Entscheidungsdatum
03.09.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W207 2233354-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 17.06.2020, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 42 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) und § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen idgF abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer ist seit 10.03.2009 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 von Hundert (v.H.). Die Ausstellung des Behindertenpasses erfolgte auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens vom 02.03.2009, in welchem auf Grundlage der Bestimmungen der Richtsatzverordnung die Funktionseinschränkungen 1. "Koronare Herzerkrankung bei Hypertonie", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 40 v.H. nach der Positionsnummer 320 der Richtsatzverordnung, 2. "Periphere arterielle Verschlusskrankheit im Stadium IIa", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 30 v.H. nach der Positionsnummer 342 der Richtsatzverordnung, 3. "Diabetes mellitus", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 20 v.H. nach der Positionsnummer 383 der Richtsatzverordnung, 4. "Zustand nach Knöchelbruch links", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 20 v.H. nach der Positionsnummer 136 der Richtsatzverordnung und 5. "Schlaf-Apnoe Syndrom", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 10 v.H. nach der Positionsnummer 285 der Richtsatzverordnung, festgestellt wurden. Betreffend den festgestellten Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, dass das führende Leiden 1 aufgrund der zusätzlichen Leidensbeeinflussung durch die weiteren Leiden um eine Stufe erhöht werde. In diesem Gutachten wurde außerdem ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
Am 21.11.2019 stellte der Beschwerdeführer beim Sozialministeriumsservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis für Menschen mit Behinderungen), der entsprechend dem vom Beschwerdeführer unterfertigten Antragsformular für den - auf den Beschwerdeführer zutreffenden - Fall, dass er nicht über die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ im Behindertenpass verfügt, auch als Antrag auf Vornahme der genannten Zusatzeintragung in den Behindertenpass gilt.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 28.11.2019 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, aktuelle Befunde in Kopie und ein Lichtbild vorzulegen.
Am 30.12.2019 langten bei der belangten Behörde ein Konvolut an medizinischen Unterlagen und ein Lichtbild des Beschwerdeführers ein.
Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung vom 30.03.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 26.02.2020, ein. In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wurde – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:
„…
Anamnese:
Letzte Begutachtung am 2.3.2009: GdB 50vH wegen CHK, paVK, Diabetes mellitus, Z.n. Knöchelbruch, SAS
Derzeitige Beschwerden:
"War auf Rehab, mit den Füßen ist es sehr schwer. Der linke Fuß schwillt an. Die öffentlichen Verkehrsmittel kann ich wegen der Hüfte und wegen des Fußes nicht benutzen. Die Luft ist auch etwas schlechter, habe Vorhofflimmern."
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Diabetex 1000mg 1-0-1, Urosin, Xarelto, Exforge, Concor, Clobex, Ezetimib, Rosuvastatin
Sozialanamnese:
verheiratet
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Arztbrief XXX 20.11.-11.12.2019: Z.n. Vorderwandinfarkt 1998, konservativ, paroxysmales VHF, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, SAS mit CPAP Maske, chron. Limbago, HbA1c 7%
MRT LWS vom 9.11.2019: Osteochondrose, Spondylose, Diskusherniation, Neuroforamenstenose
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
Adipositas per magna
Größe: 178,00 cm Gewicht: 146,00 kg Blutdruck: 140/80
Klinischer Status - Fachstatus:
eingeschränkte Untersuchungsbedingungen
HNAP frei, keine Lippenzyanose
Hals: keine Struma, keine pathologischen Lymphknoten palpabel
Thorax: symmetrisch Pulmo: VA, SKS
Herztöne: rein, arrhythmisch, normofrequent
Abdomen: Leber und Milz nicht palpabel, keine Druckpunkte, keine Resistenzen, Darmgeräusche lebhaft
UE: keine Ödeme, Fußpulse abgeschwächt palpabel, Taubheitsgefühl in beiden Füßen
Faustschluss: möglich, NSG: möglich, FBA und ZFS: "das kann ich nicht"
Untersuchung im Sitzen und Liegen, selbständiges An- und Ausziehen (Hilfe bei den Schuhen)
Gesamtmobilität - Gangbild:
leicht hinkend, mit Stock, im Raum frei möglich
Status Psychicus:
allseits orientiert, Ductus kohärent
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
flimmernde ischämische Kardiomyopathie
2
Diabetes mellitus
3
degenerative Wirbelsäulenveränderungen
4
Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom
5
Zustand nach Knöchelbruch links
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Das vormalige Leiden 2 ist nicht mehr befundbelegt und entfällt daher, erstmalige Berücksichtigung von Leiden 3
[X] Dauerzustand
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein.
Gutachterliche Stellungnahme:
Keine. Im Rahmen der klinischen Untersuchung stellen sich ein guter Allgemeinzustand und ein sehr guter Ernährungszustand dar. Im Bereich der Gelenke der unteren Extremitäten lassen sich keine erheblichen funktionellen Einschränkungen objektivieren. Das Gangbild stellt sich hierorts im Raum auch ohne Verwendung von Hilfsmitteln flüssig und sicher dar. Die Verwendung einer einfachen Gehhilfe ist zumutbar. Erhebliche funktionelle Einschränkungen der Gelenke der oberen Extremitäten liegen nicht vor. Greif- und Haltefunktion ist beidseits insgesamt gegeben. Bei Fehlen maßgeblicher funktioneller Einschränkungen der Wirbelsäule lassen sich keine maßgeblichen motorischen Defizite und Lähmungen objektivieren. Erhebliche kardiopulmonale Störungen lassen sich im Rahmen der klinischen Untersuchung nicht erheben und sind befundmäßig nicht dokumentiert. Eine periphere arterielle Verschlusserkrankung der unteren Extremitäten mit erheblicher Limitierung der Gehstrecke liegt nicht vor. Ein psychisches Leiden, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf erhebliche Weise erschwert, liegt nicht vor. Zusammenfassend ist das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300-400 m aus eigener Kraft, ohne fremde Hilfe und ohne maßgebende Unterbrechung möglich; das Überwinden von Niveauunterschieden, das Be- und Entsteigen und damit die sichere Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind nicht auf erhebliche Weise erschwert. Die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ liegen daher nicht vor.
…“
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 12.05.2020 wurde der Beschwerdeführer über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt, wonach die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ nicht vorlägen; das eingeholte Gutachten vom 30.03.2020 wurde dem Beschwerdeführer mit diesem Schreiben übermittelt. Dem Beschwerdeführer wurde in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben.
Am 10.06.2020 langte bei der belangten Behörde eine handschriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers ein. Ohne Vorlage von weiteren Beweismitteln führt er darin aus, dass er bei seinem Rehab-Aufenthalt nur mit Gehstock und Rollator habe gehen können, da die Schmerzen in den Beinen so stark gewesen seien. Sein Fuß schwelle bei Belastung und beim Gehen stark an, bei der letzten Untersuchung habe er nicht gehen müssen. Beim Aus- und Anziehen benötige er Hilfe, er habe einen hohen Blutdruck und Diabetes mellitus. Er wolle eine weitere Untersuchung zur Klärung seines Zustandes.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 17.06.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 21.11.2019 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass im Ermittlungsverfahren ein ärztliches Gutachten eingeholt worden sei. Nach diesem Gutachten würden die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden.
Ein formaler bescheidmäßiger Abspruch über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis) erfolgte durch das Sozialministeriumservice nicht.
Am 22.07.2020 langte bei der belangten Behörde fristgerecht eine handschriftliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 17.06.2020 ein. Darin führt er aus, dass er im Herzkreislauf-Zentrum laut den Ärzten keine 300 m schmerfrei habe gehen können. Auch am „Gehband“ habe er nur 50 m gehen können, er habe starke Schmerzen in den Beinen gehabt. Er habe auch jeden Tag körperliches Training beim Gehen gehabt. Sein Diabetes mellitus sei nach wie vor vorhanden. Er werde entsprechende Befunde nachreichen. Der Beschwerde wurde ein bereits vorgelegter ärztlicher Entlassungsbericht eines näher genannten Rehabilitationszentrums vom 10.12.2019 beigelegt.
Die belangte Behörde legte am 24.07.2020 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.
Am 20.08.2020 langten im Wege der belangten Behörde vom Beschwerdeführer der Beschwerde nachgereichte medizinische Unterlagen, konkret ein Untersuchungsbefund einer näher genannten Fachärztin für Neurologie vom 04.08.2020 und ein Ärztliches Attest eines näher genannten Arztes für Allgemeinmedizin vom 07.08.2020, beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H.
Der Beschwerdeführer stellte am 21.11.2019 beim Sozialministeriumservice den gegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.
Der Beschwerdeführer leidet unter folgenden im Zusammenhang mit der Frage der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel relevanten Funktionseinschränkungen:
? Flimmernde ischämische Kardiomyopathie
? Diabetes mellitus
? Degenerative Wirbelsäulenveränderungen
? Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom
? Zustand nach Knöchelbruch links
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer zumutbar.
Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Befundungen und Beurteilungen in dem oben wiedergegebenen medizinischen Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 30.03.2020 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Vorliegen eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H. sowie zur gegenständlichen Antragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zu den vorliegenden Funktionseinschränkungen und die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ führt, gründen sich auf das seitens der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 30.03.2020, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 26.02.2020. Unter Berücksichtigung sämtlicher vom Beschwerdeführer ins Verfahren eingebrachter medizinischer Unterlagen und nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers wurde von der medizinischen Sachverständigen auf Grundlage der zu berücksichtigenden und unbestritten vorliegenden Funktionseinschränkungen festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den Beschwerdeführer zumutbar ist.
Die medizinische Sachverständige gelangte unter den von ihr geprüften Gesichtspunkten zu dem Schluss, dass im Rahmen der klinischen Untersuchung ein guter Allgemeinzustand und ein sehr guter Ernährungszustand festgestellt werden konnten. Im Bereich der Gelenke der unteren Extremitäten ließen sich im Rahmen der persönlichen Untersuchung keine erheblichen funktionellen Einschränkungen objektivieren. Das Gangbild stellte sich bei der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 26.02.2020 auch ohne Verwendung von Hilfsmitteln flüssig und sicher dar, wobei die Verwendung von Gehbehelfen - bei einem Gehbehelf handelt es sich um eine zumutbare Kompensationsmöglichkeit iSd § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen - bei Bedarf zumutbar wäre. Erhebliche funktionelle Einschränkungen der Gelenke der oberen Extremitäten lagen nicht vor, die Greif- und Haltefunktion sind beidseits insgesamt gegeben. Bei Fehlen maßgeblicher funktioneller Einschränkungen der Wirbelsäule ließen sich keine maßgeblichen motorischen Defizite und Lähmungen objektivieren. Auch erhebliche kardiopulmonale Störungen in einem Ausmaß, das die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machen würde, ließen sich im Rahmen der klinischen Untersuchung nicht erheben und sind befundmäßig nicht dokumentiert. Das Vorliegen einer peripheren arteriellen Verschlusserkrankung der unteren Extremitäten mit erheblicher Limitierung der Gehstrecke ist aktuell nicht objektiviert. Ein psychisches Leiden, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf erhebliche Weise erschwert, liegt nicht vor. Zusammenfassend ist das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300-400 m aus eigener Kraft, ohne fremde Hilfe und ohne maßgebende Unterbrechung möglich; das Überwinden von Niveauunterschieden, das Be- und Entsteigen und damit die sichere Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind nicht auf erhebliche Weise erschwert.
Die Schlussfolgerungen der medizinischen Sachverständigen finden auch Bestätigung in ihren Aufzeichnungen zur persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 26.02.2020 im Rahmen der (oben wiedergegebenen) Statuserhebung („Allgemeinzustand: gut Ernährungszustand: Adipositas per magna Größe: 178,00 cm Gewicht: 146,00 kg Blutdruck: 140/80 Klinischer Status - Fachstatus: eingeschränkte Untersuchungsbedingungen HNAP frei, ….. Pulmo: VA, SKS Herztöne: rein, arrhythmisch, normofrequent ….. UE: keine Ödeme, Fußpulse abgeschwächt palpabel, Taubheitsgefühl in beiden Füßen Faustschluss: möglich, NSG: möglich, FBA und ZFS: "das kann ich nicht" Untersuchung im Sitzen und Liegen, selbständiges An- und Ausziehen (Hilfe bei den Schuhen) Gesamtmobilität - Gangbild: leicht hinkend, mit Stock, im Raum frei möglich Status Psychicus: allseits orientiert, Ductus kohärent“). Daraus ergibt sich, auch bestätigt durch die vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen, dass beim Beschwerdeführer zwar durchaus nicht unbeträchtliche Funktionseinschränkungen vorliegen, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren, dass aber die vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme zum Parteiengehör bzw. in der Beschwerde vorgebrachten, subjektiv empfundenen und im Übrigen auch nicht ausreichend konkretisierten Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht in entsprechendem Ausmaß – im Sinne des Vorliegens erheblicher Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder der körperlichen Belastbarkeit nach dem Maßstab des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen - objektiviert werden konnten.
Der durch die beigezogene Fachärztin für Innere Medizin erhobene Status bei der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 26.02.2020 wird im Ergebnis auch durch den vom Beschwerdeführer vorgelegten ärztlichen Entlassungsbericht eines näher genannten Rehabilitationszentrums vom 10.12.2019 bestätigt. Darin wird ein vergleichbarer klinischer Status beschrieben (vgl. S. 7 des Entlassungsberichtes). Diesem Bericht ist weiter zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer zwar bei der eingangs durchgeführten Laufbandergometrie eine Gehstrecke von nur 50 m leistete, der Test wurde allerdings wegen Hüftschmerzen linksseitig und Adipositas per magma aufgrund von Trainingsmangel beendet. Im Laufe des Rehabilitationsaufenthaltes zeigte sich jedoch eine Zunahme der Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers, dies wurde insbesondere durch die steigende Wattzahl beim regelmäßig absolvierten Handkurbelergometertraining dokumentiert. Der Beschwerdeführer konnte am leistungs- und frequenzadaptierten Rehabilitationsprogramm, bestehend aus Handkurbelergometertraining, Terraintraining und Heilgymnastik in den niederen Leistungsgruppen beschwerdefrei teilnehmen und erzielte eine Gewichtsreduktion von rund 8 kg. Unterstützend zur Linderung skelettogener Beschwerden wurden einzelheilgymnastische physiotherapeutische Übungen und Parafango-Packungen erfolgreich angewendet. Entsprechend diesem ärztlichen Entlassungsbericht verließ der Beschwerdeführer in Zusammenschau der Befunde und des Allgemeinbefindens das Rehabilitationszentrum am 11.12.2019 in gutem Allgemeinzustand, der sich in weiterer Folge im Rahmen der persönlichen Untersuchung am 26.02.2020 durch die dem gegenständlichen Verfahren beigezogene medizinische Sachverständige weitgehend bestätigte.
Unabhängig davon aber bestehen beim Beschwerdeführer jedenfalls auch zumutbare therapeutische Optionen bzw. Kompensationsmöglichkeiten im Sinne des § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen.
Wie sich aus dem vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten ärztlichen Entlassungsbericht vom 10.12.2019 weiters ergibt, ist zur Optimierung des Risikoprofils noch eine konsequente und kontinuierliche Gewichtsreduktion indiziert; diesbezüglich wurden dem Beschwerdeführer entsprechende Diätrichtlinien vermittelt. Zusätzlich absolviert der Beschwerdeführer eine Einzeldiätberatung. Dieser ärztliche Entlassungsbericht vom 10.12.2019 beinhaltet u.a. auch einen diätologischen Bericht vom 22.11.2019 folgenden Inhaltes:
„Befund vom: 22.11.2019
Diätologische Befundung und Beurteilung
Eine überdurchschnittlich hohe Energiezufuhr durch ein deutlich erhöhtes Portionsausmaß,
zusätzlich zu den Hauptmahlzeiten auch Zwischenmahlzeiten, gewohnt deftige und üppige Küche und teils gesüßte Getränke wirkte sich gemeinsam mit einem viel zu geringen Bewegungspensum ungünstig auf die Gewichtssituation aus. Bei ohnehin bestehendem Übergewicht kam es zuletzt zu einer weiteren Gewichtszunahme auf 152 kg. Zuvor waren kaum Beschwerden spürbar, aktuell merkt der Patient aber die körperlichen Defizite durch das starke Übergewicht. Die Motivation zur Lebensstiloptimierung beschreibt der Patient selbst als eher niedrig. Nichts desto trotz konnten vereinzelte Ansatzpunkte erarbeitet werden.
Ernährungstherapeutisches Ziel 3 Mahlzeiten mit gezielten Essenspausen, Verbesserung der Getränkeauswahl“
Dem Beschwerdeführer wird in diesem ärztlichen Entlassungsbericht darüber hinaus die Fortsetzung der in der Rehabilitation begonnenen diätologischen Maßnahmen nahgelegt. Auch wird der Beschwerdeführer im Rahmen der Rehabilitation auf die Wichtigkeit und medizinische Sinnhaftigkeit eines regelmäßigen herzfrequenzkontrollierten Ausdauertrainings hingewiesen. Ihm wird im ärztlichen Entlassungsbericht dahingehend das Fortführen des individuell erarbeiteten Heimprogramms zur Aufrechterhaltung des Therapieerfolgs empfohlen.
Laut den Aufzeichnungen der beigezogenen Fachärztin für Innere Medizin im Rahmen der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 26.02.2020 wog der Beschwerdeführer 146 kg bei einer Größe von 178 cm. Naturgemäß wirkt sich ein massives Übergewicht nicht vorteilhaft auf die beim Beschwerdeführer objektivierten Funktionseinschränkungen, insbesondere im Kardial-Bereich sowie betreffend die Wirbelsäule und die unteren Extremitäten, aus. Die Durchführung von moderatem Ausdauertraining sowie eine Gewichtsreduktion stellen zu berücksichtigende zumutbare therapeutische Optionen bzw. Kompensationsmöglichkeiten im Sinne des § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen dar.
Hinsichtlich der bestehenden Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel tätigte der Beschwerdeführer daher in der Beschwerde kein Vorbringen, das die Beurteilungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen entkräften hätte können; der Beschwerdeführer legte der Beschwerde auch keine weiteren Befunde bei, die geeignet wären, die durch die medizinische Sachverständige getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden im Sinne nachhaltiger, zumindest sechs Monate dauernder Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates zu belegen bzw. eine wesentliche Verschlimmerung bestehender Leiden zu dokumentieren und damit das Vorliegen erheblicher Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder der körperlichen Belastbarkeit im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.
Was nun die am 20.08.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten, der Beschwerde (ohne nähere inhaltliche Konkretisierung) nachgereichten medizinischen Unterlagen vom 04.08.2020 bzw. vom 07.08.2020 betrifft, so unterliegen diese der Neuerungsbeschränkung des § 46 BBG, wonach im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen, und sind diese nachgereichten Unterlagen daher im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht zu berücksichtigen.
Der Beschwerdeführer ist dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Stellungnahme zum Parteiengehör und in der Beschwerde daher im Ergebnis nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen daher keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers beruhenden medizinischen Sachverständigengutachtens einer Fachärztin für Innere Medizin vom 30.03.2020. Dieses Gutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
„§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
…
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet – soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:
„§ 1 …
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a)…
b)…
…
2. …
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)..."
In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, StF: BGBl. II Nr. 495/2013, wird betreffend § 1 Abs. 2 Z 3 (in der Stammfassung) unter anderem – soweit im gegenständlichen Fall in Betracht kommend – Folgendes ausgeführt:
„§ 1 Abs. 2 Z 3:
…
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
…
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),
- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B.: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.
Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.
Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.
Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:
- vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,
- laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,
- Kleinwuchs,
- gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,
- bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.“
Der Vollständigkeit halber ist zunächst darauf hinzuweisen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17.06.2020 der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist somit auch nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.
Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigten.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt – auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde im seitens der belangten Behörde eingeholten, auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers basierenden und einen ausführlichen Untersuchungsbefund beinhaltenden internistischen Sachverständigengutachten nachvollziehbar verneint, dass im Fall des Beschwerdeführers – trotz der bei ihm unzweifelhaft vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und unter Berücksichtigung derselben – die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass vorliegen. Beim Beschwerdeführer sind ausgehend davon aktuell keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der oberen und unteren Extremitäten, aber auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit – diese betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen –, keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen und auch nicht das Vorliegen einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen objektiviert.
Auch unter Berücksichtigung der beim Beschwerdeführer unbestritten bestehenden Funktionseinschränkungen vermag der Beschwerdeführer aktuell noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.
Unabhängig davon ist nochmals darauf hinzuweisen, dass eine Gewichtsreduktion sowie regelmäßiges moderates Ausdauertraining zu berücksichtigende zumutbare therapeutische Optionen bzw. Kompensationsmöglichkeiten im Sinne des § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darstellen.
Der Beschwerdeführer ist den Ausführungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen, denen das Bundesverwaltungsgericht folgt, in der Beschwerde nicht ausreichend substantiiert und nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, er hat kein Sachverständigengutachten bzw. keine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher ausreichend substantiiert die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien.
Es ist daher im Beschwerdefall zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen.
Was die am 20.08.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten, der Beschwerde nachgereichten, mit 04.08.2020 bzw. mit 07.08.2020 datierten medizinischen Unterlagen betrifft, so unterliegen diese, wie bereits im Rahmen der beweiswürdigenden Ausführungen dargelegt, der Neuerungsbeschränkung des § 46 BBG, wonach im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen, und sind diese nachgereichten Unterlagen daher im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht zu berücksichtigen.
In diesem Zusammenhang ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer belegten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung im Rahmen einer neuerlichen Antragstellung beim Sozialministeriumservice – allerdings nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG - in Betracht kommt.
Was schließlich den Umstand betrifft, dass die belangte Behörde über den Antrag auf Ausstellung eines § 29 b StVO-Parkausweises nicht bescheidmäßig abgesprochen hat, so ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass diese Frage mangels Vorliegens eines bekämpfbaren Bescheides nicht verfahrensgegenständlich ist im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Die Fragen der Art und des Ausmaßes der Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurden unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Neuerungsbeschränkung Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W207.2233354.1.00Im RIS seit
16.11.2020Zuletzt aktualisiert am
16.11.2020