Entscheidungsdatum
09.09.2020Norm
BBG §40Spruch
I414 2200165-1/14E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 02.09.2020 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Vorsitzender und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS) vom 15.05.2018, Zl. XXXX, betreffend die Ausstellung eines Behindertenpasses, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.09.2020, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Am 19.02.2018 beantragte Frau XXXX (in der Folge als Beschwerdeführerin bezeichnet) die Ausstellung eines Behindertenpasses. Dem Antrag legte die Beschwerdeführerin ein Konvolut an ärztlichen Berichten und Bestätigungen vor.
Vom Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) wurde Dr. S. mit der Erstellung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens beauftrag.
Im Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage vom 02.04.2018 wurde ein Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 30 v.H., Pos.Nr.11.02.01, festgestellt.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 16.04.2018 wurde die Beschwerdeführerin vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und gleichzeitig die Möglichkeit eingeräumt schriftlich Stellung zu nehmen.
Binnen offener Frist wurde mit Schriftsatz vom 29.04.2019 eine Stellungnahme eingebracht. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass die Funktionseinschränkung seit dem Jahr 2008 unverändert bestehe und im aktenkundigen Vorgutachten ein Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 50 v.H. festgestellt worden sei. Das nunmehr vorliegende Aktengutachten stehe daher im erörterungsbedürftigem Widerspruch zueinander.
Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 15.05.2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und führte in der Begründung an, dass das Ermittlungsverfahren einen Grad der Behinderung von 30 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen nicht vorliegen würden.
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass im Juni 2008 ein Opticusscheidenmenigeom rechts bei vollständiger, dauerhafter Erblindung festgestellt worden sei. In der Folge sei am 22.08.2008 die Entfernung des intracraniellen Tumoranteils vorgenommen worden. Aus medizinischer Sicht sei lediglich eine Teilresektion des Tumors möglich, demnach sei ein Resttumor noch vorhanden. Hinsichtlich dieses Befundes seien bis dato keine Änderungen eingetreten. Die Beschwerdeführerin befinde sich auf Grund des Resttumors in laufender und dauerhafter Behandlung. Im Jahr 2009 sei ihr vom Bundessozialamt nach Einholung eines aktenkundigen medizinischen Sachverständigengutachtes auf Basis der damals geltenden Richtsatzverordnung ein Behindertenpass ausgestellt worden. Hierbei sei ein Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 50 v.H. festgestellt worden.
Die belangte Behörde habe sich im Rahmen der Bescheidbegründung nicht mit dem Aktengutachten entgegenstehenden Vorgutachten aus dem Jahr 2008, welches einen Grad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt habe, auseinandergesetzt.
Der Grad der Behinderung sei nunmehr bei Neuanträgen auf Ausstellung eines Behindertenpasses nach der Einschätzungsverordnung zu beurteilen, jedoch sei aus den Materialien zur bezughabenden Gesetzesänderung des Bundesbehindertengesetzes zu entnehmen, dass im Falle bereits erfolgter Gewährung eines Behindertenpasses vor Inkrafttreten der Einschätzungsverordnung diese nicht zur Anwendung kommen würde, sofern im Rahmen einer Nachuntersuchung keine objektivierte Änderung des Gesundheitszustandes eingetreten sei.
Demnach müsse im vorliegenden Fall der beantragten Neuausstellung des Behindertenpasses der Grad der Behinderung – wie bereits in der Vergangenheit rechtskräftig bestimmt worden sei – weiter nach Maßgabe der Richtsatzverordnung ermittelt werden.
Selbst bei Bestimmung des Grades der Behinderung auf Basis der Einschätzungsverordnung nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens sei ein Grad der Behinderung von zumindest 50 v.H. anzunehmen.
Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.07.2018 wurde Frau H.-H., Fachärztin für Augenheilkunde und Optometrie mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Im Sachverständigengutachten nach persönlicher Untersuchung am 17.09.2018 wurde wie folgt ausgeführt:
„[…]
Anamnese:
Amaurose rechts bei Z.n. Teilresektion eines Opticusscheidenmeningeoms rechts 2008 mit bekanntem Resttumor intraorbital
Derzeitige Beschwerden:
Das rechte Auge ist seit der Entfernung des Tumors 2008 blind. Von Seiten des linken Auges bestehen keine wesentlichen Beschwerden, es treten jedoch nach längerer Bildschirmarbeit zeitweise Kopfschmerzen auf.
[…]
Status (Kopf/ Fußschema) – Fachstatus:
Fernvisus rechts: Amarouse
Fernvisus links: 1,0 ohne Korrektur
Spaltlampe bds: vordere Augenabschnitte reizfrei, brechende Medien klar
Fundus rechts: Papille atroph, Macula frei, Netzhaut anliegend
Fundus links: zentral und peripher unauffällig
Gesichtsfeld links: unauffällig
[…]
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Störung des zentralen Sehens
11.02.01
30
Gesamtgrad der Behinderung: 30 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Die Erblindung eines Auges bei voller Funktion des anderen Auges ergibt laut Tabelle einen Grad der Behinderung von 30 v.H.
Da von Seiten der Augen bis auf die oben beschriebene Einschränkung keine weiteren funktionellen Einschränkungen vorliegen, beträgt der Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.
[…]“
Die Beschwerdeführerin und der belangten Behörde wurde mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.11.2018 das Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht.
Mit Schreiben vom 13.11.2018 teilte die belangte Behörde mit, dass das medizinische Sachverständigengutachten, erstellt von Frau H.-H., Fachärztin für Augenheilkunde und Optometrie, schlüssig und nachvollziehbar sei.
Die Beschwerdeführerin teilte mit Schreiben vom 22.11.2018 mit, dass unabhängig von den Ergebnissen der Beweisaufnahme werde auf die Entscheidungswesentlichkeit der Umstände der bereits in der Vergangenheit erfolgten Gewährung des Behindertenpasses einerseits sowie die – auch durch das nunmehr eingeholte Sachverständigengutachten belegten – unveränderten Befundgrundlagen andererseits hingewiesen.
Am 02.09.2020 fand eine mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein der Beschwerdeführerin statt.
Das Erkenntnis wurde mündlich verkündet.
Die Beschwerdeführerin beantragte in der mündlichen Verhandlung die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsangehörige und hat ihren Wohnsitz im Bundesgebiet.
Mit medizinischen Sachverständigengutachten vom 16.12.2008 erfolgte die Einschätzung des Augenleidens nach der Richtsatzverordnung. Aufgrund eines Opticusscheidenmeningeom wurde unter analogen Anwendung der Richtsatzposition 637 ein Grad der Behinderung von 50% - befristet auf 3 Jahre - festgestellt. Es wurde der Beschwerdeführerin ein Behindertenpass ausgestellt.
In der Folge beantragte die Beschwerdeführerin keine Neufestsetzung des Grades der Behinderung.
Am 19.02.2018 beantragte die Beschwerdeführerin die Ausstellung eines Behindertenpasses.
Die Beschwerdeführerin leidet an einer Funktionsstörung des zentralen Sehens mit einem Grad der Behinderung von 30%.
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30%.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person und zum Wohnsitz ergeben sich aus dem unbedenklichen Verwaltungsakt der belangten Behörde und einer Abfrage des Zentralen Melderegisters.
Die Feststellungen, wonach die Beschwerdeführerin im Jahr 2008 des Augenleidens nach der Richtsatzverordnung eingeschätzt wurde und aufgrund eines Opticusscheidenmeningeom unter analogen Anwendung der Richtsatzposition 637 ein Grad der Behinderung von 50 % - befristet auf 3 Jahre - festgestellt, ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.
Die Feststellung, wonach die Beschwerdeführerin innerhalb des befristet ausgestellten Behindertenpasses keine Neufestsetzung des Grades der Behinderung beantragte, ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt. Sowie aus den Angaben der Beschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 02.09.2020.
Die Feststellung, wonach die Beschwerdeführerin am 19.02.2018 gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses stellte, ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.
Die festgestellte Funktionsbeeinträchtigung und der Gesamtgrad der Behinderung ergibt sich auf dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. S. vom 02.04.2018 sowie aus dem vom erkennenden Gericht ergänzend eingeholten Sachverständigengutachten nach persönlicher Untersuchung von H.-H., Fachärztin für Augenheilkunde und Optometrie vom 17.09.2018.
Das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten und das vom Bundesverwaltungsgericht ergänzend eingeholte Gutachten nach persönlicher Untersuchung wird vom erkennenden Senat als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei gewertet. Diesen zufolge beträgt der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin 30%.
Ein Gutachten ist auf seine Vollständigkeit (also, ob es Befund und Gutachten im engeren Sinn enthält) und Schlüssigkeit zu überprüfen. Weitere Gutachten sind nur dann einzuholen, wenn sich die vorliegenden Gutachten als nicht vollständig oder nicht schlüssig und damit als nicht ausreichend erweisen; will eine Partei außer dem vorliegenden schlüssigen und vollständigen Gutachten noch ein weiteres in das Verfahren einbezogen wissen, steht es ihr frei, selbst ein Gutachten eines privaten Sachverständigen zu beschaffen und vorzulegen.
Die Gutachten des Sachverständigen werden in ihrem Ergebnis vom erkennenden Senat als schlüssig, vollständig, nachvollziehbar und in der wesentlichen Schlussfolgerung widerspruchsfrei angesehen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit und anzuwendendes Recht
§ 6 und 7 Abs. 1 BVwGG lauten wie folgt:
"Einzelrichter
§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Senate
§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen."
§ 45 Abs. 3 und 4 Bundesbehindertengesetzes (BBG) lautet wie folgt:
"(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."
Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.
Die §§ 1, 17 und 58 Abs. 1 und 2 VwGVG lauten wie folgt:
"§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.
(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt."
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten wie folgt:
"BEHINDERTENPASS
§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
[...]
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
§ 55. (1)
[…]
(4) Die Bestimmung des § 41 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 ist auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängige Verfahren nicht anzuwenden. Diese Verfahren sind unter Zugrundelegung der bis zum 31. August 2010 geltenden Vorschriften zu Ende zu führen. Dies gilt bis 31. August 2013 auch für Verfahren nach §§ 40ff, sofern zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes ein rechtskräftiger Bescheid nach §§ 40ff oder auf Grund der Bestimmungen des § 14 des Behinderteneinstellungsgesetzes vorliegt.
(5) Im Falle eines Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung nach Ablauf des 31. August 2013 hat die Einschätzung unter Zugrundelegung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) zu erfolgen. Im Falle einer von Amts wegen durchgeführten Nachuntersuchung bleibt – bei objektiv unverändertem Gesundheitszustand – der festgestellte Grad der Behinderung unberührt.
[…]“.
Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass bereits im Rahmen der erstmaligen Gewährung des Behindertenpasses im Jahr 2009 rechtkräftig ein Gesamtgrad der Behinderung von 50% festgestellt worden sei und eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse sei indes im Zeitablauf nicht eingetreten. Zwar werde der Grad der Behinderung nunmehr bei Neuanträgen auf Ausstellung eines Behindertenpasses nach der Einschätzungsverordnung festgelegt, die Materialen zur bezughabenden Gesetzesänderung des BBG betreffend die Einführung der Einschätzungsverordnung würden jedoch klarstellen, dass im Falle bereits erfolgter Gewährung eines Behindertenpasses vor Inkrafttreten der Einschätzungsverordnung diese nicht zur Anwendung gelangen würde, sofern im Rahmen einer Nachuntersuchung keine objektivierte Änderung des Gesundheitszustandes eingetreten sei.
In den Materialien (118/ME XXIV. GP) zu § 55 Abs. 4 und 5 BBG wird ausgeführt.
Das Übergangsrecht soll gewährleisten, dass durch die neuen Kriterien für die Einschätzung des Grades der Behinderung kein Eingriff in bereits erworbene Rechte erfolgt. Ein zum Zeitpunkt des In-Kraft–Tretens dieses Bundesgesetzes bereits rechtkräftig festgestellter Grad der Behinderung soll demnach vom In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes unberührt bleiben. Das Übergangsrecht soll gewährleisten, dass durch die neuen Kriterien für die Einschätzung des Grades der Behinderung kein Eingriff in bereits erworbene Rechte erfolgt.
Stellen Personen, die bereits einen Behindertenpass besitzen oder dem Personenkreis der begünstigten Behinderten angehören, etwa wegen einer Änderung des Gesundheitszustandes, innerhalb der ersten 3 Jahre nach In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung, so sind für die Einschätzung des Grades der Behinderung weiterhin die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Wird ein Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung nach Ablauf dieses Zeitraumes gestellt, so hat die Einschätzung des Grades der Behinderung unter Zugrundelegung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung zu erfolgen. Gleiches gilt bei Nachuntersuchungen, sofern eine objektivierte Änderung des Gesundheitszustandes eingetreten ist. Auch in diesen Fällen sind Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v. H. oder weniger außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Im § 55 Abs. 5 soll weiters festgehalten werden, dass Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses oder auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind, unter Zugrundelegung der bis dahin geltenden Vorschriften zu Ende zu führen sind. Dies soll sowohl für Verfahren in erster Instanz beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen als auch für Verfahren in zweiter Instanz vor der Bundesberufungskommission gelten.
Richtig ist, dass das Übergangsrecht gewährleisten soll, dass durch die neuen Kriterien für die Einschätzung des Grades der Behinderung kein Eingriff in bereits erworbene Rechte erfolgt. Im gegenständlichen Verfahren wurde nach der Einschätzungsverordnung das Augenleiden eingeschätzt welches nach der Positionsnummer 11.02.01 einen Grad der Behinderung von 30% ergab. Begründend führte die Sachverständige aus, dass seit der Entfernung des Tumors das rechte Auge blind ist. Die Erblindung eines Auges bei voller Funktion des anderen Auges ergibt laut der Tabelle Positionsnummer 11.02.01 einen Grad der Behinderung von 30%. Sohin liegt ein objektiv veränderter Sachverhalt vor, weil bei der Einschätzung im Jahr 2008 das Opticusscheidenmeningeom nach der Richtsatzverordnung unter analogen Anwendung der Richtsatzposition 617 eingeschätzt wurde. Zudem wurde der Behindertenpass auf drei Jahre befristet ausgestellt. Nach Ablauf der Befristung wurde erst am 19.02.2018 gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.
Auch die Einschätzung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung erfolgte zu Recht, weil es sich im gegenständlichen Verfahren um einen (Neu)Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses handelt. Selbst bei einem Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung - nach Ablauf der 3 Jahre nach In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes – hätte, wie im gegenständlichen Fall, die Einschätzung des Grades der Behinderung unter Zugrundelegung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung zu erfolgen gehabt. Darüber hinaus liegt im Vergleich zum Sachverständigengutachten aus dem Jahr 2008 ein objektiv veränderter Sachverhalt bzw. Gesundheitszustand vor, welcher im gegenständlichen Sachverständigengutachten berücksichtigt wurde. In den entscheidungsrelevanten Gutachten wurden zwei unterschiedliche Leiden beurteilt.
Aufgrund der oben angeführten Ausführungen konnte kein Eingriff in bereits erworbene Rechte festgestellt werden.
Daher ist die Beschwerde abzuweisen, da die Voraussetzungen des § 40 Abs 1 Bundesbehindertengesetzes zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten schriftliche AusfertigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I414.2200165.1.00Im RIS seit
16.11.2020Zuletzt aktualisiert am
16.11.2020