Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers J*****, vertreten durch Singer Fössl Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Dipl.-Ing. H*****, 2. Mag. R*****, 3. H*****, 4. G*****, alle vertreten durch Müller Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Bestellung und Abberufung des Stiftungsvorstands, über den Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 11. Mai 2020, GZ 6 R 86/20s-15, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 18. Februar 2020, GZ 71 Fr 741/20i-9, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die A***** Privatstiftung ist im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN ***** mit Sitz in W***** eingetragen; als Mitglieder des Stiftungsvorstands sind die Antragsgegner eingetragen. Erststifter der Privatstiftung ist der Antragsteller, Zweitstifter der Erstantragsgegner. In der Stiftungsurkunde ist festgehalten, dass die Neu- bzw Wiederbestellung der Mitglieder des Stiftungsvorstands (Nachfolgemitglieder) zu Lebzeiten der beiden Stifter nur durch diese erfolgt; die Bestellung erfolge durch die beiden Stifter gemeinsam mit einstimmigen Beschluss. Darüber hinaus können die Mitglieder des Stiftungsvorstands bei Vorliegen eines wichtigen Grundes jederzeit mit sofortiger Wirkung von dem jeweils Bestellungsberechtigten und dem Firmenbuchgericht abberufen werden.
Das Erstgericht wies den Antrag des Antragstellers, gemäß § 27 Abs 1 PSG Mitglieder des Stiftungsvorstands zu bestellen, in eventu die Antragsgegner als Mitglieder des Stiftungsvorstands abzuberufen und einen Kollisionskurator für die Privatstiftung zu bestellen zurück. Einem Stifter, dessen Bestellungs- und Abberufungsbefugnis sich auf ein gemeinsames Tätigwerden mit einem weiteren Stifter beschränkt und der nicht Mitglied eines Stiftungsorgans ist, stehe kein Abberufungsrecht zu.
Das Rekursgericht trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Organeigenschaft eines zur Bestellung und Abberufung des Stiftungsvorstands berufenen Gremiums nach dem In-Kraft-Treten des Budgetbegleitgesetzes 2011 (BGBl I 111/2010).
In der Sache selbst vertrat das Rekursgericht die Auffassung, der Gesetzgeber des BBG 2011 habe sein Verständnis zum Ausdruck gebracht, dass das einem Gremium eingeräumte Recht, den Vorstand abzuberufen, eine massive Einfluss- und Kontrollmöglichkeit auf die Führung der Privatstiftung (durch den Vorstand) bietet. Da für die Qualifikation als Organ nach dem materiellen Organbegriff maßgeblich ist, ob den Betroffenen Einflussmöglichkeiten auf die Willensbildung und/oder die Leitung bzw die Überwachung des Stiftungsvorstands zukommen und die Abberufungsbefugnis nach der Einschätzung des Gesetzgebers des BBG 2011 sogar eine derart massive Einflussmöglichkeit bietet, dass dafür besondere Quoren vorgesehen wurden, sei die Organeigenschaft des zur Bestellung und Abberufung des Stiftungsvorstands in der Stiftungsurkunde berufenen Gremiums zu bejahen, ohne dass es dafür noch der Übertragung weiterer Kompetenzen bedürfte. Der Erststifter als Mitglied dieses Organs sei daher antragslegitimiert.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
1. Nach § 27 Abs 1 PSG hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen, soweit die nach Gesetz oder Stiftungserklärung vorgeschriebenen Mitglieder von Stiftungsorganen fehlen, diese zu bestellen. Nach Abs 2 hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen ein Mitglied eines Stiftungsorgans abzuberufen, wenn dies die Stiftungserklärung vorsieht oder sonst ein wichtiger Grund vorliegt; Abs 2 zählt sodann beispielhaft wichtige Gründe auf.
Die Entscheidung 6 Ob 98/11x (ErwGr 3.1.) führte dazu unter Verweis auf Vorjudikatur aus, die Antragslegitimation sei im Privatstiftungsgesetz nicht gesondert geregelt; es würden daher die allgemeinen Grundsätze des Außerstreitverfahrens gelten (§ 40 PSG). Demnach seien Personen antragslegitimiert, denen ein rechtliches Interesse zukommt, wobei die ErläutRV 1132 BlgNR 18. GP 30 als „Beteiligte“ an der Privatstiftung, denen ein rechtliches Interesse am ordnungsgemäßen Funktionieren der Stiftung zukomme, neben dem Begünstigten in erster Linie die Stiftungsorgane und deren Mitglieder anführten. Bei Begehren auf Abberufung von Vorstandsmitgliedern komme nicht nur den Stiftungsorganen, sondern auch einzelnen Organmitgliedern Parteistellung zu, wobei dies nicht dem Schutz von Individualinteressen, sondern dem Ausgleich eines bei der Privatstiftung bestehenden strukturellen Kontrolldefizits diene (6 Ob 98/11x [ErwGr 3.6.]).
Entscheidungswesentlich ist im vorliegenden Fall damit die Frage, ob aus dem Umstand, dass den beiden Stiftern das Recht zur Bestellung des Stiftungsvorstands und zu dessen Abberufung zukommt, auch eine Organstellung folgt, die ihnen eine Antragslegitimation in Bezug auf die gestellten Anträge verschafft.
2. Bei der Bestellung von Personen oder Gremien, die nicht in § 14 Abs 1 PSG genannt werden, ist ohne Rücksicht auf die formelle Bezeichnung im Einzelfall zu prüfen, ob ihnen im Sinne des materiellen Organbegriffs (RS0117121 [T1]) auch Organstellung zukommt (RS0117121 [T2]). Wesentlich ist, ob den Betroffenen Einflussmöglichkeiten auf die Willensbildung und/oder die Leitung bzw die Überwachung des Stiftungsvorstands zukommen; angesichts der gesetzlich definierten Organstellung des Stiftungsprüfers und des Aufsichtsrats können auch Kontrollaufgaben zur Begründung der Organqualität ausreichen, soferne sie nicht umfangmäßig nur gering sind (RS0117121 [T3]). Nach bisheriger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RS0117121; 6 Ob 305/01y JBl 2002, 723 [H. Torggler]) verleiht allerdings ein den Stiftern in der Stiftungsurkunde eingeräumtes Recht, gemeinsam Mitglieder des Stiftungsvorstands abzuberufen und Nachfolger zu bestellen, ihnen für sich allein nicht die Stellung eines Organs der Stiftung.
3. Mit dem BBG 2011 wurden dem § 14 PSG ein Abs 3 und ein Abs 4 angefügt, die lauten:
(3) Kommt einem Organ gemäß Abs 2 das Recht zu, den Stiftungsvorstand oder eines seiner Mitglieder abzuberufen, so ist für derartige Entscheidungen eine Mehrheit von mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen erforderlich; hat das Organ weniger als vier Mitglieder, so ist Stimmeneinhelligkeit erforderlich.
(4) Soll in einem solchen Fall der Stiftungsvorstand oder eines seiner Mitglieder aus anderen als den in § 27 Abs 2 Z 1 bis 3 angeführten Gründen abberufen werden, so darf Begünstigten, deren Angehörigen (§ 15 Abs 2) und Personen, die von Begünstigten oder deren Angehörigen mit der Wahrnehmung ihrer Interessen im Organ nach Abs 2 beauftragt wurden, bei dieser Entscheidung insgesamt nicht die Mehrheit der Stimmen zustehen.
3.1. Die ErläutRV 981 BlgNR 24. GP 67 führen aus, die stärkste Einflussmöglichkeit, die einem „weiteren Organ“ iSd § 14 Abs 2 PSG zukommen könne, sei die Befugnis zur Abberufung des Stiftungsvorstands oder eines seiner Mitglieder. Diese sei zwar grundsätzlich – auch ohne dass dies im Gesetz ausdrücklich erwähnt werden müsste – insofern eingeschränkt, als eine Abberufung nur unter der Voraussetzung des Vorliegens sachlicher Abberufungsgründe erfolgen könne, weil sonst die Aufgabenverteilung des Privatstiftungsgesetzes unterlaufen würde. Dennoch erscheine es angesichts der massiven Eingriffsmöglichkeit in die Führung der Privatstiftung, die die Abberufung des Stiftungsvorstands oder eines seiner Mitglieder biete, sachgerecht, besondere Kriterien für die dahingehende Willensbildung einzuziehen. Dementsprechend sehe Abs 3 für Entscheidungen über die Abberufung des Stiftungsvorstands oder eines seiner Mitglieder erhöhte Quoren – nämlich Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen, bei Organen, die weniger als vier Mitglieder haben, sogar Stimmeneinhelligkeit – vor. Zusätzlich solle in ganz bestimmten Fällen – nämlich bei Entscheidungen über die Abberufung des Stiftungsvorstands oder eines seiner Mitglieder aus anderen als den in § 27 Abs 2 Z 1 bis 3 ausdrücklich angeführten Gründen – eine weitere Einschränkung vorgenommen werden: Bei solchen Entscheidungen solle nämlich nach Abs 4 Begünstigten und deren Angehörigen im Sinne des § 15 Abs 2 sowie Personen, die von diesen mit der Wahrnehmung ihrer Interessen in dem Organ gemäß Abs 2 beauftragt wurden, nicht die Mehrheit der Stimmrechte zustehen.
3.2.1. Nach N. Arnold (PSG³ § 27 Rz 28) soll der Person/Stelle, der die Bestellung und/oder Abberufung der Mitglieder des jeweiligen Organs in der Stiftungserklärung eingeräumt wird, jedenfalls Antragslegitimation und Parteistellung zuzuerkennen sein. Diese habe ein rechtliches Interesse (und eine rechtlich geschützte Stellung), dass eine gerichtliche Entscheidung (die grundsätzlich in ihre Kompetenz eingreift) nur dann gefällt werde, wenn die entsprechenden Voraussetzungen (insbesondere Säumigkeit) vorlägen. Einem Stifter komme eine Antragslegitimation (bzw Parteistellung) dann zu, wenn und soweit ihm in der Stiftungserklärung subjektive Rechte eingeräumt worden seien, die durch die Bestellung bzw Abberufung beeinträchtigt würden. Die dargestellte Judikaturlinie, wonach einem Mitstifter, dessen Bestellungs- oder Abberufungsbefugnis sich auf ein gemeinsames Tätigwerden mit einem weiteren Stifter beschränkt und der nicht Mitglied eines Stiftungsorgans ist, keine Antragslegitimation zukommt, könne für den Bereich der bestellungs- und abberufungsbefugten Stifter angesichts der Änderungen des § 14 PSG durch das BBG 2011 nicht mehr aufrechterhalten werden (ebenso Arnold, Stiftungsrechtliche Änderungen für Privatstiftungen durch das BBG 2011, GesRZ 2011, 101).
Darüber hinaus vertritt N. Arnold (PSG³ § 14 Rz 51), soweit die Materialien zu § 15 Abs 4 PSG zwischen „andere[n] Stellen oder Stiftungsorgane[n]“ differenzierten, sei daraus nicht abzuleiten, der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass mit der Bestellungs- und Abberufungsbefugnis keine Organqualität einhergehe. Der Gesetzgeber habe vielmehr lediglich zwischen den in § 14 Abs 1 PSG zwingend vorgesehenen Organen (dh beispielsweise einem Aufsichtsrat) und sonstigen stiftungsfremden Dritten unterscheiden wollen. Eine Aussage zur Frage der Organqualität könne den Materialien aber nicht entnommen werden. Der Einfluss einer mit der Bestellung und Abberufung des Stiftungsvorstands befassten Stelle sei trotz des Erfordernisses der Einschränkung der Abberufung auf wichtige Gründe und einer Mindestfunktionsdauer relativ stark. Insbesondere das Abberufungsrecht (möge es auch auf wichtige Gründe beschränkt sein) sei eine Kontrollbefugnis. Außerdem sei die Bestellung des zur Vertretung nach außen hin berufenen Organs ein der direkten Stellvertretung sehr naher Akt. Weiters handle es sich um die wahrscheinlich stärkste (nehme man die Änderung der Stiftungserklärung und den Widerruf der Privatstiftung aus der Betrachtung aus) eigentümerähnliche, mit den Rechten einer Gesellschafterversammlung vergleichbare Einflussmöglichkeit (ähnlich N. Arnold, Die Organstellung einer Stifterversammlung und „geheime“ Organe, RdW 2003, 178). Dieses Ergebnis werde außerdem durch § 14 Abs 3 und 4 PSG idF BBG 2011 verstärkt. Die Einordnung der Bestimmungen über die Abberufung von Mitgliedern des Stiftungsvorstands in § 14 PSG belege, dass die Zuweisung von Bestellungs- und Abberufungsrechten einer Person/einem Gremium Organqualität im stiftungsrechtlichen Sinn verleihe. Es könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er § 14 Abs 3 und 4 PSG nur dann und nur insoweit angewendet wissen wollte, wenn der zur Bestellung und Abberufung befugten Stelle (aufgrund anderer ihr zugewiesener Aufgaben) Organstellung (siehe den ausdrücklichen Verweis auf Abs 2) zukomme. Die bloße Befugnis zur Bestellung oder Abberufung der Mitglieder anderer Organe oder Vorschlagsrechte (auch in Bezug auf die Bestellung der Mitglieder des Stiftungsvorstands) machten eine Person/Stelle aber noch nicht zum Organ im stiftungsrechtlichen Sinn.
3.2.2. Hasch (in Hasch & Partner, PSG² § 14 Rz 44) führt aus, die Frage, ob einer Person oder Stelle aufgrund der Einräumung von Bestellungs- und/oder Abberufungsrechten, mögen diese auch auf wichtige Gründe beschränkt sein, automatisch Organqualität zukomme, sei umstritten. Die dies verneinende Entscheidung 6 Ob 291/02s berücksichtige nicht die mit dem BBG 2011 einhergegangene Änderung des § 14 PSG. Aufgrund § 14 Abs 3 und 4 PSG idF BBG 2011 scheine zumindest hinsichtlich des Abberufungsrechts die Organqualität jener Stelle, welcher dieses Recht eingeräumt ist, unzweifelhaft zu sein. Dies erscheine auch schlüssig, zumal das Abberufungsrecht, selbst wenn es auf wichtige Gründe beschränkt sei, der berechtigten Stelle doch erhebliche Einflussnahmemöglichkeiten einräume. Dies gelte aber im Wesentlichen auch für das Bestellungsrecht, weshalb davon auszugehen sei, dass die Einräumung derartiger Rechte an eine Stelle schon grundsätzlich deren Organqualität bewirke.
3.2.3. H. Torggler (Stiftungsvorstand und Begünstigte – Gewaltentrennung in Theorie und Praxis, in Gassner/Göth/Gröhs/Lang, Privatstiftungen – Gestaltungsmöglichkeiten in der Praxis 61) hatte bereits im Jahr 2000 ausgeführt, ebenso wie die Bestellungsbefugnis mache auch die Abberufungsbefugnis eines Begünstigten oder eines aus Begünstigten zusammengesetzten Beirats diesen zu einem „weiteren Organ“ der Privatstiftung im Sinne des § 14 Abs 2 PSG. In einer Besprechung der Entscheidung 6 Ob 305/01y meinte H. Torggler (JBl 2002, 723), im Anlassfall hätten sich die Stifter mit der Vorstandsbestellung und -abberufung eine typische Organfunktion vorbehalten. Die Regelungen darüber fanden sich in der Stiftungsurkunde. So lange beide Stifter lebten, bildeten sie also ein weiteres kollegiales Organ zur Wahrung des Stiftungszwecks. Dieses sei durch die Stiftungsurkunde gültig und wirksam eingerichtet worden, seine Mitglieder seien die beiden Stifter. Jedes Mitglied eines Stiftungsorgans sei aber zur Antragstellung nach § 27 PSG befugt und habe damit im Verfahren über die gerichtliche Bestellung oder Abberufung von Vorstandsmitgliedern Parteistellung mit voller Rechtsmittelbefugnis.
3.2.4. Demgegenüber vertrat – noch vor dem BBG 2011 – Chr. Nowotny (Die Organisation der Privatstiftung, in Csoklich/Müller/Gröhs/Helbich, Handbuch zum Privatstiftungsgesetz [1994] 150) die Auffassung, es sei fraglich, ob ein Gremium oder eine Stelle, die die Aufgabe habe, andere Organe (insbesondere den Vorstand) zu bestellen oder abzuberufen, zwingend als Organ anzusehen sei. Seines Erachtens sei dies zu verneinen, wenn keine weiteren Kompetenzen mit Einfluss auf Verwaltung und Verwendung des Stiftungsvermögens übertragen würden. Auch Micheler (in Doralt/Nowotny/Kalss, PSG [1995] § 14 Rz 33) meinte, ein einer Person zustehendes Bestellungs- und Abberufungsrecht reiche gerade noch nicht aus, um der Person den Einfluss zu verschaffen, der sie zwingend zum Organ mache. Bestimme der Stifter jedoch nichts, werde die Auslegung im Zweifel Organqualität der berechtigten Person(en) ergeben.
Das Zentrum für Stiftungsrecht (Résumé-Protokoll des Workshops „Gestaltungsgrenzen von Stiftungsurkunden der Privatstiftung“, GesRZ 2011, 356) führte – unter Zitierung der bisherigen Rechtsprechung – aus, die Bestellung oder Abberufung des Stiftungsvorstands könne nicht nur einem Organ, sondern auch einem Gremium zugewiesen werden. Durch die neuen Regelungen der PSG-Novelle durch BGBl I 2010/111 gemäß § 14 Abs 3 und 4 PSG, nämlich die Bestellung und Abberufung des Stiftungsvorstands durch den Beirat, ändere sich diese Bewertung nicht. Rechtsfolge der Qualifikation einer Einrichtung als sonstiges Gremium (nicht als sonstiges Organ) sei etwa, dass allein die an die Organqualifikation anknüpfenden Rechtsfolgen wie insbesondere das Recht auf Antragstellung gemäß § 27 Abs 1 und Abs 2 PSG bei fehlender Publizität in der Stiftungsurkunde nicht einträten.
3.3. Der Oberste Gerichtshof hat zwar bereits in der Entscheidung 6 Ob 291/02s die von N. Arnold und von H. Torggler vertretene Auffassung verworfen. Allerdings wurde in der Entscheidung 6 Ob 239/08b (RWZ 2009/60 [Wenger] = GesRZ 2009, 301 [Arnold] = ZfS 2009, 200 [Reiter] = RdW 2009/571 [Chr. Nowotny], RdW 2010, 747) ausgeführt, dass bei der Bestellung von Personen oder Gremien, die nicht in § 14 Abs 1 PSG genannt werden, ohne Rücksicht auf die formelle Bezeichnung im Einzelfall zu prüfen sei, ob ihnen im Sinne des materiellen Organbegriffs auch Organstellung zukommt; wesentlich sei, ob den Betroffenen Einflussmöglichkeiten auf die Willensbildung und/oder die Leitung bzw die Überwachung des Stiftungsvorstands zukommen. Den Materialien zum BBG 2011 wiederum lässt sich nunmehr die Auffassung des Gesetzgebers entnehmen, dass die stärkste Einflussmöglichkeit (auf die Willensbildung), die einem „weiteren Organ“ iSd § 14 Abs 2 PSG zukommen kann, gerade in der Befugnis zur Abberufung des Stiftungsvorstands oder eines seiner Mitglieder liegt. Damit ist aber die Organeigenschaft des zur Abberufung des Stiftungsvorstands in der Stifungsurkunde berufenen Gremiums zu bejahen.
3.4. Der Antragsteller ist nach der Stiftungsurkunde Mitglied jenes Gremiums, das zur Bestellung und Abberufung des Stiftungsvorstands berufen ist. Dass dabei nicht nur dem Organ selbst, sondern auch einzelnen Organmitgliedern Parteistellung zukommt (6 Ob 98/11x [ErwGr 3.6.]), wurde bereits erwähnt. Das Erstgericht hat somit die Antragslegitimation des Antragstellers zu Unrecht verneint.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 78 AußStrG iVm § 40 PSG (RS0123011).
Textnummer
E129689European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00141.20H.0916.000Im RIS seit
17.11.2020Zuletzt aktualisiert am
30.06.2021