TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/7 I414 2218380-1

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Veröffentlicht am 07.09.2020
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Entscheidungsdatum

07.09.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

I414 2218380-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Vorsitzender und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzerin über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Vorarlberg (SMS) vom 18.04.2019, Zl. XXXX, betreffend den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Dem Beschwerdeführer wurde über Antrag vom 11.02.2019 ein Behindertenpass mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50% ausgestellt. Die beantragte Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ wurde mit Bescheid vom 18.04.2019 abgewiesen. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens stehe fest, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei. Das Gutachten bilde einen Bestandteil der Bescheidbegründung und wurde als Beilage angefügt.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Rechtsmittel an das Bundesverwaltungsgericht und gab an, an so starken Schmerzen zu leiden, dass er keine hundert Meter alleine gehen könne und auf eine Begleitperson angewiesen sei, die ihn mit einem Auto fährt.

Vom erkennenden Gericht wurde ein ergänzendes Sachverständigengutachten eingeholt. Unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens beantwortete Dr. W. die ihm gestellten Fragen in Ergänzung zu seinem, von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten vom 01.04.2019 nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer zeigte sich auch mit dem Ergänzungsgutachten nicht einverstanden und beantragte die Beiziehung eines anderen Gutachters, da ihn Dr. W. nicht untersucht habe und seine Befunde nicht gelesen hätte. Er leide nach wie vor an starken Schmerzen und werde im Juli oder August 2019 nochmals operiert.

Weitere Unterlagen oder ärztliche Befunde bzw. ein OP-Bericht langten nicht mehr ein und blieb auch das zuletzt gewährte Parteiengehör vom 21.04.2020 vom Beschwerdeführer und auch von der belangten Behörde unbeantwortet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz in Österreich.

Er ist in Besitz eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50%.

Folgende Funktionseinschränkungen liegen beim Beschwerdeführer vor:

1. Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Chronisch obstruktive Lungenerkrankung - Moderate Form - COPD II

2. Chronifiziertes Schmerzsyndrom seit vielen Jahren mit Ganzkörperschmerz Chronisches Schmerzsyndrom, Chronisches Schmerzsyndrom - mittelschwere Verlaufsform

3. Z.n. Arthroskopie des rechten Schultergelenkes mit LBS-Tenotomie, subacrom. Dekompression und AC-Gelenksresektion, Schulter - Obere Extremitäten, Schultergelenk, Schultergürtel - Funktionseinschränkung mittleren Grades einseitig

4. Diabetes mellitus, Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus

5. Arthrose Sprunggelenk rechts Sprunggelenk - Untere Extremitäten, Sprunggelenk- Funktionseinschränkung bis Versteifung einseitig

Das Ein- und Aussteigen sind dem Beschwerdeführer möglich. Beim Stehen oder Sitzen im Verkehrsmittel kommt es zu keiner Einschränkung, der sichere Transport ist möglich. Der Beschwerdeführer ist auf keine Hilfsmittel angewiesen. Des Weiteren kann er auch kurze Wegstrecken von 300-400 Meter ohne Hilfsmittel und Unterbrechung zurücklegen.

Der Beschwerdeführer ist nicht hochgradig sehbehindert, blind oder taubblind. Es besteht keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems und keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person und zum Wohnort des Beschwerdeführers sowie zum Pass ergeben sich aus dem vorgelegten Akt der belangten Behörde und sind unstrittig.

Die Feststellungen zu den funktionellen Einschränkungen des Beschwerdeführers basieren auf dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten des Dr. W., einem Facharzt für Orthopädie, vom 01.04.2019. Darin wurden die vorgelegten früheren Sachverständigengutachten sowie die vorgebrachten ärztlichen Unterlagen angeführt und berücksichtigt.

Die Feststellung zur Zumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel ergibt sich ebenso aus dem oben angeführten Gutachten und insbesondere aber aus dem ergänzend eingeholten Gutachten des Dr. W.. Darin fand auch das Beschwerdevorbringen des Beschwerdeführers Berücksichtigung und wurden zur besseren Übersicht und Nachvollziehbarkeit nochmals alle zur Verfügung stehenden und vorgelegten ärztlichen Unterlagen und Beweismittel aufgelistet.

Die vom erkennenden Gericht explizit zum Vorbringen des Beschwerdeführers gestellten Fragen beantwortete der Gutachter eingehend, schlüssig und nachvollziehbar. Es wurde widerspruchsfrei dargestellt, dass eine kurze Wegstrecke von 300 bis 400 Meter aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurückgelegt werden kann. Dazu konnte der Sachverständige auch auf einen vom Beschwerdeführer beigebrachten orthopädischen Befund und ein Ambulanzblatt verweisen, wobei keine dieser Unterlagen eine Funktionseinschränkung in diese Richtung dokumentieren. Auch die vorgebrachten und dokumentierten Schmerzen fanden Eingang ins Ergänzungsgutachten und wurden die Einnahme von Schmerzmedikation einerseits und die multilokulären Schmerzen andererseits bei der Beurteilung des Zurücklegens einer kurzen Wegstrecke, des Überwindens von Niveauunterschieden und des sicheren Transportes im Verkehrsmittel mit einbezogen.

Die Gutachten nehmen Bezug auf alle Umstände und legen die medizinische Sicht dar. Sie stehen mit den allgemeinen Gesetzen der Logik im Einklang, sind schlüssig und vollständig und ihnen wurde nicht (auf derselben fachlichen Ebene) entgegen getreten. Die Ausführungen in der Beschwerde beschränken sich auf das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke und wurden die weiteren Voraussetzungen wie Ein- und Aussteigen oder der sichere Transport im Verkehrsmittel nicht bestritten. Ebenso wurde gleichbleibend von Dr. W. festgehalten, dass keine Sehbehinderung, Taubheit, schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems und keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vorliegen und blieben auch diese Ausführungen unbestritten. Aus diesen Gründen legt der erkennende Senat diese Gutachten unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zu Grunde.

Der Stellungnahme nach gewährtem Parteiengehör ist zu entgegnen, dass eine persönliche Untersuchung des Beschwerdeführers durch den Sachverständigen Dr. W. am 11.03.2019 stattgefunden hat und dies auch im Sachverständigengutachten vom 01.04.2019 festgehalten wurde. Auch dem Vorbringen, der Gutachter hätte die Befunde nicht gelesen, ist angesichts der expliziten Auflistung aller zur Verfügung stehenden medizinischen Unterlagen verfehlt. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer nach angekündigtem Operationstermin im Juli/August 2019 bis dato keine weiteren Befunde mehr vorgelegt, auch nicht nach neuerlichem Parteiengehör vom 21.04.2020.

Es wäre jedoch dem Beschwerdeführer auch frei gestanden, das im Auftrag der Behörde bzw. des Gerichtes erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften bzw. zu widerlegen zu versuchen. Dies ist im gegenständlichen Verfahren nicht erfolgt (vgl. VwGH vom 26.02.2008, Zl. 2005/11/0210) und steht der maßgebliche Sachverhalt dadurch für den erkennenden Senat zweifelsfrei fest.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

§ 6 und 7 Abs. 1 BVwGG lauten wie folgt:

"Einzelrichter

§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Senate

§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen."

§ 45 Abs. 3 und 4 BBG lautet wie folgt:

"(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.

Die §§ 1, 17 und 58 Abs. 1 und 2 VwGVG lauten wie folgt:

"§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.

(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt."

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten wie folgt:

"ABSCHNITT VI

BEHINDERTENPASS

§ 40 (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

§ 42 (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(2) Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu."

§ 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 2013/495, lautet wie folgt:

"Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen."

3.2.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. ua. VwGH vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186, oder vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128).

Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. wirken sich die dauernden Gesundheitsschädigungen nicht maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens sowie auf das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke aus. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht eingeschränkt.

Im gegenständlichen Fall wäre an eine Zusatzeintragung aufgrund der chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) zu denken. Eine nähere Beurteilung in diese Richtung kann aber unterbleiben, da die körperliche Belastbarkeit nicht als schwer eingeschränkt festgestellt wurde und zudem unbestritten eine COPD II-Erkrankung eingeschätzt wurde. Die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel läge jedenfalls bei einer COPD IV-Erkrankung mit Langzeitsauerstofftherapie vor, die beim Beschwerdeführer nicht indiziert ist.

In Gesamtschau war festzustellen, dass dem Beschwerdeführer die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln zumutbar ist. Eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne Unterbrechung kann zurückgelegt werden. Der Zu- und Ausstieg sowie der sichere Transport wurden nicht in Frage gestellt und war insgesamt festzuhalten, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" im Behindertenpass nicht vorliegen, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Wurde - wie im vorliegenden Fall - kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße - und zu begründende - Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH). Gemäß Abs. 3 leg. cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde sowie aus den eingeholten Gutachten. Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zum Parteiengehör wurde nicht Gebrauch gemacht und wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung von keiner Verfahrenspartei beantragt. Der Sachverhalt gilt für den erkennenden Senat somit als erwiesen und unbestritten. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I414.2218380.1.00

Im RIS seit

17.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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