Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Marktgemeinde W*****, vertreten durch Dr. Nader Karl Mahdi, Rechtsanwalt in Wattens, gegen die beklagte Partei S***** AG, *****, vertreten durch Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, und die auf Seiten der beklagten Partei beigetretene Nebenintervenientin Z***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Girardi, LL.M., Ing. Dr. Stefan Schwärzler, Mag. Daniel Pichler, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 19. März 2020, GZ 1 R 5/20z-27, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 14. November 2019, GZ 12 Cg 33/19m-18, teilweise bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Teilurteil wird aufgehoben.
Die Rechtssache wird auch insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
[1] Die klagende Gemeinde beauftragte die Beklagte mit Generalunternehmervertrag vom 7. Dezember 2001 mit der Errichtung einer zweigeschoßigen Tiefgarage mit 213 Abstellplätzen. Diese wurde 2002 gebaut und übergeben. Nachdem der Hausmeister der Klägerin im Jahr 2015 gemeldet hatte, dass sich stellenweise die Wandfarbe ablöse und daher Malerarbeiten nötig seien, wurde bei einer Besichtigung durch einen Mitarbeiter des Bauamts der Klägerin festgestellt, dass nicht nur Farbabplatzungen vorhanden waren, sondern auch Roststellen. Die Klägerin kontaktierte daraufhin die Beklagte, und es kam am 1. September 2015 zu einer gemeinsamen Besichtigung. Dabei kamen die Fachleute der Streitteile zur Ansicht, dass nicht nur Malerarbeiten, sondern auch eine Sanierung notwendig sein werde. Der Mitarbeiter der Beklagten sagte die Erstellung eines Sanierungskonzepts zu.
[2] Am 17. November 2015 erhielt die Klägerin dieses Sanierungskonzept mit einem kalkulierten Sanierungsaufwand von 31.474,26 EUR. Davon entfielen 14.168,50 EUR auf die Sanierung der schadhaften Stellen und 17.305,76 EUR auf die Abdichtung und Beschichtung der Verdunstungsrinnen. Die Beklagte bot die Sanierung der schadhaften Stellen an und vertrat den Standpunkt, dass die Abdichtung und Beschichtung der Verdunstungsrinnen eine Verbesserung darstelle, weshalb diese Kosten von der Klägerin zu tragen seien.
[3] Da die Klägerin diese Ansicht nicht teilte, entschloss sie sich zu weiteren Erhebungen. Sie beauftragte eine staatlich akkreditierte Prüf- und Inspektionsstelle mit einer stichprobenartigen Bestands- und Ursachenerhebung hinsichtlich der Bewährungserosion. Aus dem Abschlussbericht, der der Klägerin im Februar 2016 vorlag, ergab sich, dass die Probleme viel tiefgreifender sind als bis dahin angenommen. Die Klägerin beauftragte die Prüf- und Inspektionsstelle daher mit der Feststellung des Bauwerkszustands zur Abschätzung möglicher Sanierungsvarianten. In einer zweiten Phase wurden daraufhin in den Jahren 2016 und 2017 vertiefende Untersuchungen durchgeführt, in deren Verlauf die Klägerin ein auf Sanierungen von Tiefgaragen spezialisiertes Ingenieurbüro für die Abschätzung der notwendigen Sanierung und der dadurch entstehenden Kosten beizog. In einer dritten Phase nahm die Prüf- und Inspektionsstelle in den Jahren 2017 bis 2018 weitere Untersuchungen zur Eingrenzung des Sanierungsaufwands vor. Parallel dazu beauftragte die Klägerin im Herbst 2017 eine Ziviltechniker-GmbH mit der Beweissicherung und einer Grobkostenschätzung für die Sanierung. Diese GmbH arbeitete daraufhin zwei Varianten aus; für Variante A (PMMA-Beschichtung auf Asphalt-Bestand) wurden Kosten von insgesamt 1.488.884,50 EUR (detailliert aufgeschlüsselt) ermittelt und für Variante B (bituminöse Abdichtung, neuer Asphalt) solche von insgesamt 1.551.131,40 EUR, wobei jeweils die Vor- und Nachteile der beiden Varianten dargestellt wurden. Für beide Varianten wurde eine Genauigkeit von +/- 20 % festgehalten. Zusätzlich waren drei Seiten mit Handskizzen und bezüglich der Sanierungsdetails beschriftete und bemaßte Pläne im Maßstab 1 : 10 mit ausgearbeiteten Sanierungsdetails angeschlossen. Diese Ergebnisse lagen der Klägerin gesammelt im Februar 2018 vor. „Damit waren ihr sowohl die Kosten als auch die Maßnahmen für den Sanierungsaufwand bekannt.“
[4] Im Februar/März 2019 kam es zu einem Wassereintritt in die Tiefgarage.
[5] Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte ihr für alle Schäden aus einer unzureichenden Betongüte und/oder Bewehrungsüberdeckung bei der Errichtung der Tiefgarage hafte. Die Beklagte habe die beauftragten Arbeiten mangelhaft erbracht. Der Sanierungsaufwand lasse sich aufgrund der durchgeführten Messungen bisher nur schätzen, nicht aber bestimmt beziffern, sodass keine Leistungsklage eingebracht werden könne. Erst im Zuge der Sanierung und des tatsächlichen Öffnens der Bauteile könnten die tatsächliche Karbonatisierungstiefe, die Korrosion und der Chloridgehalt am Bewährungshorizont in Bezug auf den Grenzwert festgestellt werden. Je nachdem sei nur der Schutz der Bewehrung zu erhöhen oder es seien korrodierte Teile auszulösen und der Bereich zu sanieren, der aktive Korrosionsschutz wiederherzustellen, die geschädigten Betonteile gänzlich oder je nach Chloridgehalt teilweise abzutragen, die freigelegte Bewehrung in dem davon jeweils betroffenen Umfang zu entrosten und die Überdeckung wiederherzustellen. Art und Umfang der Mängel bzw Schäden bei den einzelnen Bauteilen seien daher nicht bekannt. Die vorprozessuale Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Schadenshöhe sei nicht in Betracht gekommen, weil diese nicht zerstörungsfrei festgestellt werden könnte und die Zerstörung infolge der damit gegebenen Korrosionsgefahr die unmittelbare Sanierung (Wiederherstellung) bedinge. Abgesehen davon würde eine Leistungsklage zu weit reichen, weil durch die Naturalherstellung eine Werterhöhung des Gewerks zu erwarten wäre, was gegen das schadenersatzrechtliche Bereicherungsverbot verstieße. Andererseits würde eine Klage auf Leistung der Sanierung auch weniger weit als eine Haftungsfeststellung reichen, weil derzeit einzelne weitere Konsequenzen aus der mangelnden Betongüte bzw unzureichenden Bewährungsüberdeckung nicht abschätzbar seien. Dies treffe insbesondere auf die im Februar und März 2019 erfolgten Wassereintritte zu, die in den von der Klägerin eingeholten Abschluss- und Zustandsberichten noch nicht berücksichtigt werden hätten können, sodass die notwendigen Sanierungsleistungen für die Klägerin noch nicht abschätzbar seien. Außerdem seien Bereiche mit einer zu geringen Bewährungsüberdeckung in regelmäßigen Intervallen zu überwachen. Die dafür anfallenden Kosten seien im Fall einer „bloßen“ Leistungsklage ebenso wenig von einer Haftung der Beklagten umfasst wie auch weitere Schäden, wie etwa der Entgang von Parkplatzbenützungsentgelten etc während der Sanierung. Diese zukünftigen Mangelfolgeschäden würden ohne Feststellungsurteil verjähren. Darüber hinaus wäre eine Leistungsklage für die Klägerin unzumutbar, habe die Beklagte doch bislang untaugliche Sanierungskonzepte vorgelegt. Im Fall der Verpflichtung zur Sanierung würde die Beklagte daher nur ihre unzureichenden Sanierungskonzepte durchführen, was die neuerliche Beschreitung des Rechtswegs notwendig machen würde. Außerdem habe die Klägerin jedes Vertrauen in die Beklagte verloren, weil diese sie über das Ausmaß des Sanierungserfordernisses vorsätzlich getäuscht und notwendige angeforderte Unterlagen nicht übergeben habe.
[6] Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, der geltend gemachte Anspruch sei verjährt. Sie habe sämtliche Arbeiten vertragsgemäß, fach- und sachgerecht und entsprechend dem damaligen Stand der Technik erbracht. Die behaupteten Schäden seien auf das Unterbleiben einer ordnungsgemäßen Wartung und Instandhaltung der Tiefgarage durch die Klägerin zurückzuführen, die dadurch auch ihre Schadensminderungspflicht verletzt habe. Außerdem fehle der Klägerin das Feststellungsinteresse, weil sie ohne weiteres eine auf Geldersatz gerichtete Leistungsklage einbringen könnte.
[7] Dem schloss sich die Nebenintervenientin im Wesentlichen an.
[8] Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren ab. Die Ansprüche der Klägerin seien nicht verjährt. Allerdings fehle ihr das Feststellungsinteresse, weil ihr aufgrund der ihr seit Jänner 2018 vorliegenden Untersuchungsergebnisse samt Sanierungsvorschlägen die zu erwartenden Kosten bekannt seien, weshalb ihr die Einbringung einer Leistungsklage möglich und zumutbar gewesen wäre.
[9] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil im Umfang der Abweisung des Begehrens auf Feststellung der Haftung der Beklagten für „bereits vorhandene, mit Leistungsklage einklagbare“ Schäden als Teilurteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei. Im Übrigen, nämlich im Umfang der Entscheidung über das Feststellungsbegehren hinsichtlich aller zukünftigen Schadenersatzansprüche der Klägerin, hob es das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.
[10] Bezüglich der Berechtigung des Feststellungsbegehrens sei zwischen aktuellen (und damit bereits einklagbaren) und künftigen Schäden zu unterscheiden. Hinsichtlich künftiger Schäden sei das Feststellungsinteresse der Klägerin nicht von vornherein auszuschließen, weshalb das Erstgericht im zweiten Rechtsgang zu klären haben werde, ob die Beklagte bei der seinerzeitigen Vertragserfüllung rechtswidrig und schuldhaft gehandelt habe. Soweit sich das Klagebegehren jedoch auf aktuelle (bereits bekannte bzw vorhandene) Schäden beziehe, sei die Feststellungsklage unzulässig, weil das Deckungskapital zur Sanierung dieser Schäden bereits mit Leistungsklage geltend gemacht werden könne. Der Klägerin lägen zwei Kostenschätzungen vor, wobei beide Sanierungsvarianten Vor- und Nachteile hätten. Die Klägerin werde sich daher zu entscheiden haben, welche der beiden Sanierungsvarianten sie wähle. Dass sie diese Willensentscheidung bisher nicht getroffen habe, rechtfertige nicht den geltend gemachten Feststellungsanspruch bezüglich der bereits bekannten Schäden. Sie habe Anspruch auf das Deckungskapital für die zu erwartenden Sanierungskosten, wobei die Angemessenheit der begehrten Beträge durch Kostenvoranschläge oder durch Sachverständigengutachten nachgewiesen werden könne. Da die Sanierungsabsicht der Klägerin unstrittig sei, stünde ihr das Deckungskapital vorschussweise zu. Der von der Beklagten im Fall eines erfolgreichen Zahlungsbegehrens zu leistende Vorschuss wäre zweckgebunden sowie verrechenbar und könnte (ua) bei Übermaß zurückgefordert werden. Die Argumentation der Klägerin, wonach ein „schadenersatzrechtliches Bereicherungsverbot“ der Erhebung eines Leistungsbegehrens entgegenstehe, sei daher nicht nachvollziehbar. Die Begründung des rechtlichen Interesses damit, dass eine Leistungsklage umständlicher wäre und dass zuvor bereits deren Rechtsgrund festgestellt werden solle, werde in der Rechtsprechung nicht als zulässig erachtet. Der Geschädigte sei auch dann primär zur Einbringung einer Leistungsklage gehalten, wenn er naheliegende, zur Ermittlung der Schadenshöhe zweckmäßige Maßnahmen ergreifen könne, um auf diese Weise die Voraussetzungen für die Schadensbezifferung zu schaffen. In ihrer Berufung führe die Klägerin selbst aus, dass nur einzelne weitere Konsequenzen aus der mangelnden Betongüte bzw unzureichenden Bewährungsüberdeckung nicht abschätzbar seien; dazu würden Maßnahmen aufgrund der Wassereintritte im Februar und März 2019 und die künftigen Überwachungskosten angeführt. In erster Instanz habe die Klägerin weitere Mangelfolgeschäden genannt, nämlich den Entgang von Parkplatzbenützungsgebühren während der Sanierungsdauer. Diese Folgekosten bzw die Höhe der zu erwartenden Gebührenentgänge seien in den Grobkostenschätzungen nicht enthalten und auch sonst schwer bestimmbar. Diese behaupteten Schäden seien aber der Klägerin bisher noch nicht entstanden, weshalb es sich insoweit um zukünftige Schäden handle, die die Einbringung eines Feststellungsbegehrens neben einer Leistungsklage rechtfertigten. Allein der Umstand, dass neben bereits aktuellen Schäden noch künftige zu erwarten seien, bestätige nicht den Standpunkt der Klägerin, dass sie deswegen lediglich ein Feststellungsbegehren erheben habe können. Vielmehr erfolge in der Praxis gerade bei Schadenersatzansprüchen eine Verbindung von Leistungs- und Feststellungsbegehren. Eine solche Verbindung sei dann zulässig, wenn bereits ein Teil des Schadens eingetreten und bezifferbar sei, weitere künftige Schäden aber nicht auszuschließen seien.
[11] Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin, mit der sie insbesondere einen rechtlichen Feststellungsmangel geltend macht.
[12] Die Beklagte und die ihr beigetretene Nebenintervenientin beantragen in den ihnen vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortungen jeweils, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
[13] Die Revision ist zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[14] 1. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann keine Rede davon sein, dass der in der Notwendigkeit der Sanierung wegen der (behaupteten) mangelnden Betongüte etc liegende Schaden noch nicht eingetreten wäre.
[15] 2. Auch der weiteren Argumentation der Klägerin, wonach es im Sinn der Verfahrensökonomie nicht geboten sei, eine wegen der Möglichkeit künftiger weiterer Schäden jedenfalls zur Abwendung der Verjährung erforderliche Feststellungsklage mit einer Leistungsklage hinsichtlich der bereits fälligen Ansprüche zu verbinden, kann nicht gefolgt werden.
[16] 3. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich des Feststellungsinteresses grundsätzlich zutreffend zwischen bereits entstandenen und erst (möglicherweise) künftig auftretenden Schäden differenziert (vgl nur RS0038944). Kann der Geschädigte die Höhe eines bereits eingetretenen und ihm dem Grunde nach bekannten Schadens durch naheliegende zweckmäßige Maßnahmen, deren Kosten in einem Leistungsprozess als vorprozessuale Kosten ersatzfähig sind, ermitteln, und müssen solche Maßnahmen vor Einbringung einer Leistungsklage, gleichviel ob vorher ein Feststellungsurteil ergangen ist oder nicht, jedenfalls ergriffen werden, um einen bereits eingetretenen Schaden beziffern zu können, so ist dem Geschädigten ein rechtlich schutzwürdiges Interesse auf alsbaldige Feststellung lediglich der Haftung des in Anspruch genommenen Ersatzpflichtigen für den geltend gemachten Schaden abzusprechen. Er muss vielmehr Maßnahmen ergreifen, um auf diese Weise die Voraussetzung für die Schadensbezifferung in einer Leistungsklage zu schaffen (RS0118968). Der Geschädigte kann auch verpflichtet sein, ein Sachverständigengutachten zur Schadensbezifferung einzuholen (RS0118968 [T3]).
[17] 4. Ein Interesse an der (bloßen) Feststellung von Gewährleistungsansprüchen wird allerdings insbesondere dann bejaht, wenn der Berechtigte einen bestimmten Gewährleistungsanspruch noch nicht mit Leistungsklage verfolgen kann, weil er entweder die Beschaffenheit (Ursache) von Mängeln noch nicht genau kennt oder die Möglichkeit der Mängelbehebung noch nicht beurteilen kann (RS0018858 [T11]), oder wenn dem Werkbesteller die Erhebung von Schadenersatzansprüchen nach § 933a ABGB noch offen steht, er jedoch die Entwicklung des Mangelschadens und deshalb die notwendigen Sanierungsmaßnahmen und -kosten noch nicht beurteilen und deshalb künftige Mangelfolgeschäden nicht ausschließen kann (3 Ob 153/16w).
[18] 5. Während also im Normalfall davon auszugehen ist, dass ein bereits entstandener (eingetretener) Schaden auch beziffert werden kann, sodass eine Leistungsklage möglich ist, gibt es durchaus Sachverhalte, in denen ausnahmsweise trotz bereits eingetretenen Schadens die (alleinige) Feststellungsklage zulässig ist.
[19] 6. Einen solchen Fall hat die Klägerin hier von Anfang an behauptet. Feststellungen dazu, ob sich der konkret notwendige Sanierungsaufwand, wie von der Klägerin vorgebracht, erst im Zuge der Arbeiten herausstellen kann, vorher also nicht beziffert werden kann, wurden allerdings nicht getroffen. Die Feststellung, dass der Klägerin eine Kostenschätzung (für zwei Varianten) vorliegt, steht den von ihr ergänzend begehrten Feststellungen nicht entgegen, weil auch feststeht, dass die Kosten (für beide Varianten jeweils) mit „+/- 20 %“ angenommen wurden. Damit ist aber klar, dass die Sanierungskosten in Wahrheit nicht exakt feststehen (können), sondern es doch eine erhebliche Bandbreite gibt – eben je nachdem, wie sich die Situation im Rahmen der Arbeiten letztlich darstellt.
[20] 7. Dass sich die Klägerin offenbar noch nicht für eine der beiden zur Wahl stehenden Sanierungsvarianten entschieden hat, schadet in diesem Zusammenhang nicht, weil für keine der beiden Varianten gesagt werden kann, wie hoch die Kosten tatsächlich sein werden. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der „Feststellung“, wonach der Klägerin mit Vorliegen aller von ihr eingeholter Informationen „sowohl Kosten als auch Maßnahmen für den Sanierungsaufwand bekannt waren“, weil es sich dabei in Wahrheit bloß um eine (soweit es die Kosten betrifft, unrichtige rechtliche) Schlussfolgerung handelt.
[21] 8. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hätte die Klägerin auch nicht erfolgversprechend die geschätzten Kosten für eine der beiden Varianten zuzüglich 20 % – also den sich für die gewählte Variante ergebenden Maximalbetrag – einklagen können. Ist der Mangel nämlich noch nicht verbessert und fordert der Besteller das Deckungskapital für die Mängelbehebungskosten, hat er Anspruch auf Ersatz der objektiv notwendigen Behebungskosten. Maßgeblich sind dabei die voraussichtlichen Mängelbehebungskosten, deren Höhe nach den allgemeinen Beweislastregeln der Geschädigte zu beweisen hat (10 Ob 48/19k = RS0115060 [T1]). Vor diesem Hintergrund wäre es der Klägerin aber keinesfalls möglich, den Zuspruch des Maximalbetrags zu erlangen, weil sie gerade nicht beweisen könnte, dass Kosten in dieser Höhe auch tatsächlich entstehen werden.
[22] 9. Die sofortige Abweisung eines Teils des Klagebegehrens kommt daher nicht in Betracht, sodass auch das Teilurteil des Berufungsgerichts aufzuheben ist. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren Feststellungen zu den im Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts angesprochenen Themen und darüber hinaus auch zur Frage zu treffen haben, ob der notwendige Umfang der Sanierungsarbeiten bereits vor deren Beginn feststeht, oder ob er sich, wie von der Klägerin vorgebracht, erst im Zuge der Sanierung mit Sicherheit ermitteln lässt. Sollte Letzteres zutreffen, könnte das Feststellungsinteresse der Klägerin nicht mit der Begründung verneint werden, dass es sich auf einen bereits entstandenen Schaden beziehe.
[23] 10. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Textnummer
E129690European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00072.20I.0923.000Im RIS seit
17.11.2020Zuletzt aktualisiert am
06.10.2021