TE Vwgh Beschluss 2020/10/22 Ra 2020/12/0061

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Veröffentlicht am 22.10.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
10/13 Amtshaftung Organhaftpflicht Polizeibefugnis-Entschädigung

Norm

AHG 1949 §1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, Hofrat Mag. Feiel und Hofrätin MMag. Ginthör als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers MMag. Dr. Gotsbacher, über die Revision des R L in H, vertreten durch Dr. Gerhard Wagner, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Spittelwiese 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 22. Juni 2020, Zl. LVwG-950145/10/SE/SB, betreffend Abgeltung nach dem Oö. Statutargemeinden-Bedienstetengesetz 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Landeshauptstadt Linz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, der im Jahr 2003 eine Optionserklärung gemäß § 141 Abs. 1 Oberösterreichisches Statutargemeinden-Bedienstetengesetz 2002 (StGBG 2002), LGBl. Nr. 50, abgegeben hatte, steht als Feuerwehrmann in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Linz.

2        Mit Erklärung vom 27. Dezember 2012 stimmte er ausdrücklich einer Dienstplangestaltung zu, die zu einer durchschnittlichen wöchentlichen Höchstarbeitszeit von mehr als 48 Stunden pro Woche führte. Insbesondere erklärte er sich dazu bereit, aufgrund des Bereitschaftsdienstes innerhalb eines Bezugszeitraumes von einem Kalenderjahr im Durchschnitt 60 Stunden pro Woche zu arbeiten. Mit Erklärung vom 13. Juli 2015 widerrief er diese Zustimmung und beantragte die Reduktion seiner wöchentlichen Arbeitszeit auf 48 Stunden beginnend mit 1. Oktober 2015.

3        Mit per E-Mail vom 1. Oktober 2018 an die Dienstbehörde übermitteltem (und mit 1. Oktober 2016 datiertem) Schreiben beantragte der Revisionswerber die Zuerkennung einer „über die korrekte Bezahlung der geleisteten Arbeit hinausgehenden Abgeltung“ dafür, dass von ihm im Zeitraum von 1. Oktober 2015 bis 30. November 2016 verlangt worden sei, mehr als 48 Stunden, und zwar 60 Stunden, innerhalb eines Siebentageszeitraumes zu arbeiten.

4        Mit Bescheid vom 26. März 2019 setzte die Dienstbehörde das Verfahren betreffend diesen Antrag bis zur rechtskräftigen Entscheidung durch den Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz über den Antrag des Revisionswerbers vom 12. Dezember 2016 auf Auszahlung von im Zeitraum von 1. Oktober 2015 bis 1. Dezember 2016 geleisteten Überstunden gemäß § 38 AVG aus.

5        Mit Bescheid vom 18. September 2019 wies der Magistrat der Landeshauptstadt Linz den am 1. Oktober 2018 eingelangten Antrag des Revisionswerbers als unbegründet ab.

6        Die Behörde hielt fest, dass der vom Revisionswerber geltend gemachte Anspruch aus der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) nicht ableitbar sei. Besoldungsrechtliche Ansprüche fielen nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie. Es bestehe auch sonst keine normative Grundlage für den vom Revisionswerber ins Treffen geführten Anspruch. Im Übrigen verwies die Behörde auf einen Übergenuss in der Höhe von € 3.507,80, dessen Rückforderung gegenüber dem Revisionswerber rechtlich nicht durchsetzbar sei. Im Hinblick auf diesen Betrag habe der Revisionswerber bereits eine „Vergütung“ erhalten, welche die korrekte Abgeltung der geleisteten Arbeit übersteige.

7        Der Revisionswerber erhob Beschwerde und führte aus, er habe, obwohl die Behörde rechtswidrig und gegen seinen Willen Arbeitsleistungen in erheblichem Ausmaß verlangt habe, kein höheres Entgelt erhalten als jene Berufskollegen, die freiwillig bereit gewesen seien, über die gemäß der Arbeitszeitrichtlinie zulässigen Zeiten hinausgehend zu arbeiten. Diese Rechtsverletzung sei durch eine Zahlung in einer den gegebenen Umständen entsprechenden Höhe auszugleichen. Selbst wenn der von der Behörde als Übergenuss angeführte Betrag auf den von ihm geltend gemachten Anspruch anzurechnen wäre, so wäre damit angesichts der Schwere des Verstoßes gegen die Arbeitszeitrichtlinie keine adäquate Abgeltung der gravierenden Rechtsverletzung erfolgt.

8        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Beschwerde mit der Maßgabe ab, dass der gegenständliche Antrag des Revisionswerbers zurückgewiesen werde. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Gericht für nicht zulässig.

9        Das Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung dahin, dass der Revisionswerber der Sache nach einen Anspruch auf Schadenersatz geltend gemacht habe. Es sei jedoch weder dem Besoldungsrecht noch anderen materiell-rechtlichen Vorschriften des Dienstrechts eine Grundlage für den von ihm erhobenen Anspruch zu entnehmen. Es handle sich nicht um eine Verwaltungssache, weshalb der in Rede stehende Antrag bereits durch die Dienstbehörde zurückzuweisen gewesen wäre. Auch ein allfälliger Staatshaftungsanspruch wäre nicht im Verwaltungsweg geltend zu machen, sondern fiele in die Zuständigkeit der Zivilgerichte.

10       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften verbunden mit dem Antrag geltend gemacht werden, das angefochtene Erkenntnis aus diesen Gründen aufzuheben.

11       Zur Begründung ihrer Zulässigkeit führt die Revision aus, sie vertrete (im Gegensatz zu der im angefochtenen Erkenntnis zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung) den Standpunkt, dass ein dienstrechtlicher, im Verwaltungsweg zuzuerkennender Anspruch auf Leistung einer (Diskriminierungs-)Abgeltung „direkt“ aus der Arbeitszeitrichtlinie abzuleiten sei. Zu dieser Rechtsfrage fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

12       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

14       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht der Wesenskern des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses darin, dass Personen in einem grundsätzlich lebenslangen Dienstverhältnis in Bindung an das Gesetz tätig werden und bezugsrechtliche Ansprüche nur nach besoldungsrechtlichen Vorschriften geltend gemacht werden können (siehe z.B. VwGH 9.3.2020, Ra 2020/12/0001). Ein besoldungsrechtlicher Anspruch setzt demnach eine besoldungsrechtliche Rechtsvorschrift voraus (VwGH 4.9.2014, 2011/12/0074).

16       Ein vermögensrechtlicher Schaden, der dem Beamten seiner Auffassung nach durch eine rechtswidrige und schuldhafte Handlung (Unterlassung) seines Dienstgebers zugefügt wurde, wäre im Wege einer Amtshaftungsklage geltend zu machen (ebenfalls VwGH 4.9.2014, 2011/12/0074; siehe zu den unionsrechtlichen Voraussetzungen für die Staatshaftung EuGH 25.11.2010,C-429/09, Günter Fuß).

17       Weder dem Besoldungsrecht noch sonstigen (materiell-rechtlichen) innerstaatlichen Vorschriften des Dienstrechts ist ein Anspruch auf Schadenersatz der in Rede stehenden Art bzw. ein Anspruch auf eine in der Revision als „(Diskriminierungs-)Abgeltung“ bezeichnete Leistung zu entnehmen. Ein im Verwaltungsweg zu verfolgendes Recht auf eine solche „Abgeltung“ lässt sich auch nicht „direkt“ aus der Arbeitszeitrichtlinie ableiten, zumal der österreichische Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen hat, bei den Zivilgerichten eine Amts- und Staatshaftungsklage nach § 1 Abs. 1 AHG einzubringen (siehe zu Fragen der Amtshaftung VwGH 13.9.2017, Ra 2017/12/0063; 4.9.2014, 2011/12/0074; 17.11.1999, 99/12/0272; vgl. in diesem Zusammenhang auch das Urteil des EuGH vom 5. Februar 2004, Rs C-380/01, Schneider, demzufolge im Hinblick auf die nach der österreichischen Rechtsordnung den Zivilgerichten in Amts- und Staatshaftungssachen übertragenen Zuständigkeiten [aus dem Blickwinkel unionsrechtlicher Antidiskriminierungsvorschriften] keine Bedenken betreffend das Erfordernis eines angemessenen und effektiven Rechtsschutzes bestehen, sowie darauf Bezug nehmend z.B. VwGH 29.3.2012, 2011/12/0147; 12.12.2008, 2004/12/0025; siehe ferner die ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, wonach über Schadenersatzansprüche grundsätzlich - sei es nach den Bestimmungen des ABGB oder nach jenen des Amtshaftungsgesetzes - im ordentlichen Rechtsweg zu erkennen ist, VfGH 15.10.2016, A7/2016; betreffend die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für eine unionsrechtliche Staatshaftung, wenn der behauptete Schaden an ein verwaltungsbehördliches oder gerichtliches Handeln knüpft VfGH 12.6.2018, A1/2018).

18       Im Übrigen wird mit dem Hinweis auf eine Vielzahl Betroffener keine auf den konkreten Fall bezogene Rechtsfrage dargestellt, bewirkt doch der Umstand, dass die zu lösende Rechtsfrage in einer Vielzahl von Fällen auftreten könnte, für sich allein nicht ihre Erheblichkeit im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (siehe z.B. VwGH 2.10.2019, Ra 2019/12/0056).

19       Der Zulässigkeitsbegründung gelingt es somit nicht aufzuzeigen, inwiefern in Ansehung der vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vertretenen Auffassung, wonach es sich bei der Geltendmachung des vom Revisionswerber begehrten Schadenersatzanspruches nicht um eine Verwaltungssache handle, eine Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen wäre.

20       Aus den dargelegten Erwägungen liegen die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 22. Oktober 2020

Schlagworte

Organisationsrecht Justiz - Verwaltung Verweisung auf den Zivilrechtsweg VwRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020120061.L00

Im RIS seit

09.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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