Index
19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. Achim Maurer, Rechtsanwalt in Wien I, Graben 27-28/2/19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. Juni 1997, Zl. SD 661/97, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 26. Juni 1997 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der nach der Aktenlage seit 11. August 1988 ununterbrochen in Wien polizeilich gemeldete Beschwerdeführer sei am 10. Oktober 1996 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen (§ 207 Abs. 1 StGB), wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung (§ 202 Abs. 1 StGB) und wegen des Vergehens der versuchten Nötigung (§§ 15, 105 Abs. 1 StGB) zu einer (bedingten) Freiheitsstrafe von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG sei damit verwirklicht.
Der Verurteilung sei zugrunde gelegen, daß der Beschwerdeführer in den Räumlichkeiten einer Schule, an der er seit 1. Februar 1995 als Schulwart tätig gewesen sei, eine elfjährige Schülerin zweimal, nämlich Ende November und Anfang Dezember 1995, zur Unzucht mißbraucht und zum selben Zeitpunkt dieselbe Schülerin sowie ein zweites (ebenfalls noch unmündiges) Mädchen durch Gewalt zur Duldung von geschlechtlichen Handlungen genötigt habe. Von Ende November 1995 bis Ende Februar 1996 habe er weiters drei Schülerinnen durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung genötigt, indem er ihnen in Aussicht gestellt habe, Probleme zu bekommen bzw. sie umzubringen, falls sie über die zuvor genannten Vorkommnisse dem Direktor Meldung machen würden. Es liege auf der Hand, daß ein solches Fehlverhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit in hohem Maß beeinträchtige, sodaß auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.
Aufgrund des etwa neunjährigen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und im Hinblick auf seine familiären Bindungen (Ehegattin und drei Kinder) liege ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in sein Privat- und Familienleben vor. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes aufgrund des Dringend-geboten-seins dieser Maßnahme nach § 19 FrG zu bejahen. Der Beschwerdeführer habe sich - wie den Entscheidungsgründen des Urteiles des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zu entnehmen sei - in mehreren Fällen der Unzucht mit Unmündigen und der geschlechtlichen Nötigung schuldig gemacht. Besonders schwer wiege in diesem Zusammenhang der Umstand, daß der Beschwerdeführer seine Stellung als Schulwart nicht nur zur Vornahme sexueller Handlungen, sondern auch dazu benutzt habe, den Mädchen zu drohen. Die wiederholten strafbaren Handlungen ließen jedenfalls einen derartigen Charaktermangel des Beschwerdeführers erkennen, daß eine Zukunftsprognose für ihn nicht positiv ausfallen könne. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei daher zum Schutz der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten.
Im Rahmen der nach § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung sei auf den etwa neunjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich Bedacht zu nehmen gewesen. Der daraus ableitbaren Integration komme aber insofern kein entscheidendes Gewicht zu, als die dafür erforderliche soziale Komponente durch die schwerwiegenden Straftaten des Beschwerdeführers in erheblichem Maß beeinträchtigt worden sei. Einer allfälligen Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen Kindern könne der Beschwerdeführer auch vom Ausland nachkommen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er würde in keinem anderen Land als Österreich eine Aufenthalts- bzw. Beschäftigungsbewilligung erhalten, stelle eine bloße Vermutung dar und sei jedenfalls nicht geeignet, seinen privaten Interessen gegenüber dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Verhinderung gerade solcher strafbarer Handlungen, wie sie ihm zur Last lägen, ein Übergewicht zu verschaffen. Eine Kontaktnahme des Beschwerdeführers mit seinen Angehörigen werde durch das Aufenthaltsverbot erschwert, doch müsse dies im vorliegenden Fall in Kauf genommen werden. Abgesehen davon lege auch die Berufung nicht dar, daß ein Kontakt - etwa durch Besuche von Angehörigen im Ausland - nicht zumindest in einem eingeschränkten Ausmaß aufrechterhalten werden könne. Die belangte Behörde sei bei Gegenüberstellung der öffentlichen Interessen und der privaten bzw. familiären Interessen des Beschwerdeführers zu der Auffassung gelangt, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Somit erweise sich das Aufenthaltsverbot auch im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG als zulässig.
Entgegen der offenbaren Ansicht des Beschwerdeführers komme die Bestimmung des § 20 Abs. 2 FrG nicht zum Tragen, weil im Beschwerdefall die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, nämlich ein mindestens zehnjähriger ununterbrochener ordentlicher Wohnsitz im Bundesgebiet, nicht vorliege.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Ansicht der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 (dritter Fall) FrG verwirklicht habe, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige gerichtliche Verurteilung vom 10. Oktober 1996 bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken. Auch gegen die Auffassung der belangten Behörde, daß die der besagten Verurteilung zugrunde liegenden strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme (in Ansehung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) rechtfertige, hegt der Gerichtshof keinen Einwand: Wer, wie der Beschwerdeführer, eine unmündige Person wiederholt zur Unzucht mißbraucht, weiters unmündige Personen durch Gewalt zur Duldung geschlechtlicher Handlungen nötigt und schließlich mehrere Personen durch gefährliche Drohung (u.a. mit dem Umbringen) zu einer Unterlassung nötigt, der bietet Anlaß zu der Annahme, daß sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit in erheblichem Maß gefährdet.
2. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung nach den §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG. Die dazu vom Beschwerdeführer vorgetragenen Argumente sind nicht stichhältig.
2.1. Die blangte Behörde hat zugunsten des Beschwerdeführers auf seinen etwa neunjährigen Aufenthalt in Österreich und seine familiären Bindungen zu seiner Gattin und seinen drei Kindern Bedacht genommen und aufgrund dessen zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben i.S. des § 19 FrG angenommen. Sie hat aber ebenso zutreffend die Auffassung vertreten, daß die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer im Hinblick auf im Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebene Rechtsgüter dringend geboten ist. Der gegen eine Unmündige gerichtete mehrfache geschlechtliche Mißbrauch wie auch das gewaltsame Nötigen von Unmündigen zu geschlechtlichen Handlungen und schließlich die Nötigung mehrerer Personen zu einem Unterlassen durch gefährliche Drohung stellen eine derart gravierende Beeinträchtigung maßgeblicher öffentlicher Interessen i.S. des Art. 8 Abs. 2 MRK (näherhin: am Schutz der öffentlichen Ordnung, an der Verhinderung strafbarer Handlungen, am Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dar, daß diese auch bei gebührender Beachtung der persönlichen Interessenlage des Beschwerdeführers dessen Aufenthaltsbeendigung notwendig erscheinen lassen.
2.2. Die so gestaltete Interessenkonstellation schlägt auch auf die Abwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG durch, und zwar dergestalt, daß die durch die private und familiäre Situation des Beschwerdeführers geprägten Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf seine und seiner Familie Lebenssituation jedenfalls nicht schwerer wiegen als die durch das beschriebene Fehlverhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigten Interessen der Allgemeinheit. Die dazu in der Beschwerde geltend gemachten Einwände vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Daß der mit einem Aufenthaltsverbot belegte Fremde seinen Unterhaltsverpflichtungen auch aus dem Ausland nachkommen kann, entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 6. Mai 1997, Zl. 95/18/0977). Daß dies allenfalls nur mit Einschränkungen möglich ist, muß in Kauf genommen werden; jedenfalls führt der Beschwerdehinweis, daß insoweit "nicht nur die Ehegattin, sondern auch die öffentliche Hand" belastet würde, nicht weiter, weil der Fremde im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG rechtens ausschließlich seiner privaten und familiären Sphäre zugehörige Umstände zu seinen Gunsten ins Treffen führen kann, nicht jedoch auch mit einer Beendigung seines Aufenthaltes (behauptetermaßen) verbundene negative Auswirkungen auf öffentliche Interessen (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 6. Mai 1997, Zl. 97/18/0235, und vom 26. Juni 1997, Zl. 97/18/0324). Was schließlich das Beschwerdevorbringen anlangt, alle Familienmitglieder des Beschwerdeführers seien österreichische Staatsbürger und hätten "daher auch keinerlei Anspruch auf einen Aufenthaltstitel im Ausland", sodaß seine Familie "auseinandergerissen wird", so wäre dem unter der Annahme des Zutreffens dieser Behauptung zwar einzuräumen, daß das Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer ein dauerndes Zusammenleben ausschließen würde, zugleich aber mit der belangten Behörde entgegenzuhalten, daß damit nicht auch die Möglichkeit des Kontaktes der Familienangehörigen des Beschwerdeführers zu diesem durch (regelmäßige) Besuche im Ausland entfiele (vgl. auch dazu das obzitierte hg. Erkenntnis Zl. 95/18/0977).
3.1. Unter Zugrundelegung des Vorgesagten geht die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe sich nicht hinreichend mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien auseinandergesetzt, wonach "keine allzu massive Begehungsweise hinsichtlich der Tat vorlag", ins Leere.
3.2. Daß sich die belangte Behörde, wie von der Beschwerde behauptet, nicht mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, es lägen bei ihm die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vor, befaßt habe, ist, woran die Bescheidbegründung keinen Zweifel aufkommen läßt (vgl. die obige Sachverhaltsdarstellung I.1.), unrichtig. Daß die belangte Behörde insoweit in inhaltlicher Hinsicht geirrt hätte, ist auf dem Boden der dazu getroffenen maßgeblichen Tatsachenfeststellung nicht zu erkennen.
4. Da bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 FrG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997180457.X00Im RIS seit
20.11.2000