch Straftaten aus dem Jahr 2012 zugrunde lagen, kommt ihr ein mehr als 10-jähriger durchgehender beachtlicher Aufenthalt in Österreich nicht zu statten (vgl. EuGH 17.04.2018, C-316/16 und C-424/16, Rn. 71: hinsichtlich der Beachtlichkeit eines 10-jährigen Aufenthaltes vor der entscheidungsrelevanten Verurteilung). Es kommt daher Gefährdungsmaßstab des § 66 Abs 1 FPG letzter Satzteil zur Anwendung, der zwischen jenem des § 67 Abs. 1 erstem und fünftem Satz FPG angesiedelt ist, zur Anwendung. Die Bestimmungen der § 67 Abs. 1 und 2 FPG 2005 und § 66 Abs. 1 FrPolG 2005, sind vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2004/38/EG - Freizügigkeitsrichtlinie, deren Umsetzung sie dienen, zu verstehen. Demnach sind sie in ihrem Zusammenspiel dahin auszulegen, dass hinsichtlich Personen, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nicht nur bei der Ausweisung, sondern auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FrPolG 2005 vorgesehene Gefährdungsmaßstab, der jenem in Art. 28 Abs. 2 der genannten Richtlinie entspricht, heranzuziehen ist (Hinweis E 13. Dezember 2012, 2012/21/0181; E 12. März 2013, 2012/18/0228). Dieser Maßstab liegt im abgestuften System der Gefährdungsprognosen über dem Gefährdungsmaßstab nach dem ersten und zweiten Satz des § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011. (vgl. VwGH 22.01.2014, 2013/21/0135)

Gegen die Beschwerdeführerin als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgerin ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots sohin gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet schwerwiegend gefährdet würde. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. - noch zu § 86 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011, der Vorgängerbestimmung des § 67 FPG - etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0197, und vom 21. Februar 2013, Zl. 2012/23/0042, mwN)." (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, insbesondere die gegenständlichen Rückkehrentscheidung, setzt nach § 9 Abs. 1 BFA-VG unter dem dort genannten Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben voraus, dass ihre Erlassung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (vgl. VwGH vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101).

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche - in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte - Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

die Bindungen zum Heimatstaat,

die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09).

Die Beschwerdeführerin wurde unbestritten zweimal wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels verurteilt, zuletzt 2019 wegen der Verbrechen des gewerbsmäßigen, grenzüberschreitenden, im Rahmen einer kriminellen Organisation, das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigende Menge Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt.

Das von der Beschwerdeführerin gezeigte Verhalten lässt vor dem Hintergrund der wiederholt gezeigten Bereitschaft Verbrechen im Bereich des Suchtmittelgesetzes zu begehen, eine massive Herabsetzung der inneren Hemmschwelle und das Vorliegen einer hohen kriminellen Energie bei der Beschwerdeführerin erkennen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Beschwerdeführerin bereits eine einschlägige Vorverurteilung aufweist, und trotz Gewährung von Haftaufschub unter Anordnung stationärer Therapie, nicht von Rückfällen in kriminelle Verhaltensmuster abgehalten werden konnte.

Es steht völlig außer Zweifel, dass das vom der Beschwerdeführerin gezeigte Verhalten ein Fehlen einer Verbundenheit zu rechtsstaatlich geschützten Werten sowie Interessen und Rechten andere erkennen lässt und eine schwerwiegende Beeinträchtigung öffentlicher Interessen darstellt.

So hat der VwGH wiederholt festgehalten, dass es sich bei diesen Delikten, auf dem Gebiet des Fremdenwesens schwer verpöntes Verhalten handelt (vgl. VwGH 12.09.2012, 2011/23/0311; 18.10.2012, 2011/23/0318 hinsichtlich Suchtgiftkriminalität), welches nicht nur auf eine hohe Bereitschaft der Negierung österreichscher Gesetze und gesellschaftlicher Regeln hinweist. Vielmehr weist die Bereitwilligkeit zur Erlangung finanzieller Vorteile, über die durch seine Taten allfällig geförderten - notorisch bekannten - körperlichen und seelischen Folgen der Drogenkonsumenten sowie der Beförderung der Beschaffungskriminalität hinwegzusehen, auf eine hohe kriminelle Energie sowie eine beachtliche Herabsetzung der inneren Hemmschwelle der Beschwerdeführerin hin. Dazu kommt noch, dass die Beschwerdeführerin selbst Erfahrungen mit dem Drogenkonsum hat und sie genau wusste, welche Probleme damit entstehen.

Das Verhalten der Beschwerdeführerin erreicht das gegenständlich geforderte Maß einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSd. § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG bzw. der oben zitierten Judikatur, zumal grenzüberschreitender bandenmäßiger Suchtmittelhandel verwirklicht wurde

Unbeschadet dessen gilt es zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin lange in Österreich aufhältig ist, wo ihre Eltern, ein Bruder und ihre beiden Kinder leben. Zu ihrem Herkunftsstaat hat die Beschwerdeführerin wenig Bezug, obzwar dort ein Bruder der Beschwerdeführerin lebt. Ferner ist die Beschwerdeführerin Erwerbstätigkeiten in Österreich nachgegangen, wenn diese auch zu keiner Verfestigung am Arbeitsmarkt geführt haben. Zum Familienleben der Beschwerdeführerin zu ihren beiden Kindern ist festzuhalten, dass der ältere Sohn der Beschwerdeführerin volljährig ist und der 2012 geboren Sohn der Beschwerdeführerin mit dieser weniger als zwei Jahre im gemeinsamen Haushalt lebte, was die Abfrage des Melderegisters bescheinigt. Der Kontakt zwischen der Beschwerdeführerin und ihren Kindern und Eltern kann durch moderne Kommunikationsmedien aufrechterhalten werden, zudem können die Familienangehörigen der Beschwerdeführerin diese im Herkunftsland besuchen.

Nach Beurteilung des von der Beschwerdeführerin gezeigten Verhaltens und der sich daraus ergebenden Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen sowie nach erfolgter Abwägung sich wiederstreitender öffentlicher und privater Interessen iSd. Art 8 EMRK und unter Berücksichtigung der nunmehr von der Beschwerdeführerin erstmalig zu verbüßenden Strafhaft, ist zum Schluss zu kommen, dass sich die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes im konkreten jedenfalls geboten, aber in der Dauer von sieben Jahren ausreichend ist.

Demzufolge war der Beschwerde teilweise stattzugeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abzuändern, als die die Dauer des befristeten Aufenthaltsverbots auf sieben Jahre herabzusetzten war.

Im Übrigen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, weil ein Durchsetzungsaufschub im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zur Recht nicht erteilt wurde, was sich schon aus der Gefährdungsprognose der Beschwerdeführerin ergibt, was auch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gem § 18 Abs 3 BFA-VG rechtfertig.

Die mündliche Verhandlung war nicht durchzuführen, weil der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage voll umfänglich geklärt ist und auch durch persönlichen Eindruck von der Beschwerdeführerin keine für diese günstigere Entscheidung erfolgen kann.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I421.2234081.1.00

Im RIS seit

17.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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