TE Vfgh Erkenntnis 2020/10/1 G259/2019 (G259/2019-19)

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Veröffentlicht am 01.10.2020
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Index

L8500 Straßen

Norm

B-VG Art7 Abs1
B-VG Art118 Abs2
B-VG Art118 Abs3 Z4
B-VG Art139 Abs1 Z6
B-VG Art140 Abs1 Z1 litb
B-VG Art140 Abs2
B-VG Art140 Abs5 / Fristsetzung
Stmk LStVG 1964 §7 Abs1 Z5, §8 Abs3, §13, §27, §45, §46, §58a
V des Gemeinderats der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 13.12.2016 betr die Erklärung von Straßen mit öffentlichem Verkehr auf bestimmten Grundstücken zu öffentlichen Interessentenwegen
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit der Legaldefinition des Stmk LandesstraßenverwaltungsG 1964 betreffend öffentliche Interessentenwege; unsachlicher Wertungswiderspruch zum System des LStVG 1964 durch Erklärung von öffentlichen Interessentenwegen zu Straßen, die nicht überwiegend für den lokalen Verkehr von Bedeutung sind, für einen unbegrenzten Personenkreis; Verstoß gegen die Schranken der Gemeindeautonomie durch Erweiterung des Personenkreises und Entfall der Wortfolge "von örtlicher Bedeutung" für Verkehrsflächen der Gemeinde

Spruch

I. 1. Die Wortfolge ", das sind Straßen für den öffentlichen Verkehr, die überwiegend nur für die Eigentümer, Besitzer, Bewohner und Benützer einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dienen und als solche erklärt wurden (§8)" in §7 Abs1 Z5 (Stmk.) LStVG. 1964, LGBl Nr 154 (WV) idF LGBl Nr 137/2016, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. September 2021 in Kraft.

3. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

4. Der Landeshauptmann der Steiermark ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt für die Steiermark verpflichtet.

II. Die Wortfolgen "5. Öffentliche Interessentenwege" in §7 Abs1 Z5 (Stmk.) LStVG. 1964, LGBl Nr 154 (WV) idF LGBl Nr 137/2016, und "sowie eines öffentlichen Interessentenweges (§7 Abs1 Z5)" in §8 Abs3 (Stmk.) LStVG. 1964, LGBl Nr 154 (WV) idF LGBl Nr 60/2008, sowie §58a (Stmk.) LStVG. 1964, LGBl Nr 154 (WV) idF LGBl Nr 60/2008, werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl V44/2019 ein auf Art139 Abs1 Z6 iVm Art148i Abs1 B-VG und Art45 Stmk Landes-Verfassungsgesetz 2010 (L-VG), LGBl 77 idF LGBl 8/2012, gestützter Antrag der Volksanwaltschaft anhängig, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. In der südwestlich an die Landeshauptstadt Graz angrenzenden Gemeinde Seiersberg-Pirka wurde in den Jahren 2002 und 2003 ein Einkaufszentrum ("Shopping City Seiersberg", im Folgenden auch: SCS) errichtet, das sich ursprünglich aus vier Geschäftshäusern mit jeweils zwei Verkaufsebenen zusammensetzte. Die ursprünglichen vier Bauplätze waren im Flächenwidmungsplan als Baugebiete für Einkaufszentren I und II ausgewiesen. Bauwerber der vier Häuser waren vier verschiedene Gesellschaften (allesamt Tochtergesellschaften einer Immobiliengesellschaft).

1.2. Am 7. Mai 2002 wurden mit Verordnung der ehemaligen Gemeinde Seiersberg (seit 1. Jänner 2015 nunmehr: Gemeinde Seiersberg-Pirka) zur Zahl 2/612-5/ErschließungFFKZ/11002/2002/8 im Rahmen des Projektes "Verkehrserschließung Fachmarkt-, Freizeit- und Kommunikationszentrum Seiersberg" acht näher bezeichnete Straßen zu öffentlichen Verkehrsflächen erklärt.

1.3. Ebenfalls am 7. Mai 2002 beschloss der Gemeinderat der ehemaligen Gemeinde Seiersberg nach dem Gesetz vom 16. März 1999 über die Abwehr und Bekämpfung von Katastrophen (Steiermärkisches Katastrophenschutzgesetz), LGBl 62, und der dazu ergangenen Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 4. Dezember 2000 über Vorbereitungsmaßnahmen zur Abwehr und Bekämpfung von Katastrophen, LGBl 80, einen Katastrophenschutzplan für die SCS, insbesondere für die Geschäftshäuser 1, 3, 5 und 7. Nach der Präambel bildeten die darin dargestellten und frei zu haltenden Zufahrtswege, Aufstellungszonen für Einsatzfahrzeuge aller Art, systemartig dargestellten Verbindungs-(Brücken-)bauwerke zwischen den Gebäuden und dem südlich angrenzenden Grundstück sowie die während der Betriebszeit besetzten Einsatzpunkte für Feuerwehr, Rettung, Gendarmerie und Security-Dienste die Grundlage für den Katastrophenschutzplan.

1.4. Am 13. Juni 2002 beschloss der Gemeinderat der ehemaligen Gemeinde Seiersberg zur Zahl 1/612-5/ErschließungFFKZ/14181/2002/16/Bgmstr/St eine Verordnung, mit der die Verordnung vom 7. Mai 2002 (Z 2/612-5/ErschließungFFKZ/11002/2002/8) dahingehend geändert wurde, dass die öffentlichen Verkehrsflächen der "Verkehrserschließung Fachmarkt-, Freizeit- und Kommunikationszentrum Seiersberg" (insgesamt acht Straßen) zu öffentlichen Interessentenwegen iSd §7 Abs1 Z5 Steiermärkisches Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1964 (LStVG. 1964), in der Stammfassung LGBl 154 (WV), erklärt wurden und hinsichtlich der Herstellung und Instandhaltung der Wegegenossenschaft "Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg" zuzuordnen waren.

1.5. Ebenfalls am 13. Juni 2002 beschloss der Gemeinderat der ehemaligen Gemeinde Seiersberg zur Zahl 1/616-0/SCS/14168/2002/26/Bgmstr/St eine Verordnung, mit der die "Brücken- und Straßenbauwerke", welche die Grundstücke 325, 317/1, 317/4 und 317/3, alle KG Seiersberg, im Sinne des Katastrophenschutzplanes der Gemeinde Seiersberg vom 7. Mai 2002 miteinander verbinden, gemäß §8 Abs3 LStVG. 1964 zu öffentlichen Interessentenwegen erklärt wurden.

1.6. Am selben Tag beschloss der Gemeinderat der ehemaligen Gemeinde Seiersberg des Weiteren zur Zahl 1/616-0/SCS/13784/2002/5/Bgmstr/St eine Verordnung, mit der die Beitragspflichtigen der "Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg" gemäß §45 Abs3 LStVG. 1964 im Sinne des Katastrophenschutzplanes der Gemeinde Seiersberg vom 7. Mai 2002 zu einer öffentlichen Wegegenossenschaft zusammengefasst wurden.

1.7. Am 30. November 2005 beschloss der Gemeinderat der ehemaligen Gemeinde Seiersberg die Verordnung zur Zahl 1/612-5/ErschließungFFKZ/25573/2005/24/Bgmstr/St, mit der ergänzend zu den bisherigen Verordnungen vom 13. Juni 2002 Straßen im Fachmarkt-, Freizeit- und Kommunikationszentrum Seiersberg zu öffentlichen Verkehrsflächen und öffentlichen Interessentenwegen erklärt wurden.

1.8. Im Jahr 2006 wurde eine Baubewilligung zur Errichtung eines Fachmarktes (Geschäftshaus 9) auf einem weiteren Grundstück (337/1) der KG Seiersberg erteilt.

1.9. Am 4. Juli 2007 beschloss der Gemeinderat der ehemaligen Gemeinde Seiersberg einen überarbeiteten Katastrophenschutzplan, der auch das zwischenzeitig neu errichtete Geschäftshaus 9 umfasste, sowie zur Zahl 612-5/ErschließungFFKZ/30 eine Verordnung, mit der die Verordnung vom 13. Juni 2002, Z 1/612-5/ErschließungFFKZ/14181/2002/16/Bgmstr/St, hinsichtlich Punkt 1.0) dahingehend ergänzt wurde, dass gemäß §8 Abs3 LStVG. 1964 weitere "Brücken- und Straßenbauwerke" im Sinne des Katastrophenschutzplanes der Gemeinde Seiersberg in der Fassung vom 4. Juli 2007 zu öffentlichen Interessentenwegen iSd §7 Abs1 Z5 leg cit erklärt werden und daher hinsichtlich Herstellung und Instandhaltung der Wegegenossenschaft "Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg" zuzuordnen sind.

1.10. Nach Zusammenlegung der bisherigen Gemeinden Seiersberg und Pirka zur Gemeinde Seiersberg-Pirka wurde vom Regierungskommissär gemäß §11 Abs2 des Gesetzes vom 14. Juni 1967, mit dem für die Gemeinden des Landes Steiermark mit Ausnahme der Städte mit eigenem Statut eine Gemeindeordnung erlassen wird (Steiermärkische Gemeindeordnung 1967 – GemO), LGBl 115 idF LGBl 131/2014, mit Verordnung vom 2. Jänner 2015, Z 003-3/VOWiederverlautbarung/1, angeordnet, dass näher bezeichnete Verordnungen der Gemeinde Seiersberg auch in der Gemeinde Seiersberg-Pirka weiter gelten.

1.11. Am 19. April 2016 beschloss der Gemeinderat der Gemeinde Seiersberg-Pirka einen Katastrophenschutzplan der Gemeinde Seiersberg-Pirka für das "Gewerbegebiet Mitte", welcher am 1. Mai 2016 in Kraft trat und sich unter anderem auch auf die Geschäftshäuser 1, 3, 5, 7 und 9 der SCS bezog.

1.12. Am 17. Mai 2016 beschloss der Gemeinderat der Gemeinde Seiersberg-Pirka die Verordnung zur Zahl 612-5/Interessentenwege/4, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 20. Mai bis 6. Juni 2016. Unter Punkt 1.0) dieser Verordnung, welche mit dem auf den letzten Tag der Kundmachungsfrist folgenden Tag rechtswirksam wurde, wurden die in dem dieser Verordnung beigeschlossenen Plan dargestellten (gelben) Bereiche zu öffentlichen Interessentenwegen (§8 Abs3 LStVG. 1964) erklärt und hinsichtlich der Erhaltung und Herstellung der Wegegenossenschaft "Brücken- und Straßenbauwerke Seiersberg" zugeordnet. Punkt 3.0) der Verordnung besagte, dass die unter a.) bis e.) angeführten Verordnungen mit Inkrafttreten der neuen Verordnung außer Kraft treten. Hintergrund der Erlassung dieser Verordnung war laut Punkt 4.) des öffentlichen Gemeinderatssitzungsprotokolles vom 17. Mai 2016, "dass auch hinsichtlich der Interessentenwege im Bereich der Shoppingcity Seiersberg Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind und nun mit Erlassung einer neuen Verordnung auch für diesen Bereich eine Rechtssicherheit geschaffen werden soll".

1.13. Mit Erkenntnis vom 2. Juli 2016 hob der Verfassungsgerichtshof auf Antrag der Volksanwaltschaft Punkt 1.0) der Verordnung der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 17. Mai 2016, Z 612-5/Interessentenwege/4, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 20. Mai bis 6. Juni 2016, (samt zugehöriger planlicher Darstellung) sowie die Verordnung der Gemeinde Seiersberg vom 13. Juni 2002, Z 1/616-0/SCS/13784/2002/5/Bgmstr/St, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 18. Juni bis 3. Juli 2002, (samt zugehöriger planlicher Darstellung und sonstiger Beilagen) einschließlich der Ziffer 83. der Verordnung des Regierungskommissärs der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 2. Jänner 2015, Z 003-3/VOWiederverlautbarung/1, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 2. bis 20. Jänner 2015, derzufolge die Verordnung Z 1/616-0/SCS/13784/2002/5/Bgmstr/St in der Gemeinde Seiersberg-Pirka weitergilt, mit Ablauf des 15. Jänner 2017 als gesetzwidrig auf (VfSlg 20.075/2016).

1.14. Am 15. November 2016 wurde eine Änderung des LStVG. 1964 beschlossen, die im LGBl 137/2016 kundgemacht wurde und am 26. November 2016 in Kraft trat. Insbesondere wurde in §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 die Wortfolge "von örtlicher Bedeutung" gestrichen und die Worte "Eigentümer" und "Benützer" wurden eingefügt.

1.15. Ziel des Landesgesetzgebers war es – ausweislich der Materialien – in Reaktion auf aktuelle Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes, die ersichtlich gemacht hätten, dass zur Vermeidung allfälliger Rechtsunsicherheiten eine zeitgemäße Anpassung der Legaldefinition der öffentlichen Interessentenwege dringend erforderlich sei, zu gewährleisten, dass die Kategorie der öffentlichen Interessentenwege auch "von anderen Personen als Besitzer- und BewohnerInnen, wie insbesondere Eigentümer-, Lieferant-, KundInnen, Gästen sowie sonstigen NutznießerInnen der betroffenen Liegenschaften, auch wenn sie von außerhalb des Gemeindegebietes kommen, benützt werden" könnte (Selbständiger Antrag von Abgeordneten Landtag Steiermark, EZ/OZ: 1211/1, 17. GP). Eben dies sei – so die zitierten Materialien – unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes derzeit nicht gewährleistet. Es sei durch die Einbeziehung der Begriffe "Eigentümer" und "Benützer" in die Legaldefinition öffentlicher Interessentenwege nach §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 zukünftig klargestellt, dass nicht nur Besitzer- und BewohnerInnen im engeren rechtlichen Sinn, sondern auch die LiegenschaftseigentümerInnen und all deren KundInnen, LieferantInnen, Gäste sowie sonstige NutznießerInnen ein entsprechendes Verkehrsinteresse an diesen hätten.

1.16. Am 13. Dezember 2016 erließ der Gemeinderat der Gemeinde Seiersberg-Pirka die nunmehr angefochtene Verordnung, Z 612-5/Interessentenwege/69, mit der er die Straßen mit öffentlichem Verkehr auf den Grundstücken 312, 325, 317/1, 317/4, 317/3, 338/1, 337/1, 347/4 und 347/5, alle KG Seiersberg, gemäß §8 Abs3 LStVG. 1964 zu öffentlichen Interessentenwegen iSd §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 idgF erklärte. Die Verordnung war vom 23. Dezember 2016 bis 10. Jänner 2017 an der Amtstafel der Gemeinde angeschlagen und wurde laut ihrem Punkt 2.0) am 16. Jänner 2017 rechtswirksam.

1.17. Am 13. Dezember 2016 erließ der Gemeinderat der Gemeinde Seiersberg-Pirka eine weitere Verordnung, mit der die beitragspflichtigen Gesellschaften und die Gemeinde Seiersberg-Pirka gemäß §45 Abs3 LStVG. 1964 zur Sicherstellung der Erhaltung der öffentlichen Interessentenwege zur öffentlich-rechtlichen Wegegenossenschaft "Gewerbegebiet Mitte Seiersberg" zusammengefasst wurden. Diese Verordnung war ebenfalls vom 23. Dezember 2016 bis 10. Jänner 2017 an der Amtstafel der Gemeinde angeschlagen und wurde am 16. Jänner 2017 rechtswirksam. Die angefochtene Verordnung, Z 612-5/Interessentenwege/69, ordnet die von ihr erfassten Straßen zur Sicherstellung ihrer Erhaltung dieser Wegegenossenschaft zu.

2. Bei der Behandlung des gegen diese Verordnung gerichteten Antrages der Volksanwaltschaft nach Art139 Abs1 Z6 iVm Art148i Abs1 B-VG und Art45 L-VG sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964, LGBl 154 (WV) idF LGBl 137/2016, der Wortfolge "sowie eines öffentlichen Interessentenweges (§7 Abs1 Z5)" in §8 Abs3 LStVG. 1964, LGBl 154 (WV) idF LGBl 60/2008, sowie des §58a LStVG. 1964, LGBl 154 (WV) idF LGBl 60/2008, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 10. Oktober 2019 beschlossen, diese Gesetzesbestimmungen von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"[…] Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen die hiemit in Prüfung gezogenen Bestimmungen folgende Bedenken:

[…] Zunächst wird zu prüfen sein, ob die Regelungen nach der Novellierung durch LGBl 137/2016 dem allgemeinen Sachlichkeitsgebot genügen.

[…] Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (vgl etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er ihm verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine (rechts-)politischen Vorstellungen im Rahmen vertretbarer Zielsetzungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verwirklichen (vgl zB VfSlg 13.738/1994, 16.176/2001, 16.504/2002). Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (vgl zB VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000, 16.814/2003). Die Schranken des allgemeinen Sachlichkeitsgebotes scheinen im vorliegenden Fall aber überschritten zu sein.

[…] Mit der Novellierung des §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 durch LGBl 137/2016 sind die Voraussetzungen für öffentliche Interessentenwege insoweit geändert worden, als die Wortfolge 'von örtlicher Bedeutung' gestrichen und die Wortfolge 'Besitzer und Bewohner' durch jene der 'Eigentümer, Besitzer, Bewohner und Benützer' ersetzt wurde. Ein 'öffentlicher Interessentenweg' ist weiterhin gemäß §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 eine Gattung von öffentlichen Straßen, die das Vorliegen einer 'Straße für den öffentlichen Verkehr' voraussetzt; allerdings dürfen nunmehr 'nur' solche Straßen zu Interessentenwegen erklärt werden, die 'überwiegend nur für die Eigentümer, Besitzer, Bewohner und Benützer einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dienen und als solche erklärt wurden'.

[…] Der Verfassungsgerichtshof hegt das Bedenken, dass diese Regelung vor dem Hintergrund des Systems, das den Bestimmungen des LStVG. 1964 in ihrer Gesamtheit zur Einteilung der Straßen zugrunde liegt, unsachlich ist:

[…] Die Einteilung der Straßen in Bundes-, Landes- und Gemeindestraßen beruht auf der im B-VG normierten Kompetenzverteilung (Art10 Abs1 Z9, Art15 sowie Art118 Abs3 Z4 B-VG), wobei jeweils die Bedeutung der Straße für den Verkehr als Abgrenzungsmerkmal dient. Die in §7 Abs1 LStVG. 1964 erfolgende Einreihung der Straßen, die unter das LStVG. 1964 fallen, dürfte dem durch die Kompetenzverteilung vorgegebenen System der Einteilung in Landes- und Gemeindestraßen folgen, wobei weitere Untergliederungen innerhalb dieser Kategorien vorgenommen werden; dementsprechend werden die Gattungen Landesstraßen, Eisenbahn-Zufahrtsstraßen, Konkurrenzstraßen, Gemeindestraßen und öffentliche Interessentenwege vorgesehen. Dem korrespondieren auch die Bestimmungen, die die Kostentragung für Straßen nach dem LStVG. 1964 regeln. Als Unterteilungskriterium dürfte – auch nach der Novellierung – nach wie vor die Person des Trägers der Straßenbaulast und damit korrespondierend die Verkehrsbedeutung der jeweiligen Straße dienen (vgl Baumgartner, Straßenrecht, in: Pürgy [Hrsg.], Das Recht der Länder, Band II/2, Landesverwaltungsrecht, 2012, Rz 24). Als Prämisse dürfte dem System zugrunde liegen, dass die Kosten einer Straße, wenn sie dem öffentlichen Verkehr dient, auf Grund des damit verbundenen öffentlichen Interesses je nach Bedeutung grundsätzlich entweder vom Land oder von der Gemeinde getragen werden. Eine Ausnahme davon scheinen lediglich Eisenbahn-Zufahrtsstraßen im Sinne des §7 Abs1 Z2 LStVG. 1964 (vgl hiezu §33 bzw §37 LStVG. 1964 für Zufahrtsstraßen) und Interessentenwege gemäß §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 (vgl hiezu §45 LStVG. 1964) zu bilden.

[…] Nach dem im LStVG. 1964 idF vor der Novellierung zugrunde gelegten System waren öffentliche Interessentenwege jene Straßen, welche die geringste öffentliche Verkehrsbedeutung hatten (vgl VfSlg 16.187/2001, 20.075/2016). Öffentliche Interessentenwege waren bislang stets solche Straßen, die überwiegend durchaus einem beschränkten Personenkreis, nämlich all jenen, denen die Verfügungsbefugnis über eine beschränkte Anzahl an Liegenschaften zukommt, zu dienen bestimmt waren (VfSlg 20.075/2016). Das überwiegend individuelle Verkehrsinteresse des dabei umschriebenen Personenkreises bildete auch den Grund dafür, die in §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 genannten Verkehrsinteressenten vor der Novellierung bis zu einem gewissen Ausmaß mit den Herstellungs- und Erhaltungskosten einer Straße zu belasten (§45 LStVG. 1964), obzwar diese dem öffentlichen Verkehr gewidmet war (vgl VfSlg 16.187/2001 mwN). Der Personenkreis, den §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 nennt, dürfte mit jenem identisch gewesen sein, der durch §45 Abs1 Satz 1 LStVG. 1964 mit Herstellungs- und Erhaltungskosten belastet werden konnte. Die Gemeinde war nach §45 Abs1 LStVG. 1964[…] aber verpflichtet, 'nach Maßgabe ihres Interesses an dem Bestand einer solchen Straße Beiträge zu leisten'. Das damit erfasste Interesse der Gemeinde bedeutete nichts anderes als das nicht auf die Verkehrsinteressenten entfallende restliche Verkehrsinteresse (so ausdrücklich zu §45 Abs1 LStVG. 1964 VfSlg 7340/1974).

[…] §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 wurde nun mit der Novelle LGBl 137/2016 dahingehend einer Änderung unterzogen, dass auch eine über die bisher im Gesetz normierten Verkehrsinteresssenten hinausgehende, weitere Gruppe der 'Benützer einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften' als Verkehrsinteressenten eingefügt wurde. Nach §45 Abs1 Satz 1 LStVG. 1964 dürften die Kosten der Herstellung und Erhaltung öffentlicher Interessentenwege weiterhin den Verkehrsinteressenten zur Last fallen, und die Gemeinde ist verpflichtet, nach Maßgabe ihres Interesses an dem Bestand einer solchen Straße Beiträge zu leisten. Vor diesem Hintergrund dürfte davon auszugehen sein, dass auch die nunmehr durch §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 in den Verkehrsinteressentenkreis einbezogenen 'Benützer' mit diesen Kosten belastet werden (vgl auch Dworak/Eisenberger [Hrsg.], Steiermärkisches [Landes-Straßenverwaltungsgesetz2, 2018, §45 Rz 9).

[…] Ausgehend davon dürfte dem System des LStVG. 1964 – nach wie vor – die Prämisse zugrunde liegen, dass es sich bei den Verkehrsinteressenten um einen beschränkten Personenkreis handelt, da die Kostentragungsregel des §45 Abs1 LStVG. 1964 eine begrenzte Zahl Verpflichteter erfordern dürfte, denen die Verpflichtung zur Tragung der Kosten für die Herstellung und Erhaltung des Interessentenweges obliegt.

[…] Der Gesetzgeber scheint nun in §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 aber von einem gegebenenfalls unbegrenzten Personenkreis auszugehen (Selbständiger Antrag von Abgeordneten Landtag Steiermark, EZ/OZ: 1211/1, 17. GP). Der Kreis der Interessenten dürfte jetzt größer sein als die Gesamtheit der Gemeindebewohner (vgl VfSlg 6062/1969). Es wird damit auch die Frage aufgeworfen, welches restliche Verkehrsinteresse bestehen könnte, das über die in §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 genannten Verkehrsinteressenten hinausgehend das gemäß §45 Abs1 LStVG. 1964 bestehende Interesse der Gemeinde am Bestand der Straße verkörpert und damit die Kostentragungsverpflichtung der Gemeinde begründet.

[…] Mit der Streichung der Wortfolge 'von örtlicher Bedeutung' und der Einfügung der 'Benützer' scheinen Interessentenwege – ungeachtet des Umstandes, dass mit der Anknüpfung an eine 'beschränkte Anzahl von Liegenschaften' eine Einschränkung der Verkehrsbedeutung gegenüber den übrigen Straßenkategorien einhergehen dürfte – nicht mehr jene Straßen darzustellen, die nach dem System des LStVG. 1964 die geringste öffentliche Verkehrsbedeutung haben. Vielmehr dürften nun grundsätzlich auch Straßen für den öffentlichen Verkehr von überörtlicher Bedeutung als öffentliche Interessentenwege eingereiht werden können. Damit dürfte die Kategorie der Interessentenwege aber nicht mehr eindeutig von anderen Straßengattungen abgrenzbar sein. Es scheint ins Belieben der Gemeinde gestellt zu sein, auch Straßen mit einer überörtlichen Bedeutung für eine große Zahl an Nutzern als Interessentenwege einzureihen und damit auch die an die jeweilige Straßengattung anknüpfenden Kostenrege-lungen zu steuern.

[…] Der Verfassungsgerichtshof hegt vor diesem Hintergrund das Bedenken, dass Interessentenwegen nach der Novellierung durch LGBl 137/2016 zum einen eine Verkehrsbedeutung zukommen kann, die dem System des LStVG. 1964 widerspricht, und sie zum anderen überwiegend einem gegebenenfalls unbegrenzten Kreis von Personen – und damit einer allenfalls auch sehr großen Zahl an Personen – dienen, worin ebenfalls ein Widerspruch zu dem dem LStVG. 1964 nach wie vor zugrunde liegenden System, insbesondere den darin enthaltenen Kostentragungsregelungen, liegen dürfte. Der Verfassungsgerichtshof ist vorläufig der Ansicht, dass dies mit dem allgemeinen Sachlichkeitsgebot nicht vereinbar ist.

[…] Der Verfassungsgerichtshof nimmt – vor dem Hintergrund des Systems des LStVG. 1964 und unter Zugrundelegung des [oben] dargelegten Verständnisses der in Prüfung gezogenen Bestimmungen – weiters vorläufig an, dass diese wegen Verstoßes gegen Art118 Abs2 zweiter Satz B-VG verfassungswidrig sind.

[…] §58a LStVG. 1964 bezeichnet alle Aufgaben der Gemeinde, die im LStVG. 1964 geregelt sind, als solche des eigenen Wirkungsbereiches; die Bestimmung kennt keine Ausnahmen. Damit bestimmt §58a LStVG. 1964, dass die Vornahme hoheitlicher Akte der Gemeinde in Bezug auf öffentliche Interessentenwege, wie sie in §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 definiert werden, insbesondere etwa ihre Einreihung durch Verordnung der Gemeinde gemäß §8 Abs3 LStVG. 1964, eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde im Sinne des Art118 B-VG ist.

[…] Art118 Abs2 zweiter Satz B-VG enthält das Verbot, Angelegenheiten, die nicht in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallen, als solche zu bezeichnen und damit den durch Art118 Abs2 erster Satz und Abs3 B-VG umschriebenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu erweitern (vgl VfSlg 6770/1972). Der Wortlaut der in Art118 Abs2 erster Satz B-VG zusammen mit der in Art118 Abs3 B-VG enthaltenen Regelung schließt es aus, dass eine Angelegenheit, die weder in Art116 Abs2 B-VG angeführt ist noch zu einem der Tatbestände in Art118 Abs3 B-VG gehört noch von der Generalklausel des Art118 Abs2 erster Satz B-VG erfasst wird, eine solche des eigenen Wirkungsbereiches ist [VfSlg 20.318/2019]). Daraus ergibt sich, dass durch eine Bezeichnung gemäß Art118 Abs2 zweiter Satz B-VG der eigene Wirkungsbereich, wie er in Art118 Abs2 erster Satz iVm Abs3 B-VG umschrieben ist, nicht erweitert werden darf (VfSlg 5415/1966; Weber, Art118/1-7, in: Korinek/Holoubek et al. [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, 13. Lfg. 2017, Rz 6).

[…] Der Verfassungsgerichtshof hat daher in seiner Rechtsprechung wiederholt angenommen, eine Bestimmung, mit der der Gesetzgeber eine Angelegenheit, die den Kriterien des Art118 Abs3 B-VG und auch jenen des Art118 Abs2 B-VG nicht entspricht, als solche des eigenen Wirkungsbereiches bezeichnet, sei verfassungswidrig (VfSlg 5415/1966, 8591/1979, 11.307/1987; vgl hiezu auch VfSlg 5409/1966, 6196/1970, 7063/1973, 7401/1974, 8719/1979, 11.653/1988).

[…] Art118 Abs3 Z4 B-VG gewährleistet der Gemeinde zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich insbesondere die 'Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde'. Die Verwaltung anderer Verkehrsflächen als solcher der Gemeinde gehört nicht zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde (VfSlg 5807/1968, 6685/1972, 6770/1972; Stolzlechner, Art118, in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, 12. Lfg. 2013, Rz 13).

[…] Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung den Standpunkt eingenommen, Art118 Abs3 Z4 B-VG besage unwiderleglich, dass von der Materie 'Straßenangelegenheiten' nur die 'Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde' und die 'örtliche Straßenpolizei' in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallen, sodass die von diesen beiden Begriffen nicht erfassten Straßenangelegenheiten vom eigenen Wirkungsbereich ausgeschlossen sind (VfSlg 5807/1968). Diesbezüglich sei auch für ein Messen an der Generalklausel des Art118 Abs2 erster Satz B-VG kein Raum mehr (VfSlg 5409/1966, 5807/1968). Dem Verfassungsgesetzgeber sei nämlich nicht zuzumuten, dass er mit den Worten der in Rede stehenden Z4 wohl die Zuordnung der 'Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde' und der 'örtlichen Straßenpolizei' zum eigenen Wirkungsbereich klarstellen, aber die Frage dieser Zuordnung hinsichtlich des Restes der Straßenangelegenheiten offen lassen wollte (VfSlg 5807/1968, 11.553/1987). Die nicht von den beiden ausdrücklich genannten Begriffen erfassten Straßenangelegenheiten seien unwiderlegbar vom eigenen Wirkungsbereich ausgeschlossen (VfSlg 5807/1968).

[…] Unter 'Verkehrsflächen der Gemeinde' sind nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes solche zu verstehen, die überwiegend nur für den lokalen Verkehr von Bedeutung sind (VfSlg 6196/1970, 6208/1970, 6685/1972, 6848/1972), wobei dieser Verkehr nicht auf das Gemeindegebiet beschränkt sein muss, sondern auch dann ein Lokalverkehr bleibt, wenn er zwar über die Gemeindegrenze führt, aber überwiegend den Interessen der einzelnen Gemeinden und nicht überwiegend übergeordneten Interessen dient (VfSlg 6196/1970, 6208/1970, 6685/1972, 6770/1972). 'Verkehrsflächen der Gemeinde' sind nicht nur Straßen und Wege, die 'Sackgassen' innerhalb des Gemeindegebietes sind. Es fallen auch Straßen und Wege darunter, die zur Gemeindegrenze führen und jenseits derselben eine unmittelbare Fortsetzung haben (VfSlg 6208/1970). Entscheidend ist, dass eine Verkehrsfläche in ihrer Verkehrsbedeutung auf das Gemeindegebiet beschränkt ist (VfSlg 6097/1969); sie muss im überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft liegen (VfSlg 12.875/1991). Zur Beurteilung, ob es sich um einen Lokalverkehr in diesem Sinne handelt, ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auf die konkreten (tatsächlichen) lokalen Verhältnisse abzustellen (VfSlg 6770/1972, 7794/1976).

[…] Verkehrsflächen der Gemeinde sind zudem all jene Straßen, die keiner höheren Kategorie als der der Gemeindestraße angehören (VfSlg 6208/1970; vgl dazu VfSlg 11.553/1987 [jedenfalls nicht Bundes- und Landesstraßen]; Stolzlechner, Art118, in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, 12. Lfg. 2013, Rz 13). Die Eigentumsverhältnisse sind dabei irrelevant, sodass auch Flächen im Privateigentum darunter fallen können (VfSlg 6208/1970, 6685/1972; Stolzlechner, Art118, in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, 12.  Lfg. 2013, Rz 13).

[…] Für Forstwege etwa nahm der Verfassungsgerichtshof an, sie seien keine 'Verkehrsflächen der Gemeinde', weil sie nur für den 'nicht-öffentlichen Verkehr', vorzugsweise für die Bringung und den wirtschaftlichen Verkehr innerhalb der Waldungen dienten und nicht zum öffentlichen Verkehrsnetz gehörten; nur öffentliche Verkehrsflächen könnten 'Verkehrsflächen der Gemeinde' sein (VfSlg 6848/1972).

[…] Zur Auslegung des Art118 Abs3 Z4 B-VG ist entscheidend, ob überörtliche Interessen örtliche Interessen überwiegen (VfSlg 8343/1978). Eine allenfalls erforderliche Bedachtnahme auf überörtliche Belange nimmt einer Angelegenheit nicht die Merkmale, die für ihre Zuordnung zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde wesentlich sind. Aus der Verfassung selbst ergibt sich, dass die Zuordnung einer Angelegenheit zum eigenen Wirkungsbereich nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass die Angelegenheit überörtliche Interessen berührt. Eine Angelegenheit muss aber im 'überwiegenden Interesse' der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen sein (VfSlg 5823/1968). Das Überwiegen ist im Wege einer Interessenabwägung festzustellen (VfSlg 8343/1978).

[…] Der Verfassungsgerichtshof hegt vor diesem Hintergrund das Bedenken, dass Verkehrsflächen mit den Voraussetzungen des §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 idgF keine solchen der Gemeinde im Sinne des Art118 Abs3 Z4 B-VG sind. Wenngleich die Anknüpfung an eine begrenzte Anzahl von Liegenschaften im Wortlaut der Norm verblieben ist, so wird insbesondere zu prüfen sein, ob die Grenzen des Art118 Abs3 Z4 B-VG nach Erweiterung des Nutzerkreises um die Gruppe der 'Benützer' und der Streichung der Wortfolge 'von örtlicher Bedeutung' in §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 überschritten sind.

[…] Eine Verkehrsfläche für den öffentlichen Verkehr, die überwiegend nur für die Eigentümer, Besitzer, Bewohner und Benützer einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dient und als solche erklärt wurde (§7 Abs1 Z5 LStVG. 1964), scheint (zumindest auch) eine solche zu sein (sein zu können), die über das örtliche Interesse hinausgeht, und vor allem eine solche zu sein (sein zu können), die nicht überwiegend im örtlichen Interesse liegt (s zum vorläufigen Verständnis der Bestimmung durch den Verfassungsgerichtshof oben […]), sodass dieser Fall von Art118 Abs3 Z4 B-VG nicht umfasst sein dürfte.

[…] Die angefochtenen Bestimmungen scheinen die Voraussetzungen des Art118 Abs3 Z4 B-VG nicht zu erfüllen (VfSlg 5409/1966, 5807/1968); die verfassungsrechtlichen Vorgaben für den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde dürften daher überschritten sein und die angefochtenen Bestimmungen scheinen wegen Verstoßes gegen Art118 Abs2 zweiter Satz B-VG verfassungs-widrig zu sein.

[…] Aus den dargelegten Gründen hegt der Verfassungsgerichtshof Bedenken gegen die hiemit in Prüfung gezogenen Bestimmungen. Der Sitz der Verfassungswidrigkeit im Rahmen der angefochtenen Bestimmungen wird – vor dem Hintergrund der Bedenken – im Gesetzesprüfungsverfahren zu klären sein.

[…] Im Gesetzesprüfungsverfahren wird auch zu prüfen sein, ob eine verfassungs-konforme Interpretation der in Prüfung gezogenen Bestimmungen dahingehend möglich ist, dass Straßen der Gattung 'öffentliche Interessentenwege' in §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 nach wie vor Straßen für den öffentlichen Verkehr von örtlicher Bedeutung sind. Die Entstehungsgeschichte des §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 idF LGBl 137/2016 (s hiezu oben […]) scheint allerdings vorderhand gegen eine verfassungskonforme Interpretation zu sprechen (vgl hiezu aus den Materialien auch insbesondere: Selbständiger Antrag von Abgeordneten Landtag Steiermark, EZ/OZ: 1211/1, 17. GP; StenProtLT [Stmk] 17. GP, 19. Sitzung, 3312 ff.). Es dürfte dem Landesgesetzgeber nämlich nicht zugesonnen werden können, bewusst eine Änderung ohne normative Auswirkungen vornehmen zu wollen (vgl VfSlg 12.002/1989, 12.409/1990, 14.444/1996)."

4. Die Steiermärkische Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken im Wesentlichen wie folgt entgegengetreten wird (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"[…] Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 19.939/2014, 13.965/1994, 16.542/2002 mwN, 16.911/2003) sind sowohl für von Amts wegen als auch auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011[, 20.154/2017]). Es sind daher all jene Normen anzufechten, die präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden.

Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit solche Normen angefochten werden, die denkmöglich eine Voraussetzung der Entscheidung [des antragstellenden Gerichtes] im Anlassfall bilden und damit präjudiziell sind. Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies – wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen – im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua).

Über die Frage, ob gegebenenfalls auch Bestimmungen aufzuheben sind, die nicht präjudiziell sind, aber mit präjudiziellen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, entscheidet der Verfassungsgerichtshof (vgl zB VfSlg 19.939/2014[, 20.086/2016]) nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages, sondern im Einzelnen erst dann, wenn er, erweist sich der Antrag als begründet, den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen abzugrenzen hat.

Ein Gesetzesprüfungsantrag ist nur dann zulässig, wenn die behauptete Verfassungswidrigkeit mit einer gänzlichen oder teilweisen Aufhebung der angefochtenen Norm beseitigt werden würde (vgl etwa VfSlg 16.191/2001, 19.178/2010 und VfGH 2.7.2015, G303/2015). Ein Antrag, der das missachtet, ist unzulässig. Dies gilt insbesondere dann, wenn der (nach der angestrebten Aufhebung) verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre, er also mit den aufzuhebenden Gesetzesstellen untrennbar verbunden ist (vgl etwa mwN VfSlg 12.859/1991, 16.279/2001).

[…] Der Verfassungsgerichtshof hat das ggst. Gesetzesprüfungsverfahren aus Anlass des Antrags der Volksanwaltschaft auf Prüfung der Gesetzmäßigkeit von Teilen der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Seiersberg-Pirka vom 13. Dezember 2016, GZ: 612-5/Interessentenweg/69, V44/2019, von Amts wegen eingeleitet. Gesetzliche Grundlage für die angefochtenen Verordnungsbestimmungen sind §7 Abs1 Z5 und §8 Abs3 LStVG. 1964, die vom Verfassungsgerichtshof auch in Prüfung gezogen werden.

§7 Abs1 LStVG. 1964 unterteilt die unter das Gesetz fallende[n] Straßen in Gattungen. Als Gattungen werden taxativ festgelegt: Landesstraßen (Z1), Eisenbahn-Zufahrtsstraßen (Z2), Konkurrenzstraßen (Z3), Gemeindestraßen (Z4) und öffentliche Interessentenwege (Z5). §8 Abs3 LStVG. 1964 bestimmt, dass (ua) die Einreihung und Neuanlage von öffentlichen Interessentenwegen (§7 Abs1 Z5) durch Verordnung der Gemeinde erfolgt.

Der Verfassungsgerichtshof dürfte vorläufig davon ausgehen, dass die Wortfolge 'sowie eines öffentlichen Interessentenweges (§7 Abs1 Z5)' in §8 Abs3 LStVG. 1964 deshalb präjudiziell ist, weil sie eine untrennbare Einheit mit der Bestimmung des §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 bildet, da ua die Einreihung einer Gemeindestraße 'sowie eines öffentlichen Interessentenweges (§7 Abs1 Z5)' erst durch Verordnung der Gemeinde erfolgt.

Im Gegensatz dazu ist aber nicht nachvollziehbar, warum die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes auf die übrigen Bestimmungen betreffend öffentliche Interessentenwege – einer Straßengattung, die es nach einer allfälligen Aufhebung des §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 nicht mehr gibt –, nicht zutreffen sollten (vgl §27 Abs1 LStVG. 1964 und insbesondere §§45 und 46 LStVG. 1964). Vor diesem Hintergrund erscheint der im Prüfungsbeschluss festgelegte Prüfungsumfang nach Ansicht der Steiermärkischen Landesregierung als zu eng.

[…] Der Verfassungsgerichtshof geht weiters vorläufig davon aus, dass die Vollziehung des §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 nicht zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zähle, weshalb er die Bestimmung des §58a LStVG., der die Vollziehung auch dieser Bestimmung dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zuweist, in die Prüfung einbezogen hat. Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof an dieser vorläufigen Rechtsansicht festhält, hätte er neben §58a LStVG. 1964 auch §13 LStVG. 1964 in die Prüfung einbeziehen müssen. §13 LStVG. 1964 bestimmt, dass für die Ausübung der Aufsicht über die Gemeinden die Bestimmungen der Gemeindeverfassung maßgebend sind. Die verwiesenen Bestimmungen der Gemeindeordnung über das Aufsichtsrecht beschränken sich auf Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde. Nach Ansicht der Steiermärkischen Landesregierung steht diese Bestimmung im Sinne der Ausführungen [oben] in untrennbarem Zusammenhang mit §58a LStVG. 1964 und hätte daher auch in die Prüfung einbezogen werden müssen.

[…] In der Sache:

[…] Zur Wahrung des Sachlichkeitsgebotes:

[…] Der Verfassungsgerichtshof bezweifelt, dass §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 vor dem Hintergrund des Systems, das den Bestimmungen des LStVG. 1964 in ihrer Gesamtheit zugrunde liegt, aus folgenden Erwägungen dem Sachlichkeitsgebot entspricht:

§7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 sei einer Änderung dahingehend unterzogen worden, dass auch eine über die bisher im Gesetz normierten Verkehrsinteressenten hinausgehende weitere Gruppe der 'Benützer einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften' als Verkehrsinteressenten eingefügt worden sei. Nach §45 Abs1 LStVG. 1964 dürften die Kosten der Herstellung und Erhaltung öffentlicher Interessentenweg[e] weiterhin den Verkehrsinteressenten zur Last fallen, und die Gemeinde sei verpflichtet, nach Maßgabe ihres Interesses an dem Bestand einer solchen Straße Beiträge zu leisten. Vor diesem Hintergrund dürfte davon auszugehen sein, dass auch die nunmehr durch §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 in den Verkehrsinteressentenkreis einbezogenen 'Benützer' mit diesen Kosten belastet würden (vgl auch Dworak/Eisenberger [Hrsg.], Steiermärkisches [Landes-] Straßenverwaltungsgesetz2, 2018, §45 Rz 9). Ausgehend davon dürfte dem System des LStVG. 1964 – nach wie vor – die Prämisse zugrunde liegen, dass es sich bei den Verkehrsinteressenten um einen beschränkten Personenkreis handle, da die Kostentragungsregel des §45 Abs1 LStVG. 1964 eine begrenzte Anzahl Verpflichteter erfordern würde, denen die Verpflichtung zur Tragung der Kosten für die Herstellung und Erhaltung des Interessentenweges obliege.

Der Gesetzgeber scheine nun in §7 Abs1 Z4 LStVG. 1964 aber von einem gegebenenfalls unbegrenzten Personenkreis auszugehen (Selbständiger Antrag von Abgeordneten Landtag Steiermark, EZ/OZ: 1211/1, 17. GP). Der Kreis der Interessenten dürfte jetzt größer sein als die Gesamtheit der Gemeindebewohner (vgl VfSlg 6062/1969). Es werde damit die Frage aufgeworfen, welches restliche Verkehrsinteresse bestehen könnte, das über die in §7 Abs1 Z5 LStVG. 1964 genannten Verkehrsinteressenten hinausgehend das gemäß §45 Abs1 LStVG. 1964 bestehende Interesse der Gemeinde am Bestand der Straße verkörpere und damit die Kostentragungsverpflichtung der Gemeinde begründe.

Mit der Streichung der Wortfolge 'von örtlicher Bedeutung' und der Einfügung der 'Benützer' scheinen Interessentenwege – ungeachtet des Umstandes, dass mit der Anknüpfung an eine 'beschränkte Anzahl von Liegenschaften' eine Einschränkung der Verkehrsbedeutung mit den übrigen Straßenkategorien einhergehen dürfte – nicht mehr jene Straßen darzustellen, die nach dem System des LStVG. 1964 die geringste öffentliche Verkehrsbedeutung haben. Vielmehr dürften nun grundsätzlich auch Straßen für den öffentlichen Verkehr von überörtlicher Bedeutung als lnteressentenwege eingereiht werden können. Damit dürfte die Kategorie der Interessentenwege aber nicht mehr eindeutig von anderen Straßengattungen abgrenzbar sein. Es scheine ins Belieben der Gemeinde gestellt zu sein, auch Straßen mit einer überörtlichen Bedeutung für eine große Zahl an Nutzern als Interessentenwege einzureihen und damit auch die an die jeweilige Straßengattung anknüpfenden Kostenregelungen zu steuern.

[…] Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bindet der Gleichheitssatz des Art2 StGG sowie des Art7 B-VG auch die Gesetzgebung (vgl etwa VfSlg 13.327/1993,

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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