TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/27 W146 2215944-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.08.2020
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Entscheidungsdatum

27.08.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W146 2215944-1/10E

W146 2215943-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.02.2019, GZ. 18-1183248803-180218595, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.02.2019, GZ. 18-1183248901-180218574, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführer stellten am 03.03.2018 die den gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Anträge auf internationalen Schutz.

Anlässlich der Erstbefragung gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie vor ca. zwei Jahren zum Christentum konvertiert sei. Ihr Gatte sei Pilot gewesen und habe die Ausbildung in den USA absolviert. Dadurch seien die ersten Kontakte zum Christentum zustande gekommen. Der Geheimdienst sei in ihr Haus gekommen, hätte es durchsucht, sie geschlagen und gefoltert. Aus diesem Grund habe sie sich entschlossen gemeinsam mit ihrem Sohn ihre Heimat zu verlassen.

Der Zweitbeschwerdeführer gab an, dass er vor ca. 2 bis 3 Jahren zum Christentum konvertiert sei. Vor zwei Monaten und sieben Tagen wären Polizisten in Zivil (Geheimdienst) gekommen und hätten ihr Haus durchsucht und die Mutter geschlagen. Beim Zweitbeschwerdeführer sei eine Bibel gefunden worden. Der Vater und der Zweitbeschwerdeführer seien vom Geheimdienst mitgenommen und getrennt befragt worden. Also er wieder freigelassen worden sei, habe er sich entschlossen den Iran zu verlassen.

Am 03.09.2018 wurde die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Dabei gab sie im Wesentlichen an, dass sie vor zwei Jahren mit dem Christentum in Kontakt gekommen sei. Der Geheimdienst sei am 26.12.2017 bei ihnen gewesen und hätte ihren Mann und ihren Sohn mitgenommen. Sie seien von ca. 5 Uhr morgens bis ca. 8 Uhr abends festgehalten worden. Für die Summe von jeweils 50 Mio. Toman seien sie freigekommen. Wären sie im Iran geblieben, wäre ihr Leben in Gefahr gewesen, deswegen seien sie geflohen.

Der Zweitbeschwerdeführer gab an, dass er erstmals vor 2 bis 3 Jahren Kontakt zum Christentum gehabt habe. Im März 2017 habe er sich entschieden Christ zu werden. Auch die Mutter habe sich zu diesem Zeitpunkt entschlossen Christin zu werden. Der Vater sei zwar kein Christ, aber mit dem Christentum bekannt. Der Zweitbeschwerdeführer sei für 1 Tag von der Sepah verhaftet worden. Er sei geschlagen und es sei ihm vorgeworfen worden, dass er Christ sei, was er verleugnet habe. Er habe einen leeres Stück Papier unterschreiben müssen. Der Mann, der sie aus der Haft freigekauft habe, habe zu ihrer Ausreise geraten. Es sei geplant gewesen, dass der Vater nach den Beschwerdeführern ausreise, aber sie hätten den Kontakt zu ihm verloren; er antworte nicht auf seiner Nummer. In Österreich seien die Beschwerdeführer im Vorbereitungskurs und würden die Taufe vermutlich Ostern 2019 erhalten.

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.02.2019 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden gegen sie Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebungen gemäß § 46 FPG in den Iran zulässig sind (Spruchpunkt V.). Das BFA sprach aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Identitäten der Beschwerdeführer feststehen würden. Die behauptete Konversion vom Islam schiitischer Ausrichtung zum Christentum evangelischer Prägung – aus tatsächlich inneren religiösen Beweggründen – sei nicht glaubhaft.

Gegen diese Bescheide wurden von den Beschwerdeführern fristgerecht Beschwerden erhoben und u.a. ausgeführt, dass auf die entsprechende Rechtsprechung des VwGH zu verweisen sei, wonach es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung ankomme, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln sei. Die Beschwerdeführer hätten im Verfahren betreffend ihrer aktuell bestehenden Glaubensüberzeugung mehrere Bestätigungen vorgelegt, die ihre regelmäßigen Besuche des Gottesdienstes und eines Bibelkurses, ihre Entscheidung sich als Christen taufen zu lassen, die Taufe sei im April 2019 geplant, und den Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft bezeugen würden. Aufgrund dieser Informationen wäre es der belangten Behörde ohne unnötigen Aufwand möglich gewesen den zuständigen Pastor über das Glaubensleben und die Religionsausübung der Beschwerdeführer zeugenschaftlich zu befragen. Hätte die belangte Behörde den Pastor der christlichen Gemeinde zeugenschaftlich einvernommen, hätte sie festgestellt, dass die Beschwerdeführer aktiv im Pfarrleben der christlichen Gemeinde integriert seien, regelmäßig aus innerer Überzeugung an heiligen Messen und religiösen Riten teilnehmen und insofern ihren Glauben ernst nehmen und diesen intensiv leben würden. In der Folge hätte die belangte Behörde für die Beschwerdeführer günstige Bescheide erlassen.

Mit Schriftsatz des Rechtsvertreter der Beschwerdeführer vom 07.07.2020 wurden dem Bundesverwaltungsgericht Konvolute an Dokumenten vorgelegt, darunter die Taufscheine der Beschwerdeführer, Zertifikat Basisbildungskurse, Zeugnis zur Integrationsprüfung B1, Tätigkeitsbescheinigung BBO-Beschäftigung und Berufsorientierung Caritas, Teilnahmebestätigungen Glaubenskurse und gottesdienstliches Leben der Pfarrgemeinde A.B. XXXX , Teilnahmebestätigungen Glaubenskurse und Gottesdienste der Evangelischen Pfarrgemeinde XXXX , Tätigkeitsbescheinigung XXXX Pflege- und Betreuungszentrum XXXX , Erklärungen der Beschwerdeführer zum Glaubensübertritt und diverse Empfehlungsschreiben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige des Iran und führen die im Spruch angeführten Namen sowie die ebenso dort angeführten Geburtsdaten. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des Zweitbeschwerdeführers.

Die Beschwerdeführer waren ursprünglich muslimischen Glaubens. Der Zweitbeschwerdeführer hatte bereits im Iran Kontakt mit dem Christentum.

Das Haus der Beschwerdeführer wurde vom Geheimdienst durchsucht und die Bibel des Zweitbeschwerdeführers gefunden.

Die Beschwerdeführer reisten am 03.03.2018 in Österreich ein und nehmen seit März 2018 durchgehend am gottesdienstlichen Leben in der Evangelischen Pfarrgemeinde A.B. XXXX teil. Beide besuchen seit Mai 2018 den christlichen Glaubenskurs und die Sonntagsgottesdienste in der Evangelischen Pfarrgemeinde in XXXX . Am 07.07.2019 wurden die Beschwerdeführer in der Evangelischen Kirche A.B. XXXX getauft.

Bis heute besuchen die Beschwerdeführer regelmäßig die Messen in XXXX und in XXXX . Repräsentanten und Mitglieder der Glaubensgemeinschaft bezeugen die aufrichtige Hinwendung der Beschwerdeführer zum Christentum und ihre Integration in der Glaubensgemeinschaft.

Es kann vor dem Hintergrund der nachangeführten Länderfeststellungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in den Iran wegen des Glaubenswechsels mit Verfolgungshandlungen seitens iranischer Behörden in Form von Schikanen, Verhaftungen und Strafverfolgung bis hin zur Todesstrafe zu rechnen haben.

Zur Konversion im Iran enthält der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl folgende Ausführungen:

"Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) ist im Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund von "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der 2015 bzw. für das erste Halbjahr 2016 dokumentierten Hinrichtungen gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war.

(…)

Im Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind. Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen. Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter im Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit im Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert.

(…)

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein.

(…)

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen im Iran unsicher, ob eine Taufe Auswirkungen hat; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer ergeben sich aus den von ihnen vorgelegten Dokumenten.

Die Feststellungen zur Lage im Iran wurden bereits vom BFA im angefochtenen Bescheid getroffen.

Die asylrelevanten persönlichen Feststellungen waren aufgrund der folgenden Erwägungen zu treffen: Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes lässt sich alleine mit der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens zum Ausreisegrund nicht schlüssig begründen, dass alle im Zusammenhang mit dem neu erworbenen Glauben stehenden weiteren Aktivitäten eines Asylwerbers nur zum Schein mit dem (ausschließlichen) Ziel der Asylerlangung entfaltet worden seien (vgl VwGH, 02.09.2015, Ra 2015/19/0091). Die Feststellungen, dass sich der Zweitbeschwerdeführer bereits im Iran mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt hat und dies nach seiner Einreise in Österreich fortsetzte, dass die Beschwerdeführer regelmäßig an Gottesdiensten in zwei Pfarrgemeinden teilnehmen, Beziehungen zu Pfarrgemeindemitgliedern geknüpft haben, nach den Taufvorbereitungskursen getauft wurden und sie intensiv am religiösen Leben ihrer örtlichen Pfarrgemeinde teilnehmen, ergeben sich aus den von ihnen vorgelegten Taufscheinen, den schriftlichen Bezeugungen der Pfarrer von XXXX und XXXX , sowie weiterer Mitglieder der Pfarrgemeinde XXXX . Es besteht für das Bundesverwaltungsgericht keine Veranlassung am Zeugnis jener Repräsentanten der Glaubensgemeinschaft der Beschwerdeführer zu zweifeln, zumal diese kein Interesse daran haben, den Ruf ihrer Glaubensgemeinschaft für Personen zu schädigen, von deren ernsthaften Hinwendung zu ihrer Glaubensgemeinschaft sie nicht überzeugt wären. Während des laufenden Beschwerdeverfahrens trat eindeutig zu Tage, dass sich die Beschwerdeführer tatsächlich und nachhaltig aus innerer Überzeugung vom Islam abgewandt haben und zum Christentum konvertiert sind. Sie konnten sohin jedenfalls im Beschwerdeverfahren eine ernsthafte Konversion zum Christentum glaubhaft machen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach einer Prognose zu erstellen ist. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH vom 24.03.1999, Zl. 98/01/0352).

Mit der Frage der asylrechtlichen Relevanz einer Konversion zum Christentum in Bezug auf den Iran hat sich der Verwaltungsgerichtshof wiederholt befasst. Entscheidend ist demnach, ob der Fremde bei weiterer Ausführung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Ob die Konversion bereits - durch die Taufe - erfolgte oder bloß beabsichtigt ist, ist nicht entscheidend (VwGH 23.06.2015, Ra 2014/01/0210).

Nach islamischem Verständnis im Iran bedeutet der Abfall vom Islam einen hochverratsähnlichen politischen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem und sind die Beschwerdeführer daher bei einer Rückkehr in den Iran dort Verfolgungshandlungen bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt.

Daher ist für sie von Verfolgung in asylrelevanter Intensität im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, und zwar aus religiösen und politischen Gründen, auszugehen.

Es ist daher objektiv nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführer aus Furcht vor ungerechtfertigten Eingriffen von erheblicher Intensität aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, sich des Schutzes ihres Herkunftsstaates zu bedienen.

Im Verfahren haben sich schließlich keine Hinweise auf die in Artikel 1 Abschnitt C und F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- und Ausschlussgründe ergeben.

Im vorliegenden Fall sind somit unter Berücksichtigung der zuvor zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gegeben.

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 waren die Entscheidungen über die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass den Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Da die verfahrensgegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz nach dem 15.11.2015 gestellt wurden, kommt den Beschwerdeführern gemäß § 3 Abs 4 AsylG damit eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigte zu (§ 75 Abs 24 AsylG 2005).

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidungen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängen, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weichen die gegenständliche Entscheidungen von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung befristete Aufenthaltsberechtigung Konversion Nachfluchtgründe Religion staatliche Verfolgung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W146.2215944.1.00

Im RIS seit

16.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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