TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/7 I403 2201537-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.09.2020
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Entscheidungsdatum

07.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1a
StGB §146
StGB §148
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2201537-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX StA. Tunesien, vertreten durch: Burger Rest Rechtsanwälte, Wickenburggasse 3/16, 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 27.07.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 25.03.2014 in Österreich erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit dem Bescheid vom 07.04.2014, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Tunesien (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Tunesien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG wurde eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.

3. Der Beschwerdeführer heiratete am XXXX 2015 eine slowakische Staatsbürgerin. Mit Bescheid vom 22.06.2018, Zl. XXXX , der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde ihm ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung gewährt (Spruchpunkt II.). Der gegen den Bescheid vom 22.06.2018 erhobenen Beschwerde des Beschwerdeführers wurde mit Erkenntnis vom 07.05.2018, GZ: I406 2201537-1/12E, des Bundesverwaltungsgerichts Folge gegeben und der Bescheid ersatzlos behoben.

4. Am 01.10.2018 stellte der Beschwerdeführer vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am Tag der Antragstellung erstbefragt und am 27.02.2020 niederschriftlich einvernommen wurde.

5. Mit dem Bescheid vom 16.03.2020, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 01.10.2018 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Tunesien gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt II.). Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Tunesien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Ferner wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

6. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 16.03.2020 erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis vom 16.04.2020, GZ: I406 2201537-2/3E, des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen wurde der Beschwerde Folge gegeben und die Spruchpunkte II., III., IV., V., VI. und VII. des angefochtenen Bescheides behoben.

7. Mit dem Bescheid vom 27.07.2020, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 01.10.2018 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Tunesien (Spruchpunkt I.) ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt II.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Tunesien zulässig ist (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Ferner wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

8. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 25.08.2020 (bei der belangten Behörde eingelangt am 25.08.2020). Mit der Beschwerde werden die Spruchpunkte II. bis VII. des angefochtenen Bescheides angefochten.

9. Mit Schriftsatz vom 26.08.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 28.08.2020, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Tunesien, verheiratet, kinderlos und bekennt sich zum muslimisch sunnitischen Glauben. Er gehört der Volksgruppe der Araber an. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich ein und hält sich seit mindestens 24.03.2014 durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf.

Nach Abschluss des ersten Asylverfahrens kam der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung zur freiwilligen Ausreise nicht nach.

Am XXXX .2015 heiratete der Beschwerdeführer vor dem Standesamt XXXX eine slowakische Staatsangehörige, und erhielt am 16.12.2015 eine bis zum 16.12.2020 gültige Aufenthaltskarte als Angehöriger einer EWR-Bürgerin. Die Gültigkeit dieses Aufenthaltstitels wurde am 13.09.2018 widerrufen.

Seit 23.10.2017 lebt der Beschwerdeführer nicht mehr mit seiner Frau zusammen. Diese hält sich nicht mehr in Österreich, sondern in der Slowakei auf.

Zuletzt befand sich der Beschwerdeführer im Zeitraum von 24.03.2020 bis 17.08.2020 in der Justizanstalt XXXX in Haft; seit 17.08.2020 befindet er sich im Polizeianhaltezentrum XXXX

Der Beschwerdeführer leidet an einer akuten polymorphen psychotischen Störung mit Symptomen einer Schizophrenie (ICD-10: F23.1) bzw. einer Differentialdiagnose Psychotischen Störung durch Cannabis (ICD-10: F12.5). Er befand sich von 19.06.2018 bis 20.06.2018 in einer psychiatrischen Einrichtung in stationärer Behandlung und wird seit dem 17.08.2018 von den psychosozialen Diensten XXXX betreut. Dem Beschwerdeführer wurden während der Haft in der Justizanstalt XXXX die Medikamente Benzaknen Gel 10%, Olanzapin San Ftbl 10 mg und Solian Tbl 200 mg verabreicht.

Die psychotischen Erkrankungen des Beschwerdeführers stehen einer Rückkehr und Abschiebung nach Tunesien nicht entgegen. In Tunesien ist die medizinische Versorgung samt funktionierendem Gesundheitssystem gewährleistet und für chronisch psychotische Patienten sind ambulante, stationäre sowie Langzeitbehandlungen verfügbar. Die Medikamente, welche der Beschwerdeführer zuletzt einnahm, sind in Tunesien entweder verfügbar oder es sind Alternativwirkstoffe vorhanden.

Viele Familienangehörige des Beschwerdeführers, unter anderem seine Mutter und sein Bruder, leben in Tunesien. Mit seiner Mutter und seinem Bruder steht er nach wie vor in Kontakt. In Spanien lebt ein Onkel von ihm. Zwei Tanten sowie Cousins leben in Frankreich. In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.

Der Beschwerdeführer war in Österreich in den folgenden Zeiträumen beschäftigt: vom 09.02.2017 bis 24.02.2017 (geringfügig), vom 11.03.2017 bis 21.03.2017 (geringfügig), vom 23.03.2017 bis 30.03.2017 (geringfügig), vom 04.05.2017 bis 30.07.2017, vom 15.02.2018 bis 21.02.2018 (geringfügig), vom 31.10.2018 bis 18.11.2018, vom 11.12.2018 bis 05.01.2019, am 01.03.2019 (geringfügig), vom 18.03.2019 bis 31.03.2019, am 25.04.2019 und vom 13.12.2019 bis 03.01.2020.

Vom 23.08.2019 bis 01.12.2019 und vom 05.01.2020 bis 25.01.2020 bezog er Notstandshilfe bzw. Überbrückungshilfe vom AMS. Seit 03.01.2020 geht er keiner Beschäftigung nach. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig bzw. verfügt nicht über die finanziellen Mittel, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren.

Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

1.2. Zu den Gründen für die Erlassung eines Einreiseverbots:

Der Beschwerdeführer wurde nach einem Vorfall am 31.03.2014 von Beamten der Polizeiinspektion XXXX der BH XXXX wegen Übertretung der Anstandsverletzung unter der GZ: VSTV: XXXX angezeigt.

Am 12.04.2014 wurde der Beschwerdeführer von einem Kaufhausdetektiv angehalten, weil er in einem Bekleidungsgeschäft in der Shopping XXXX ein blaues Herren T-Shirt im Wert von EUR 35,95 in seinen mitgebrachten Rucksack steckte und das Geschäft verließ, ohne die Ware zu bezahlen.

Mit Strafverfügung vom 29.04.2019 der Landespolizeidirektion XXXX wurde gegen den Beschwerdeführer wegen Missachtung der Anordnung der Unterkunftnahme gemäß § 121 Abs 1a FPG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 100,--, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag und 9 Stunden, verhängt.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich vorbestraft:

1) Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 09.08.2019, rechtskräftig seit 09.08.2019, zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Betrugs nach § 146, 148 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 MOnaten, bedingt mit einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Er hatte in Wien und anderen Orten gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3, Abs 2 StGB) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte von Gastwirtschaften durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über seine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit, zu einer Handlung, und zwar zur Überlassung und Konsumation von Speisen und Getränken, verleitet, indem er die Speisen und Getränke nicht bezahlte, und zwar und zwar

I. am 16.06.2019 Verfügungsberechtigte des Lokals XX Speisen und Getränke im Wert von EUR 25,-

II. am 16.06.2019 Verfügungsberechtigte des XX Speisen und Getränke im Wert von EUR 47,90,

III. am 02.06.2019 Verfügungsberechtigte des Lokals XX Speisen und Getränke im Wert von EUR 5,55,

IV. am 06.06.2019 Verfügungsberechtigte des XX Speisen und Getränke im Wert von EUR 18,10,

V. am 02.06.2019 Verfügungsberechtigte des XX Speisen und Getränke im Wert von EUR 20,70,

VII. am 04.06.2019 Verfügungsberechtigte eines noch festzustellenden Lokals auf der Donauinsel XX Speisen und Getränke im Wert von EUR 23,40,

VIII. am 04.06.2019 Verfügungsberechtigte des Lokals XX Speisen und Getränke im Wert von EUR 28,10,

IX. am 10.06.2019 Verfügungsberechtigte der Tankstelle XX Speisen und Getränke im Wert von EUR 9,89,

X. am 13.06.2019 Verfügungsberechtigte des Cafe XX Speisen und Getränke im Wert von EUR 27,60,

XI. am 15.06.2019 Verfügungsberechtigte des Lokals XX Speisen im Wert von EUR 48,80,

XII. am 13.06.2019 Verfügungsberechtigte des Cafe XX Speisen und Getränke im Wert von 23,10,

XIII. am 15.06.2019 Verfügungsberechtigte des Hotels XX Speisen im Wert von EUR 24,-,

XIV. am 12.06.2019 Verfügungsberechtigte des Lokals XX Speisen und Getränke im Wert von EUR 26,30,

XV. am 31.05.2019 Verfügungsberechtigte des XX Speisen und Zigaretten im Wert von EUR 12,60,

XVI. am 11.06.2019 Verfügungsberechtigte des Lokals XX Speisen und Getränke im Wert von EUR 24,90,

XVII. am 03.06.2019 Verfügungsberechtigte eines China Restaurant XX Speisen und Getränke im Wert von EUR 7,10.

Mildernd wurden das Geständnis und der bisher ordentliche Lebenswandel und erschwerend die Tatwiederholung im Rahmen der Gewerbsmäßigkeit gewertet.

2) Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 07.02.2020, rechtskräftig seit 07.02.2020, zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des versuchten unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach §§ 15, 27 Abs 2a SMG zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt.

1.3. Zur medizinischen Situation in Tunesien:

1.3.1. Auf Basis des Länderinformationsblattes (BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Tunesien, 8. Juli 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032987/TUNE_LIB_2020_06_30_KE.odt (Zugriff am 7. September 2020)) ist festzustellen:

Die medizinische Versorgung (einschließlich eines akzeptabel funktionierenden staatlichen Gesundheitswesens) hat das für ein Schwellenland übliche Niveau (AA 17.4.2020) und ist gewährleistet (BMEIA 30.6.2020). Eine weitreichende Versorgung ist in den Ballungsräumen (Tunis, Sfax, Sousse) gewährleistet; Probleme gibt es dagegen in den entlegenen Landesteilen. Auch die Behandlung psychischer Erkrankungen ist möglich. Die medizinische Behandlung von HIV-Infizierten bzw. AIDS-Kranken ist sichergestellt; es handelt sich jedoch um ein gesellschaftlich tabuisiertes Thema (AA 17.4.2020). Zwar gibt es in allen Landesteilen staatliche Gesundheitseinrichtungen, diese sind jedoch trotz guter medizinischer Ausbildung der Beschäftigten oft in desolatem Zustand: es mangelt an Ausstattung und Fachärzten, die vor allem in den Großstädten an der Küste angesiedelt sind. Darunter leiden vor allem bedürftige Patienten (GIZ 6.2020b).

In Einzelfällen kann es, insbesondere bei der Behandlung mit speziellen Medikamenten, Versorgungsprobleme geben. Ein Import dieser Medikamente ist grundsätzlich möglich, wenn auch nur auf eigene Kosten der Patienten. In Einzelfällen ist also eine konkrete Nachfrage bezüglich der Verfügbarkeit der benötigten Medikamente erforderlich, in den allermeisten Fällen sind sie vor Ort problemlos erhältlich (AA 17.4.2020). Seit dem Sommer 2018 fehlt es überdies immer häufiger an Medikamenten, die auf Grund von Zahlungsschwierigkeiten der Zentralapotheke nicht mehr eingekauft werden (GIZ 6.2020b).

Darüber hinaus gibt es ein weites Netz an Privatkliniken und niedergelassenen Ärzten von oft deutlich besserer Qualität. Tunesien gibt rund 6% seines Staatshaushaltes für das Gesundheitswesen aus. Die staatliche Krankenkasse CNAM ist für die Versicherung zuständig und erstattet Behandlungen in staatlichen Einrichtungen und teilweise auch Behandlungskosten bei niedergelassenen Ärzten. Ähnlich wie in Deutschland wird dabei ein Hausarzt-Modell praktiziert. Auch Medikamente werden teilweise erstattet (GIZ 6.2020b).

Tunesien hat lange Zeit in das Gesundheitswesen investiert. Ein Großteil der Ärzteschaft ist gut ausgebildet (z.T. auch im Ausland) und das Pflegepersonal ist günstig – die Basis für einen zunehmenden Gesundheitstourismus. Eine stark angestiegene Anzahl an Privatkliniken bedient meist Ausländer, u.a. zahlungskräftigen Libyer und Algerier. Die öffentliche Gesundheitsversorgung ist nach einem dreistufigen System organisiert und dringend reformbedürftig: erweiterte Leistung der Bezirkskrankenhäuser, verstärkte Ausstattung der Regionalkrankenhäuser und Ausbau der Uni-Kliniken. Zwar beträgt der Radius weniger als 5 km zur Erlangung medizinischer Hilfe, jedoch ist die qualitative Ausstattung in den öffentlichen Krankenhäusern katastrophal: fehlende Spezialisten, Überbelegung, lange Wartezeiten, katastrophale sanitäre Zustände, geringe Anfangsgehälter für ausgebildete Ärzte sind Realität. Beim Aufsuchen eines Arztes muss der Behandlungspreis stets sofort entrichtet werden. Je nach Praxis (Krankenhaus, Klinik, Hospital, Fachgebiet) sind das zwischen 20 und 80 Dinar, also etwa 8-30 Euro. 2005 wurden die beiden Krankenkassen (CNSS: Caisse nationale de sécurité sociale und CNRPS: Caisse nationale de retraite et de prévoyance sociale) zur Caisse Nationale d’Assurance Maladie (CNAM) zusammengelegt. Allerdings ist diese Kasse mit ca. 1 Milliarden Dinar hoch verschuldet – fehlende Beitragszahlungen und verteuerte Medikamente sind nur einige der Gründe. Tatsächlich besteht eine Klassengesellschaft innerhalb der medizinischen Versorgung. Nur gut betuchte können sich Privat- und Spezialkliniken oder Ärztezentren leisten, wo die Versorgung hochpreisig, einwandfrei und an westlichen Standards angepasst ist (ÖB 11.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (17.4.2020): Auswärtiges Amt Deutschland, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Tunesien (Stand: Februar 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030006/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Tunesien_%28Stand_Februar_2020%29%2C_17.04.2020.pdf, Zugriff 30.6.2020

-        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (30.6.2020): Reiseinformationen Tunesien, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/tunesien/, Zugriff 30.6.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2020b): Tunesien - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/tunesien/gesellschaft/, Zugriff 30.6.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Tunis (11.2019): Asylländerbericht Tunesien

1.3.2. BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Tunesien: Psychotische Störung mit Symptomen einer Schizophrenie (F23.1) mit auditiven Halluzinationen (R44.0), 7. Mai 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2034925/TUNE_RF_MEV_Psychotische+St%C3%B6rung+mit+Symptomen+einer+Schizophrenie_2020_05_07_KEM.odt (Zugriff am 7. September 2020)

Verfügbarkeit der Medikamente [Zyprexa Ueberz.Tbl./ Olanzapin; Olanzapin San Ftbl. 100Mg; Solian Tbl 200mg/ Amisulprid; Benzaknen Gel/ Benzoylperoxid] und der Fortsetzung der psychiatrischen Behandlungen in Tunesien

Den Anfragebeantwortungen von MedCOI ist zu entnehmen, dass alle oben aufgelisteten Medikamente/Wirkstoffe (sowie mehrere Alternativwirkstoffe) in der Pharmacie Centrale de Tunisie, in Tunis verfügbar sind, außer dem Wirkstoff Benzoylperoxid. Für diesen, werden von MedCOi Adapalene und Tretinoin als Alternativwirkstoffe angeführt.

Weiters ist eine ambulante wie auch stationäre Behandlung durch einen Psychiater in Tunis verfügbar. Zudem ist auch eine psychiatrische, klinische Langzeitbehandlung (z.B. für chronisch psychotische Patienten) durch einen Psychiater in Tunis möglich.

Psychiatrische ambulante Langzeitbehandlung durch einen Psychiater, wie auch eine psychiatrische Behandlung von Drogenabhängigkeit; sowie die ambulante Betreuung und psychiatrische Krisenintervention bei Selbstmordversuch sind in Zaghouan verfügbar. Die ambulante Behandlung und Nachsorge durch einen Dermatologen ist ebenfalls verfügbar.

2. Beweiswürdigung:

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seiner Herkunft, seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde (Protokoll vom 27.02.2020, AS 261, 262).

Die Staatsangehörigkeit und Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund des vorliegenden tunesischen Reisepasses Nr. XXXX fest (AS 289).

Die Feststellungen zu seiner Einreise und zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet seit mindestens 25.03.2014 ergeben sich aus dem Datum seiner ersten Asylantragsstellung in Zusammenschau mit dem Auszug aus dem zentralen Melderegister vom 31.08.2020. Da sich der Beschwerdeführer, obwohl das Asylverfahren zu seinem ersten Asylantrag mit dem Bescheid vom 07.04.2014, Zl. XXXX abgeschlossen wurde, weiterhin in Österreich aufhielt, kam er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Februar 2015 eine slowakische Staatsangehörige heiratete, ergibt sich aus der Abfrage aus dem zentralen Melderegister vom 31.08.2020, den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme am 27.02.2020 (AS 262) und aus der Auskunft des Standesamtes XXXX vom 07.06.2018 (AS 353 im Akt zum ersten Asylantrag). Die Feststellungen über den ausgestellten und widerrufenen Aufenthaltstitel als Angehöriger einer EWR Bürgerin basieren auf dem Auszug aus dem zentralen Fremdenregister vom 31.08.2020, wonach dem Beschwerdeführer am 16.12.2015 die genannte Aufenthaltskarte mit Gültigkeit bis zum 16.12.2020 ausgestellt wurde und die Gültigkeit des Aufenthaltstitels wegen dem Verlust der Aufenthaltskarte am 13.09.2018 widerrufen worden ist.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seit 23.10.2017 nicht mehr mit seiner Frau zusammenlebt, beruht auf dem Auszug aus dem zentralen Melderegister vom 31.08.2020. Dass seine Frau in der Slowakei lebt, ergibt sich aus der diesbezüglich glaubhaften Aussage des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme am 27.02.2020 (AS 264), dem ZMR Auszug vom 05.03.2020 (AS 295 im Akt zum zweiten Asylantrag) und der unwidersprochen gebliebenen Feststellung der belangten Behörde (AS 323 bzw. S. 11 des Bescheides vom 27.07.2020).

Die Feststellungen, dass er sich im Zeitraum von 24.03.2020 bis 17.08.2020 in der Justizanstalt XXXX in Haft befand und sich seit 17.08.2020 im Polizeianhaltezentrum XXXX befindet, ergeben sich aus dem Auszug aus dem zentralen Melderegister vom 31.08.2020.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand bzw. zu den Erkrankungen des Beschwerdeführers gründen sich auf die vorgelegten fachärztlichen Befundberichte der Psychosozialen Dienste XXXX vom 17.08.2018 und 13.01.2020 (AS 63, 301), aus denen hervorgeht, dass der Beschwerdeführer an einer akuten polymorphen psychotischen Störung mit Symptomen einer Schizophrenie (ICD-10: F23.1) und einer Differentialdiagnose Psychotischen Störung durch Cannabis (ICD-10: F12.5) leidet. Dass er von 19.06.2018 bis 20.06.2018 in einer psychiatrischen Einrichtung stationär behandelt wurde, geht aus dem Patientenbrief der Krankenanstalt XXXX vom 20.06.2018 sowie aus dem fachärztlichen Befundbericht vom 17.08.2018 hervor (AS 63, 65). Aus dem fachärztlichen Befundbericht der Psychosozialen Dienste XXXX vom 13.01.2020 ergibt sich weiters, dass der Beschwerdeführer seit 17.08.2018 von dieser Einrichtung betreut und behandelt wird (AS 301).

Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer während seiner Haft in der Justizanstalt XXXX die Medikamente Benzaknen Gel 10%, Olanzapin San Ftbl 10 mg und Solian Tbl 200 mg verabreicht wurden, basiert auf der im Akt befindlichen Behandlungsmitteilung vom 06.03.2020 des Anstaltsarztes der Justizanstalt XXXX (AS 312).

Spruchpunkt I. des Bescheides vom 27.07.2020, Zl. XXXX , wurde nicht mit der gegenständlichen Beschwerde bekämpft und ist sohin in Rechtskraft erwachsen: Im angefochtenen Bescheid wurde dazu unter Berücksichtigung der unter 1.3. zitierten Anfragebeantwortung festgestellt, dass die psychotischen Störungen, an denen der Beschwerdeführer leidet, in Tunesien behandelt werden können.

Entsprechend ist dem Beschwerdevorbringen, wonach die Behandlung in Tunesien nicht im selben Ausmaß gesichert sei und eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes die Folge einer Abschiebung wäre (AS 551 bzw. S. 11 der Beschwerde), zu entgegnen, dass in Tunesien die medizinische Versorgung samt funktionierendem Gesundheitssystem gewährleistet ist (AS 492 bzw. S. 36 des Bescheids vom 27.02.2020) und für chronisch psychotische Patienten ambulante-, stationäre- sowie Langzeitbehandlungen verfügbar sind (AS 498 bzw. S. 42 des Bescheids vom 27.02.2020). Auch die Medikamente, welche der Beschwerdeführer zuletzt einnahm, sind in Tunesien entweder verfügbar oder es sind Alternativwirkstoffe vorhanden (AS 498 bzw. S. 42 des Bescheids vom 27.02.2020). Den entsprechenden Feststellungen des Länderinformationsblattes, die im angefochtenen Bescheid und im gegenständlichen Erkenntnis unter Punkt 1.3. zitiert werden, wurde in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten.

Des Weiteren stellen die psychotischen Erkrankungen des Beschwerdeführers im gegenständlichen Fall kein faktisches Hindernis dar, welches eine – falls notwendig, medizinisch begleitete - Abschiebung tatsächlich unmöglich machen würde. Der Beschwerdeführer ist haftfähig und wurde über einen langen Zeitraum medikamentös gut eingestellt.

Die Feststellungen über die Familienangehörigen des Beschwerdeführers basieren auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme am 27.02.2020 (AS 262). Da der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme am 27.02.2020 (AS 259 ff) nicht erwähnte, in Österreich Verwandte oder Freunde zu haben, wurde die Feststellung getroffen, dass er in Österreich über keine maßgeblichen familiären oder privaten Beziehungen verfügt. Zwar behauptete der Beschwerdeführer in der Einvernahme am 27.02.2020 (AS 264) und in der Beschwerde (S. 10 der Beschwerde bzw. AS 550) mit einer in Österreich geborenen russischen Staatsangehörigen namens XXXX XXXX zusammenzuleben, jedoch verlief eine Personensuche am 27.07.2020 im zentralen Melderegister erfolglos (AS 451 im Akt zum zweiten Asylantrag).

Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers und zum Bezug von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, gründen sich auf die Ergebnisse des AJ-WEB Auskunftsverfahren vom 31.08.2020.

Da der Beschwerdeführer seit 03.01.2020 keiner Beschäftigung nachgeht und somit kein Einkommen hat, ist er nicht selbsterhaltungsfähig.

Die Feststellung über die mangelnde Integration des Beschwerdeführers war zu treffen, da keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass er die Zeit seines Aufenthalts in Österreich dazu nutzte, um sich zu verfestigen bzw. zu integrieren. Der Beschwerdeführer legte auch keine Unterlagen vor, welche eine Integration nahelegen würden. Er besuchte keine Deutschkurse, legte keine Deutschprüfung ab, war trotz seines 6-jährigen Aufenthalts im Bundesgebiet bei der niederschriftlichen Einvernahme am 27.02.2020 auf einen Dolmetscher angewiesen (AS 259, 260), ist nicht Mitglied in einem Verein und arbeitete nicht gemeinnützig. Darüber hinaus wurde er straffällig, verbrachte einige Zeit in der Haftanstalt und ist derzeit weder erwerbstätig noch selbsterhaltungsfähig. Zudem war der Beschwerdeführer immer wieder auf Arbeitslosengeld und Notstandshilfe angewiesen, weshalb in einer Gesamtschau auch nicht von einer nachhaltigen Integration am österreichischen Arbeitsmarkt ausgegangen werden kann.

In der Beschwerde wird zwar angeführt, es könne von einer sehr guten Integration des Beschwerdeführers ausgegangen werden (AS 548 bzw. S. 8 der Beschwerde), allerdings zeigen die oben genannten Umstände, dass insgesamt keine Verfestigung vorliegt.

2.3. Zu den Gründen für die Erlassung eines Einreiseverbots:

Dass der Beschwerdeführer der BH XXXX wegen Übertretung der Anstandsverletzung unter der GZ: VSTV: XXXX angezeigt wurde, ergibt sich aus dem Bericht der Polizeiinspektion XXXX vom 31.03.2014 (AS 53 im Akt zum ersten Asylantrag).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer am 12.04.2014 von einem Kaufhausdetektiv angehalten wurde, weil er in einem Bekleidungsgeschäft in der Shopping XXXX ein blaues Herren T-Shirt im Wert von EUR 35,95 in seinen mitgebrachten Rucksack steckte und das Geschäft verließ, ohne die Ware zu bezahlen, beruht auf den durchgeführten Einvernahmen am 12.04.2014 durch die Exekutivbeamten der Polizeiinspektion XXXX (AS 119 ff im Akt zum ersten Asylantrag).

Die Feststellung, dass mit Strafverfügung vom 29.04.2019 der Landespolizeidirektion XXXX gegen den Beschwerdeführer wegen Missachtung der Anordnung der Unterkunftnahme gemäß § 121 Abs 1a FPG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 100,-- , im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag und 9 Stunden, verhängt wurde, ergibt sich aus der Strafverfügung vom 29.04.2019 der LPD XXXX (AS 225 im Akt zum zweiten Asylantrag).

Die Feststellung über die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 31.08.2020.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

In der Beschwerde wird erklärt: „Der Bescheid wird hinsichtlich der Spruchpunkte II bis VII bekämpft.“ Damit wird Spruchpunkt I., mit dem der Antrag des Beschwerdeführers vom 01.10.2018 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Tunesien abgewiesen wird, nicht angefochten, sondern ist dieser in Rechtskraft erwachsen.

3.1.    Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides)

3.1.1.  Rechtslage

Gemäß § 58 Abs 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Gemäß § 46a Abs. 1 FPG ist der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet zu dulden, solange

1. deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 Satz 1 unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig;

2. deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist;

3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder

4. die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist;

es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an.

3.1.2.  Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

In der Beschwerde (AS 544 bzw. S. 4 der Beschwerde) wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die belangte Behörde spätestens zu Beginn der Verfahrenseinleitung eine Duldung gemäß § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 hätte aussprechen müssen und die Voraussetzungen des § 57 AsylG vorliegen würden. Hinsichtlich des § 46a Abs 1 Z 3 FPG wird in der Beschwerde angemerkt, dass der Beschwerdeführer aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen der Aufenthalt zu dulden sei, weil er an einer psychischen Erkrankung „Schizophrenie“ leide (AS 544 bzw. S. 4 der Beschwerde).

Dieses Beschwerdevorbringen erweist sich jedoch als unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Duldung des Beschwerdeführers nach § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 liegen nicht vor, weil eine Abschiebung des Beschwerdeführers zulässig ist (siehe Punkt 3.3 in der rechtlichen Beurteilung) und die psychotischen Störungen des Beschwerdeführers - wie bereits ausgeführt - einer Abschiebung nicht entgegenstehen.

Insgesamt gibt es auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass ein anderer Sachverhalt verwirklicht wäre, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers war nicht seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, sein Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig und der Beschwerdeführer ist kein Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs 1 Z 3 AsylG.

Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 57 AsylG abzuweisen war.

3.2.    Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1.  Rechtslage

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Der Antrag auf internationalen Schutz vom 01.10.2018 wurde hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit Bescheid des BFA vom 16.03.2020 zurückgewiesen; dies wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.04.2020 bestätigt. Hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde der Antrag mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des BFA vom 27.07.2020 abgewiesen; dieser Spruchpunkt wurde mit der Beschwerde nicht angefochten, so dass er ebenfalls in Rechtskraft erwachsen ist.

Gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.2.2.  Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall

Mit dem Wegzug seiner Ehefrau in die Slowakei endete ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht und damit auch das davon abgeleitete Aufenthaltsrecht für den Beschwerdeführer (VwGH, 15.03.2018, Ro 2018/21/0002 und EuGH 30.06.2016, C-115/15), so dass er, nachdem ihm inzwischen auch die Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes entzogen worden ist, kein begünstigter Drittstaatsangehöriger mehr ist und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen werden kann.

Im gegenständlichen Fall bringt der Beschwerdeführer in der Beschwerde im Wesentlichen vor, dass sein Privat und Familienleben schützenswert sei, eine Rückkehrentscheidung wegen des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG als unzulässig zu erachten und ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG iVm Art 8 EMRK zu erteilen gewesen wäre (AS 544, 546, 550 bzw. S. 4, 6 und 10 der Beschwerde).

Zu prüfen ist daher, ob die von der belangten Behörde verfügte Rückkehrentscheidung mit Art 8 EMRK vereinbar ist.

Die Vereinbarkeit mit Art 8 EMRK ist aus den folgenden Gründen gegeben:

Auch wenn das persönliche Interesse an einem Verbleib in Österreich mit der Dauer zunimmt und sich der Beschwerdeführer nunmehr seit rund 6 Jahren im Bundesgebiet aufhält, ist die bloße Aufenthaltsdauer für sich allein genommen nicht ausschlaggebend, sondern es ist vielmehr maßgeblich, ob der Fremde die verbrachte Zeit in Österreich genützt hat, um sich zu integrieren. Zudem ergab sich diese Aufenthaltsdauer unter anderem dadurch, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nach der Abweisung seines ersten Asylantrages nicht nachgekommen war.

Soweit in der Beschwerde behauptet wird, dass er seit zwei Jahren regelmäßig einer Beschäftigung nachgegangen sei, ist dem entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer nur in den folgenden Zeiträumen beschäftigt war: vom 09.02.2017 bis 24.02.2017 (geringfügig), vom 11.03.2017 bis 21.03.2017 (geringfügig), vom 23.03.2017 bis 30.03.2017 (geringfügig), vom 04.05.2017 bis 30.07.2017, vom 15.02.2018 bis 21.02.2018 (geringfügig), vom 31.10.2018 bis 18.11.2018, vom 11.12.2018 bis 05.01.2019, am 01.03.2019 (geringfügig), vom 18.03.2019 bis 31.03.2019, am 25.04.2019 und vom 13.12.2019 bis 03.01.2020. Von einem durchgehenden Arbeitsverhältnis kann nicht gesprochen werden.

Wie sich im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ergeben hat, ist zum Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche sowie berücksichtigungswürdige Integration des Beschwerdeführers gegeben. Selbst wenn der Beschwerdeführer, wie in der Beschwerde behauptet, gut Deutsch sprechen können sollte (ein Nachweis darüber wurde nicht erbracht), bedeutet dies für sich genommen noch keine tiefgreifende Verfestigung. Hingegen wurde der Beschwerdeführer straffällig, war oft auf Sozialleistungen angewiesen und ist weder nachhaltig am Arbeitsmarkt integriert noch selbsterhaltungsfähig.

Die privaten Interessen des Beschwerdeführers werden außerdem dadurch relativiert, dass sie zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sein musste. Der Beschwerdeführer musste sich bereits nach Abschluss des ersten Asylverfahrens im Jahr 2014 bewusst sein, sich nicht weiter in Österreich aufhalten zu dürfen.

In Bezug auf das private Interesse des Beschwerdeführers, seine medizinische Behandlung hinsichtlich der psychotischen Störungen in Österreich fortzusetzen, ist auszuführen, dass die Behandlung des Beschwerdeführers in Tunesien fortgesetzt werden kann.

Insgesamt kann ein schützenswertes Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich nicht erblickt werden. Da der Beschwerdeführer über keine Verwandten im Bundesgebiet verfügt, liegt auch kein schützenswertes Familienleben vor. Gleichzeitig hat der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und knapp den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat, sprachliche und kulturelle Verbindungen. Des Weiteren hat er auch familiäre Anknüpfungspunkte und steht nach wie vor mit seinem Bruder und seiner Mutter in Tunesien in Kontakt.

Es wird auch nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer behauptete, einen gemeinsamen Wohnsitz mit einer Lebensgefährtin zu haben (AS 550 bzw. S. 10 der Beschwerde); dem Gericht war es anhand der vom Beschwerdeführer zur Verfügung gestellten Informationen nicht möglich, dies zu verifizieren, doch kann dies letztlich dahingestellt bleiben, da auch bei Vorliegen einer Lebensgemeinschaft feststeht, dass diese jedenfalls zu einem Zeitpunkt eingegangen worden wäre, als dem Beschwerdeführer klar sein musste, dass sein Aufenthalt in Österreich unsicher ist.

Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich (bzw Europa) stehen gewichtige öffentliche Interessen gegenüber. Das wiederkehrende strafbare Verhalten des Beschwerdeführers verdeutlicht, dass er nicht gewillt ist, die für ihn maßgebenden Rechtsvorschriften einzuhalten. Die Integration wird durch ein strafbares Verhalten wesentlich relativiert; zugleich hat der Beschwerdeführer keine nennenswerten Integrationsschritte in Österreich vorzuweisen. Gerade an der Ausreise von Fremden, die mehr als einen unberechtigten Asylantrag gestellt haben und im Bundesgebiet Suchtgift- und Vermögensdelikte begangen haben, besteht ein gewichtiges Interesse der Allgemeinheit.

Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt sohin das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung – und damit eines von Art 8 Abs 2 EMRK erfassten Interesses – ein hoher Stellenwert zukommt (vgl zB VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086), schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden. Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.

3.3.    Zum Ausspruch, dass die Abschiebung nach Tunesien zulässig ist (Spruchpunkt IV.):

3.3.1.  Rechtslage

Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

3.3.2.  Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall

Da Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids vom 27.07.2020, Zl. 1003407700-180926544, nicht von der Beschwerde bekämpft wird, wurde bereits rechtskräftig nach § 8 Abs 1 AsylG entschieden, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Tunesien keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeutet oder für ihn eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt.

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse VwGH 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 – 0062).

Ausgehend von unveränderten Verhältnissen kommt eine Neubeurteilung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers im Hinblick auf Art 3 EMRK bzw. im Rahmen der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG über die Zulässigkeit der Abschiebung nach Tunesien im Verhältnis zur rechtskräftig Entscheidungen der belangten Behörde 27.07.2020 über die Versagung von subsidiärem Schutz sohin nicht in Betracht.

Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Tunesien erfolgte daher zu Recht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 52 Abs 9 FPG abzuweisen war.

3.4.    Zum Ausspruch, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 55 Abs 1a FPG besteht ua eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht, wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. Hierunter fallen neben Verfahren, in denen einer Beschwerde ex lege keine aufschiebende Wirkung zukam, auch die Verfahren, in denen das BFA die aufschiebende Wirkung aberkannt hat und in denen jeweils keine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG erfolgt ist.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde mit Spruchpunkt VI. einer Beschwerde gegen den bekämpften Bescheid vom 27.07.2020 die aufschiebende Wirkung – zu Recht, wie unten auszuführen sein wird – aberkannt.

Zu Recht hat daher die belangte Behörde § 55 Abs 1a FPG zur Anwendung gebracht. Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG abzuweisen war.

3.5.    Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG kann vom BFA einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19 BFA-VG) stammt. Sichere Herkunftsstaaten sind ua die Herkunftsstaaten, die mit Verordnung der Bundesregierung als sichere Herkunftsstaaten festgestellt wurden (§ 19 Abs 5 Z 2 BFA-VG).

Nach § 1 Z 11 Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl II Nr 177/2009, in der Fassung BGBl II Nr 145/2019 gilt Tunesien als sicherer Herkunftsstaat.

Die nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durchzuführende Interessensabwägung zwischen den Interessen des Beschwerdeführers und jenen Österreichs ergibt ein Überwiegen der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheides, weshalb die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen den gegenständlichen bekämpften Bescheid zulässig war.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes VI. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 18 Abs 1 BFA-VG abzuweisen war.

3.6      Verhängung eines Einreiseverbots (Spruchpunkt VII.)

3.6.1   Rechtslage:

Gemäß § 53 Abs 1 FPG kann vom Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Gemäß § 53 Abs 3 ist ein Einreiseverbot gemäß Abs 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn 
         1.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;  
         2.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist; 
         3.       ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist; 
         4.       ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist; 
         5.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist; 
         6.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB); 
         7.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder 
         8.       ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder 
         9.       der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

3.6.2   Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall

Bei der Festsetzung der Dauer eines Einreiseverbotes ist immer eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, bei der nicht nur auf das bisherige Verhalten des Fremden und das deshalb prognostizierte Vorliegen der von ihm ausgehenden Gefährdung, sondern auch auf seine privaten und familiären Interessen Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0009).

In der Beschwerde wird in Bezug auf das Einreiseverbot zusammengefasst moniert (AS 549, 553 bzw. S. 9 und 13 der Beschwerde), dass die Gründe für das Bestehen einer gegenwärtigen hinreichend schweren Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit weggefallen seien und zum Zeitpunkt der Entscheidung großteils nicht einmal bestanden hätten und die Dauer des Einreiseverbots in Höhe von 8 Jahren jedenfalls unverhältnismäßig sowie überschießend sei. Bis zu seinem 27. Lebensjahr habe der Beschwerdeführer einen ordentlichen Lebenswandel geführt. Erst im Zuge der schweren Erkrankung seines Vaters und der finanziellen Belastung hierdurch habe sich der Beschwerdeführer gezwungen gesehen, rasch über illegale Wege Zahlungsmittel zu beschaffen. Er bereue seine Taten zutiefst. Der Grund für sein kriminelles Vorgehen sei weggefallen und es gehe keine Gefahr mehr von ihm aus.

Dieses Beschwerdevorbringen legt jedoch nicht substantiiert dar, warum die Verhängung des Einreiseverbotes durch die belangte Behörde nicht gesetzeskonform erfolgt wäre.

Der Beschwerdeführer ist Drittstaatsangehöriger und wurde während seines Aufenthaltes von österreichischen Strafgerichten wegen gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 148 1. Fall StGB und wegen des versuchten unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 15, 27 Abs 2a SMG rechtskräftig verurteilt. Die belangte Behörde hat das Einreiseverbot daher zu Recht auf § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG gestützt, da der Beschwerdeführer zuletzt vom Landesgericht XXXX wegen §§ 15, 27 Abs 2a SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt wurde.

Auch die Begründung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer auf Grund der von ihm begangenen Straftaten und seines bisherigen Fehlverhaltens eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt (AS 516 bzw. S. 60 des angefochtenen Bescheids), ist nachvollziehbar.

Der Beschwerdeführer wurde bereits kurz nach seiner Einreise und nach Stellung seines ersten Asylantrages straffällig, da er am 12.04.2014 versuchte ein T-Shirt zu stehlen. Zudem erfolgte gegen den Beschwerdeführer eine Anzeige wegen einer Anstandsverletzung und er missachtete eine Anordnung zur Unterkunftnahme. Dadurch brachte der Beschwerdeführer bereits zu Beginn seines Aufenthaltes in Österreich zum Ausdruck, sich nicht an österreichische Normen halten zu wollen.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Beschwerdeführer in weiterer Folge straffällig geworden ist und wegen eines Suchtmitteldeliktes sowie eines gewerbsmäßig begangenen Betruges verurteilt wurde. Konkret wurde er mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 09.08.2019 wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Betrugs zu einer bedingten Freiheitsstra

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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