Entscheidungsdatum
28.08.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W271 2226120-1/8E
W271 2230798-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK über die gemeinsame Beschwerde des 1. XXXX und der 2. XXXX , beide vertreten durch RA Dr. Terence KLEE, gegen das Straferkenntnis des Fernmeldebüros für Tirol und Vorarlberg vom XXXX , GZ. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und das bekämpfte Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass die verletzte Bestimmung wie folgt lautet:
„§ 107 Abs. 2 iVm § 109 Abs. 3 Zif. 20 Telekommunikationsgesetz (TKG 2003), BGBl. I Nr. 70/2003 idF BGBl. I Nr. 78/2018, iVm § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 3/2008“
II. Gemäß § 52 Abs. 1, 2 und 6 VwGVG hat XXXX einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens iHv EUR 74,00 binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Erkenntnisses zu leisten.
III. Gemäß § 38 VwGVG iVm § 9 Abs. 7 VStG haftet die XXXX für die XXXX auferlegten Kosten des Strafverfahrens im angeführten Ausmaß zur ungeteilten Hand.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. VERFAHRENSGANG
I.1. Mit Schreiben vom XXXX forderte das Fernmeldebüro für Tirol und Vorarlberg (im Folgenden: „belangte Behörde“) XXXX (im Folgenden: „Erstbeschwerdeführer“) zur Rechtfertigung auf. Dem Erstbeschwerdeführer wurde zur Last gelegt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der XXXX (im Folgenden: „Zweitbeschwerdeführerin“) zu verantworten, dass am XXXX um XXXX Uhr, am XXXX um XXXX Uhr, am XXXX um XXXX Uhr, am XXXX um XXXX Uhr und am XXXX um XXXX Uhr mit der E-Mail-Adresse XXXX jeweils elektronische Post zu Zwecken der Direktwerbung an XXXX (im Folgenden: „Anzeigenleger“), E-Mail-Adresse: XXXX , gesendet worden sei, obwohl dieser nachweislich am XXXX um XXXX Uhr und am XXXX um XXXX Uhr die Zweitbeschwerdeführerin aufgefordert habe, keine weiteren Werbezusendungen haben zu wollen, und er am XXXX um XXXX Uhr die Bestätigung über eine „Werbesperre“ bekommen habe; deswegen bestehe der Verdacht, dass §§ 107 Abs. 2 iVm 109 Abs. 3 Z 20 TKG 2003 verletzt worden sei.
Mit einem weiteren Schreiben vom XXXX zog die belangte Behörde die Zweitbeschwerdeführerin in Hinblick auf § 9 Abs. 7 VStG dem Verfahren bei.
I.2. Am XXXX erstatteten die Beschwerdeführer zum Vorwurf der belangten Behörde eine schriftliche Stellungnahme. Darin führten sie insbesondere aus, dass der Anzeigenleger am Tag des Widerrufs seiner Einwilligung umgehend eine Bestätigung erhalten habe, dass er auf die „Sperrliste“ für Werbung bei der Zweitbeschwerdeführerin gesetzt worden sei. Die elektronisch vorprogrammierte „Sperrfunktion“ habe jedoch aufgrund eines Fehlers bei einem Update der dafür zuständigen Software nicht gegriffen; dies sei in der 25-jährigen Firmengeschichte noch nie vorgekommen.
Die Zweitbeschwerdeführerin verfüge über ein klares und durch entsprechendes Fachpersonal erstelltes innerbetriebliches Kontrollsystem (in den Geschäftsjahren XXXX seien mehrere hunderttausend Euro in die Analyse, Optimierung und Sicherstellung der Einhaltung der geltenden EU-rechtlichen und nationalen gesetzlichen Normen investiert worden), dennoch könne es im laufenden IT-Betrieb auch bei der allergrößten Sorgfalt zu Fehlern der Software kommen, die nicht einer bestimmten Person als Fahrlässigkeit oder Kunstfehler zugerechnet werden könnten. Dass die verfahrensgegenständlichen E-Mails versendet worden seien, sei daher nicht auf ein schuldhaftes Verhalten zurückzuführen; dem Erstbeschwerdeführer könne nicht einmal leichte Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Dies gelte auch für die Mitarbeiter aus dem Kundenservice, die von Informationen abhängen würden, die diese aus der IT bekommen würden.
Des Weiteren sei der Vorwurf nicht richtig, dass der Link auf der Website der Zweitbeschwerdeführerin, über den man die Sperre elektronisch beantragen könne, nicht funktionieren würde bzw. nicht funktioniert hätte.
I.3. Hierauf erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführer das angefochtene Straferkenntnis vom XXXX , GZ. XXXX , mit folgendem Inhalt:
„Sie [= XXXX ] haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer der XXXX und somit als deren gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1991 idgF Verantwortlicher dafür einzustehen, dass am XXXX , um XXXX Uhr, am XXXX , um XXXX Uhr, am XXXX , um XXXX Uhr, am XXXX , um XXXX Uhr und XXXX , um XXXX Uhr mit der E-Mailadresse XXXX jeweils eine elektronische Post (E-Mail) zu Zwecken der Direktwerbung (Inhalt: Angebote von diversen Produkten – die Zusendungen hatten folgende Betreffbezeichnungen: ‚ XXXX !‘, XXXX , ‚ XXXX , ‚ XXXX ‘ und XXXX ‘) ohne vorherige Zustimmung des Empfängers an die E-Mailadresse XXXX des XXXX zugesendet wurden.
Die oben angeführten Zusendungen erfolgten, obwohl Sie XXXX nachweislich am XXXX , um XXXX Uhr und am XXXX , um XXXX Uhr aufgefordert hatte, keine weiteren Werbezusendungen mehr zuzusenden, wodurch er von Ihnen am XXXX , um XXXX Uhr eine Bestätigung über eine ‚Werbesperre‘ bekommen hatte.
Sie haben dadurch folgende zu den Tatzeitpunkten geltende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 107 Abs. 2 Zif 1 iVm § 109 Abs. 3 Zif. 20 Telekommunikationsgesetz, BGBl. I Nr. 70/2003 (TKG) idF BGBl. I Nr 111/2018 (TKG) iVm § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) idF BGBl I Nr 58/2018
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von Euro
falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
gemäß
XXXX
XXXX
§ 109 Abs. 3 Zif. 20 TKG
Allfällige weitere Aussprüche (z.B. über die Anrechnung der Vorhaft, über den Verfall oder über privatrechtliche Ansprüche):
Die XXXX XXXX , haftet für die verhängte Geldstrafe gemäß § 9 Abs. 7 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) idgF zur ungeteilten Hand!
XXXX Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG zu zahlen:
Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, mindestens jedoch 10 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro);
XXXX Euro.“
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher
I.4. Gegen diese Entscheidung erhoben die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom XXXX eine gemeinsame Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Sie beantragten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Aufhebung des Straferkenntnisses sowie die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens; in eventu die Aufhebung des Straferkenntnisses und anstelle der verhängten Geldstrafe den Ausspruch einer Ermahnung.
Die Beschwerdeführer begründeten ihr Rechtsmittel im Wesentlichen damit, dass die belangte Behörde zu Unrecht von einem Verschulden des Erstbeschwerdeführers ausgegangen sei, denn im Unternehmen würde ein aufwendiges und strenges Kontrollsystem bestehen; auch das beste Kontrollsystem hätte den aufgetretenen Softwarefehler nicht verhindern können und stelle eine Bestrafung des Erstbeschwerdeführers aus diesem Grund eine Überspannung der Sorgfaltspflichten eines Geschäftsführers dar.
Weiters bemängelten die Beschwerdeführer, dass die belangte Behörde im bekämpften Bescheid Feststellungen zum innerbetrieblichen Vorgehen bei frei formulierten Abmeldeersuchen von Kunden ohne eine diesbezügliche Beweisaufnahme getroffen habe.
Selbst wenn ein Verschulden des Erstbeschwerdeführers vorliegen würde, sei die von der belangten Behörde vorgenommene Strafzumessung unangemessen gewesen: So sei die Unbescholtenheit des Erstbeschwerdeführers zu wenig gewichtet worden – mit einer Ermahnung hätte das Auslangen gefunden werden können. Darüber hinaus habe der Verwaltungsgerichtshof mit seiner Entscheidung vom 03.05.2017, Ra 2016/03/0108, eine Verwaltungsstrafe iHv EUR 500,00 bestätigt, obwohl im dortigen Fall ein völlig fremder E-Mail-Empfänger mit verbotenen E-Mails belästigt worden und kein Kontrollsystem vorhanden gewesen sei sowie der Beschuldigte zwei einschlägige Vorstrafen gehabt habe.
I.5. Die belangte Behörde erstattete am XXXX die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; die Beschwerdevorlage langte dort am selben Tag ein.
Dem Vorlageschreiben war eine Stellungnahme beigefügt, in der die belangte Behörde wiederholte, dass die rechtswidrigen Werbezusendungen an den Anzeigenleger erst 21 Tage nach seiner zweiten Aufforderung eingestellt worden seien; der Anzeigenleger sei sohin insgesamt 43 Tage lang mit unerbetenen Werbemails belästigt worden. Diese Tatsache belege auch, dass das angeblich installierte Kontrollsystem nicht funktioniere.
Zum von den Beschwerdeführern zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes führte die belangte Behörde aus, dass das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wegen des Ausspruches über die verhängte Strafe aufgehoben worden sei. Dies deshalb, weil mehrere Einzeltaten zu einem fortgesetzten Delikt zusammengefasst und dabei für die Vielzahl der Einzeltaten des fortgesetzten Delikts lediglich die gleiche Strafe verhängt worden sei wie sie die Erstinstanz pro Zusendung erlassen habe.
Abschließend beantragte die belangte Behörde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Einvernahme des Anzeigenlegers als Zeugen.
Das Bundesverwaltungsgericht hielt den Beschwerdeführern die Äußerung der belangten Behörde während der Beschwerdeverhandlung vor.
I.6. Mit E-Mail vom XXXX beantragten die Beschwerdeführer die Vernehmung des XXXX , Leiter des IT-Bereichs der Zweitbeschwerdeführerin, als Zeugen.
I.7. Am XXXX fand in der Angelegenheit eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in (Video-)Anwesenheit des Erstbeschwerdeführers, des Rechtsvertreters der beiden Beschwerdeführer, eines Vertreters der belangten Behörde, des Anzeigenlegers und des weiteren Zeugen statt. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG stellte sich heraus, dass nicht ein Softwarefehler, sondern menschliches Versagen zum verfahrensgegenständlichen Fehler geführt hatte.
II. DAS BUNDESVERWALTUNGSGERICHT HAT ERWOGEN:
II.1. FESTSTELLUNGEN
II.1.1. Der Erstbeschwerdeführer ist und war zum Tatzeitpunkt – neben XXXX – selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Zweitbeschwerdeführerin. Es bestehen keine Strafvormerkungen in Bezug auf § 107 Abs. 2 TKG 2003. Der Erstbeschwerdeführer machte keine Angaben zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Es werden durchschnittliche wirtschaftliche Verhältnisse eines Geschäftsführers angenommen; sein Gehalt wird auf EUR XXXX geschätzt. Er hat keine Sorgepflichten.
II.1.2. Die E-Mail-Adresse XXXX ist der Zweitbeschwerdeführerin zuzurechnen („ XXXX “ ist eine ihrer Marken). Die E-Mail-Adresse XXXX ist dem Anzeigenleger zuzurechnen.
II.1.3. Der Anzeigenleger, welcher der Zweitbeschwerdeführerin im Jahr XXXX seine Zustimmung zum Erhalt von Werbemails erteilte, ersuchte diese am XXXX um XXXX Uhr per E-Mail um umgehende Löschung seiner Daten für Werbezwecke; er widerrief seine vorherige Zustimmung zum Erhalt von Werbe-E-Mails. Das formlose Abmeldeersuchen gelangte dem Kundendienst der Zweitbeschwerdeführerin zur Kenntnis, der dem Anzeigenleger kurz darauf, um XXXX Uhr, die Setzung einer „Werbesperre“ bei seinem Kundenkonto bestätigte, die innerhalb der nächsten fünf bis sieben Werktage einsetzen würde. Ab Einlangen der Abmeldung war klar, dass der Anzeigenleger keine weiteren E-Mails empfangen wollte und keine Zustimmung (mehr) für weitere Zusendungen vorlag. Die Zweitbeschwerdeführerin setzte dennoch die Versendung von Werbemails fort, sodass der Anzeigenleger mit E-Mail vom XXXX , XXXX Uhr, seine Aufforderung zur umgehenden Löschung und seinen Wunsch auf Unterlassung der Zusendung von Werbemails wiederholte.
II.1.4. Am XXXX um XXXX Uhr, am XXXX um XXXX Uhr, am XXXX um XXXX Uhr, am XXXX um XXXX Uhr und am XXXX um XXXX Uhr erhielt der Anzeigenleger von der E-Mail-Adresse XXXX fünf weitere E-Mails betreffend Angebote von Produkten der Zweitbeschwerdeführerin. Diese E-Mails meldete der Anzeigenleger der belangten Behörde am XXXX , die daraufhin das angefochtene Straferkenntnis erließ. Die gemeinsame Beschwerde der Beschwerdeführer richtet sich gegen diese Entscheidung.
II.1.5. Die Werbemails der Zweitbeschwerdeführerin enthalten am Ende einen Link mit der Überschrift „Newsletter abmelden“. Beim Anklicken des Links erfolgt eine Weiterleitung auf die Homepage der Zweitbeschwerdeführerin. Durch das Drücken des dort in roter Farbe gehaltenen Feldes „Newsletter abbestellen“ wird der Bezug des Newsletters beendet; die E-Mail-Adresse der sich abmeldenden Person gelangt automatisch in ein elektronisches Sperrregister, die sogenannte „Blacklist“.
Es besteht daneben die Möglichkeit, sich mit einem frei formulierten Abmeldeersuchen, z.B. per Telefon oder E-Mail, vom Newsletter der Zweitbeschwerdeführerin abzumelden; in diesem Fall waren die Mitarbeiter des Kundendienstes zum Abmeldezeitpunkt des Anzeigenlegers angewiesen, die E-Mail-Adresse der sich abmeldenden Person manuell in einem ersten Schritt in eine „Rechnungsliste“ und in einem zweiten Schritt in die interne „Sperrliste“ für Werbung einzutragen.
Im Beschwerdefall setzte die zuständige Mitarbeiterin der ersten formlosen Abmeldung des Anzeigenlegers vom XXXX dessen elektronischen Kontaktinformationen nur auf die „Rechnungsliste“, nicht aber auch auf die interne „Sperrliste“. Der die zweite Abmeldung vom XXXX bearbeitende Mitarbeiter kontrollierte ausschließlich das Eingabefeld „Rechnungsliste“, nicht aber auch das Feld „Sperrliste“ und trug die E-Mail-Adresse des Anzeigenlegers ebenfalls nicht in die „Sperrliste“ ein.
II.1.6. Zu einer endgültigen Löschung der E-Mail-Adresse des Anzeigenlegers kam es am XXXX (d.h. 57 Tage nach der ersten und 21 Tage nach der zweiten Abmeldung).
II.1.7. Die Abmeldung von Newslettern der Zweitbeschwerdeführerin kann entweder über einen „Button“ erfolgen, oder schriftlich, telefonisch, per E-Mail, usw., mitgeteilt werden. Für jede dieser Arten ist im Unternehmen ein Prozess hinterlegt.
Bei der Abmeldung über den Button wird die E-Mail-Adresse des betreffenden Kunden automatisch in ein elektronisches Register eingetragen und es kommt nicht mehr zu einem Versand von Werbe-E-Mails. Bei den anderen Abmeldevarianten sind die Mitarbeiter der Zweitbeschwerdeführerin angewiesen, die Sperre manuell vorzunehmen. Zum Tatzeitpunkt wäre die E-Mail-Adresse der Person, die sich abmelden wollte, von den Mitarbeitern in zwei Listen („Rechnungsliste“ und „Sperrliste“) einzutragen, woraufhin es zu keinen weiteren Werbe-E-Mails kommt.
Dieser zweistufige Prozess wurde anlässlich des gegenständlichen Falls in einen einstufigen Prozess umgewandelt; der Name einer abmeldewilligen Person ist nur mehr in eine Liste einzutragen und wird in die andere Liste gespiegelt.
Der Prozess der Abmeldung von Werbe-E-Mails ist strukturiert (es gibt genaue Prozessbeschreibungen) und wird laufend evaluiert. Mitarbeiter, die bei der Zweitbeschwerdeführerin beginnen, durchlaufen eine 14-tägige Schulung und im ersten Jahr eine externe Schulung mit einem externen Trainer. Die Mitarbeiter werden auch danach regelmäßig geschult. Es gibt eine eigene Trainerin bei der Zweitbeschwerdeführerin, die auf diese Themen spezialisiert ist und die Mitarbeiter laufend schult. Diese Trainerin überwacht die Qualität der Kundenkontakte.
Gegenständlich beruht der Fehler, dass der Anzeigenleger nach seiner ersten ausdrücklichen Abmeldung weitere Werbe-E-Mails von der Zweitbeschwerdeführerin erhielt, auf menschlichem Versagen. Ebenso beruht der zweite Fehler, aufgrund dessen der Anzeigenleger auch nach seiner zweiten ausdrücklichen Abmeldung weitere Werbe-E-Mails erhielt, auf menschlichem Versagen. Es gibt bei der Zweitbeschwerdeführerin keine gesonderten Kontrollmechanismen, um diese Art von menschlichem Versagen abzufangen und zu entdecken.
Nach Erkennen des Fehlers gab der Erstbeschwerdeführer die Anweisung, den Prozess noch einmal genau zu prüfen, um diesen so anzupassen, dass die Fehlerquelle bestmöglich vermieden werden kann.
Der Erstbeschwerdeführer ist im Bereich IT (wo auch die Software und die „Listen“ geführt werden) nicht persönlich tätig und kann dies nach seiner Einschätzung aufgrund der Komplexität der mit einem Versandhandelsunternehmen verbundenen, umfangreichen Aufgaben des Bereichs IT nicht sein. Der Erstbeschwerdeführer empfindet es als weder unternehmerisch noch fachlich zumutbar, in tägliche operative Details von Geschäftsverhältnissen zu einzelnen Kunden einzugreifen. Er verlässt sich daher insbesondere im Bereich der IT auf die beigezogenen Spezialisten und Berater, die ihm gegenüber verantwortlich sind. Fachthemen und Fragen aus dem Bereich der IT – wie die gegenständlichen – werden an einen dem Erstbeschwerdeführer unterstellten Prokuristen delegiert. Der Erstbeschwerdeführer wusste im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung nicht, auf welche Ursache der zum vorliegenden Verfahren führende Fehler zurückzuführen war.
II.2. BEWEISWÜRDIGUNG
Die Feststellungen zu II.1.1. ergeben sich aus den Angaben des Erstbeschwerdeführers und dem offenen Firmenbuch sowie dem darin ersichtlichen Jahresabschluss. Mangels Angaben zur Einkommens- und Vermögenssituation wurde auf eine Einschätzung des Gehaltsrechners www.gehaltsrechner.gv.at abgestellt. Darin wurde ausgegangen vom Alter des Erstbeschwerdeführers (laut Firmenbuch XXXX Jahre), vom Arbeitsort XXXX , einem XXXX , der Branche der Zweitbeschwerdeführerin („ XXXX “), der führenden Tätigkeit des Erstbeschwerdeführers, der Zahl der Beschäftigten der Zweitbeschwerdeführerin (laut Jahresabschluss 2019 knapp über XXXX ), einer Betriebszugehörigkeit von XXXX Jahren (laut Firmenbuch ist der Erstbeschwerdeführer seit XXXX selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Zweitbeschwerdeführerin), und einer regulären Arbeitszeit.
Die Feststellungen zu II.1.2. bis II.1.6. ergeben sich aus den schlüssigen Unterlagen im Verwaltungs- und Gerichtsakt und den in der Beschwerdeverhandlung getätigten nachvollziehbaren Aussagen der einvernommenen Personen.
Im Verwaltungsakt befinden sich u.a. sämtliche E-Mails, die zwischen XXXX und XXXX versendet wurden. Der Anzeigenleger brachte am XXXX und am XXXX klar zum Ausdruck, seine Einwilligung zum Erhalt von Werbemail widerrufen zu wollen. Die Kenntniserlangung der Abmeldungen und die Zusendung der Werbemails vom XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX wurden von den Beschwerdeführern nicht in Abrede gestellt – die Tatbegehung als solche wurde damit nicht in Beschwerde gezogen.
Zu II.1.6. und II.1.7.: In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht legten der Erstbeschwerdeführer und ein einvernommener Zeuge die Arten der Abmeldemöglichkeiten vom Newsletter der Zweitbeschwerdeführerin detailliert dar. Auch wurde dort die Behauptung, es sei die weitere Aussendung von Werbemails an den Anzeigenleger wegen eines mangelhaften Updates des für die Sperre zuständigen Softwareprogrammes nicht bemerkt worden, von den Beschwerdeführern zurückgezogen und als Ursache der verspäteten Newslettereinstellung stattdessen das fehlerhafte Verhalten zweier Mitarbeiter genannt.
Die Feststellungen zum Maßnahmen- und Kontrollsystem sowie der Tätigkeit des Erstbeschwerdeführers (II.1.7.) gründen sich auf die nachvollziehbaren und glaubwürdigen Angaben des Erstbeschwerdeführers und des als Zeugen namhaft gemachten Prokuristen der Zweitbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG und auf die Eidesstattliche Erklärung des Erstbeschwerdeführers. Der Erstbeschwerdeführer gab in einer Eidesstattlichen Erklärung und in der Beschwerde an, der vorliegende Fehler sei auf ein Softwareproblem zurückzuführen. In der mündlichen Verhandlung rechtfertigte er sich dahingehend, dass menschliche Fehler vorgelegen seien. Er wusste daher zunächst nicht, auf welche Ursache der vorliegende Fehler zurückzuführen war.
II.3. RECHTLICHE BEURTEILUNG
ZU A)
II.3.1. RECHTSGRUNDLAGEN
Einleitend ist festzuhalten, dass aufgrund des umfangreichen Vorbringens der beschwerdeführenden Parteien und mehrerer Aspekte, die einer reiflicher Überlegung, gerade zur Beweiswürdigung bedurften (insbesondere zum Hergang der vorgeworfenen Tat und zum Kontrollsystem), eine Verkündung unmittelbar nach Schluss der Verhandlung nicht gemäß § 47 Abs. 4 VwGVG möglich war; die Entscheidung ergeht daher schriftlich.
II.3.1.1. DIE IM VORLIEGENDEN FALL RELEVANTEN REGELUNGEN DES BUNDESGESETZES, MIT DEM EIN TELEKOMMUNIKATIONSGESETZ ERLASSEN WIRD (TELEKOMMUNIKATIONSGESETZ 2003 – TKG 2003), STF: BGBL. I NR. 70/2003 IN DER ZUM TATZEITPUNKT MASSGEBLICHEN FASSUNG (VGL. § 1 ABS. 2 VSTG), LAUTEN AUSZUGSWEISE:
§ 107 TKG 2003 idF BGBl. I Nr. 78/2018:
„Unerbetene Nachrichten
§ 107. [...]
(2) Die Zusendung einer elektronischen Post – einschließlich SMS – ist ohne vorherige Einwilligung des Empfängers unzulässig, wenn die Zusendung zu Zwecken der Direktwerbung erfolgt.
[…]“
§ 109 TKG 2003 idF BGBl. I Nr. 78/2018:
„Verwaltungsstrafbestimmungen
§ 109. […]
(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 37 000 Euro zu bestrafen, wer
[…]
20. entgegen § 107 Abs. 2 oder 5 elektronische Post zusendet;
[…]“
II.3.1.2. DIE IM VORLIEGENDEN FALL RELEVANTEN REGELUNGEN DES VERWALTUNGSSTRAFGESETZES 1991 (VSTG), STF: BGBL. NR. 52/1991 IDF NR. 58/2018, LAUTEN AUSZUGSWEISE:
„Ersatzfreiheitsstrafe
§ 16. (1) Wird eine Geldstrafe verhängt, so ist zugleich für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen.
(2) Die Ersatzfreiheitsstrafe darf das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf § 12 nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen.“
„Strafbemessung
§ 19. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.“
„Beratung
§ 33a. (1) Stellt die Behörde eine Übertretung fest und sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering, so hat ihn die Behörde, soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, mit dem Ziel einer möglichst wirksamen Beendigung des strafbaren Verhaltens oder der strafbaren Tätigkeiten zu beraten und ihn schriftlich unter Angabe der festgestellten Sachverhalte aufzufordern, innerhalb einer angemessenen Frist den den Verwaltungsvorschriften und behördlichen Verfügungen entsprechenden Zustand herzustellen.
(2) Wird der schriftlichen Aufforderung innerhalb der von der Behörde festgelegten oder erstreckten Frist entsprochen, dann ist die weitere Verfolgung einer Person wegen jener Übertretungen, betreffend welche der den Rechtsvorschriften und behördlichen Verfügungen entsprechende Zustand hergestellt worden ist, unzulässig.
(3) Die Intensität der Beeinträchtigung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes ist jedenfalls nicht gering, wenn die Übertretung nachteilige Auswirkungen auf Personen oder Sachgüter bewirkt hat oder das Auftreten solcher Auswirkungen bei auch nur kurzem Andauern des strafbaren Verhaltens oder der strafbaren Tätigkeiten zu erwarten ist.
(4) Die Intensität der Beeinträchtigung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes gilt als gering, wenn geringfügige Abweichungen von technischen Maßen festgestellt wurden und keine der im Abs. 3 genannten Umstände vorliegen.
(5) Abs. 1 und 2 sind jedenfalls nicht anzuwenden auf
1. Übertretungen von Verwaltungsvorschriften, die zur Strafbarkeit vorsätzliches Verhalten erfordern;
2. Übertretungen, die innerhalb der letzten drei Jahre vor Feststellung der Übertretung bereits Gegenstand einer Beratung und schriftlichen Aufforderung durch die Behörde waren oder zu denen einschlägige noch nicht getilgte Verwaltungsstrafen bei der Behörde aufscheinen;
3. Übertretungen, die Anlass zu in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen einstweiligen Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen geben;
4. Übertretungen, für welche die Verwaltungsvorschriften die Maßnahme der Entziehung von Berechtigungen vorsehen.“
„§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
[…]
4. die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;
[…]
Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.
[…]“
ZU SPRUCHPUNKT I.
II.3.2. OBJEKTIVER TATBESTAND
Nach § 107 Abs. 2 TKG 2003 ist die Zusendung elektronischer Post ohne vorherige Einwilligung des Empfängers unzulässig, wenn die Zusendung zu Zwecken der Direktwerbung erfolgt.
Der Anzeigenleger wollte sich mit den E-Mails vom XXXX und XXXX von der Zusendung weiterer Newsletter durch die Zweitbeschwerdeführerin abmelden und widerrief – bereits mit seiner ersten Abmelde-E-Mail – eine von ihm zuvor erteilte Einwilligung betreffend den Erhalt von Werbe-E-Mails. Der Versand der Werbe-E-Mails vom XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX erfolgte sohin ohne Einwilligung und entgegen seinem ausdrücklichen Widerruf.
Im vorliegenden Fall ist daher das objektive Tatbild des § 107 Abs. 2 iVm § 109 Abs. 3 Z 20 TKG 2003 erfüllt.
In der Beschwerde und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestritten die Beschwerdeführer die Tatbegehung und damit das Erfüllen des objektiven Tatbestandes nicht.
II.3.3. SUBJEKTIVER TATBESTAND
Der Erstbeschwerdeführer war zum Tatzeitpunkt selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Zweitbeschwerdeführerin. Er ist nach § 9 Abs. 1 VStG für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften durch die Zweitbeschwerdeführerin verantwortlich und hat für das Handeln der Mitarbeiter des Kundenservice im Tatzeitpunkt einzustehen.
Bei der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung des § 107 TKG 2003 handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt, weil zum Tatbestand dieser Verwaltungsübertretung nicht der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr gehört. In einem solchen Fall besteht gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG von Vornherein die Vermutung eines Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters, das aber von ihm widerlegt werden kann (VwGH 13.12.1990, 90/09/0141; 12.03.1990, 90/09/0066). Bei einem Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs. 1 VStG liegt es daher am Beschuldigten, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (VwGH 24.05.2012, 2010/03/0056). Zu einer solchen Glaubhaftmachung ist es erforderlich, dass der Beschuldigte initiativ von sich aus in substantiierter Form alles darlegt, was für seine Entlastung spricht (VwGH 19.01.1994, 93/03/0220; 14.10.1976, 1497/75; 20.05.1968, 0187/67).
Dazu gehört u.a. die Darlegung, dass er Maßnahmen getroffen und insbesondere ein Kontrollsystem eingeführt habe, die im Ergebnis mit gutem Grund erwarten lassen, dass die Einhaltung der maßgeblichen Vorschriften gewährleistet ist (VwGH 20.02.2017, Ra 2017/02/0022). Gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern muss ein entsprechendes Kontrollsystem Platz greifen, weil nicht völlig darauf vertraut werden kann, dass eingewiesene, laufend geschulte und ordnungsgemäß ausgerüstete Mitarbeiter jedenfalls den Rechtsvorschriften Genüge leisten (VwGH 18.09.2019, Ra 2019/11/0083). Belehrungen, Arbeitsanweisungen oder stichprobenartige Kontrollen reichen nicht aus, um die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems glaubhaft zu machen (VwGH 16.04.2019, Ra 2018/05/0163). Ein geeignetes Kontrollsystem hat zudem nicht nur Vorkehrungen für die Kontrolle durch den Arbeitgeber, sondern auch ein geeignetes Sanktionssystem bei Zuwiderhandeln des Arbeitnehmers zu enthalten (VwGH 19.09.2016, Ra 2016/11/0112). Überdies muss dargelegt werden, warum trotz der begangenen Übertretungen ein wirksames Kontrollsystem bestehen soll (VwGH 28.07.1995, 95/02/0275). Dabei ist es nicht Aufgabe der belangten Behörde oder des Verwaltungsgerichtes, Anleitungen dahingehend zu geben, wie ein funktionierendes Kontrollsystem in einem Unternehmen bzw. Betrieb konkret zu gestalten ist, sondern zu überprüfen, ob aufgrund der Ausführungen des Beschuldigten überhaupt ein Kontrollsystem im genannten Sinn gegeben ist bzw. ob das aufgezeigte Kontrollsystem hinreichend beachtet wurde, um mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen (VwGH 12.02.2020, Ra 2020/02/0005).
Die Beschwerdeführer vertreten die Auffassung, dass dem Erstbeschwerdeführer die Tat mangels Verschuldens aufgrund des implementierten Kontrollsystems (dieses wurde in der Beschwerde sowie der eidesstattlichen Erklärung des Erstbeschwerdeführers dargelegt und in der Beschwerdeverhandlung vom Erstbeschwerdeführer sowie einem Zeugen näher erklärt) nicht vorwerfbar sei.
Ausgehend von den Feststellungen kann jedoch nicht vom Vorhandensein eines effektiven Kontrollsystems im Unternehmen, das den Erstbeschwerdeführer entlasten könnte, gesprochen werden:
Das zum Tatzeitpunkt bestehende Kontrollsystem gewähreistete nicht, dass nur an E-Mail-Adressen von Personen, die dem Erhalt von Werbung zugestimmt haben, Aussendungen erfolgten. Im vorliegenden Fall wurden trotz der zwei ausdrücklichen Abmeldeersuchen seitens des Anzeigenlegers vom Erstbeschwerdeführer bzw. von seinen Mitarbeitern im Kundenservice keine wirksamen Maßnahmen gesetzt (etwa Löschung der E-Mail-Adresse des Anzeigenlegers aus dem Verteiler bzw. Eintragung in die interne „Sperrliste“). Sogar nach der zweiten zugegangenen Abmeldung wurde die Zusendung der – ab Übermittlung der ersten Abmeldung klar unerbetenen – Werbemails fortgesetzt. Ein System zur Kontrolle, um den Faktor „menschliches Versagen“, das zur gegenständlichen Verwaltungsübertretung führte, nachzuprüfen oder auszuschalten, wurde nicht dargelegt.
Eine fehlende Eingabe in einer Arbeitsmaske durch eine Mitarbeiterin mag zwar nicht sofort auffallen, dies erklärt jedoch nicht, weshalb auch nach der zweiten Aufforderung zur Einstellung von Zusendung unerwünschter Werbemails nicht sofort alle Maßnahmen vom Kundenservice ergriffen wurden, um die Belästigung beim Anzeigenleger abzustellen. Erst nach insgesamt 57 Tagen wurde das zweite Eingabefeld „Sperrliste“ überprüft und durch die dortige Einfügung der E-Mail-Adresse des Anzeigenlegers seinem Abmeldewunsch entsprochen. Die mehrfachen Abmeldeanläufe (bei unterschiedlichen Mitarbeitern des Kundendienstes) sowie der fast zwei Monate lang benötigte Zeitraum bis zur endgültigen Beendigung des Versandes von Werbemails zeugen nicht davon, dass – trotz der zuletzt getätigten Investitionen im sechsstelligen Bereich für IT-Prozesse – ein funktionierendes Maßnahmen- und Kontrollsystem bei der Zweitbeschwerdeführerin implementiert wurde; der Hinweis auf die Größe des Unternehmens (ca. XXXX Mitarbeiter) wirkt dabei ebenso wenig entlastend wie der Verweis darauf, dass sich die Zweitbeschwerdeführerin in einer Übersiedelungsphase befunden hat.
Auch beweist der Umstand, dass der Erstbeschwerdeführer das Vorhandensein von Anweisungen an die Mitarbeiter des Kundendienstes, wie mit – insbesondere auch formfreien – Abmeldungen umzugehen sei, behauptete (Verhandlungsprotokoll, Seite 8: „RI: Gibt es interne Anweisungen, wie Mitarbeiter zu handeln haben, wenn die elektronische ‚Sperrliste‘ nicht funktioniert? BF1: Ja, es gibt regelmäßige Schulungen und es gibt genaue Prozessbeschreibungen, wie damit umzugehen ist bzw. werden alle Kundenfeedbacks die sich auf einen Fehler berufen, auf die Ursache hin geprüft. Es gibt eine eigene Trainerin im Haus, die auf diese Themen spezialisiert ist und die Mitarbeiter laufend schult. Es handelt sich um ca. 60 Mitarbeiter die damit befasst sind.“), nicht das Vorliegen eines funktionieren Maßnahmen- bzw. Kontrollsystems.
In der Folge konkretisierte der Erstbeschwerdeführer nicht, ob und wie die Einhaltung der Maßnahmen regelmäßig kontrolliert (Verhandlungsprotokoll, Seite 15: „RI: Haben Sie normalerweise Kontrollmechanismen, um solches menschliches Versagen abzufangen und zu entdecken? Z2: Zwischen dem Setzen auf die Sperrliste und dem nicht mehr Zusenden von Werbemails kann eine gewisse Zeit liegen. Gegenständlich wurde die E-Mailadresse aber nicht auf die Sperrliste gesetzt. Das war der Fehler in diesem Fall.“) und welche persönlichen Sanktionen im Falle eines Verstoßes gesetzt werden würden (Verhandlungsprotokoll, Seite 9: „RI: Welche [persönlichen und organisatorischen] Konsequenzen gab es, als die beiden Fehler, die zum gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren geführt haben, entdeckt wurden? BF1: Ich gab die Anweisung, den Prozess noch einmal genau zu prüfen. Meines Wissens wurde er dahingehend angepasst, dass die Fehlerquelle größtmöglich vermieden werden kann“; Verhandlungsprotokoll, Seite 15: „RI: Gab es nach Entdecken des Fehlers persönliche oder organisatorische Konsequenzen? Z2: Wir haben das System danach so umgestellt, dass die erste Eintragung [Rechnungsliste] in die ‚Blacklist‘ gespiegelt wird.“).
Vielmehr ist es so, dass der Erstbeschwerdeführer laut eigenen Angaben in der Eidesstattlichen Erklärung überhaupt nicht persönlich im Bereich IT tätig ist und auch nicht in „tägliche operative Details von Geschäftsverhältnissen“ eingreift. Er kontrolliert diese auch nicht, sondern verlässt sich auf Mitarbeiter, wie beigezogene Spezialisten oder einen Prokuristen, dem er die Aufsicht über die hier relevanten Unternehmensteile – intern und nicht im Sinne des Verwaltungsstrafrechts – übertragen hat. Damit leistet der Erstbeschwerdeführer nicht einmal stichprobenartige Kontrollen, die für sich genommen aber ebenfalls nicht ausreichen würden, um ein wirksames Kontrollsystem glaubhaft zu machen.
Aus alledem folgt, dass bei der Zweitbeschwerdeführerin im Tatzeitpunkt offensichtlich kein wirksames und für den Erstbeschwerdeführer gemäß § 9 VStG entlastendes Kontrollsystem im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bestand, das mit gutem Grund die Einhaltung der Bestimmungen des TKG 2003 erwarten ließ.
Die Unwirksamkeit des Kontrollsystems indiziert nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fahrlässiges Verhalten. Dieses ist dem Erstbeschwerdeführer auch subjektiv vorzuwerfen, weil er ersichtlich nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, um Fehlerquellen auszuschalten. Der Erstbeschwerdeführer wusste etwa während des Verfahrens vor der belangten Behörde und im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung nicht, worauf der Fehler zurückzuführen war, der die gegenständliche Übertretung des TKG 2003 bewirkte. Er ging die längste Zeit davon aus, dass ein Softwarefehler vorgelegen sei; erst in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG klärte er auf, dass menschliches Versagen vorgelegen ist. Das unwirksame Kontrollsystem und die geringe Involviertheit des Erstbeschwerdeführers in die Unternehmensprozesse machen deutlich, dass dieser fahrlässig gehandelt hat.
Die Maßfigur des einsichtigen und besonnenen Menschen hätte sich mehr in die Unternehmensprozesse involviert und sich auf die Suche nach der Ursache der vorliegenden Fehler begeben; es ist angesichts der Umstände des Einzelfalls auch nicht ersichtlich, warum es dem Erstbeschwerdeführer nicht möglich gewesen sein soll, die Sorgfalt aufzuwenden. Die Aufwendung der objektiv gebotenen und subjektiv möglichen Sorgfalt war dem Erstbeschwerdeführer daher auch zuzumuten.
Der subjektive Tatbestand ist damit ebenfalls erfüllt.
II.3.4. STRAFBEMESSUNG
Die Einstellung des Verfahrens bzw. der Ausspruch einer bloßen Ermahnung setzen voraus, dass die in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Umstände – geringe Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, geringe Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die Tat sowie geringes Verschulden – kumulativ vorliegen (VwGH 24.01.2017, Ra 2015/02/0145; zur Ermahnung vgl. auch VwGH 10.01.2017, Ra 2016/02/0269).
Eine Einstellung nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG scheitert daran, dass die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts in Ansehung des Strafrahmens (bis zu EUR 37.000) und der Eigenart des geschützten Rechtsguts (Privatsphäre) nicht als gering zu betrachten ist. Auch die Intensität der Beeinträchtigung des geschützten Rechtsguts der Privatsphäre war nicht bloß gering: Der Anzeigenleger fühlte sich durch die Zusendung der E-Mails offensichtlich belästigt und er entschloss sich zu einer Anzeige. Zudem kam es im vorliegenden Fall zur Zusendung von insgesamt fünf verbotenen unerwünschten Nachrichten über einen längeren Zeitraum. Darüber hinaus hat der Erstbeschwerdeführer auch sonst nichts vorgebracht, was sein Verschulden als so gering erscheinen lässt, dass davon gesprochen werden könnte, dass das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt erheblich zurückgeblieben wäre.
Angesichts der identen Voraussetzungen für eine vorgeschaltete Beratung nach § 33a VStG kommt auch eine solche nicht in Betracht. Andere Einstellungsgründe lagen nicht vor.
§ 109 Abs. 3 Z 20 TKG 2003 bestimmt, dass, wer entgegen § 107 Abs. 2 oder 5 TKG 2003 elektronische Post zusendet, eine Verwaltungsübertretung begeht und mit einer Geldstrafe bis zu EUR 37.000,00 zu bestrafen ist.
Die Strafbemessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens ist eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber im § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist (VwGH 05.09.2013, 2013/09/0106):
Wie bereits dargelegt, sind das Ausmaß des Verschuldens des Erstbeschwerdeführers, noch die Bedeutung des verwaltungsstrafrechtlich geschützten Rechtsguts und die Intensität der Beeinträchtigung als nur gering anzusehen.
Erschwerungsgründe kamen im Verfahren nicht hervor. Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Erstbeschwerdeführers fand bei der Bemessung der Strafe im Verfahren vor der belangten Behörde – entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer – ausreichende Berücksichtigung und wird auch vom BVwG berücksichtigt. Weitere Milderungsgründe wurden nicht vorgebracht und war deren Vorliegen für das Bundesverwaltungsgericht auch nicht erkennbar.
Darüber hinaus berücksichtigte schon die belangte Behörde die Familien-, Vermögens- und Einkommensverhältnisse in ausreichender Weise; der Erstbeschwerdeführer trat den Erwägungen der belangten Behörde weder in seiner Beschwerde, noch in der Beschwerdeverhandlung entgegen.
Bereits die belangte Behörde hat auf das Ausmaß des Verschuldens des Beschwerdeführers ausreichend Bedacht genommen; mit der verhängten Strafe wird der Strafrahmen zu gerade einmal 1% ausgeschöpft.
Das BVwG teilt somit die Erwägungen der belangten Behörde zur Strafbemessung.
Die verhängte Geldstrafe ist (auch aus den Gründen der General- und Spezialprävention und unter Berücksichtigung eines bis zu EUR 37.000,00 reichenden Strafrahmens) im vorliegenden Fall tat- und schuldangemessen.
Das von den Beschwerdeführern ins Treffen geführte Judikat des Verwaltungsgerichtshofes vom 03.05.2017, Ra 2016/03/0108, konnte im Übrigen für die gegenständlich verhängte Strafe schon deshalb nicht als Beurteilungsmaßstab herangezogen werden, weil das Höchstgericht das mit der Revision angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG 19.09.2016, W219 2109352-1/8E und W219 2109429-1/8E) gerade wegen der angeordneten Geldstrafe iHv EUR 500,00 teilweise aufhob; das erkennende Gericht hatte nämlich mehrere unerbetene Werbemails zu einem fortgesetzten Delikt zusammengefasst, jedoch dem Beschwerdeführer insgesamt nur jenen Strafbetrag auferlegt, den die erste Instanz pro unzulässiger Werbemail über diesen verhängt hatte. Im zweiten Rechtsgang verhängte das Bundesverwaltungsgericht schließlich eine Geldstrafe iHv EUR 750,00 (BVwG 26.05.2017, W219 2109352-1/14E und W219 2109429-1/14E). Zudem handelt es sich bei der Strafzumessung um einzelfallbezogene Fragen und ist die zitierte Entscheidung aus den dargelegten Gründen weder verallgemeinerbar noch auf den vorliegenden Fall umzulegen.
II.3.5. ERGEBNIS
Die gemeinsame Beschwerde war aus den dargestellten Gründen als unbegründet abzuweisen.
ZU SPRUCHPUNKT II.
II.3.6. KOSTEN DES STRAFVERFAHRENS
Die Entscheidung über den Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens erfolgte gemäß § 52 Abs. 1, 2 und Abs. 6 VwGVG (20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch EUR 10,00).
Die Entscheidung über die Solidarhaftung der Zweitbeschwerdeführerin gründet auf § 38 VwGVG iVm § 9 Abs. 7 VStG.
ZU B)
II.3.7. UNZULÄSSIGKEIT DER REVISION
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die vorliegende Entscheidung kann sich auf die in A) zitierte höchstgerichtliche Judikatur stützen. Die Frage, ob ein konkretes Kontrollsystem eines bestimmten Unternehmens ausreichend wirksam gewesen ist, betrifft außerdem nur den Einzelfall und stellt als solche keine grundsätzliche Rechtsfrage dar (VwGH 03.10.2018, Ra 2018/07/0421). Gleiches gilt für die Ermessensentscheidung hinsichtlich der Strafbemessung (VwGH 30.08.2018, Ra 2017/17/0517).
Schlagworte
Belästigung Direktwerbung E - Mail Einwilligung des Empfängers Erkundigungspflicht Fahrlässigkeit Geldstrafe Glaubhaftmachung Kontrolle Kontrollsystem Kostenbeitrag mündliche Verhandlung Nachweismangel Solidarhaftung Strafbemessung Ungehorsamsdelikt Verschulden Verwaltungsstrafe Verwaltungsstrafverfahren Verwaltungsübertretung vorherige Einwilligung Werbemail Werbung Zurechenbarkeit ZustimmungserfordernisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W271.2226120.1.00Im RIS seit
17.11.2020Zuletzt aktualisiert am
17.11.2020