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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §9Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des E O in K, vertreten durch Dr. Günter Schmid, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Hafferlstraße 7/2. OG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. August 2020, I415 2171985-1/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Nigeria, stellte am 8. August 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 12. September 2017 ab, gewährte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem Erkenntnis vom 28. August 2020 als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision, die ausdrücklich nur die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (sowie rechtlich davon abhängende Aussprüche) bekämpft, wendet sich gegen die vom Bundesverwaltungsgericht nach § 9 BFA-Verfahrensgesetz vorgenommene Interessenabwägung.
8 Insoweit ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 7.9.2020, Ra 2020/20/0184, mwN).
9 Der Revisionswerber macht im Zusammenhang mit der Interessenabwägung geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe keine ausreichenden Feststellungen zur Lage in Nigeria aufgrund der Covid-19-Pandemie getroffen und ihm nur „alibimäßig einige wenige Fragen“ zu seiner aktuellen Lebenssituation in Österreich gestellt. Weitere Beweisaufnahmen zu dieser Situation wären aber „zwingend indiziert und erforderlich“ gewesen.
10 Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungs- und Feststellungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. etwa VwGH 23.6.2020, Ra 2020/20/0188, mwN).
11 Weiters unterliegt die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Ermittlungspflicht von Amts wegen weitere Ermittlungsschritte setzen muss, einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 7.9.2020, Ra 2020/20/0148, mwN).
12 In der Revision wird allerdings weder die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufgezeigt noch wird dargetan, weshalb das Bundesverwaltungsgericht von der Notwendigkeit weiterer amtswegiger Ermittlungen hätte ausgehen müssen. Die Behauptung des Revisionswerbers letzteres sei „zwingend indiziert“ gewesen, bleibt in der Revision ohne taugliche Begründung. Das Bundesverwaltungsgericht hat - insoweit im Sinn der Revision - ohnedies festgestellt, dass der Revisionswerber „während seines Aufenthalts einige soziale Kontakte mit österreichischen Staatsbürgern geknüpft“ und im Rahmen einer gemeinnützigen Beschäftigung näher beschriebene Tätigkeiten geleistet habe.
13 Es gelingt dem Revisionswerber mit seinem Vorbringen nicht darzulegen, dass die vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung im Sinn des Art. 8 EMRK erfolgte Interessenabwägung am Boden des vorliegenden Sachverhalts unvertretbar wäre.
14 Soweit der Revisionswerber darauf verweist, dass ein Verwaltungsgericht eine im verwaltungsrechtlichen Strafverfahren getroffene Entscheidung an sich mündlich zu verkünden habe und allein das Unterbleiben der mündlichen Verkündung zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit der Entscheidung führe, und vorbringt, es sei ungeklärt, ob diese Rechtsprechung auch im administrativrechtlichen Verfahren Maßgeblichkeit beanspruchen könne, kann hier der Hinweis genügen, dass damit schon deswegen eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt wird, weil darauf in den Revisionsgründen nicht mehr zurückgekommen wird (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2018/14/0280, mwN). Im Übrigen entspricht es der - ebenfalls zum verwaltungsrechtlichen Strafverfahren ergangenen - Rechtsprechung, dass immer dann, wenn die Partei in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich auf die (Erstreckung einer Verhandlung zur) Verkündung des Erkenntnisses verzichtet, sie durch die Unterlassung der mündlichen Verkündung in ihren Rechten nicht verletzt sein kann (vgl. VwGH 26.2.2019, Ra 2018/03/0134, mwN). Ein solcher ausdrücklicher Verzicht lag hier aber nach dem (in der Revision unbestritten gebliebenen) Inhalt des Verhandlungsprotokolls vor. Somit ist fallbezogen - selbst wenn die zu den für das verwaltungsrechtliche Strafverfahren maßgeblichen Bestimmungen ergangene Rechtsprechung auf das administrativrechtliche Verfahren übertragbar sein sollte - eine Rechtsverletzung jedenfalls ausgeschlossen, sodass auch aus diesem Blickwinkel die nähere Beleuchtung der vom Revisionswerber aufgeworfenen Rechtsfrage entbehrlich ist.
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 16. Oktober 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200344.L00Im RIS seit
24.11.2020Zuletzt aktualisiert am
24.11.2020