TE Vwgh Beschluss 2020/10/9 Ra 2020/21/0348

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Veröffentlicht am 09.10.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §25a Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §34 Abs1a

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision der U M in G, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Februar 2020, W186 2011184-1/23E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin, eine mongolische Staatsangehörige, reiste im September 2011 gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern nach Österreich und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen Antrag wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 18. Mai 2012 vollinhaltlich, verbunden mit einer Ausweisung der Revisionswerberin in die Mongolei, ab. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. Mai 2013 als unbegründet ab.

2        Mit Bescheid vom 29. Juli 2014 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gegen die Revisionswerberin und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG „nach Algerien“ zulässig sei. Unter einem wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen die Revisionswerberin ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Unter einem sprach das BFA aus, dass einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.

3        Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Abschiebung der Revisionswerberin gemäß § 46 FPG „in die Mongolei“ zulässig sei. Weiters sprach es gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Begründend stellte das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ua. fest, die Revisionswerberin sei mit Urteilen jeweils des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 14. August 2013, vom 15. Oktober 2013 und vom 31. März 2014 wegen der Verbrechen des teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahles zu Freiheitsstrafen (zuletzt sechs Monate unbedingt) verurteilt worden. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Graz vom 17. Oktober 2016 sei die Revisionswerberin wegen Urkundenfälschung und der versuchten Erschleichung einer Leistung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt worden. Die Revisionswerberin sei „dreimal innerhalb offener Probezeit straffällig“ geworden, wobei sie Luxusartikel aus Kaufhäusern mit „extra hierfür präparierten Taschen“ gestohlen habe.

5        Gegen den Ehemann der Revisionswerberin und die beiden Kinder seien ebenfalls Rückkehrentscheidungen erlassen worden. Gegen den Ehemann und die Tochter der Revisionswerberin bestünden darüber hinaus auch Einreiseverbote, weil diese im Bundesgebiet ebenfalls strafrechtlich verurteilt worden seien. Die Revisionswerberin lebe mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn im gemeinsamen Haushalt und beziehe Leistungen aus der Grundversorgung. Sie habe Deutschkenntnisse auf Niveau A2. In der Mongolei habe die Revisionswerberin zehn Jahre lang die Grundschule besucht, eine Ausbildung zur Kunstmalerin absolviert und in weiterer Folge als Schneiderin gearbeitet. Sie leide an Psoriasis und Bluthochdruck.

6        Weiters führte das BVwG insbesondere im Rahmen seiner Abwägung nach § 9 Abs. 2 BFA-VG aus, die Revisionswerberin halte sich seit rechtskräftigem Abschluss ihres Asylverfahrens im Juni 2013 illegal in Österreich auf. Die Revisionswerberin gehe keiner regelmäßigen Beschäftigung nach und sei nicht selbsterhaltungsfähig. Sie könne ihr Familienleben in der Mongolei fortsetzen und geriete im Fall einer Rückkehr nicht in eine lebensbedrohliche Notlage. Die Revisionswerberin sei arbeitsfähig und auch nicht lebensbedrohlich krank.

7        Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 8. Juni 2020, E 1041/2020, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

8        Die in der Folge ausgeführte Revision erweist sich als unzulässig.

9        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht „zur Behandlung eignen“, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

12       Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

13       Unter diesem Gesichtspunkt wird von der Revisionswerberin zunächst bemängelt, das BVwG habe seinen Ausspruch nach § 25a Abs. 1 VwGG nur „inhaltsleer“ begründet. Das ist zwar zutreffend, weil die Begründung für die Nichtzulassung der ordentlichen Revision lediglich in einer verneinenden Wiedergabe der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG besteht. Das führt aber für sich betrachtet noch nicht zur Zulässigkeit der Revision (vgl. VwGH 30.6.2016, Ra 2016/21/0163, Rn. 8, mwN).

14       Weiters wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision vorgebracht, die „belangte Behörde“ habe es verabsäumt, die „entsprechenden Angaben“ der Revisionswerberin zu ihren Gunsten zu werten. Insbesondere seien „im Verfahren vorgelegte Urkunden nur unzureichend berücksichtigt“ worden. Zudem sei auch einem Beweisantrag vom 7. November 2019 nicht stattgegeben worden, sodass der „belangten Behörde eine antizipierende Beweiswürdigung“ anzulasten sei.

15       Mit dem Vorbringen, das BVwG sei dem Antrag vom 7. November 2019 auf Einholung eines Gutachtens zum Beweis dafür, dass die Revisionswerberin in der Mongolei keine mit österreichischen Verhältnissen vergleichbare adäquate medizinische Behandlung erhalten könne, nicht nachgekommen sei, wird schon deswegen keine Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels dargetan, weil allein die fehlende Gleichwertigkeit einer medizinischen Behandlung im Herkunftsland einer Abschiebung nicht entgegensteht (vgl. VwGH 24.2.2020, Ra 2020/20/0037, Rn. 9, mwN).

16       Soweit sich die Revision gegen die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK wendet, ist auszuführen, dass die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung der - in der Revision auch bemängelten - Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbotes (vgl. VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0139, Rn. 8, mwN).

17       Das in Bezug auf die genannten Gesichtspunkte vom BVwG fallbezogen nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung erzielte Ergebnis kann angesichts der der Revisionswerberin zur Last liegenden Straftaten, insbesondere im Hinblick auf den wiederholten einschlägigen Rückfall in Bezug auf gewerbsmäßig begangene Delikte gegen fremdes Eigentum, sowie des geringen Grades der Integration nicht als unvertretbar angesehen werden, zumal in der Revision keine Umstände geltend gemacht werden, die vom BVwG nicht ohnehin berücksichtigt worden wären.

18       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 9. Oktober 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210348.L00

Im RIS seit

17.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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