TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/2 W235 2193249-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.09.2020
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Entscheidungsdatum

02.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W235 2193249-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.03.2018, Zl. 1105529002-160239470, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.07.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 14.02.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 15.02.2016 gab der Beschwerdeführer zunächst zu seiner Person an, dass er iranischer Staatsangehöriger und in Teheran geboren sei. Seine Religion sei der Islam. Der Vater des Beschwerdeführers sei bereits verstorben, seine Mutter, zwei Brüder und sechs Schwestern würden im Iran leben. Er sei vor ca. einem Monat gemeinsam mit seiner minderjährigen, im Jahr 2002 geborenen Tochter ausgereist und über die Türkei, Griechenland, Nordmazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien schlepperunterstützt nach Österreich gelangt. Sein Zielland sei Österreich gewesen, da es sehr sicher sei.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor, vor 30 Jahren aus Afghanistan geflohen zu sein, weil dort Krieg geherrscht habe. Im Iran hätten sie illegal gewohnt und seine Tochter habe nicht in die Schule gehen dürfen. Er habe ständig Angst vor der Polizei gehabt, habe offiziell auch nicht arbeiten dürfen und daher habe er Schwarzarbeit geleistet. Aus diesem Grund sei er mit seiner Tochter aus dem Iran geflüchtet.

1.3. Im Verwaltungsakt befindet sich eine Erklärung des Beschwerdeführers vom 06.10.2017, der zu entnehmen ist, dass er beabsichtigt freiwillig in den Iran zurückzukehren und hierfür die Übernahme der Heimreisekosten beantragt.

Diese Erklärung wurde vom Beschwerdeführer am 14.12.2017 mit der Begründung „Meinungsänderung“ widerrufen. Seine minderjährige Tochter kehrte am XXXX .12.2017 in den Iran zurück.

1.4. Am 28.02.2018 erfolgte eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Farsi. Im Rahmen dieser Einvernahme gab der Beschwerdeführer zunächst an, dass er nicht in medizinischer Behandlung sei und auch keine Medikamente nehme. Auf die Frage, warum er zunächst einen Antrag auf Übernahme der Heimreisekosten für eine freiwillige Rückkehr gestellt und diese wieder widerrufen habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er nicht hier sei, um in den Iran zurückzureisen. Damals habe er nur seine Tochter begleiten wollen, da diese noch minderjährig gewesen sei. Ein Onkel mütterlicherseits (= Schwager des Beschwerdeführers, Bruder seiner Ehefrau) habe seine Tochter unter Druck gesetzt, damit diese zurückkehre. Dieser Onkel heiße XXXX und gehöre zu „ XXXX “, das sei ein religiöses Zentrum. Er habe ein Problem mit dem Beschwerdeführer, nicht jedoch mit dessen Tochter. Der Beschwerdeführer werde nicht freiwillig in den Iran zurückkehren, da sein Leben dort in Gefahr sei. Er sei im Iran konvertiert und „sie“ hätten bei ihm eine Bibel gefunden.

Nunmehr könne der Beschwerdeführer Identitätsdokumente vorlegen, die ihm seine Mutter aus dem Iran geschickt habe. Der Beschwerdeführer sei iranischer Staatsangehöriger, Perser und Christ. Auf Vorhalt seiner Angaben zum Fluchtgrund aus der Erstbefragung gab er an, er sei damals müde gewesen und sei „es“ wahrscheinlich vom Dolmetscher falsch übersetzt worden. Seit dem Jahr 1385 [Anm.: 2006] beschäftige sich der Beschwerdeführer mit dem Christentum und sei am XXXX .09.2017 getauft worden. Da habe er seine erste Taufe bekommen. Die zweite Taufe werde er zu Ostern bekommen. Auf Vorhalt, dass man nur einmal getauft werde, brachte der Beschwerdeführer vor, dass ihm gesagt worden sei, dass er eine erste und eine zweite Taufe bekomme.

Im Iran habe er zuletzt in XXXX mit seiner Frau und seiner Tochter in einem gemieteten Teil eines Hauses gelebt. Sein gesamter Besitz sei ihm von seinem Schwager und seiner Frau weggenommen worden. Wirtschaftliche Gründe seine Heimat zu verlassen, habe der Beschwerdeführer nicht gehabt. Er habe Arbeit, Auto und Wohnung gehabt. Seine Mutter lebe in Teheran und auch seine zwei Brüder und sechs Schwestern seien dort aufhältig. Seinen Angehörigen gehe es gut. Sie hätten die Pension seines Vaters und auch seine Mutter verdiene Geld. Der Beschwerdeführer habe neun Klassen die Schule besucht und danach als Fahrer – entweder mit dem Taxi oder auch mit einem LKW – gearbeitet. Sein letzter Arbeitstag sei der 30.01.2016 gewesen. Der Beschwerdeführer habe 1375 [Anm.: 1996] geheiratet und sich 1393 [Anm.: 2014] scheiden lassen. Zu seinen Angehörigen im Iran habe er keinen Kontakt. Der Beschwerdeführer sei illegal ausgereist und habe für die Schleppung pro Person US $ 2.000,00 bezahlt. Das Geld habe er durch den Verkauf seines Autos und von Ersparnissen gehabt.

Der Beschwerdeführer sei am XXXX .1385 [Anm.: 2006] wegen seines Glaubens festgenommen worden. „Sie“ hätten bei ihm eine Bibel gefunden. Er sei nicht von der Polizei, sondern von Sepah festgenommen worden; nein, es seien Personen von Etela’at gewesen. Er sei neun Tage festgehalten und gefoltert worden. Nur damals sei er verhaftet bzw. inhaftiert gewesen. Gegen den Beschwerdeführer sei kein Gerichtsverfahren anhängig. Er habe den Islam bereits 1385 [Anm.: 2006] verlassen und habe kein Interesse mehr daran ein Moslem zu sein. Der Beschwerdeführer habe von 1393 bis 1394 [Anm.: 2014 bis 2015] „schwarz“ in seinem Land gelebt. Nach seiner Scheidung sei es „das Ende“ gewesen.

Dezidiert zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass sein Leben in Gefahr und die Sepah hinter ihm her gewesen sei. Der Grund sei seine Konvertierung gewesen, die sie mitbekommen hätten. Die Strafe dafür sei die Todesstrafe. Seine Tochter sei bei der Rückkehr am Flughafen auch danach befragt worden, wo sich der Beschwerdeführer befinde. Anfang 1385 [Anm.: 2006] sei er erstmals mit dem Christentum in Kontakt gekommen. Nachdem die Sepah dahinter gekommen sei, dass der Beschwerdeführer konvertiert sei, seien sie drei Monate später gekommen und hätten ihn festgenommen. Sie hätten ihm auch gesagt, dass er dem Wunsch seiner Frau, sich scheiden zu lassen, zustimmen solle. Auf die Frage, wie seine Konvertierung im Iran ausgesehen habe, gab der Beschwerdeführer an, es sei 1373 [Anm.: 1994] gewesen, als er im Militärdienst einen jungen Christen kennen gelernt habe, der ihm viel über das Christentum erzählt habe. Er habe gesagt, dass das Christentum besser als der Islam sei. 1385 [Anm.: 2006] habe der Beschwerdeführer eine Bibel bekommen und nachdem er konvertiert sei, sei er drei Monate später festgenommen worden. Ihm sei ein Haftbefehl vorgelegt worden und habe er sich entscheiden müssen, ob er ins Gefängnis gehe oder seiner Frau die Vollmacht erteile. Bis 1393 [Anm.: 2014] habe er große Angst gehabt und sich gar nichts getraut. Die Frage, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer den Iran zu diesem Zeitpunkt verlassen habe müssen, beantwortete er dahingehend, dass er seiner Tochter das Leben habe retten müssen. Diese sei damals 14 Jahre alt gewesen und von ihrem Onkel stark unter Druck gesetzt worden. Der Onkel habe die Sepah zum Beschwerdeführer in die Wohnung geschickt. Das sei am XXXX .1385 [Anm.: 2006] gewesen. Abgesehen davon habe ihn der Bruder seiner Frau weiterhin bedroht. Er habe gesagt, dass er viele Informationen über den Beschwerdeführer habe und ihn überall im Iran finden könne. Seit 1385 [Anm.: 2006] sei der Beschwerdeführer im Visier seines Schwagers. Seine Frau habe diesem alle Informationen weitergegeben. Bis 1392 [Anm.: 2013] hätten ihm seine Frau und sein Schwager seinen gesamten Besitz weggenommen. Das sei Gold im Wert von 5 Millionen Toman und ein kleines Grundstück gewesen. Zum Beweis lege er seine Scheidungsunterlagen vor.

Nunmehr bekenne sich der Beschwerdeführer zu den Katholiken. Das Oberhaupt sei Papst Franzis, der in Großbritannien im Vatikan lebe. Diesen Zweig des Christentums habe er sich ausgewählt, weil man hier Liebe, Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit bevorzuge. An weiteren Zweigen des Christentums kenne er Protestanten, Johannes und Katholiken. Mit der Taufe gehe die Sünde verloren und man werde rein. Es sei eine Rettung und eine Kontaktmethode mit Vater Gott. Dreifaltigkeit bedeute der Heilige Geist. Seine erste Taufe habe in deutscher Sprache am XXXX .09.2017 in der Kirche XXXX stattgefunden. Auf die Frage, was der Beschwerdeführer im Taufvorbereitungskurs bisher gelernt habe, gab er an, mit der Taufe sei er bevollmächtigt worden, die Kirche zu besuchen, die Lehre des Christentums zu lernen und mit Menschen in Kontakt zu bleiben. Der Taufvorbereitungskurs finde 20 Monate lang jeden Mittwoch von 14 bis 16 Uhr statt. An christlichen Symbolen kenne der Beschwerdeführer Liebe, Treue, Menschlichkeit und das Unterlassen von Sünden. Auf die Frage nach Feiertagen gab der Beschwerdeführer an, am Sonntag um 10:15 Uhr sei der Messbeginn. Auch am Freitag würde er zur Kirche gehen. Die Frage nach den sieben Sakramenten beantwortete der Beschwerdeführer wie folgt: „Es gibt 7 Sakramente. Das erste Sakrament ist, dass man nur einen Gott anbetet. Das 2. ist, dass man Gottes Namen respektiert. Das 3. ist, dass man den Tag Gottes schätzt. Diese Sakramente sagen uns etwas über Gott. Es gibt 4 weitere Sakramente, die uns über die Menschen was aussagen. Tue nicht Unzucht. Töte nicht. Habe ein reines Auge. Erfinde reines Brot.“ Er kenne den Begriff Sakramente und man solle auch keine Sünde machen. Zu Ostern sei die Adventszeit und man faste. Advent sei 40 Tage vor Ostern. Man faste, damit man gereinigt werde. Zu Pfingsten werde die Auferstehung von Jesus gefeiert. Es gebe drei Feierperioden: Weihnachten, Ostern und die Himmelfahrt von Jesus. Auf die Frage nach seinen inneren Beweggründen, weshalb sich der Beschwerdeführer für das Christentum entschieden habe, gab er an, er habe 40 Jahre keine gute Beziehung zu Gott aufbauen können. Der Islam sei eine Religion von Hass, Gewalt und Krieg.

Im Zuge der Einvernahme legte der Beschwerdeführer nachstehende, verfahrensrelevante Unterlagen vor:

?        iranischer Identitätsausweis, Nr. XXXX , lautend auf XXXX , geb. XXXX mit dem Geburtsort Teheran;

?        iranischer Führerschein, Nr. XXXX , lautend auf den Beschwerdeführer;

?        iranische Geburtsurkunde mit denselben Daten wie der Identitätsausweis;

?        Kopie des Identitätsausweises von XXXX sowie Kopie des Identitätsausweises der Ehegattin des Beschwerdeführers, XXXX ;

?        Scheidungsurteil des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin bei einem Gericht in XXXX vom XXXX .04.2014, demzufolge der Beschwerdeführer seiner Ehegattin die Vollmacht erteilt hat, sich scheiden zu lassen und diese dafür im Gegenzug dem Beschwerdeführer zwei Goldmünzen ihrer Mitgift schenkt und auf Unterhalt verzichtet (vgl. hierzu die vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte deutsche Übersetzung; OZ 15);

?        Dokument eines Notariats in XXXX vom XXXX .11.2013, demzufolge die Ehegattin des Beschwerdeführers als „Gestehende“ dem Beschwerdeführer als „Begünstigten“ ihr gesamtes Brautgeld schenkt und auf laufenden und rückständigen Unterhalt verzichtet (vgl. hierzu die vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte deutsche Übersetzung; OZ 15) und

?        Schreiben eines Notars in XXXX an ein Notariat vom XXXX .11.2013 betreffend die Schenkung des Brautgeldes an den Beschwerdeführer durch seine Ehefrau (vgl. hierzu die vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte deutsche Übersetzung; OZ 15)

Ferner finden sich im Verwaltungsakt folgende Schriftstücke:

?        Bestätigung der römisch-katholischen Pfarre XXXX vom XXXX .02.2018, ausgestellt vom Pfarrteamleiter, die zwar an den Beschwerdeführer gerichtet ist, jedoch bestätigt, dass Herr XXXX am XXXX .09.2016 mit dem Katechumenat begonnen hat und am XXXX .07.2017 in einer ersten Stufe in die römisch-katholische Kirche aufgenommen wurde (vgl. AS 87);

?        Seminarbestätigung „Deutsch lernen für AsylwerberInnen – Alpha 1“ vom XXXX .12.2016;

?        Bestätigung des Wohnsitzes in einem Caritas-Quartier von XXXX .03.2016 bis XXXX .09.2016;

?        Bestätigung über die Verrichtung von gemeinnütziger Arbeiten bei der Gemeinde XXXX bei XXXX im Zeitraum Mai 2017 bis Jänner 2018 vom XXXX .02.2018;

?        Empfehlungsschreiben eines Fußballclubs vom XXXX .08.2017 und

?        zwei Empfehlungsschreiben von Privatpersonen vom XXXX .12.2016 und vom XXXX .02.2018

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde ihm unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Weiters wurde gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und unter Spruchpunkt V. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

In seiner Begründung stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass die Identität des Beschwerdeführers feststehe. Er heiße XXXX und sei am XXXX in Teheran geboren. Er sei iranischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Perser an und sei moslemischen Glaubens. Es könne nicht festgestellt werden, dass er jetzt Christ sei. Der Beschwerdeführer habe sich nicht ernsthaft mit christlichen Glaubensinhalten auseinandergesetzt und verfüge über mangelhafte Kenntnisse des christlichen Glaubens. Er sei geschieden und habe eine Tochter, die am XXXX .12.2017 freiwillig in den Iran zurückgereist sei. Der Beschwerdeführer habe neun Jahre lang die Schule besucht und als Taxi- und LKW-Fahrer gearbeitet. Er leide an keiner schwerwiegenden Erkrankung, sei arbeitsfähig und arbeitswillig. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Dass er sich im Iran bereits ernsthaft mit christlichen Glaubensinhalten auseinandergesetzt habe, nach diesen Inhalten gelebt und den christlichen Glauben öffentlich ausgeübt habe, habe nicht festgestellt werden können. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner behaupteten Konversion im Visier iranischer Behörden sei. Er verfüge über Angehörige und über ein soziales Netz. Es hätten keine Umstände festgestellt werden können, die in Österreich auf ein schützenswertes Privatleben hinweisen würden. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf auf den Seiten 15 bis 64 des angefochtenen Bescheides unter Anführung von Quellen Länderfeststellungen zur Lage im Iran.

Der Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid ist zu entnehmen, dass die Identität des Beschwerdeführers aufgrund der Vorlage originaler Identitätsdokumente feststehe. Die Feststellungen zu seiner Person hätten sich auf die glaubhaften und nicht widersprüchlichen Angaben im Verfahren gestützt. Ein Glaubenswechsel zur christlichen Glaubensrichtung habe aufgrund der unschlüssigen und widersprüchlichen Angaben nicht glaubhaft gemacht werden können. Mit näherer Begründung wurde ausgeführt, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers aufgrund zahlreicher unschlüssiger Widersprüche kein Glauben geschenkt werde. Im Widerspruch zu einer ernsthaften Bedrohung stehe, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers in sich unschlüssig sei und er divergierende Aussagen in seinen Einvernahmen getätigt habe. Auch habe der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung angegeben, dem Islam anzugehören und habe seine angebliche Zugehörigkeit zum Christentum mit keiner Silbe erwähnt. Ferner sei er - konkret zum Christentum befragt - nicht in der Lage gewesen, Grundsätzliches darüber zu beantworten. In Zusammenschau sei ein nicht vorhandenes Wissen zu Tage getreten. Die vom Beschwerdeführer nach außen hin gesetzten sichtbaren Aktivitäten – wie der Besuch von Gottesdiensten und das Beten – würden nach Ansicht des Bundesamtes nicht die dargelegten Mängel, welche gegen einen tatsächlichen Glaubens- bzw. Gesinnungswandel sprechen würden, zu kompensieren vermögen. Eine aktuell drohende individuelle konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung durch die iranische Regierung habe nicht glaubhaft gemacht werden können. Da dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat keine Verfolgung drohe, er über familiäre Anknüpfungspunkte verfüge und keine lebensbedrohliche Erkrankung behauptet habe, gehe die Behörde davon aus, dass ihm im Herkunftsstaat auch keine Gefahren drohen würden, die die Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden. Es sei nicht davon auszugehen, dass er im Fall einer Rückkehr in eine ausweglose Lage geraten würde. Es hätten auch keine Gründe erkannt werden können, die einer Rückkehrentscheidung entgegenstünden. Die Feststellungen zum Iran würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides, dass im Fall des Beschwerdeführers eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Grundes nicht gegeben sei. Der Beschwerdeführer nehme in Österreich an kirchlichen Gottesdiensten teil. Er habe sich jedoch nicht in leitender Funktion exponiert und könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass er missionierend tätig sei, was ihm auch aufgrund seiner [nicht] vorhandenen religiösen Kenntnisse betreffend das Christentum nicht möglich sei. Zu Spruchpunkt II. wurde zusammengefasst ausgeführt, dass im Fall des Beschwerdeführers keine Gründe ersichtlich seien, dass er im Fall einer Rückkehr in den Iran in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse einer lebensbedrohenden Gefährdung im Sinne des Art. 2 oder Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Ferner seien die Grundversorgung und die medizinische Versorgung grundsätzlich gewährleistet. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder und arbeitsfähiger Mann, der über seine Mutter und seine Geschwister im Iran verfüge. Weiters wurde zu Spruchpunkt III. festgehalten, dass im Fall des Beschwerdeführers die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG nicht vorlägen. Zu Spruchpunkt IV. führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Angehörigen habe. Auch habe er keine relevanten privaten Anknüpfungspunkte behauptet. Mit näherer Begründung wurde im Zuge der Interessensabwägung ausgeführt, dass das Interesse der Öffentlichkeit an einem geordneten Fremdenwesen überwiege. Daher sei die Rückkehrentscheidung gerechtfertigt. Schließlich wurde unter Spruchpunkt V. festgestellt, dass im Fall der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran zulässig sei und unter Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft des Bescheides festgesetzt.

Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde dem Beschwerdeführer am 29.03.2018 amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 17.04.2018 im Wege seiner damals bevollmächtigten Vertretung Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens in Folge einer mangelhaften Beweiswürdigung, und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Begründend wurde ausgeführt, dass es die Behörde unterlassen habe, auf das individuelle Vorbringen des Beschwerdeführers gewissenhaft einzugehen. Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen gelange man zu dem Ergebnis, dass seitens des Beschwerdeführers Hinweise zur Begründung seines Antrags gegeben seien, welche die Behörde nicht näher hinterfragt habe. Es lasse sich anhand des Einvernahmeprotokolls schließen, dass die Behörde die Situation in ihrem kulturellen Kontext verkenne. Der Beschwerdeführer habe erklärt, etwa im Jahr 2007 zum christlichen Glauben gefunden zu haben. Bereits zuvor habe er seine Religionszugehörigkeit zum Islam nicht als Ausdruck seiner inneren Einstellung empfunden. Aufgrund seiner Konversion sei er drei Monate später festgenommen, gefoltert und geschlagen worden. Durch die zunehmende Gefahrenlage habe es der Beschwerdeführer vermieden, Aufsehen zu erregen bzw. Kontakt zu den Behörden zu haben. Nunmehr bekenne er sich zum christlichen Glauben, habe nach seiner Ankunft im Bundesgebiet am Taufunterricht teilgenommen und sei im September 2017 getauft worden.

4. Mit Schreiben vom 03.09.2018 brachte der Beschwerdeführer im Wege seiner damals bevollmächtigten Vertretung vor, dass er nach Taufvorbereitung am XXXX .05.2018 in der römisch-katholischen Pfarre XXXX getauft wurde und an diesem Tag auch die Erstkommunion sowie die Firmung empfangen habe. Ferner sei er noch vor seiner Taufe aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten. Damit habe sich der Beschwerdeführer gegenüber der islamischen Glaubensgemeinschaft „geoutet“ und sei davon auszugehen, dass der Glaubensabfall des Beschwerdeführers den iranischen Behörden bekannt sei.

Im Zuge des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht legte der Beschwerdeführer die nachstehenden Unterlagen vor:

?        undatiertes Blatt, demzufolge „ XXXX “ am XXXX .05.2018 getauft wurde, die Erstkommunion erhalten hat und gefirmt wurde;

?        Anzeige des Austritts aus der islamischen Glaubensgemeinschaft bei der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom XXXX .04.2018;

?        Taufscheinrückseite mit Bestätigung der Firmung am XXXX .05.2018 durch die römisch-katholische Pfarre XXXX ;

?        Taufschein vom XXXX .05.2018, ausgestellt am selben Tag von der Pfarre XXXX mit der Zahl XXXX und

?        Bestätigung für den Beschwerdeführer, geb. XXXX , des Pfarrteamleiters der Pfarre XXXX vom XXXX .04.2018, der zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer seit XXXX .09.2016 im Katechumenat ist, am XXXX .07.2017 seine Aufnahme ins Katechumenat gefeiert wurde und nun nach zweieinhalb Jahren Vorbereitung um das Sakrament der Taufe bittet

5. Am 28.07.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Farsi statt, an der der Beschwerdeführer und sein Vertreter teilnahmen. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist nicht erschienen; das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat bereits mit Beschwerdevorlage auf die Teilnahme an einer Verhandlung verzichtet. Bereits mit der Ladung wurden den Verfahrensparteien die Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes zur aktuellen Situation im Iran zur Kenntnis gebracht.

Eingangs der Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er gesund sei, sich nicht in medizinischer Behandlung befinde und keine Medikamente nehme. Die Niederschriften der Erstbefragung und der Einvernahme vor dem Bundesamt seien ihm nicht rückübersetzt worden. Das Geburtsdatum und die Staatsangehörigkeit seien falsch aufgenommen worden. „Sie“ hätten ihm gesagt, dass alle seine Aussagen richtig protokolliert worden seien und die Protokolle seien ihm zur Unterschrift vorgelegt worden. Er habe die Wahrheit gesagt, aber in den Protokollen seien Fehler. Es sei niedergeschrieben worden, dass er in Afghanistan geboren sei. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt sei ein pashtunisch-sprechender Dolmetscher gewesen, der die Angaben des Beschwerdeführers nicht richtig übersetzt habe. Er habe angegeben, dass seine Tochter Angst vor Tieren habe, aber im Protokoll stehe, sie habe Angst vor Männern. Daher sei die Frage gestellt worden, wenn seine Tochter Angst vor Männern habe, wie habe sie dann die Reise durchgestanden? Auf Vorhalt, dass es bei diesem Absatz nicht generell um „Männer“, sondern um einen bestimmten Mann – nämlich den Schwager des Beschwerdeführers (= Bruder seiner Frau bzw. Onkel der Tochter) - gehe, brachte der Beschwerdeführer vor, dass seine Farsi-Übersetzung der Niederschrift nicht von einem Dolmetscher angefertigt worden sei, sondern von einem Freund. Sonst wolle er keine Angaben zum Verfahren vor dem Bundesamt machen.

Seine Daten würden stimmen. Er habe seine nationale Identitätskarte, seine Geburtsurkunde und seinen Führerschein dem Bundesamt im Original vorgelegt. Diese Dokumente habe ihm seine Mutter nach seiner Ausreise per Post nachgeschickt. Vor seiner Ausreise aus dem Iran habe sich seine Frau offiziell aufgrund der vom Beschwerdeführer abgegebenen Vollmacht scheiden lassen. Hier lebe er alleine. Der Beschwerdeführer habe eine Tochter. Er sei iranischer Staatsangehöriger, Perser und Christ. Probleme aufgrund seiner persischen Volksgruppenzugehörigkeit habe er im Iran nicht gehabt. Zu den mit der Ladung übermittelten Länderberichten des Bundesverwaltungsgerichtes zur Lage im Iran gab der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers an, dass er zur Abgabe einer Stellungnahme keinen Auftrag erhalten habe. Der Beschwerdeführer selbst brachte vor, dass er keine Stellungnahme abgeben wolle, wenn dies nicht verpflichtend sei.

Der Vater des Beschwerdeführers sei bereits verstorben. Seine Mutter, seine zwei Brüder und seine sechs Schwestern würden in Teheran leben. Seine Ex-Frau und seine Tochter würden in XXXX leben. Von 1392 bis 1393 [Anm.: 2013 bis 2014] habe der Beschwerdeführer bei seiner Mutter in Teheran gelebt. Ab diesem Zeitpunkt bis zu seiner Ausreise habe er als LKW-Lenker gearbeitet, sei auf der Flucht gewesen und habe im LKW geschlafen. Der Beschwerdeführer sei in Teheran geboren und im Alter von ca. drei Jahren nach XXXX übersiedelt. Er habe telefonischen Kontakt zu seiner Mutter und zu seinem jüngeren Bruder; das letzte Mal sei vor ein paar Tagen gewesen. Zu seine Ex-Frau und Tochter habe der Beschwerdeführer keinen Kontakt; seine Tochter wolle keinen Kontakt mehr, da er konvertiert sei. Der Beschwerdeführer habe neun Klassen die Schule besucht und danach verschiedene Berufe ausgeübt. Er habe zwei, drei Jahre als Koch, als LKW- sowie Taxifahrer und auch als Einkäufer gearbeitet. Durch seine Berufe habe er seinen Lebensunterhalt verdient. Seine finanzielle Lage im Iran sei nicht schlecht gewesen. Er habe auch ein Baugrundstück und Schmuck gehabt; diese habe ihm jedoch seine Ex-Frau weggenommen. An weiteren Verwandten habe er noch einen Onkel mütterlicherseits und sechs Tanten mütterlicherseits samt Kindern.

Zu seiner Integration in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er in Österreich keine Verwandten habe. Er habe auch keine Freundin. Beim XXXX habe er einen Alphakurs absolviert. Für den A1-Kurs habe er sich angemeldet, aber keinen Kurs bekommen. Er könne soweit Deutsch, dass er seine Sachen – wie beispielsweise Einkäufe – selbst erledigen könne. Für Amtswege benötige er einen Dolmetscher. Der Beschwerdeführer werde von der Caritas betreut und lebe von der Grundversorgung. Vor der Corona-Krise habe er freiwillig 22 Stunden im Monat bei der Gemeinde gearbeitet; auch habe er sich bei einigen Geschäften erkundigt, ob er für 22 Stunden im Monat arbeiten könne; mehr Stunden dürfe er nicht machen. Sechs Monate lang habe der Beschwerdeführer auch bei „ XXXX “ gearbeitet. Hierfür habe er keine Entlohnung bekommen, sondern sogar seine Reisekosten selbst bestreiten müssen. Daher habe er dort auch nicht weiter gearbeitet. In Österreich würde der Beschwerdeführer jede Tätigkeit annehmen, wenn er ein Aufenthaltsrecht bekäme. Einmal in der Woche habe er auch das Sprachcafé besucht und sich dort mit Österreichern getroffen bzw. unterhalten. Außer seinen freiwilligen Tätigkeiten bei der Gemeinde sei er auch in der Kirchengemeinde tätig gewesen. Der Beschwerdeführer habe Reinigungsarbeiten durchgeführt. Er habe viele Freunde in seiner Kirche und verstehe sich auch gut mit der Nachbarschaft. Der Beschwerdeführer sei sehr froh in Österreich zu sein und fühle sich hier wohl. Im Gegensatz zum Iran gebe es in Österreich Sicherheit, Gerechtigkeit und Wohlstand.

Im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters legte der Beschwerdeführer nachstehende Unterlagen vor:

?        Taufschein vom XXXX .05.2018 (Tag der Taufe), ausgestellt am XXXX .06.2018 von der Pfarre XXXX mit der Zahl XXXX Beilage ./1);

?        Bestätigung der Pastoralassistentin der römisch-katholischen Pfarre XXXX vom XXXX .07.2020, der zufolge der Beschwerdeführer seit 2016 am Katechumenat teilnahm und im Mai 2018 in XXXX getauft sowie gefirmt wurde, ferner besucht er die Gottesdienste und andere Veranstaltungen der Pfarre (Beilage ./2) und

?        Bestätigung des „ XXXX “ über eine ehrenamtliche Tätigkeit des Beschwerdeführers vom 07.12.2018 (Beilage ./3)

Zu seinen Reisebewegungen befragt, gab der Beschwerdeführer an, er habe den Iran am XXXX .02.2016 verlassen. Zu den Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen und zusammengefasst vor, er habe im Jahr 1373 [Anm.: 1994] während seines Militärdienstes einen Christen kennengelernt, der das Christentum gelobt und gesagt habe, das Christentum sei besser als der Islam. Das habe den Beschwerdeführer interessiert. Er habe von dem Christen auch eine Bibel in Farsi erhalten, die er sieben oder acht Jahre versteckt und manchmal darin gelesen habe. Eines Tages habe seine Ehefrau die Bibel gefunden und ihrem Bruder davon berichtet. Seit damals sei sein Schwager sein Erzfeind. Der Schwager habe beschlossen, dem Beschwerdeführer die Frau und die Tochter wegzunehmen, was ihm auch gelungen sei. Mit Unterstützung seiner Freunde in den Revolutionsgarden habe der Schwager den Beschwerdeführer dazu gezwungen, seiner Frau eine Scheidungsvollmacht zu erteilen. Im Jahr 1385 [Anm.: 2006] sei der Beschwerdeführer durch die Freunde seines Schwagers bei den Revolutionsgarden festgenommen und 15 Tage gefoltert worden. Seit dieser Zeit habe er keine „normale“ Ehe mehr geführt. Nach „Vollstreckung“ der Vollmacht hätten ihm seine Frau und ihr Bruder sein Baugrundstück und Schmuck weggenommen. Dann hätten sie ihn erneut bei Gericht angezeigt. Diese Anzeige habe er dem Bundesamt vorgelegt. Ab 1392 [Anm.: 2013] sei er gezwungen gewesen, zu seiner Mutter nach Teheran zu ziehen. Danach habe er auch angefangen auf einem LKW zu arbeiten. Er habe keinen festen Wohnsitz gewollt, damit „sie“ ihn nicht finden könnten. Ein Jahr habe er im LKW verbracht. Auf Vorhalt, vor dem Bundesamt habe er ausgesagt, dass nicht seine Ehefrau, sondern die Basiji die Bibel gefunden hätten, gab der Beschwerdeführer an, er habe dort auch gesagt, dass seine Frau ihren Bruder über das Versteck der Bibel informiert habe und dieser die Mitglieder der Revolutionsgarden beauftragt habe, zu ihm nach Hause zu kommen und die Bibel zu finden. Auf weiteren Vorhalt, er habe vor dem Bundesamt angegeben, neun (und nicht 15) Tage gefoltert worden zu sein, brachte der Beschwerdeführer vor, es seien 15 Tage gewesen.

Zwischen 1385 und 1390 [Anm.: 2006 und 2011] habe der Beschwerdeführer zwar weiter mit seiner Gattin gelebt, aber es sei keine „normale“ Ehe gewesen. Seine Frau sei höchstens einmal pro Woche bei ihm gewesen und sonst bei ihrem Bruder. Obwohl ihr der Beschwerdeführer die Aussteuer bereits bezahlt habe, habe sie ihn mit der Vollmacht unter Druck setzen und ihm sein Baugrundstück und seinen Schmuck wegnehmen wollen. 1390 [Anm.: 2011] habe sie die Anzeige erstattet, die er dem Bundesamt vorgelegt habe. Damals 1391 [Anm.: 2012] sei er mit seiner Tochter nach Teheran übersiedelt. Danach sei es seiner Ex-Frau gelungen mit Hilfe ihres Bruders und Bestechung des Richters ein Urteil gegen den Beschwerdeführer zu erlangen. Dieses habe er auch vorgelegt. Seit Ausstellung des Urteils sei es gefährlich für den Beschwerdeführer gewesen. Nur im Jahr 1385 [Anm.: 2006] sei er festgenommen worden. Drei Personen seien zu ihm nach Hause gekommen, hätten seine Augen verbunden, ihn gefesselt und die Wohnung durchsucht. Dabei hätten sie durch die Hinweise seiner Frau die Bibel gefunden. Dann hätten sie ihn zu einem Stützpunkt der Revolutionsgarden, der von den Basiji verwendet werde, gebracht. Nach 1385 [Anm.: 2006] hätten „sie“ zwar nach dem Beschwerdeführer gesucht, aber er sei nicht zu Hause gewesen. Er sei die ganze Zeit mit dem Auto unterwegs gewesen.

Auf Vorhalt, aus den Scheidungsunterlagen gehe hervor, dass ihm seine Ehegattin zwei Goldmünzen für die Scheidung aus der Mitgift geschenkt habe und, dass er als „Begünstigter“ bezeichnet werde; ferner habe ihm seine Frau das Brautgeld geschenkt und auf Unterhalt verzichtet, gab der Beschwerdeführer an, es gebe eine notarielle Urkunde, dass er alles seiner Frau übergeben habe. Es gebe auch ein Gerichtsurteil und eine Anzeige. Nach Durchsicht der Dokumente gab der Dolmetscher an, das sei ein Scheidungsurteil und die zwei Goldmünzen seien keine Mitgift, sondern bedeute, dass die Frau auf zwei Goldmünzen verzichtet habe. Wenn in der Übersetzung „schenken“ stehe, sei damit „Verzicht“ gemeint.

Ca. einen Monat nach seiner Ankunft in Österreich habe der Beschwerdeführer vom Heimleiter Informationen über Kontakte zur Kirche haben wollen und dieser habe ihm ein paar Monate später eine Lehrerin aus der Kirche vorgestellt, bei der er ab 2016 ca. eineinhalb Jahre lang einen Vorbereitungskurs gemacht habe. Dieser habe zweimal pro Woche stattgefunden und der Beschwerdeführer habe auch an den Messen teilgenommen. Am XXXX .05.2018 sei er getauft worden. Er sei zum Katholizismus konvertiert, weil Jesus Christus wegen unserer Sünden gekreuzigt worden sei. Bei den Protestanten würden Jesus Christus und die Heilige Maria nicht anerkannt werden. In der Taufvorbereitung habe er über das Leben von Jesus Christus, über seine Geburt, die Verkündung des Evangeliums, seine Kreuzigung und seine Auferstehung gelernt. Ferner über die Menschlichkeit und die Nächstenliebe. Der Beschwerdeführer besuche die Messe; diese bestehe aus vier Teilen. Der erste Teil sei die Eröffnung, der zweite Teil das Wort Gottes, im dritten Teil werde Brot und Wein geheiligt und der vierte Teil sei die Predigt und Entlassung. Brot und Wein werde geheiligt, bedeute, dass man vom Leib und Blut des Jesus Christus etwas bekomme. Die drei wichtigsten Feste seien Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Sein „Lieblingsheiliger“ sei der Heilige Johannes. Er sei einer der Jünger von Jesus gewesen und habe einen Teil der Bibel geschrieben. Nach seiner Firmung befragt gab der Beschwerdeführer an, dass die Firmung eines der sieben Sakramente sei. Durch die Firmung bekomme das Blut Jesus Christus beim letzten Mahl. Nachdem er Christ geworden sei, sei er in der Lage bessere Beziehungen aufzubauen. Er habe mehr Hoffnung und das Gefühl der Sicherheit. Er wisse, dass er von Jesus Christus unterstützt werde.

Auf die Fragen seines rechtsfreundlichen Vertreters gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass Jesus Christus zur Herrschaftszeit von Pilatus und Penetus im 33. Lebensjahr gekreuzigt worden sei. Es seien noch andere mit ihm gekreuzigt worden, aber an die Geschichte dazu könne sich der Beschwerdeführer nicht erinnern. An die zwei Diebe, die gekreuzigt worden seien, könne er sich nicht erinnern. Jesus habe Wasser in Wein umgewandelt. Das sei bei einer Hochzeit gewesen, wo er zehn Fässer Wasser in Wein umgewandelt habe. Außer Wasser habe er noch Brot und Fisch für ein paar Tausend Leuten zu Essen gegeben. Auch habe er Elias, den Bruder von Maria, wieder lebendig gemacht. Weiters habe Jesus einen blinden, alten Mann wieder zum Sehen verholfen. Befragt nach dem Gleichnis vom verlorenen Sohn gab der Beschwerdeführer an, es seien zwei Brüder gewesen, die sich vom Vater getrennt hätten. Einer sei erfolgreich gewesen, der andere nicht. Der verlorene Sohn sei wieder zum Vater gegangen. Daran, was der Vater gemacht habe, könne er sich nicht erinnern. Der Beschwerdeführer kenne das Glaubensbekenntnis, das „Vater Unser“ und das „Gegrüßet seiest du Maria“. Ostern sei Auferstehungstag. 40 Tage vor dem Osterfest würden die kirchlichen Messen beginnen. Am 25.12. sei der Geburtstag von Jesus Christus. Auf die Frage nach dem Palmsonntag gab der Beschwerdeführer an, dass nach dem Palmsonntag der Advent komme. Am Palmsonntag sei Jesus auf einem Esel in Jerusalem eingeritten. Am Karfreitag sei Jesus Christus gekreuzigt worden. Am Donnerstag sei er in einem Garten festgenommen worden. Beim letzten Abendmahl seien die zwölf Jünger dabei gewesen. Judas sei die Person, die Jesus für 30 Silbermünzen verraten habe. Auf die Frage nach dem Hahn in diesem Zusammenhang, gab der Beschwerdeführer an, dass er den Zusammenhang nicht wisse. Nach Zitierung „Ehe der Hahn dreimal kräht…“ durch den Vertreter und die Frage, wie es weitergehe, antwortete der Beschwerdeführer, dass er dies nicht wisse. Auf die Frage, was bei der Gefangennahme von Jesus passiert sei und, dass ein Jünger dabei gewesen sei, gab der Beschwerdeführer an, dass er nicht wisse, was bei der Festnahme passiert sei. Die Zeit vor dem Geburtstag von Jesus Christus heiße Adventszeit. Die Adventszeit gebe es, weil „wir“ am Sonntag an der kirchlichen Messe teilnehmen würden. Jesus sei mit dem Befehl von Pinitus und Pilatus in Jerusalem festgenommen und um 9 Uhr gekreuzigt worden. Pinitus und Pilatus seien zwei Personen. Auf die Frage des rechtsfreundlichen Vertreters, warum es zwei Personen seien, gab der Beschwerdeführer an: „Es waren zwei Personen. Es handelt sich um eine Person, aber er hat zwei Namen.“ Herodes sei der Herrscher gewesen, als Jesus Christus geboren worden sei. Der Name Barnabas sage ihm nichts. Auch die Heiligen Drei Könige würden ihm nichts sagen. Auf Nachfrage brachte der Beschwerdeführer vor, es seien drei römische Kaiser gewesen und er könne sich jetzt nicht konzentrieren. Jesus Christus sei in Jerusalem bestattet worden. Die Frage, wie das Grab ausgesehen habe, beantwortete der Beschwerdeführer wörtlich mit: „Ich weiß, dass er in Jerusalem bestattet und begraben wurde. Durch zwei Personen wurde er begraben.“ Ein wichtiger Unterschied zwischen Christentum und Islam sei, dass im Christentum die Gläubigen als Menschen und Söhne Gottes angesehen würden und nicht wie im Islam als Sklaven. Nächstenliebe sei für ihn sehr wichtig und das Christentum zeige dem Beschwerdeführer den Lebensweg. Alleine das Leben von Jesus Christus sei für ihn beispiellos. Dadurch, dass der Beschwerdeführer das Lebenswerk von Jesus Christus kennengelernt habe, denke er ständig an ihm und das gebe ihm Hoffnung weiterzuleben. Auch habe der Beschwerdeführer bereits moslemische Freunde in Österreich zur Messe in die Kirche mitgenommen. Der Beschwerdeführer würde bis zum Ende seines Lebens Christ bleiben und werde vom Christentum nicht abkommen. Er habe bereits vor seiner Ausreise im Iran seinen Freunden von seinem christlichen Glauben erzählt und werde dies auch bei der Rückkehr tun. Festgehalten wird, dass der Beschwerdeführer in eigenen Worten die Zehn Gebote und die Sakramente sinngemäß nennen konnte. Weiters konnte er Teile des Glaubensbekenntnisses sowie das „Vater Unser“ und das „Gegrüßet seiest du Maria“ in Farsi auswendig aufsagen.

In der Folge wurde Hochschulseelsorger Mag. XXXX , geb. XXXX , als Zeuge einvernommen. Dieser gab im Wesentlichen an, dass er den Beschwerdeführer in seiner Tätigkeit als Seelsorger im Pfarrverband XXXX als regelmäßigen Gottesdienstbesucher kenne. 2018 habe er ihm das Sakrament von Taufe und Firmung gespendet. Der Zeuge sei überzeugt, dass der Beschwerdeführer Vieles aus den in deutscher Sprache gehaltenen Gottesdiensten nicht verstehe, jedoch im Wesentlichen den Zügen des Gottesdienstes folgen könne. Die Vorbereitung des Beschwerdeführers auf die Taufe sei nicht durch den Zeugen erfolgt. Im Pfarrverband werde das Katechumenat auch in Farsi angeboten und bei der Taufvorbereitung des Beschwerdeführers durch die Pastoralassistentin sei ein Farsi-Dolmetscher dabei gewesen. Auf Vorhalt, es seien zwei Taufscheine vorgelegt worden, einer vom XXXX .05.2018 mit dem Datum der Taufe am XXXX .05.2018 und ein zweiter vom XXXX .06.2018 mit dem Datum der Taufe am XXXX .05.2018, gab der Zeuge an, dies sei merkwürdig. Seiner Erinnerung nach sei die Taufe im Mai gewesen. Es könne sein, dass es ein formaler Fehler sei. Wahrscheinlich sei man im Nachhinein draufgekommen, dass bei der Erstausstellung am XXXX .05.2018 das Datum falsch mit XXXX .05.2018 im Taufschein vermerkt worden sei und sei danach der Taufschein erneut mit dem korrekten Datum XXXX .05.2018 ausgestellt worden. Auf die Frage des rechtsfreundlichen Vertreters nach der inneren Zuwendung zum Christentum bzw. zur Abwendung vom Islam gab der Zeuge an, er schließe aus der regelmäßigen Teilnahme an den Gottesdiensten, dass es eine aktive Zuwendung und Glaubenspraxis gebe. Ein zentraler Punkt der Glaubenspraxis des Beschwerdeführers scheine dem Zeugen die Hinwendung zu einem liebenden Gott, der sich in Jesus Christus erschlossen habe und Mensch geworden sei, zu sein, was sich auch im sozialen Dienst des Beschwerdeführers erschließe. Die Haupttätigkeit des Zeugen sei die des Hochschulseelsorgers im Dienst des Pfarrverbandes XXXX . Das heiße, er sei dort nicht Pfarrer, der regelmäßigen Pfarrdienst ausübe, sondern beschränke sich sein Dienst auf die Feier der Gottesdienste. In der pastoralen Tätigkeit werde er von einem Diakon und von einer Pastoralassistentin unterstützt. Der Zeuge habe zwar Erfahrung in der Begleitung von Katechumenen auf die Taufe, allerdings eher im studierenden Bereich. Beim Katechumenat gehe es um Wissensvermittlung. Es gehe darum, dass es unter einem Jahr nicht möglich sei, ein Katechumenat zu absolvieren. Die Entscheidung der Aufnahme in das Katechumenat falle nach einer Vorstufe, in der der spätere Katechumene seinen Wunsch bekunde, dort aufgenommen zu werden. Dann werde er in einem persönlichen Gespräch über den weiteren Weg informiert und in der Folge in das Katechumenat aufgenommen. Es komme durchaus vor, dass Katechumenenbewerber auch abgelehnt würden. Auch gebe es von beiden Seiten Abbrüche im Zeitraum der Vorbereitung auf die Taufe. Grundsätzlich könne man schon davon ausgehen, dass eine Person, die das Katechumenat absolviert habe und getauft worden sei, alles getan habe, um die innere Umkehr und Zuwendung zum Christentum darzulegen, obwohl man natürlich immer mehr machen könne.

Abschließend brachte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers vor, dass auf Basis der aktuellen Länderberichten zum Iran festzuhalten sei, dass anerkannte religiöse Minderheiten im Iran diskriminiert und konvertierte Christen verfolgt würden. Nach Zitierung von Teilen der Länderberichte der Staatendokumentation wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer als Rückkehrer in Gefahr sei, da seine Konversion durch das Auffinden einer Bibel bekannt sei. Insbesondere seien seine vormalige Ehefrau, sein Schwager und seine zurückgereiste Tochter in Kenntnis der Konversion. Zugleich habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass er seinen Glauben im Iran weiter willig und freudig ausleben werde und auch beabsichtige, missionierend tätig zu sein, da er bereits im Bundesgebiet seinen islamischen Freunden christliche Religion ans Herz gelegt habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger des Iran und Zugehöriger der Volksgruppe der Perser. Er wurde in der iranischen Hauptstadt Teheran geboren und übersiedelte im Alter von ca. drei Jahren nach XXXX , wo er in weiterer Folge lebte. Der Beschwerdeführer ist geschieden und Vater einer im Jahr 2002 geborenen Tochter. Anfang Feber 2016 verließ der Beschwerdeführer mit seiner damals minderjährigen Tochter den Iran und stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 14.02.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Die mitgereiste (damals) minderjährige Tochter des Beschwerdeführers kehrte am XXXX .12.2017 alleine freiwillig in den Iran zurück und lebt aktuell mit ihrer Mutter (= geschiedene Ehefrau des Beschwerdeführers) in XXXX . In Teheran leben die Mutter, zwei Brüder und sechs Schwestern des Beschwerdeführers. Zu seiner Mutter und zu seinem jüngeren Bruder hat der Beschwerdeführer regelmäßigen Kontakt.

1.1.2. Nicht als Sachverhalt zugrunde gelegt werden sämtliche Angaben des Beschwerdeführers zur behaupteten Bedrohungssituation in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran. Insbesondere wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer bereits im Jahr 1994 im Zuge seines Militärdienstes mit dem Christentum in Kontakt gekommen und ab diesem Zeitpunkt regelmäßig in der Bibel gelesen hat. Ebenso wenig wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2006 wegen des Besitzes einer Bibel von seiner damaligen Ehegattin an ihren Bruder verraten und von dessen Freunden bei den Revolutionsgarden festgenommen und gefoltert wurde. Nicht festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer im Iran aufgrund eines Interesses am Christentum und/oder wegen des Besitzes einer Bibel einer konkreten Verfolgung bzw. Bedrohung von Seiten des iranischen Staates bzw. von Seiten staatlicher Behörden ausgesetzt ist. Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vorbringen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer am XXXX .05.2018 in der Pfarre XXXX nach römisch-katholischem Ritus getauft und gefirmt wurde. Der Beschwerdeführer besucht die Gottesdienste und andere Veranstaltungen dieser Pfarre. Nicht festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert ist. Bei der behaupteten Konversion des Beschwerdeführers handelt es sich um eine Scheinkonversion.

Nicht festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in den Iran aus Gründen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Perser einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt wäre. Ebenso wenig wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Iran aus sonstigen, in seiner Person gelegenen Gründen (etwa wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung) einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt wäre. Auch eine drohende asylrelevante Verfolgung aus anderen Gründen ist nicht hervorgekommen und zwar weder aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers noch aus amtswegiger Wahrnehmung.

1.1.3. Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schwerwiegenden psychischen noch an einer schwerwiegenden physischen Krankheit. Ferner gehört er keiner Risikogruppe in Zusammenhang mit COVID-19 an. Die COVID-19 Pandemie stellt für den Beschwerdeführer kein „real risk“ im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat dar.

Abgesehen von seiner Mutter, seiner Tochter und seinen acht Geschwistern verfügt der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat noch über einen Onkel und sechs Tanten mütterlicherseits samt Kindern. Der Beschwerdeführer verfügt über eine gesicherte Existenzgrundlage im Iran. Im Iran hat er neun Jahre lang die Schule besucht, danach zwei bis drei Jahre als Koch und in weiterer Folge als LKW- sowie Taxifahrer und auch als Einkäufer gearbeitet. Durch diese Berufe konnte der Beschwerdeführer im Iran seinen Lebensunterhalt verdienen. Festgestellt wird sohin, dass der Beschwerdeführer über eine neunjährige Schulbildung sowie über Berufserfahrung verfügt und arbeitsfähig ist sowie, dass er im Fall seiner Rückkehr in den Iran ein familiäres- bzw. soziales Netz vorfinden und sohin nicht in eine existenzgefährdende Lage geraten würde.

Nicht festgestellt wird, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerde-führers in den Iran eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

1.1.4. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. Er lebt seit Antragstellung am 14.02.2016 auf der Grundlage einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz in Österreich. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht ist nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig erwerbstätig, sondern lebt seit der Antragstellung von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Im Zeitraum 2017 bis 2018 hat der Beschwerdeführer bei der Gemeinde XXXX gemeinnützige Arbeiten verrichtet und war auch im „ XXXX “ ehrenamtlich tätig. In Österreich hat er den Deutschkurs „Deutsch lernen für AsylwerberInnen – Alpha 1“ besucht und versteht ein wenig Deutsch, ist jedoch nicht in der Lage, sich auch aktiv in Deutsch zu verständigen. Der Beschwerdeführer verfügt über keine verwandtschaftlichen Beziehungen zu einem österreichischen Staatsangehörigen oder zu einem dauerhaft aufenthaltsberechtigten Fremden, hat jedoch einen Freundes- bzw. Bekanntenkreis in Österreich.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor. Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

1.2. Zur Lage im Iran:

1.2.1. Politische Lage:

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution" [auch Oberster Rechtsgelehrter, Oberster Führer oder Revolutionsführer], Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt (AA 15.2.2019a, vgl. BTI 2018, ÖB Teheran 12.2018) und kann diesen theoretisch auch absetzen (ÖB Teheran 12.2018). Das Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“ (GIZ 3.2019a).

Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani, wiedergewählt: Mai 2017). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 3.2019a).

Der Revolutionsführer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC) inklusive der mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 12.2018). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel (AA 12.1.2019).

Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Islamische Beratende Versammlung oder Majles, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 12.2018).

Der Wächterrat (12 Mitglieder, sechs davon vom Obersten Führer ernannte Geistliche, sechs von der Judikative bestimmte Juristen) hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch insgesamt wesentlich mächtiger als ein westliches Verfassungsgericht. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei Wahlen (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 15.2.2019a, FH 4.2.2019, BTI 2018). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 3.2019a).

Der Expertenrat wählt und überwacht den Revolutionsführer auf Basis der Verfassung. Die 86 Mitglieder des Expertenrats werden alle acht Jahre vom Volk direkt gewählt. Für die Zulassung der Kandidaten ist der Wächterrat zuständig (WZ 11.1.2017).

Der Schlichtungsrat besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Er hat zum einen die Aufgabe, im Streitfall zwischen verschiedenen Institutionen der Regierung zu vermitteln, zum anderen hat er festzustellen, was die langfristigen "Interessen des Systems" sind. Diese sind unter allen Umständen zu wahren. Der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 3.2019a).

Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 3.2019a, vgl. AA 15.2.2019a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 12.1.2019). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 3.2019a, vgl. AA 15.2.2019a). Am 26. Februar 2016 fanden die letzten Wahlen zum Expertenrat und die erste Runde der Parlamentswahlen statt. In den Stichwahlen vom 29. April 2016 wurde über 68 verbliebene Mandate der 290 Sitze des Parlaments abgestimmt. Aus den Wahlen gingen jene Kandidaten gestärkt hervor, die das Wiener Atomabkommen und die Lockerung der Wirtschaftssanktionen nach dem "Implementation Day" am 16. Januar 2016 unterstützen. Zahlreiche Kandidaten waren im Vorfeld durch den Wächterrat von einer Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen worden. Nur 73 Kandidaten schafften die Wiederwahl. Im neuen Parlament sind 17 weibliche Abgeordnete vertreten (AA15.2.2019a).

Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und aussortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH 4.2.2019). Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Die Wahlen an sich liefen im Prinzip frei und fair ab, unabhängige Wahlbeobachter waren aber nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 12.1.2019).

Die Erwartung, dass durch den 2015 erfolgten Abschluss des Atomabkommens (JCPOA) Reformkräfte im Iran gestärkt würden, hat sich in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt. Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz Teheran an das Lager der Reformer. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen "unislamisches" oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher auch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt Ende 2017 war die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte, was im ersten Halbjahr 2018 zu einer signifikanten Reduktion der vollstreckten Todesurteile (-60%) führte. Jedoch gab es 2018 mit der Einschränkung des Zugangs zu unabhängigen Anwälten in "politischen" Fällen und der zunehmenden Verfolgung von Umweltaktivisten auch zwei eindeutig negative Entwicklungen (ÖB Teheran 12.2019).

Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt und unterstützen im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems angesiedelten Präsidenten Rohani (AA 12.1.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (15.2.2019a): Innenpolitik;

?        AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran;

?        BTI – Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report – Iran;

?        FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran;

?        GIZ – Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (3.2019a): Geschichte und Staat Iran;

?        ÖB – Österreichische Botschaften (12.2018): Asylländerbericht Iran und

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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