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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §37 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des M in Linz, vertreten durch Zamponi, Weixelbaum & Partner, Rechtsanwälte OEG in Linz, Kaisergasse 17, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 30. Mai 1997, Zl. St 130/97, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 30. Mai 1997 wurde gemäß § 54 sowie § 37 Abs. 1 und 2 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in Albanien gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei; die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Albanien sei somit zulässig.
Der vom Beschwerdeführer gestellte Asylantrag sei im Instanzenzug vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 15. November 1996 abgewiesen worden. Im Asylverfahren habe der Beschwerdeführer folgende Angaben - auf die er zur Begründung seines Antrages nach § 54 FrG verwiesen habe - gemacht: Er wäre in seinem Heimatland nicht vorbestraft, jedoch gezwungen gewesen Albanien zu verlassen, weil dort sein Leben in Gefahr gewesen wäre. Er wäre nie politisch oder "sonst irgendwie" tätig gewesen. Sein Bruder wäre Offizier der Armee gewesen und im August 1993 im Zuge der Reformen aus dieser entlassen worden; daran anschließend wäre er aufgrund der Teilnahme an einem Treffen der sozialistischen Partei zu drei Monaten Haft verurteilt worden. Zwei Tage nach der Verhaftung seines Bruders wäre beim Beschwerdeführer eine polizeiliche Hausdurchsuchung durchgeführt worden. Einen Tag danach wäre er von einem Polizisten über seinen Bruder ausgefragt worden. Er wäre sodann nach Hause gefahren und hätte keine Schwierigkeiten mehr gehabt. Im Oktober 1994 hätte der Beschwerdeführer erfahren, daß sein Bruder wieder verhaftet worden wäre, und zwar wegen verfassungswidriger Propaganda. Anläßlich einer Einvernahme des Beschwerdeführers wäre er von einem Beamten gegen die Wand gestoßen und ihm vorgeworfen worden, die gleiche Einstellung wie sein Bruder zu haben; wenn er "so weiter machen" würde, würde auch er "im Gefängnis landen". Dem Beschwerdeführer wäre sodann das Verlassen der Polizeistation gestattet worden. Im November 1994 wäre wieder eine Hausdurchsuchung beim Beschwerdeführer durchgeführt worden; zuvor wäre ihm ein Hausdurchsuchungsbefehl gezeigt worden. Bei einer neuerlichen Einvernahme auf der Polizeistation wäre er von Polizisten beschimpft und nach einer Stunde wieder nach Hause gebracht worden. Am nächsten Tag hätte er vor der Eingangstür eine polizeiliche Ladung vorgefunden, der er jeoch nicht nachgekommen wäre. Am Abend dieses Tages wäre er von zwei Polizisten befragt worden, warum er der Ladung nicht Folge geleistet hätte. Da sie ihn hätten mitnehmen wollen, wäre er davongelaufen und mit einem Taxi zu seinem Onkel gefahren; er wäre so schnell gelaufen, daß ihm die Polizisten nicht hätten folgen können. Seine Frau und seine Kinder wären deswegen nicht belästigt worden. Sodann wäre er aus seiner Heimat geflüchtet. Er hätte "nie etwas getan", es würde sich bei den geschilderten Verfolgungsmaßnahmen um reine Willkür handeln. Die demokratische Partei, die zur Zeit an der Macht wäre, würde die Ex-Kommunisten unterdrücken, was aber nur in Einzelfällen passieren würde. Der Bruder des Beschwerdeführers wäre so ein Einzelfall gewesen. Der Beschwerdeführer hätte deshalb Probleme, weil es sich um seinen Bruder handeln würde.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - soweit für den vorliegenden Fall von Belang - folgendes aus:
Der Bundesminister für Inneres habe in seinem Bescheid vom 15. November 1996 rechtskräftig festgestellt, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukäme und er in seinem Heimatland vor Verfolgung sicher wäre. Der Begriff des Flüchtlings decke sich mit den Verfolgungsgründen nach § 37 Abs. 2 FrG. Es könne daher davon ausgegangen werden, daß diese Verfolgungsgründe nicht vorlägen, da der Beschwerdeführer im fremdenpolizeilichen Verfahren keine neuen Tatsachen vorgebracht und hinsichtlich der Fluchtgründe auf sein Vorbringen im Asylverfahren verwiesen bzw. dieses wiederholt habe. Der Behörde sei es aufgrund der Unbeschränktheit der Beweismittel nicht verwehrt, die Ergebnisse des Asylverfahrens zu berücksichtigen; dies sei im gegebenen Zusammenhang vielmehr naheliegend.
Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei zu ersehen, daß die Behörden seines Heimatstaates nie die Absicht gehabt hätten, den Beschwerdeführer entsprechend § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG zu bedrohen "bzw. besteht eine solche Bedrohung nicht". Wenngleich Hausdurchsuchungen durchgeführt und Ladungen zugestellt worden seien, so gehe aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers hervor, daß dies auf einer legalen Basis geschehen wäre (Hausdurchsuchungsbefehl). Auch hätten ihn die Behörden bzw. Organe seines Heimatstaates "jeweils in einer sehr zuvorkommenden Art behandelt", indem er nach jedem Verhör wieder nach Hause gebracht worden sei (was keinesfalls üblich sei). Selbst wenn die Angaben des Beschwerdeführers, daß er von einem Beamten gegen die Wand gestoßen worden wäre, der Wahrheit entsprächen, so hätte dies mangels anderer Hinweise (lediglich) einen - aufs Schärfste zu verurteilenden - Übergriff eines Organes dargestellt.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Februar 1997, Zl. 97/18/0061).
2. Zunächst ist festzuhalten, daß die in Ansehung des § 37 Abs. 2 FrG erfolgte Bedachtnahme der belangten Behörde auf das Vorbringen des Beschwerdeführers im Asylverfahren und dessen - für den Beschwerdeführer negative - Beurteilung durch die Asylbehörde im Hinblick darauf in Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht, daß zum einen der Beschwerdeführer im Feststellungsverfahren nach § 54 FrG unbestrittenermaßen kein über die von ihm im Asylverfahren gemachten Angaben hinausgehendes Vorbringen erstattet hat, und zum anderen im Asylverfahren die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung zu prüfen war (§ 1 Z. 1 AsylG 1991) und § 37 Abs. 2 FrG auf die Bedrohung von Leben und Freiheit aus denselben Gründen abstellt (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 8. September 1994, Zl. 94/18/0442, und vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/18/0794). Im übrigen enthält die Beschwerde kein Vorbringen, das dahin verstanden werden könnte, der Beschwerdeführer selbst wäre aus den im § 37 Abs. 2 FrG angeführten Gründen in der dort bezeichneten Weise bedroht. Der Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe "keinerlei Ermittlungen durchgeführt, ob der Beschwerdeführer aus den in Albanien vorliegenden tatsächlichen Gegebenheiten einer Verfolgung ausgesetzt und in Lebensgefahr war", geht schon deshalb ins Leere, weil die allgemeine Situation im Heimatland des Fremden keine geeignete Grundlage darstellt, eine aktuelle und konkrete Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 2 FrG darzutun (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1997, Zl. 97/18/0144, mwN).
Nach dem Gesagten hält der Gerichtshof die auf dem von ihr als erwiesen angenommenen Sachverhalt (Tatsachenvorbringen des Beschwerdeführers) gestützte Ansicht der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer eine Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 2 FrG nicht glaubhaft gemacht habe, für unbedenklich.
3. Die behauptetermaßen bestehende Gefahr i.S. des § 37 Abs. 1 FrG für seine Person leitet der Beschwerdeführer aus den "mehrmaligen Hausdurchsuchungen, Befragungen und Bedrohungen" ab, die deutlich machten, "welchen Willkürakten der Beschwerdeführer durch die dortigen polizeilichen Behörden nur aufgrund seines Verwandtschaftsverhältnisses zu möglicherweise Anhängern der sozialistischen Partei ausgesetzt war". Damit seien - so die Beschwerde - nicht nur bloße Vermutungen einer Verfolgungsgefahr, sondern "konkrete Verfolgungshandlungen und die damit verbundenen Konsequenzen vom Beschwerdeführer dargelegt worden".
Selbst wenn es sich bei den vom Beschwerdeführer geschilderten und von der belangten Behörde als erwiesen angenommenen Amtshandlungen um "Willkürakte" gehandelt haben sollte, so waren diese gegen den Beschwerdeführer gerichteten Maßnahmen keinesfalls von einer Art und einer Intensität, die den Schluß zuließen, der Beschwerdeführer würde nunmehr im Fall seiner Rückkehr nach Albanien dort Gefahr laufen, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen werden (§ 37 Abs. 1 FrG). Zwei Hausdurchsuchungen, eine Körperattacke eines Polizisten und eine Beschimpfung durch Polizisten (Vorkommnisse, die zudem im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung mehr als zweieinhalb Jahre zurücklagen) sind Maßnahmen, auf die sich die Wahrscheinlichkeit der nunmehrigen Gefahr einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder gar der Todesstrafe nicht nachvollziehbar gründen läßt. Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie auch eine Gefährdung des Beschwerdeführers i.S. des § 37 Abs. 1 FrG als nicht gegeben erachtet hat. Die auch in Ansehung dieses Tatbestandes vorgetragene Verfahrensrüge vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern, gilt doch hinsichtlich der vermißten Feststellungen zur allgemeinen (politischen) Lage im Heimatland des Fremden das bereits oben II.2. zu § 37 Abs. 2 FrG Ausgeführte.
4. Da sohin die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was schon der Beschwerdeinhalt erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997180454.X00Im RIS seit
20.11.2000