TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/31 W192 2122929-1

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Veröffentlicht am 31.08.2020
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Entscheidungsdatum

31.08.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §54
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W192 2122929-1/29E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Gambia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.02.2016, Zl. 1046795009-140232152, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, AsylG 2005 idgF, als unbegründet mit der Maßgabe abgewiesen, dass der erste Satz von Spruchpunkt III. zu lauten hat: Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wird nicht erteilt.

Gemäß § 52 FPG idgF iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG idgF wird festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gegen XXXX auf Dauer unzulässig ist und XXXX eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß §§ 54 und 55 AsylG 2005 iVm §§ 9, 10 Abs. 2 Z 7 Integrationsgesetz, jeweils idgF erteilt wird.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, nach eigenen Angaben ein Staatsangehöriger von Gambia, brachte am 01.12.2014 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz ein, nachdem er zuvor illegal in das Bundesgebiet gelangt war.

Hierzu wurde er am 01.12.2014 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt. Dabei gab er an, er habe den Herkunftsstaat verlassen, um seiner Mutter zu helfen, indem er im Ausland arbeite. Auf Fragen nach etwaigen Befürchtungen bei einer Rückkehr brachte er vor, dass er nichts zu befürchten habe, wenn er zurückgehen müsse. Er verneinte die Frage, dass ihm bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohe oder er mit sonstigen Sanktionen zu rechnen hätte. Der Beschwerdeführer bestätigte nach Übersetzung der Niederschrift, dass es keine Verständigungsprobleme gegeben habe. Zu seinen familiären Verhältnissen im Herkunftsstaat führte der Beschwerdeführer aus, dass sein Vater vor zwei Jahren gestorben sei. Im Herkunftsstaat seien seine Mutter und eine Schwester aufhältig, ein Bruder sei nach Ghana geflüchtet. Der Beschwerdeführer sei mit finanzieller Unterstützung durch seine Mutter aus Libyen auf dem Seeweg nach Italien gelangt und weiter mit der Eisenbahn nach Österreich gereist. Der Beschwerdeführer wolle nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren, weil er dort keine Zukunft habe.

Am 01.12.2015 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des damals minderjährigen Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im Beisein des gesetzlichen Vertreters.

Seine Angaben bei der Erstbefragung seien nicht ganz korrekt protokolliert worden. Der ältere Bruder des Beschwerdeführers lebe nicht als Flüchtling in Ghana, sondern habe lediglich mit seiner Schule Ghana besucht und sei dann in die Heimat zurückgekehrt. Die Fragen über Befürchtungen im Falle einer Rückkehr habe der Beschwerdeführer nicht richtig verstanden. Er habe geantwortet, dass er keine Probleme hätte. In der Zwischenzeit habe diese Frage verstanden und er habe Probleme in Gambia. Er fürchte, dass man ihn im Falle einer Rückkehr ins Gefängnis stecken werde. Sonst sei das Protokoll richtig.

Über den Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte der Beschwerdeführer vor, dass er an einem Wochenende im Jänner 2014 mit einem Cousin am Heimweg von einem Besuch bei einem Schulfreund die Hauptstraße überquert habe, wobei der Cousin hinter ihm gegangen sei. Der Beschwerdeführer und sein Begleiter hätten die Straße bei einem grünen Signal für Fußgänger überquert und es habe der Wagen des Präsidenten von Gambia den Cousin des Beschwerdeführers angefahren. Der Beschwerdeführer sei fortgelaufen und es seien Polizisten aus Begleitfahrzeugen ausgestiegen, hätten in die Luft geschossen und ihn verfolgt. Der Beschwerdeführer sei über einen Zaun gesprungen und diese hätten seine Spur verloren. Danach sei der Beschwerdeführer zu diesem Schulfreund gegangen, und habe sich versteckt. Dieser habe ihm erzählt, dass er im Fernsehen in den Nachrichten gesehen habe, dass die Polizei nach dem Beschwerdeführer suche. Der Beschwerdeführer habe seine Mutter informiert und diese habe ihn aufgefordert, bei seinem Freund zu bleiben. Danach sei die Polizei zur Mutter des Beschwerdeführers nach Hause gekommen und habe nach diesem gefragt. Die Polizei habe alle Personen aufgefordert, die über den Verbleib der gesuchten Personen Bescheid wissen, sich zu melden. Daraufhin habe der Vater des Freundes des Beschwerdeführers angeboten, bei der Ausreise des Beschwerdeführers behilflich zu sein und dieser habe nach telefonischer Rücksprache mit seiner Mutter zugestimmt. Der Vater des Freundes des Beschwerdeführers habe diesen zu einer Bushaltestelle gebracht, von wo er in den Senegal reisen konnte. Er habe ihm eine Fahrkarte für den Bus an die Grenze gegeben, von wo ihn ein Freund abgeholt habe. Der Beschwerdeführer glaube, dass er am 15.02.2014 Gambia verlassen habe. Er sei dann eine Woche bei diesem Freund geblieben, der ihm geraten habe, nach Libyen zu gehen. Der Beschwerdeführer sei sechs Monate im Libyen gewesen und habe eine Schule besucht, dann habe dort jedoch der Krieg begonnen und die Schule des Beschwerdeführers sei geschlossen worden. Der Beschwerdeführer sei sodann nach weiterer Kontaktnahme mit seiner Mutter mit Schlepperunterstützung nach Europa gereist. Im Falle einer Rückkehr fürchte der Beschwerdeführer als Zeuge des Unfalles im Zusammenhang mit den Unfall gebracht zu werden. Bei einem telefonischen Kontakt mit seiner Mutter aus Libyen habe diese ihm erzählt, dass sein Cousin an den Folgen des Unfalles gestorben sei.

Der Beschwerdeführer wurde über den Ablauf des behaupteten Verkehrsunfalles nochmals im Einzelnen befragt und durch den Leiter der Amtshandlung mit Hinweisen auf fehlende Plausibilität und Widersprüchen in seinen Angaben konfrontiert. Weiters wurde ihm vorgehalten, dass er bei der Erstbefragung vorgebracht hatte, seine Heimat aus finanziellen Gründen verlassen zu haben. Der Beschwerdeführer brachte dazu vor, dass er bei seiner Aussage bleibe und er bei der Polizei zum Fluchtgrund nur einen Satz habe sagen können. Der Beschwerdeführer befürchte, dass er im Herkunftsstaat von der Polizei gesucht werde, weil man ihm vorwerfe, dass er nicht richtig auf seinen Cousin aufgepasst habe. Über seine persönlichen Verhältnisse in Österreich brachte der Beschwerdeführer auf Befragen vor, dass er Grundversorgung erhalte, einen Deutschkurs besuche und Sport betreibe. Der Beschwerdeführer habe keine Familienangehörigen in Österreich.

Der Beschwerdeführer legte eine Schulbesuchsbestätigung vom November 2015, diverse Unterstützungsschreiben, ein Sprachzertifikat A2 vom 22.12.2015 sowie eine Stellungnahme seines gesetzlichen Vertreters vom 22.12.2015 vor, in welcher Länderberichte zitiert wurden, aus denen hervorgeht, dass den Sicherheitskräften des damaligen Staatspräsidenten Menschenrechtverletzungen vorgeworfen werden. Weiters wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat nicht die notwendige Unterstützung erhalten würde, um nicht in eine unmenschliche oder unwürdige Lage zu geraten.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG, bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Gambia abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Gambia gemäß § 46 FPG zulässig ist. (Spruchpunkt III.)

Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. (Spruchpunkt IV.)

Die Behörde stellte die Identität des Beschwerdeführers nicht fest. Das Vorbringen über die Bedrohung des Beschwerdeführers durch Polizeikräfte, weil er Zeuge eines durch ein Fahrzeug des Staatspräsidenten verursachten Verkehrsunfalls gewesen sei, wurde wegen der Widersprüche dieser erstmals bei der Einvernahme vor den BFA vorgebrachte Behauptung zu den Angaben des Beschwerdeführers bei der Erstbefragung sowie auch wegen fehlender Plausibilität der Darstellung des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft beurteilt. Vor dem Hintergrund der festgestellten Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers würde für diesen bei einer Rückkehr keine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung bestehen und würden angesichts fehlender familiärer Bindungen im Bundesgebiet und eines wegen des kurzfristigen Aufenthaltes nur wenig schutzwürdigen Privatlebens keine Hinderungsgründe gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung bestehen.

3. Gegen den Bescheid wurde mit Eingabe vom 03.03.2016 fristgerecht die vorliegende Beschwerde eingebracht. Darin wurde zunächst vorgebracht, dass die Behörde nicht berücksichtigt habe, dass der minderjährige Beschwerdeführer zum erstmöglichen Zeitpunkt auf die Fehler der polizeilichen Erstbefragung hingewiesen habe. Bereits bei einem Gespräch mit seinem gesetzlichen Vertreter vor der Einvernahme habe er darauf hingewiesen. Der Beschwerdeführer habe sehr wenig Zeit gehabt, die von der Polizei gestellten Fragen zu beantworten und diese auch inhaltlich nicht alle richtig verstanden. Dies erscheine glaubwürdig, da aus der Niederschrift der Erstbefragung ersichtlich ist, dass diese samt Übersetzung gerade 43 Minuten gedauert habe. Der Erstbefragung könne im Verfahren keine Beweiskraft zukommen. Dem Beschwerdeführer könnten in Stresssituationen, worum es sich bei der Befragung eines Minderjährigen durch die Polizei aber auch vor der Behörde zweifellos handle, kleinere Fehler unterlaufen. Dem Beschwerdeführer sei aus seiner Erfahrung klar gewesen, dass die Polizei und staatliche Behörden im Herkunftsstaat mit totaler Willkür arbeiten und es für ihn in dieser Situation sicher sei, unterzutauchen. Im angefochtenen Bescheid sei auch nicht auf die Stellungnahme des gesetzlichen Vertreters eingegangen worden, wonach im Herkunftsstaat willkürliche Verhaftungen durch die Staatsmacht eine ständige Bedrohung für die Bevölkerung darstellen.

Der Beschwerdeführer finde im Herkunftsstaat auch keinen familiären Halt vor, da seine Schwester den Haushalt der Familie bereits verlassen habe und sein Bruder seit langer Zeit bei einem Onkel lebe. Dieser könne für eine weitere Person aufgrund der eigenen wirtschaftlichen Lage keineswegs sorgen. Die Mutter des Beschwerdeführers sei seit einem Unfall 2012, bei welchem der Vater des Beschwerdeführers ums Leben gekommen sei, im Rollstuhl.

Es liege zwar kein Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich vor, jedoch habe er ein schützenswertes Privatleben etabliert und es werde auf vorgelegte Unterlagen (Empfehlungsschreiben einer Schule und einer Betreuungseinrichtung) hingewiesen.

Mit Eingabe seines Rechtsvertreters vom 20.04.2016 legt der Beschwerdeführer Bestätigungen über ehrenamtliche Aktivitäten sowie Empfehlungsschreiben von Mitschülern, Lehrern und Eltern von Mitschülern vor.

Im Vorfeld der anberaumten mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht legte der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertreterin weitere Empfehlungs- und Unterstützungsschreiben vor und teilte auch mit, dass er im Juli 2016 von Eltern eines Mitschülers in den Familienverband aufgenommen worden ist. In dazu nachgereichten Schreiben dieses Mitschülers und seiner Eltern wurde beschrieben, dass der Beschwerdeführer in die Familie aufgenommen worden sei und um die Erreichung des Schulabschlusses äußerst bemüht sei.

4. Am 12.12.2016 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt, in der der Beschwerdeführer zu seinen privaten und persönlichen Verhältnissen und seinen Fluchtgründen befragt wurde und Feststellungen über die Situation im Herkunftsstaat erörtert wurden.

In der Verhandlung bestätigte weiters die Mutter des Mitschülers des Beschwerdeführers, welche den Beschwerdeführer in den Familienverband aufgenommen hatte, als Zeugin, dass der Beschwerdeführer seit dem Verlassen der Betreuungseinrichtung für minderjährige Asylwerber aufgrund des entstandenen besonderen Naheverhältnisses im Haushalt aufgenommen worden sei. Die Familie komme zur Gänze für den Unterhalt des Beschwerdeführers auf und wolle diesem eine Ausbildung und Einstieg in eine Berufslaufbahn ermöglichen. Als weitere Zeugin gab die früher im Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe tätige Betreuerin des damals minderjährigen Beschwerdeführers an, dass dieser sehr selbstständig sei und an vielfältigen schulischen und außerschulischen Projekten teilnehme.

Mit Schreiben vom 26.09.2017 teilte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers mit, dass der Beschwerdeführer eine Lehre als Restaurantfachmann begonnen habe und dafür eine Beschäftigungsbewilligung vorliege. Mit Schreiben vom 27.04.2018 legte die Vertreterin des Beschwerdeführers dessen Jahreszeugnis über den erfolgreichen Abschluss des ersten Schuljahres einer Fachberufsschule für Tourismus vor und teilte mit, dass der Beschwerdeführer nunmehr in einem WG-Zimmer nahe seinem Dienstort den Hauptwohnsitz errichtet habe, wobei ein Nebenwohnsitz bei seiner Gastfamilie bestehen bleibe.

5. Mit Verfügung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.07.2020 wurden die Verfahrensparteien über das Ergebnis einer Beweisaufnahme über die aktuelle Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers und über die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers in Kenntnis gesetzt. Dazu sind keine Stellungnahmen erfolgt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der damals minderjährige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Gambia, reiste im Dezember 2014 illegal nach Österreich ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte oder dass ihm eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht. Die Behauptungen des Beschwerdeführers, er sei durch die Polizei bedroht, weil er Zeuge eines von einem Fahrzeug des Staatspräsidenten verursachten Verkehrsunfalls gewesen sei, sind nicht glaubhaft.

Ein derartiger Vorfall würde angesichts der aktuellen Lage im Herkunftsstaat keine Verfolgungsgefahr begründen.

Der Beschwerdeführer hat den Herkunftsstaat aus wirtschaftlichen Gründen verlassen.

Der Beschwerdeführer hat nicht glaubhaft gemacht, in Gambia eine Verfolgung befürchten zu müssen, in eine hoffnungslose Lage zu kommen, einem realen Risiko einer sonstigen Verfolgung oder einer Verletzung seiner Rechte auf Leben, nicht unmenschlicher Behandlung oder Folter unterworfen zu werden, der Todesstrafe zu unterliegen oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes unterworfen zu sein.

Der unbescholtene Beschwerdeführer ist ein mittlerweile volljähriger Staatsangehöriger Gambias. Der Beschwerdeführer ist gesund und zählt nicht zu Risikogruppen für einen schweren Krankheitsverlauf von COVID-19.

Der Beschwerdeführer ist im Dezember 2014 illegal nach Österreich eingereist. Er hat seit September 2015 die fünfte Klasse eines Bundesrealgymnasiums als außerordentlicher Schüler besucht und in weiterer Folge bei der Familie eines Klassenkameraden Anschluss gefunden. Nach Erreichen der Volljährigkeit wurde der Beschwerdeführer in den Haushalt dieser Familie aufgenommen.

Ab März 2017 absolvierte der Beschwerdeführer eine Lehre für die berufliche Tätigkeit als Restaurantfachmann. Seit diesem Zeitpunkt war er selbsterhaltungsfähig und hat keine Leistungen des Grundversorgungssystems mehr in Anspruch genommen. Seit März 2018 verlegte der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz in eine WG nahe der Lehrstelle, hielt jedoch einen Nebenwohnsitz an der Adresse der genannten Gastfamilie aufrecht. Im März 2020 erwarb der Beschwerdeführer den Abschluss einer Fachberufsschule für Tourismus für den Lehrberuf Restaurantfachmann. Mit 08.07.2020 hat er die Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Restaurantfachmann absolviert und bestanden. Dem Lehrbetrieb wurde für den Beschwerdeführer eine Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Schank-und Kellnergehilfe für die Zeit vom 03.07.2020 bis 31.12.2020 für eine Ganztagsbeschäftigung erteilt.

Die Integrationsbemühungen des Beschwerdeführers sind seitens seiner Schul- und Berufskollegen sowie Lehrer und Ausbildner ebenso wie seitens der Gastfamilie durchgehend hervorgehoben worden.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat:

Politische Lage

Gambia ist eine Präsidialrepublik. Staatsoberhaupt und Regierungschef ist seit 2017 Adama Barrow von der United Democratic Party - UDP (AA 16.10.2018). Barrow gewann im Dezember 2016 die Wahl gegen den Amtsinhaver Jammeh, der nach einer knapp zweimonatigen innenpolitischen Krise schließlich zur Aufgabe seines Amtes bereit war (AA 5.8.2019).

Seit den Präsidentschaftswahlen vom 1.12.2016, die als weitgehend frei und fair bezeichnet werden (KAS 16.5.2018; vgl. HRW 18.1.2018; FH 4.2.2019), befindet sich das Land in einem tief greifenden und anhaltenden demokratischen Transformations- und Demokratisierungsprozess. Der seit 22 Jahren autoritär regierende Präsident, Yaya Jammeh, wurde abgewählt und durch Adama Barrow ersetzt (KAS 16.5.2018).

Seither befinden sich im Auftrag der CEDEAO/ECOWAS und auf Bitten der neuen Regierung Militärtruppen in Gambia (KAS 16.5.2018; vgl. FH 4.2.2019; HRW 18.1.2018), um die Sicherheit des Transformationsprozesses und der aktuellen Regierung zu gewährleisten (KAS 16.5.2018). Die internationale Gemeinschaft hat der Barrow - Regierung erhebliche finanzielle Unterstützung gewährt, einschließlich der Unterstützung bei der Untersuchung vergangener Menschenrechtsverletzungen und der Reform der Sicherheitskräfte und der Justiz (HRW 18.1.2018).

Barrow spricht von einem „neuen Gambia“ - öffnet seither das Land nach außen und reformiert es nach innen (KAS 16.5.2018; vgl. HRW 18.1.2018). Direkt nach seiner Amtsübernahme erklärte Barrow sein Land zur Republik und ließ den Zusatz „Islamische Republik“ streichen. Er stärkt die Freiheit der Bürger, indem Militär- und Polizei-Checkpoints im Land reduziert werden und der Stellenwert von Meinungs- und Pressefreiheit öffentlich beteuert wurde (KAS 16.5.2018). Am 13. 12.2017 wurde das Gesetz der Wahrheits-, Versöhnungs- und Reparationskommission (TRRC) von der Nationalversammlung verabschiedet und vom Präsidenten am 13.1.2018 bestätigt (LHG 2018). Unter der Leitung des Ministeriums für Justiz wurde eine „Truth, Reconciliation and Reparation Commission“ eingerichtet, welche an der Aufklärung der unter der Regierung Jammeh verübten Menschenrechtsverletzungen arbeitet (AA 5.8.2019; vgl. KAS 16.5.2018; LHB 2018). In den meisten Fällen gab es keine wirksamen Ermittlungen und die Täter wurden nicht vor Gericht gestellt. Das TRRC-Gesetz sieht die Erstellung einer historischen Aufzeichnung über Art, Ursachen und Ausmaß der im Zeitraum Juli 1994 bis Jänner 2017 begangenen Verstöße und Verletzungen der Menschenrechte und die Gewährung einer Entschädigung für die Opfer vor (LHG 2018).

Ein wichtiges Reformvorhaben der Regierung Barrow ist der am 6.2.2018 vorgestellte nationale Entwicklungsplan (The Gambia National Development Plan), der als Grundlage der Beratung der Geberkonferenz am 22.5.2018 in Brüssel gilt. Der Entwicklungsplan betont die Wichtigkeit von Demokratie, guter Regierungsführung, Menschenrechte, sowie Sicherheit und Wohlstand für alle (KAS 16.5.2018). Die innenpolitische Reformbereitschaft Barrows in Gambia wird auch durch das Moratorium zur Abschaffung der Todesstrafe deutlich, das am 18.2.2018 in Kraft trat. Vorerst wurden keine Hinrichtungen mehr vorgenommen, die Abschaffung der Todesstrafe soll noch folgen (KAS 16.5.2018).

In Gambia fanden am 12.4.2018 und am 12.5.2018 Lokal- und Kommunalwahlen statt. Die Wahlen verliefen friedlich ohne Zwischenfälle (KAS 16.5.2018; vgl. UNSC 29.6.2018). Als Bürgermeisterin in der Hauptstadt Banjul wurde mit Rohey Malick Lowe, erstmals eine Frau gewählt (KAS 16.5.2018). Die Vereinigte Demokratische Partei unter der Leitung von Außenminister Ousainou Darboe gewann die Mehrheit der Sitze, während die Alliance for Patriotic Reorientation and Construction of Ex-Präsident Yahya Jammeh weniger als 15 % der Sitze erlangte. In der Zwischenzeit hat die Regierung weitere Fortschritte gemacht bei der eine Reihe von Reformprozessen, unter anderem in den Bereichen Sicherheitssektor Reform und Übergangsjustiz, durchgeführt wurden (UNSC 29.6.2018).

Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen Gambias ähneln einer Herkulesaufgabe und stehen unter Zeitdruck. Die Bevölkerung erwartet sichtbare Resultate in der Dezentralisierung des Landes, in der Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen sowie in der Verbesserung ihrer persönlichen Lebenssituation. Dazu gehört auch ein Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum, die Reform des Sicherheitsapparates, die Aufarbeitung der Schreckenstaten während des Jammeh-Regimes und die sichtbare Entwicklung der Infrastruktur des Landes (KAS 16.5.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (16.10.2018): Gambia: Überblick, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/gambia-node/gambia/213610, Zugriff 26.11.2019

-        AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019

-        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Gambia, The, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/gambia, Zugriff 26.11.2019

-        HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Gambia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422435.html, Zugriff 18.9.2018

-        KAS – Konrad-Adenauer-Stiftung (16.5.2018): Ein Jahr Demokratie in Gambia, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52476-544-1-30.pdf?180516145500, Zugriff 4.9.2018

-        LHB - Law Hub Gambia (2018): Truth, Reconciliation and Reparations Commission (TRRC) Act, https://www.lawhubgambia.com/truth-reconciliation-reparations-commission/, Zugriff 27.9.2018

-        UNSC - UN Security Council (29.6.2018): Report of the Secretary-General on the activities of the United Nations Office for West Africa and the Sahel, https://www.ecoi.net/en/file/local/1438086/1226_1531382798_n1817627.pdf, Zugriff 6.9.2018

Sicherheitslage

Laut France Diplomatie wird im gesamten Staatsgebiet zu erhöhter Wachsamkeit aufgerufen (FD 14.1.2020; vgl. BMEIA 3.12.2019), vor allem wegen Aktivitäten krimineller Netzwerke in entlegenen Teilen entlang der südlichen Grenze zum Senegal (BMEIA 3.12.2019). Gambia blieb bisher von terroristischen Anschlägen verschont. Angesichts möglicher terroristischer Aktivitäten in der ganzen Region Westafrika können jedoch auch in Gambia Anschläge gegen westliche Einrichtungen oder Staatsangehörige nicht ausgeschlossen werden (AA 8.1.2020). Im Rest des Landes wird ein erhöhtes Sicherheitsrisiko ausgerufen (BMEIA 3.12.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (8.1.2020): Reise & Sicherheit - Gambia - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/gambia-node/gambiasicherheit/213624, Zugriff 16.1.2020

-        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (3.12.2019): Reise & Aufenthalt - Gambia - Sicherheit und Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/gambia/, Zugriff 16.1.2020

-        FD - France Diplomatie (14.1.2020): Conseils par pays, Gambie, Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/gambie/, Zugriff 16.1.2020

Sicherheitsbehörden

Die zivilen Behörden behalten eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Das Militärpersonal der ECOWAS bleibt weiterhin im Land (USDOS 11.3.2020).

Die Gambia Armed Forces – GFA (Streitkräfte) sind für die externe Verteidigung zuständig und stehen unter der Aufsicht des Verteidigungsministers; der Präsident ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte (USDOS 11.3.2020); vgl. EASO 12.2017). Der Nationale Geheimdienst untersteht direkt dem Präsidenten (EASO 12.2017). Das Innenministerium ist für die Gambia Police Force (GPF) verantwortlich, die die innere Sicherheit gewährleistet (USDOS 11.3.2020; vgl. EASO 12.2017).

Im Februar 2017 wurde die National Intelligence Agency (NIA), die unter der früheren Regierung Folter und willkürliche Inhaftierung praktizierte, in State Intelligence Services (SIS) umbenannt und ihre Haftbefugnisse wurde aufgehoben (AI 22.2.2018; vgl. EASO 12.2017). Laut Menschenrechtsorganisationen unterhielt die NIA ihre eigenen Haftanstalten. Menschenrechtsorganisationen und die Opposition warfen der NIA wiederholt Verbrechen wie übermäßige Gewaltanwendung, illegale Verhaftung, Folter und Tötung vor. Der neue Präsident Barrow ließ die Führungsspitzen der NIS verhaften und kündigte an, die Vorwürfe zu untersuchen (EASO 12.2017). Auch die Leiter von Polizei, Gefängnis und Militär wurden ausgetauscht (AI 22.2.2018). Selbst nach dem Regierungswechsel gibt es Berichte über die Anwendung von Gewalt durch die Polizei. Innerhalb des Innenministeriums wurde eine Stelle geschaffen, die Vorwürfe wegen Fehlverhaltens und Menschenrechtsverletzungen durch Polizeibeamte untersucht (EASO 12.2017).

Die Regierung hat effektive Mechanismen, um bei Missbrauch zu ermitteln und zu bestrafen, in Kraft gesetzt, jedoch kommen Straflosigkeit und inkonsistente Durchsetzung vor (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

-        AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Gambia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425363.html, Zugriff 18.9.2018
-         EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 18.9.2018
-         USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 17.3.2020

Allgemeine Menschenrechtslage

Der neue Präsident Adama Barrow machte deutlich, dass ein vorrangiges Ziel der neuen Regierung darin bestehen würde, die Achtung der Menschenrechte zu gewährleisten (EASO 12.2017). Zu den bedeutendsten Menschenrechtsproblemen gehören: harte und potenziell lebensbedrohliche Haftbedingungen; mangelnde Rechenschaftspflicht in Fällen von Gewalt gegen Mädchen und Frauen, einschließlich Vergewaltigung und weit verbreiteter weiblicher Genitalverstümmelung; Menschenhandel; und die Kriminalisierung einvernehmlichen gleichgeschlechtlichen Sexualverhaltens zwischen Erwachsenen, obwohl das Gesetz nicht durchgesetzt wird (USDOS 11.3.2020).Das Menschenrechtsklima in Gambia hat sich seit dem Amtsantritt von Präsident Barrow deutlich verbessert (HRW 18.1.2018). Die neue Regierung versprach, Gambia zur "Menschenrechtshauptstadt Afrikas" zu machen, ließ zahlreiche politische Gefangene frei und begann, die Justiz zu stärken und die Sicherheitsdienste zu reformieren. Die internationale Gemeinschaft leistete der Regierung Barrow erhebliche finanzielle Unterstützung, einschließlich der Unterstützung bei der Untersuchung früherer Menschenrechtsverletzungen und der Reform der Sicherheitskräfte und der Justiz (HRW 18.1.2018). Mitglieder des Jammeh-Regimes werden nicht systematisch verfolgt (EASO 12.2017).

Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit werden durch die Verfassung garantiert und seit Amtsübernahme der Regierung durch Barrow werden diese staatlicherseits respektiert und gewährleistet (AA 5.8.2019; vgl. FH 4.2.2019; HRW 18.1.2018; USDOS 11.3.2020). Die neue Regierung unternahm mehrere bedeutende Anstrengungen, um ein günstigeres Umfeld für die Meinungsfreiheit zu schaffen. Die Verfassung und das Gesetz sehen die Meinungsfreiheit, auch für die Presse, vor, und die Regierung respektierte dieses Recht (HRW 18.1.2018). Die Selbstzensur ist zurückgegangen und mehr Menschen ergreifen den Beruf des Journalisten, Journalisten kehren vermehrt aus dem Exil zurück (FH 4.2.2019; vgl. AI 22.2.2018). Dennoch bleiben restriktive Mediengesetze zumindest am Papier erhalten und es gibt vereinzelte Berichte über Verhaftungen und Polizeiübergriffe gegen Journalisten (FH 4.2.2019; vgl. JA 26.1.2020, AN 28.1.2020). Radioprogramme, Nachrichten-Websites und Fernsehsender sind in Gambia online zugänglich. Internationale Sender wie die BBC, Voice of America und Nachrichten-Websites aus der Diaspora, die der Regierung Jammeh sehr kritisch gegenüberstanden, bleiben eine wichtige Informationsquelle (EASO 12.2017).

Die gesetzlichen Regelungen aus der Jammeh-Ära, welche die Pressefreiheit stark eingeschränkt haben, wurden im Mai 2018 vom Obersten Gerichthof weitestgehend für verfassungswidrig erklärt. Die Barrow-Regierung hat das Gesetz seit Amtsantritt nicht angewendet. Seit dem Regierungswechsel liegen auch keine Hinweise auf Einschränkungen der Medienfreiheit vor. Die Regierung sucht den Austausch mit Journalisten und der „Gambia Press Union“. In Kooperation mit der Menschenrechts-NGO Article 19 erarbeitet die Regierung aktuell ein neues Mediengesetz (AA 5.8.2019). Allerdings hat die Regierung noch keine Gesetzesänderungen vorgenommen, die eine Genehmigung für öffentliche Kundgebungen erfordern, was eine Verletzung der Versammlungsfreiheit darstellt (HRW 18.1.2018). Die Regierung verpflichtete sich zur Reform mehrerer repressiver Mediengesetze (AI 22.2.2018).

Im Zuge von Protestveranstaltungen gegen Präsident Barrow im Jänner 2020 wurden ca. hundert Personen verhaftet, einige Medienunternehmen gesperrt und die Oppositionsgruppe „Three-Years JOTNA“ verboten. Bei der Auflösung der Demonstrationen wurde Tränengas eingesetzt (AN 27.1.2020, AN 28.1.2020, JA 26.1.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019

-        AN – AfricaNews (27.1.2020): Gambia govt bans protests, silences critical media, https://www.africanews.com/2020/01/27/gambia-govt-bans-protests-silences-critical-media/, Zugriff 19.3.2020

-        AN – AfricaNews (28.1.2020): Unpacking Gambia's three-year pact: Constitution vs. Coalition MoU, https://www.africanews.com/2020/01/28/unpacking-gambia-s-three-year-pact-constitution-vs-coalition-mou/, Zugriff 19.3.2020

-        EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 18.9.2018

-        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Gambia, The, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/gambia, Zugriff 26.11.2019

-        HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Gambia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422435.html Zugriff 18.9.2018

-        JA – Jeune Afrique (26.1.2020): Gambie : le gouvernement durcit le ton face à la contestation anti-présidentielle, https://www.jeuneafrique.com/886852/politique/gambie-le-gouvernement-durcit-le-ton-face-a-la-contestation-anti-presidentielle/, Zugriff 19.3.2020

-        USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 17.3.2020

Relevante Bevölkerungsgruppen

Die Verfassung sieht die Gleichstellung aller Personen vor dem Gesetz vor (USDOS 11.3.2020). Gemäß Art.28 der gambischen Verfassung sind Frauen und Männer gleichberechtigt. Dieser Grundsatz erfährt jedoch durch Gesetzgebung, religiöse Traditionen und allgemeine gesellschaftliche Verhältnisse Einschränkungen. Frauen sind im politischen und wirtschaftlichen Leben unterrepräsentiert, auch weil sie häufig ein geringeres Bildungsniveau aufweisen als Männer (AA 5.8.2019).

Vergewaltigung und häusliche Gewalt sind illegal, aber weit verbreitet (FH 4.2.2019; vgl. AA 5.8.2019), trotz des „National Plan of action on gender-based violence 2013 - 2017“, mit dem die Regierung versucht, Gewalt gegen Frauen zu senken. Auch Vergewaltigung in der Ehe kommt vor und ist nicht kriminalisiert. Es gibt keine effektiven Beschwerdemechanismen für Gewalt gegen Frauen, was sich in einer niedrigen Verfolgungsrate und unzureichender Unterstützung von Opfern auswirkt (AA 5.8.2019).

Art. 33 der Verfassung lässt Diskriminierung in so zentralen Bereichen wie Adoption, Heirat, Scheidung und Erbe zu und nimmt zudem Stammes- und Gewohnheitsrecht vom Schutz vor Diskriminierung aus. In Gambia gilt dadurch für bestimmte Volksgruppen bspw. das Scharia-Recht, welches gerade hinsichtlich des Erbrechtes und der Anzahl der erlaubten Ehepartner Frauen benachteiligt (AA 5.8.2019). Es gibt keine Gesetze, die Polygamie oder Leviratsehe verbieten (in denen eine Witwe mit dem jüngeren Bruder ihres Ehepartners verheiratet ist) (FH 4.2.2019).

Das gambische Recht bietet formellen Schutz der Eigentumsrechte, obwohl die Scharia (islamisches Recht) Bestimmungen über Familienrecht und Erbschaft die Diskriminierung von Frauen erleichtern können. Frauen haben weniger Zugang zu Hochschulbildung, Justiz und Beschäftigung als Männer (FH 4.2.2019). Die Beschäftigung im formalen Sektor steht für Frauen mit denselben Gehältern wie für Männer offen. Es gibt keine gesetzliche Diskriminierung in der Beschäftigung, Zugang zu Krediten, Besitz und Führung eines Unternehmens sowie bei Wohnen oder Bildung (USDOS 11.3.2020.

Frauen sind im Parlament unterrepräsentiert: Drei Frauen wurden 2012 und 2017 gewählt. Darüber hinaus sind drei der fünf Personen, die Barrow 2017 nach der Verfassung direkt als Parlamentsmitglieder ernennen konnte, Frauen (EASO 12.2017).

Weibliche Genitalverstümmelung ist seit 2015 verboten, bleibt aber weiterhin ein Problem (AI 22.2.2018; vgl. AA 5.8.2019; EASO 12.2017; FH 4.2.2019; USDOS 11.3.2020). Jede Person, die trotz des Verbots FGM durchführt, beantragt, anregt, fördert oder Werkzeuge für das Verfahren bereitstellt, wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren und/oder einer Geldstrafe von 50.000 Dalasi (rund 1.000 Euro) bestraft. Jede Person, die von FGM weiß und das verbotene Verfahren nicht meldet, muss 10.000 Dalasi zahlen. Eine lebenslange Freiheitsstrafe gilt für jeden, der eine FGM vornimmt, die zum Tod des betreffenden Mädchens führt (EASO 12.2017). Der Staat arbeitet mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, Anwälten, Frauengruppen und der Polizei zusammen, um mehr Bewusstsein und Wissen zu vermitteln. In der gebildeten Gesellschaftsschicht ist weibliche Genitalverstümmelung nach Regierungsangaben kaum verbreitet (AA 5.8.2019).

Statistiken zeigen, dass FGM im Kindesalter erfolgt, wobei 55 % der Frauen angaben, dass sie vor dem Alter von 5 Jahren beschnitten wurden, und 28 %, zwischen 5 und 9 Jahren. Weitere 7 % gaben an, dass sie im Alter von 10 bis 14 Jahren beschnitten wurden. FGM tritt in ländlichen Regionen (79 % der Frauen im Alter von 15-49 Jahren) häufiger auf als in urbanen Gebieten (72%). Allerdings gibt es eine Lücke im Gesetzestext, die genutzt werden kann, um das Gesetz zu umgehen: Der Gesetzestext verbietet nicht ausdrücklich das Schneiden, welches beispielsweise im Senegal durchgeführt wird (EASO 12.2017). FGM bleibt weit verbreitet, da ein Beharren auf dieser „Tradition“ eine wirkliche Verbesserung verhindert (AA 5.8.2019; vgl. EASO 12.2017).

Die Verfassung und das Gesetz schreiben eine obligatorische, gebührenfreie Ausbildung durch die Sekundarstufe vor. Im Rahmen des gebührenfreien Bildungsplans müssen Familien jedoch oft für Bücher, Uniformen, Mittagessen, Schulgeld und Prüfungsgebühren zahlen. Schätzungsweise 75 % der Kinder im Grundschulalter sind an Grundschulen eingeschrieben (USDOS 11.3.2020). Mit dem „Children‘s Act“ wurde 2005 eine umfangreiche Gesetzgebung erlassen, die Kinderrechte und deren Durchsetzung regelt (AA 5.8.2019). Der dem Gesundheitsministerium angegliederte „Social Welfare Service“, der in allen Fragen von Kinderrechten bzw. Kindeswohlverletzungen eingeschaltet werden kann, ist gut organisiert und geht seiner Aufgabe gewissenhaft nach (AA 5.8.2019).

Die Ehe von Kindern unter 18 Jahren ist illegal. Etwa 34 % der Mädchen unter 18 Jahren und 10 % unter dem Alter von 15 Jahren sind verheiratet (USDOS 11.3.2020 vgl. AA 5.8.2019). Die Verheiratung von Minderjährigen wird vor allem im dörflichen Umfeld unter Berufung auf islamische Gesetze praktiziert (AA 5.8.2019). Eine Informationskampagne durch die Regierung soll vor allem im ländlichen Raum die Bevölkerung für das Gesetz sensibilisieren (USDOS 11.3.2020). Das Gesetz sieht eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren wegen sexueller Ausbeutung von Kindern und fünf Jahre wegen Beteiligung an Kinderpornografie vor. Das Mindestalter für einvernehmlichen Geschlechtsverkehr liegt bei 18 Jahren (USDOS 11.3.2020).

Kinderarbeit bleibt, vor allem zur Unterstützung im familiären Bereich, weit verbreitet (AA 5.8.2019). Obwohl Kinderarbeit und Zwangsarbeit illegal ist, sind einige Frauen und Kinder dem Sexhandel, der häuslichen Knechtschaft ausgesetzt. Die Regierung hat in jüngster Zeit verstärkte Anstrengungen unternommen, um gegen den Menschenhandel vorzugehen, unter anderem durch die Schulung von Sicherheitsbeamten und Grenzschutzbeamten zur Identifizierung von Opfern und durch die Bereitstellung besserer Dienstleistungen für die Betroffenen; jedoch waren die Erfolge bescheiden (FH 4.2.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019

-        EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 19.9.2018

-        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Gambia, The, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/gambia, Zugriff 26.11.2019

-        USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 17.3.2020

Grundversorgung

Gambia ist im internationalen Vergleich eines der ärmsten und am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Lediglich ein Drittel der Bevölkerung verfügt über eine garantierte Ernährungssicherheit. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren zwischen 2014 und 2016 über 200.000 Gambier gezwungen, sich auf humanitäre Hilfe zu verlassen (EASO 12.2017). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist v.a. in ländlichen Gegenden nur beschränkt gewährleistet (EASO 12.2017). Das staatliche „Social Welfare Service“ bietet für bedürftige Frauen und Kinder Unterbringung, Nahrung und Kleidung. Nach Angaben der Weltbank sind knapp 40 % der Kinder unter 5 Jahren akut unterernährt. Sozialhilferegelungen etc. bestehen nicht (AA 5.8.2019).

Gambia ist wirtschaftlich schwach. Etwa drei Viertel der Bevölkerung arbeiten in der Landwirtschaft. Familien bauen auch in kleinem Umfang Produkte für den Eigenbedarf an. Viele führen kleine Einzelhandelsgeschäfte (EASO 12.2017).

Die Wirtschaft des Landes ist aufgrund von Rückschlägen abgewürgt (KAS 16.5.2018). Zudem ist die Landwirtschaft anfällig für Überschwemmungen und Dürren (EASO 12.2017). Die schlechte landwirtschaftliche Ernte führte 2016/2017 zu Ausfällen (KAS 16.5.2018). Der Landwirtschaftssektor ist nicht vielfältig genug aufgestellt, 91 % der Landbevölkerung sind Kleinbauern, mehrheitlich durch Subsistenzwirtschaft geprägt. Das Land ist stark importabhängig, praktisch alle Güter des täglichen Gebrauchs werden importiert. Die Preise sind entsprechend hoch (KAS 16.5.2018).

Negativ wirkte sich auch die politische Krise des Jahres 2017 aus. Der jüngste Länderbericht des Internationalen Währungsfonds schätzt, dass die Tourismuseinnahmen im ersten Quartal 2017 aufgrund der politischen Turbulenzen um rund ein Drittel (8,8 Mio. $) gesunken sind (EASO 12.2017) und sich nur zögerlich erholten (KAS 16.5.2018). Die Überweisungen (Geldtransfers) von Auswanderern in ihr Heimatland werden auf rund 10% des BIP geschätzt. Im internationalen Handel haben China und Indien die EU (insbesondere Frankreich und Großbritannien) als Hauptexporteur teilweise abgelöst (EASO 12.2017).

Eine zerstörte Wirtschaft, ausgebeutete Staatsressourcen, eine ineffiziente Infrastruktur, enorme soziale Herausforderungen sowie ein Mangel an Möglichkeiten für die junge Bevölkerung waren die Rahmenbedingungen, unter denen Barrow seine Präsidentschaft angetreten hat (KAS 16.5.2018).

Als Jammeh Anfang 2017 ins Exil nach Äquatorialguinea ging, nahm er Vermögenswerte mit unbekanntem Wert mit (EASO 12.2017). Der systematische Diebstahl von Staatseigentum wurde rückwirkend seit 2014 auf 4 % des BIP jährlich geschätzt (KAS 16.5.2018). Laut Medien sei das Land "fast bankrott". Niedrige Ernteerträge, ängstliche Touristen und Investoren sowie wachsende Staatsverschuldung tragen zur weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation bei (EASO 12.2017). Das Land ist auf finanzielle Unterstützung aus dem Ausland angewiesen. Nach Angaben der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) machten die Hilfen ausländischer Geber 2013 11% des BIP aus (EASO 12.2017). Die externe Schuldenlast beläuft sich auf über 1 Mrd. US-Dollar (20 % des BIP). Aufgrund der Schuldennotlage können keine neuen Investitionen im Land getätigt werden, der Privatsektor erhält auch keinen Zugang zu Krediten auf dem Finanzmarkt. Die Elektrizitätskrise mit mehrmals täglichen Stromausfällen behindert zudem wirtschaftliche Aktivitäten und Investitionen (KAS 16.5.2018).

Ausländische Geber versprachen der Barrow-Regierung finanzielle Unterstützung unter der Bedingung, dass die Entwicklung der Demokratie gefördert und die Menschenrechte geachtet werden (EASO 12.2017).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019

-        EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 20.9.2018

-        KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (16.5.2018): Ein Jahr Demokratie in Gambia, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52476-544-1-30.pdf?180516145500, Zugriff 20.9.2018

Rückkehr

Staatliche Einrichtungen zur Aufnahme von Rückkehrerinnen und Rückkehrern existieren nicht. Rückkehrer werden in der Regel wieder von ihrer (Groß-) Familie aufgenommen. Zwischen der International Organisation of Migration (IOM) und der EU wurde eine Vereinbarung zum Schutz und zur Wiedereinbürgerung von Migranten getroffen (EU-IOM Initiative on Migrant Protection and Reintegration), welche Unterstützung für freiwillig oder zwangsweise zurückgekehrte Gambier vorsieht. Der erhebliche Rückstau bei den Reintegrationsmaßnahmen wegen unerwartet hohen Rückkehrerzahlen v.a. aus Libyen und Anlaufschwierigkeiten des 2017 eingerichteten IOM-Büros konnte seit Mitte 2018 in etwa halbiert werden. Zum Stand März 2019 erhielten knapp 2.500 von insgesamt ca. 4.100 Rückkehrern Reintegrationsunterstützungsmaßnahmen. Des Weiteren gibt es zahlreiche NGOs, die in Gambia tätig sind, hauptsächlich im Grundbildungsbereich (AA 5.8.2019).

Rückkehrer bzw. wiedereingebürgerte Personen unterliegen keiner besonderen Behandlung. Fälle von Misshandlung oder Festnahmen sind nicht bekannt. Bei Rückkehr muss nicht mit staatlichen Maßnahmen aufgrund der Asylantragstellung gerechnet werden. Der „Social Welfare Service“ unterhält eine Einrichtung zur Unterbringung von Minderjährigen, dürfte sich aber eher an Kinder jüngeren Alters richten. Ob eine Unterbringung von abgeschobenen Minderjährigen dort möglich ist, muss im Einzelfall geklärt werden (AA 5.8.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019

Zur COVID-19-Pandemie wird festgestellt:

Die COVID-19-Pandemie ist ein Ausbruch der neu aufgetretenen Atemwegserkrankung COVID-19 (oder „Covid-19“, für englisch corona virus disease 2019; auf Deutsch Coronavirus-Krankheit-2019). Diese Erkrankung war erstmals im Dezember 2019 in der Millionenstadt Wuhan der chinesischen Provinz Hubei auffällig geworden, entwickelte sich im Januar 2020 in China zur Epidemie und breitete sich schließlich weltweit aus. Der Ausbruch wurde durch das bis dahin unbekannte Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelöst.

Mitte Februar wurde eine chinesische Studie veröffentlicht, in der 44.672 bestätigte COVID-19-Fälle untersucht wurden. 81 % der Patienten hatten milde Formen von COVID-19. In etwa 14 % der Fälle verursachte das Virus schwere Krankheitsverläufe mit Lungenentzündung und Dyspnoe. Etwa fünf Prozent der Patienten erlebten Atemstillstand, einen septischen Schock oder Multiorganversagen. In etwa zwei Prozent der Fälle verlief die Krankheit tödlich. Der Studie zufolge erhöht sich das Risiko zu sterben mit dem Alter. Der WHO zufolge gibt es relativ wenige Fälle von erkrankten Kindern. Bei einem leichten Krankheitsverlauf (dem häufigsten Fall) klingen die Krankheitszeichen, sofern überhaupt welche bestehen, laut WHO in der Regel innerhalb von zwei Wochen ab. Bei Menschen mit einem schweren Krankheitsverlauf dauert es zwischen drei und sechs Wochen, bis sie sich von der Krankheit erholen.

[Es] lassen diese Unterschiede in den Statistiken erkennen, dass Vorerkrankungen, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, chronische Atemwegserkrankungen, hoher Blutdruck oder Krebs, das Risiko schwerer Verläufe erhöhen. Nach Angaben des RKI sind nicht nur Ältere und Vorerkrankte, sondern auch Raucher Risikogruppen für einen schweren Verlauf. Des Weiteren können auch junge Menschen zu der Risikogruppe zählen, z. B. bei hohem Body-Mass-Index oder koronarer Herzerkrankung.

Stand 9. April [2020] waren laut WHO 95 % aller in Europa gemeldeten Todesfälle der Altersgruppe über 60 zuzuordnen. Mehr als 50 % dieser Verstorbenen waren über 80 Jahre alt. Eine Untersuchung von Verstorbenen mit positivem COVID-19-Befund in Italien (Stand: 17. März 2020) ergab, dass lediglich 0,8 % dieser Personen keine Vorerkrankung hatten, während 25,1 % eine und 25,6 % zwei Vorerkrankungen hatten. Drei oder mehr Vorerkrankungen wurden bei 48,5 % der Fälle festgestellt. (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/COVID-19-Pandemie)

Der erste Fall von COVID-19 in Gambia wurde am 17. März gemeldet und in der MRC-Abteilung der Gambia-Fachklinik in Fajara behandelt. Schon am selben Tag hat die gambische Regierung eine 14-tägige Quarantäne-Pflicht nach Einreise für Reisende aus Risikogebieten verhängt. Am 19. März wurden Flüge aus 13 besonders schwer betroffenen Ländern ausgesetzt. Dazu zählten 1. Vereinigtes Königreich 2. Spanien 3. Frankreich 4. Polen 5. Deutschland 6. Schweden 7. Dänemark 8. Schweiz 9. Niederlande 10. Norwegen 11. Österreich 12. Belgien 13 Portugal.

Am 24. März 2020 hat die gambische Regierung seine Landgrenze zum Senegal sowie zudem den Luftraum für mindestens 21 Tage weitestgehend geschlossen. Jedoch sind Flüge zur Rückholung von Touristen nach derzeitigem Stand im Einzelfall weiter möglich.

Seit dem 27. März 2020 gilt der Ausnahmezustand in Gambia. Restaurants, Bars, Gebetsstätten und Geschäfte sind geschlossen, Lebensmittelgeschäfte bleiben jedoch geöffnet. Öffentliche Verkehrsmittel dürfen nur noch die Hälfte der grundsätzlich zulässigen Anzahl an Fahrgästen mitnehmen, gleiches gilt auch für Taxis und private Fahrzeuge. Es gilt des Weiteren ein Versammlungsverbot für über fünf Personen. (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/COVID-19-Pandemie_in_Gambia)

Mit 26.07.2020 wurden in Gambia 326 Fälle von Covid-19 bestätigt. Der von der Regierung erklärte nationale Ausnahmezustand ist mit 22.07.2020 ausgelaufen. Dennoch ist das Gesundheitsministerien von Gambia ermächtigt worden, erforderliche Regelungen und Maßnahmen zur Sicherung der öffentlichen Gesundheit umzusetzen, einschließlich Bewegungsbescheinigungen, Grenzschließungen, Einschränkungen von Versammlungen oder Quarantäne. Seit 24.07.2020 besteht eine Verpflichtung, an öffentlichen Orten Mund/ Nasenschutz zu tragen, und die Regierung hat angekündigt, dass diese Verpflichtung umgesetzt werde. (Quelle: https://gm.usembassy.gov/u-s-citizen-services/covid-19-information/)

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der Beschwerdeführer hat weder vor der belangten Behörde noch vor dem Bundesverwaltungsgericht Dokumente, die seine Identität zweifelsfrei belegen hätten können und mit seinen Identitätsangaben übereinstimmen würden, vorgelegt.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus den gleichlautenden und diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers in seinem Asylverfahren in Österreich sowie aus dem Umstand, dass er über entsprechende Sprach- und Ortskenntnisse verfügt.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand sowie zum Familien- und Privatleben einschließlich des Maßes erreichter Integration des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus seinen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben, aus den Aussagen der Zeugen vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus vorgelegten Belegen

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Die Feststellungen über die Gründe, aus denen der Beschwerdeführer den Herkunftsstaat verlassen hat, ergeben sich aus seinen Angaben bei der Erstbefragung, wobei er schlüssig angab, dass er den Herkunftsstaat verlassen habe, um seiner Mutter zu helfen, indem er im Ausland arbeite. Er habe bei einer Rückkehr nichts zu befürchten.

Das erstmals vor dem BFA vorgebrachte gesteigerte Vorbringen über eine Bedrohung durch die Polizei, weil er Zeuge eines durch den Konvoi des früheren Präsidenten Jammeh verursachten Verkehrsunfalls gewesen sei, ist bereits durch die zutreffende Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheids wegen näher dargestellten Plausibilitätsmängeln und Widersprüchen zutreffend als unglaubhaft beurteilt worden. Auch die Aussagen des Beschwerdeführers über den behaupteten Vorfall in der mündlichen Beschwerdeverhandlung waren vage und nicht nachvollziehbar und haben zum Eindruck geführt, dass er ein solches Ereignis tatsächlich nicht erlebt hat, sondern er einen konstruierten Sachverhalt beschreibt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (Ra 2015/19/0189 vom 10.11.2015) ist es auf dem Boden der gesetzlichen Regelung des § 19 Abs. 1 AsylG 2005 weder der Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in den Angaben bei der Erstbefragung zu späteren Angaben einzubeziehen, es bedarf aber sorgsamer Abklärung und auch der in der Begründung vorzunehmenden Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind (ebenso: Ra 2015/18/0090 vom 08.09.2015, mwN.). Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Erstbefragung zwar noch minderjährig, es liegen aber keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er dabei tatsachenwidrig eine Bedrohung durch Polizeikräfte im Herkunftsstaat verschweigen hätte sollen, um bloß wirtschaftliche Motive für seine Ausreise zu nennen und dazu noch anzugeben, er habe im Falle einer Rückkehr nicht zu befürchten. Dieser Widerspruch wird auch durch die auf entsprechenden Vorhalt des BFA bei der Einvernahme am 01.12.2015 getätigte Aussage, der Beschwerdeführer habe bei der Polizei zum Fluchtgrund nur einen Satz sagen können, nicht ausgeräumt, zumal er die Richtigkeit der Niederschrift nach Rückübersetzung bestätigt hatte.

Letztlich ergibt sich aber auch schon allein aus dem Umstand, dass der frühere Präsident Jammeh nach den Präsidentschaftswahlen vom 01.12.2016 die Macht abgegeben hat und in der Folge ins Exil ging, dass eine Bedrohung des Beschwerdeführers durch dessen frühere Sicherheitskräfte nachhaltig unwahrscheinlich ist, da die neue Regierung nach den Länderfeststellungen gegen Menschenrechtsverletzungen der Regierung Jammeh vorgeht.

2.2. Die Länderfeststellungen beruhen auf den zitierten Quellen. Die Verfahrensparteien sind deren Richtigkeit nicht entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 i.d.F. BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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