TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/13 W237 1403876-4

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Veröffentlicht am 13.07.2020
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Entscheidungsdatum

13.07.2020

Norm

AsylG 2005 §7 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §33 Abs3
VwGVG §33 Abs4

Spruch

W237 1403876-4/2E

Im namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 15.05.2020, Zl. 770648800-190699774, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird gemäß § 28 Abs. 2 iVm § 33 Abs. 3 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

II. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids wird gemäß § 28 Abs. 2 iVm § 33 Abs. 4 VwGVG ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte mit Schriftsatz vom 13.05.2020 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen „Antrag auf Wiedereinsetzung gem. § 71 AVG in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 11.11.2019 […]“.

1.1. Mit dem genannten Bescheid sei dem Beschwerdeführer der mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27.08.2009 zuerkannte Status des Asylberechtigten ab- und der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt worden; weiters habe das Bundesamt keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung in die Russische Föderation festgestellt, die Frist für seine freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt und schließlich ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die daraufhin erhobene Beschwerde habe das Bundesverwaltungsgericht lediglich als gegen das Einreiseverbot gerichtet betrachtet, obwohl sich dies „weder aus der Beschwerdeerhebung noch aus dem Antrag“ ableiten habe lassen. Nach einer Verhandlung am 12.02.2020 sei der Beschwerde mit der Maßgabe stattgegeben worden, dass die Dauer des Einreiseverbots auf drei Jahre herabgesetzt worden sei.

1.2. Der Beschwerdeführer habe allerdings stets geglaubt, dass der Bescheid vom 11.11.2019 in seiner Gesamtheit angefochten gewesen sei und mit seinem Verbleib in Österreich gerechnet. Erst im Zuge einer Besprechung mit seiner nunmehrigen Rechtsanwältin am 12.05.2020 habe er erfahren, dass es im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nur mehr um das Einreiseverbot gegangen sei. Dies sei dem Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt bewusst gewesen; vielmehr habe er bereits während des Aberkennungsverfahrens unter Angststörungen gelitten und sei psychisch beeinträchtigt gewesen. Nach seiner Inschubhaftnahme sei er am 06.03.2020 auch psychiatrisch untersucht worden, wobei eine posttraumatische Belastungsstörung mit schwerer depressiver Episode diagnostiziert worden sei. Für den Fall, dass er im Aberkennungsverfahren tatsächlich bloß das Einreiseverbot bekämpft habe, treffe den schwer traumatisierten und massiv depressiven Beschwerdeführer an der Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die sonstigen Spruchpunkte des Bescheids vom 11.11.2019 kein Verschulden bzw. liege bloß ein minderer Grad des Versehens vor.

1.3. Unter einem erhob der Beschwerdeführer eine näher begründete Beschwerde gegen den Bescheid vom 11.11.2019.

2. Mit Bescheid vom 15.05.2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG zurück (Spruchpunkt I.) und schloss einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG aus (Spruchpunkt II.). Das Bundesamt ging dabei – neben weiteren Begründungssträngen – im Wesentlichen davon aus, dass dem Beschwerdeführer sein Aufenthaltsstatus „spätestens ab dem 12.02.2020 bewusst“ gewesen sei, weshalb sich der am 13.05.2020 gestellte Wiedereinsetzungsantrag als verspätet erweise und deshalb zurückzuweisen sei.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde und wies darin neuerlich auf seine psychischen Beeinträchtigungen hin, die seine Dispositionsfähigkeit soweit eingeschränkt hätten, dass er in einer den minderen Grad des Versehens nicht übersteigender Weise die Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen die neben dem Einreiseverbot übrigen Aussprüche des Bescheids vom 11.11.2019 versäumt habe.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Bezug habendem Verwaltungsakt am 22.06.2020 vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist ein russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, der im Sommer 2007 nach Österreich gelangte. Mit Erkenntnis von 27.08.2009 erkannte der Asylgerichtshof dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten zu.

1.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl leitete aufgrund mehrerer strafgerichtlicher Verurteilungen des Beschwerdeführers von Amts wegen ein Verfahren zur Aberkennung des ihm zukommenden Status des Asylberechtigten ein. Am 26.09.2019 fand vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in diesem Zusammenhang eine Einvernahme mit dem Beschwerdeführer statt, in welcher gegenüber dem Beschwerdeführer die Möglichkeit der Statusaberkennung thematisiert wurde.

Mit Bescheid vom 11.11.2019 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer den mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27.08.2009 zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Weiters erkannte es dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG iVm § 46 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation fest (Spruchpunkt V.), legte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.) und erließ schließlich gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG gegenüber dem Beschwerdeführer ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.). Sämtliche Spruchpunkte wurden im Bescheid näher begründet.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl veranlasste die persönliche postalische Zustellung dieses Bescheids an den Beschwerdeführer. Nach einem erfolglosen Zustellversuch des Zustellers am 13.11.2019 wurde der Bescheid am 14.11.2019 beim Wohnsitzpostamt des Beschwerdeführers für ihn hinterlegt und eine entsprechende Benachrichtigung an seinem Wohnsitz zurückgelassen.

1.3. Der Beschwerdeführer erhob in weiterer Folge nur gegen Spruchpunkt VII. des genannten Bescheids mit Schriftsatz vom 26.11.2019 über seinen damaligen gewillkürten Rechtsanwalt eine näher begründete Beschwerde. Der Beschwerdeschriftsatz wurde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am 05.12.2019 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt. In einem nachfolgenden, an das Bundesverwaltungsgericht gerichteten Schriftsatz des Rechtsanwalts des Beschwerdeführers bezeichnete dieser das Einreiseverbot als alleinigen Beschwerdegegenstand.

Am 12.02.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung mit dem Beschwerdeführer, seinem zur vollinhaltlichen Vertretung im weiteren Beschwerdeverfahren bevollmächtigten Rechtsberater und einem Vertreter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl statt. Mit unmittelbar nach Schluss der Verhandlung dem Beschwerdeführer verkündetem Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gegen das Einreiseverbot mit der Maßgabe statt, dass die Dauer des Einreiseverbots auf drei Jahre herabgesetzt wurde. Am 14.02.2020 stellte der Beschwerdeführer über seinen Rechtsvertreter einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses, welche er am 23.03.2020 erhielt.

Der Beschwerdeführer war im Zuge der gesamten Verhandlung klar orientiert und konnte die ihm gegenüber erfolgten Belehrungen und Fragen verstehen. Ihm war sowohl während der Verhandlung als auch während der Entscheidungsverkündung als auch unmittelbar danach bewusst, dass seine Beschwerde vom 26.11.2019 nur gegen das im Bescheid vom 11.11.2019 ausgesprochene Einreiseverbot gerichtet war. Soweit ihm dies im Laufe der Verhandlung erst bewusst wurde, war er geistig in der Lage und hatte ausreichend Gelegenheit, ein allfällig anderes Verständnis seiner Beschwerde vom 26.11.2019 zu behaupten.

1.4. Am 29.02.2020 wurde der Beschwerdeführer in Schubhaft genommen. Er wusste jedenfalls am 01.03.2020 ebenso, dass er für drei Jahre Österreich verlassen muss und ihm sodann erneut eine Einreisemöglichkeit offensteht.

Dem Bruder des Beschwerdeführers, der ihn zeitweise unterstützt, war spätestens am 21.03.2020 bekannt, dass der Beschwerdeführer keine Beschwerde gegen die Statusaberkennung und die verbundene Rückkehrentscheidung erhoben hatte.

Dem Beschwerdeführer war nicht erst am 12.05.2020 klar, dass er mit seiner Beschwerde vom 26.11.2019 lediglich das ihm gegenüber verhängte Einreiseverbot bekämpft hatte.

1.5. Mit am 14.05.2020 zur Post gegebenem Schriftsatz stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in die offene Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis VI. des ihn betreffenden Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 11.11.2019. Der Verfahrensgang im Detail wird wie unter Pkt. I. dargelegt festgestellt.

1.6. Der Beschwerdeführer leidet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung und schwerer depressiver Episode. Er ist bewusstseinsklar und geistig orientiert, seine Stimmung ist allerdings depressiv und er leidet unter wiederkehrenden Panikattacken. Seine Gedanken kreisen um persönliche Traumaerlebnisse, seine bevorstehende Abschiebung und die Angst, seine Kinder zu verlieren.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Einreise nach Österreich und der Asylstatuszuerkennung ergeben sich unzweifelhaft aus dem Inhalt des vorliegenden Verwaltungsakts und sind unstrittig.

2.2. Ebenso unstrittig sind die Einleitung und der Verlauf des Statusaberkennungsverfahrens vor der belangten Behörde sowie der Inhalt der Spruchpunkte des Bescheids vom 11.11.2019. Der Zustellvorgang betreffend diesen Bescheid war entsprechend dem im Verwaltungsakt aufliegen Rückschein festzustellen.

2.3. Dass der Beschwerdeführer nur gegen Spruchpunkt VII. des genannten Bescheids Beschwerde erhob, ergibt sich in erster Linie aus dem Beschwerdeschriftsatz vom 26.11.2019, der lediglich „die Rechtswidrigkeit des Spruchpunktes VII“ behauptete und sich allein auf das Einreiseverbot bezog. Angesichts der Abfassung des Schriftsatzes durch den (damaligen) gewillkürten Rechtsanwalt – sohin einen rechtskundigen Vertreter des Beschwerdeführers – sowie der klaren Beschwerdeausführungen nur zu dieser fremdenpolizeilichen Maßnahme bestand kein Anlass, die Beschwerde auf andere Spruchpunkte des Bescheids vom 11.11.2019 bezogen zu lesen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass – wie im Wiedereinsetzungsantrag inhaltlich zutreffend ausgeführt – der Beschwerdeschriftsatzkopf und die abschließenden Anträge eine Einschränkung auf das Einreiseverbot nicht nannten. Selbst wenn sich daraus Zweifel am Umfang des Beschwerdewillens des Beschwerdeführers hätten ableiten lassen, wurden diese durch den nachfolgenden rechtsanwaltlichen Schriftsatz vom 11.12.2019 ausgeräumt: In diesem wurde nämlich (im Rahmen eines Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung) in eindeutiger Weise nur das Einreiseverbot als Beschwerdegegenstand genannt. Für das Bundesverwaltungsgericht war spätestens damit klar, dass sich der Beschwerdewille nur gegen das Einreiseverbot richtete und das Beschwerdeverfahren darauf bezogen zu führen war.

Dies bestätigte sich in der Folge zudem in der am 12.02.2020 durchgeführten Verhandlung. In dieser wurde der für die Frage der Verhängung und allfälligen Bemessung des den Beschwerdeführer betreffenden Einreiseverbots relevante Sachverhalt ermittelt. Zu Verhandlungsbeginn legte der erkennende Richter dem Beschwerdeführer auch den Gegenstand der Verhandlung – nämlich ausschließlich das im Bescheid vom 11.11.2019 verhängte Einreiseverbot – dar; ebenso wurde ihm ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, jederzeit Fragen rechtlicher Natur zu stellen. Der Beschwerdeführer selbst bejahte schließlich sogar die in der Verhandlung gestellte Frage des Vertreters der belangten Behörde, ob er wisse, dass sein Asylstatus bereits aberkannt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und er ausreisepflichtig sei. Auch seitens seines Rechtsvertreters kam keine Anregung, dass sich die Beschwerde gegen andere Spruchpunkte als das Einreiseverbot richten würde. Dementsprechend zeigte sich der Beschwerdeführer auch nicht in irgendeiner Weise überrascht, als sich die verkündete Entscheidung lediglich auf das Einreiseverbot bezog; dabei wurden ihm die wesentlichen Entscheidungsgründe auch – in laienverständlicher Sprache – vom erkennenden Richter erläutert.

Gemäß der persönlichen Wahrnehmung des erkennenden Richters wirkte der Beschwerdeführer in der Verhandlung zwar angespannt und – soweit im Rahmen der Verhandlungsführung beurteilbar – ängstlich, jedoch war er über den gesamten Verhandlungsverlauf und die anschließende Verkündung klar orientiert und konnte die ihm gegenüber erfolgten Belehrungen und Fragen vollinhaltlich verstehen. Dies geht auch aus der Verhandlungsniederschrift vom 12.02.2020 hervor, der strukturierte und themenbezogene Antworten auf die gestellten Fragen zu entnehmen sind.

Angesichts dessen ist festzustellen, dass dem Beschwerdeführer der lediglich auf das Einreiseverbot bezogene Anfechtungsumfang seiner Beschwerde sowohl während der Verhandlung als auch während der Entscheidungsverkündung als auch unmittelbar danach bewusst war.

2.4. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer am 01.03.2020 wusste, dass er für drei Jahre Österreich verlassen muss und ihm sodann erneut eine Einreisemöglichkeit offensteht, fußt auf der an diesem Tag aufgenommenen und im Verwaltungsakt enthaltenen Niederschrift der Landespolizeidirektion Salzburg über eine Einvernahme, die mit dem Beschwerdeführer im Rahmen seiner Schubhaft durchgeführt wurde. In dieser gab er klar zu Protokoll, dass ihm sein Anwalt und seine Bekannten gesagt hätten, er müsse für drei Jahre zurück nach Russland; danach stehe ihm aufgrund familiärer Bindungen die Rückreise nach Österreich offen.

Soweit festgestellt wurde, dass dem Bruder des Beschwerdeführers spätestens am 21.03.2020 bekannt war, dass dieser keine Beschwerde gegen die im Bescheid vom 11.11.2019 ausgesprochene Statusaberkennung und die verbundene Rückkehrentscheidung erhoben hatte, ergibt sich dies aus einer E-Mail, die der Bruder des Beschwerdeführers am 21.03.2020 an das Bundesministerium für Inneres richtete.

2.5. Die Postaufgabe des Wiedereinsetzungsantrags ist aus dem im Verwaltungsakt aufliegenden Absendekuvert ersichtlich. Der unter Pkt. I. geschilderte Inhalt des Antrags sowie der Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verfahrensakt.

2.6. Der Krankheitszustand des Beschwerdeführers wurde entsprechend der dem Wiedereinsetzungsantrag beigelegten Stellungnahme eines näher genannten Facharztes für Psychiatrie vom 16.03.2020 festgestellt. Es bestand für das Bundesverwaltungsgericht keine Veranlassung, diese fachärztliche Stellungnahme in Zweifel zu ziehen oder näher zu erörtern, zumal sich der Beschwerdeführer in der gegenständlichen Beschwerde selbst darauf bezieht.

Weder aus dieser Stellungnahme noch sonstigen sachverständigen Beurteilungen geht allerdings hervor, dass der Beschwerdeführer (zumindest) in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.02.2020 nicht verstanden hätte, dass seine Beschwerdesache – wie ihm mehrfach erläutert (vgl. Pkt. II.2.3.) – nur mehr das Einreiseverbot umfasst. Der Facharzt für Psychiatrie hielt in der Stellungnahme vom 16.03.2020 sogar fest, dass der Beschwerdeführer „[w]ach, bewusstseinsklar, zu allen Qualitäten orientiert“ sowie „zur Selbstreflexion fähig“ sei, was sich mit der Einschätzung des erkennenden Richters bei der Verhandlung einen Monat zuvor deckt; auch der Rechtsvertreter merkte damals nicht an, dass der Beschwerdeführer unter Beeinträchtigungen irgendwelcher Art leiden würde, die ihn daran hindern könnten, den Erläuterungen zu folgen.

Vor diesem Hintergrund müssen die in der dem Wiedereinsetzungsantrag beigelegten eidesstattlichen Erklärung vom 12.05.2020 enthaltenen Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach er erst in einer am selben Tag abgehaltenen Besprechung mit seiner nunmehrigen Rechtsanwältin verstanden habe, dass der Bescheid vom 11.11.2019 nicht zur Gänze angefochten worden sei, als bloße Schutzbehauptung gewertet werden; diese scheint überdies auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil der Beschwerdeführer schon Ende Februar 2020 in Schubhaft war und sein Bruder bereits am 21.03.2020 wusste, dass keine Beschwerde gegen die Asylstatusaberkennung und die Rückkehrentscheidung erhoben worden war.

Ob dieser Erwägungen war auch festzustellen, dass der Beschwerdeführer einerseits in der Verhandlung am 12.02.2020 geistig in der Lage gewesen war und ausreichend Gelegenheit hatte, ein allfällig anderes Verständnis seiner Beschwerde vom 26.11.2019 zu behaupten, und andererseits sich jedenfalls nicht erst am 12.05.2020 bewusst wurde, dass er mit seiner Beschwerde lediglich das ihm gegenüber verhängte Einreiseverbot bekämpft hatte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Der Bescheid vom 15.05.2020 wurde der Rechtsanwältin des Beschwerdeführers am 19.05.2020 zugestellt. Die am 16.06.2020 zur Post gegebene und an die belangte Behörde adressierte Beschwerde ist somit gemäß § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG rechtzeitig.

Zu A)

3.1. Einleitend ist festzuhalten, dass die Spruchpunkte I. bis VI. des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 11.11.2019 mit Ablauf des 28.11.2019 in Rechtskraft erwuchsen: Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nämlich am 14.11.2019 durch Hinterlegung zugestellt, wobei die Rechtsmittelfrist gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG iVm § 7 Abs. 2 AsylG 2005 zwei Wochen betrug (in der Rechtsmittelbelehrung des Bescheids wurde auch keine längere Rechtsmittelfrist genannt; vgl. § 61 Abs. 3 AVG). Der Beschwerdeführer erhob innerhalb der Rechtsmittelfrist – wie festgestellt – lediglich gegen Spruchpunkt VII. des Bescheids vom 11.11.2019 Beschwerde, über welche mittlerweile durch mündlich verkündetes Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.02.2020 entschieden wurde.

Der verfahrenseinleitende Antrag geht – implizit – selbst davon aus, dass die Spruchpunkte I. bis VI. des genannten Bescheids nicht angefochten wurden und in Rechtskraft erwuchsen. Wäre der Bescheid nämlich in vollem Umfang mit der Beschwerde vom 26.11.2019 angefochten worden, hätte der Beschwerdeführer die Rechtsmittelfrist gar nicht versäumt und könnte in diese auch nicht wiedereingesetzt werden. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wäre diesfalls schon von vornherein unzulässig (und eine Entscheidung über die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis VI. im Wege eines Fristsetzungsantrags herbeizuführen).

3.2. Macht eine Partei gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG glaubhaft, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

Gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG hat bis zur Vorlage der Beschwerde über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden, § 15 Abs. 3 leg.cit. ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden.

3.2.1. § 33 Abs. 4 VwGVG kann verfassungskonform nur die Bedeutung zugemessen werden, dass über Wiedereinsetzungsanträge, die bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde eingebracht werden, von dieser, und über jene, die ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht eingebracht werden, von jenem mit Beschluss zu entscheiden ist (VwGH 28.09.2016, Ro 2016/16/0013).

Der Beschwerdeführer stellte den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand richtigerweise beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, weil er bis dahin noch keine Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis VI. des Bescheids vom 11.11.2019 erhoben hatte; lediglich die bloß gegen Spruchpunkt VII. dieses Bescheids gerichtete Beschwerde war bereits durch die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt (und von diesem bereits entschieden) worden. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl war auch zuständig, über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden. Zutreffend stützte das Bundesamt seine Entscheidung auf die Rechtsgrundlage des § 33 VwGVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (vgl. VwGH 28.09.2016, Ro 2016/16/0013).

3.2.2. Die belangte Behörde wies den Antrag auf Wiedereinsetzung in die offene Rechtsmittelfrist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis VI. des Bescheids vom 11.11.2019 auf Grundlage des § 33 Abs. 3 VwGVG auch zutreffend zurück:

Dem Beschwerdeführer war persönlich (spätestens) im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und der anschließenden Verkündung der Entscheidung über die allein auf das Einreiseverbot bezogene Beschwerde am 12.02.2020 klar, dass die übrigen Spruchpunkte des Bescheids vom 11.11.2019 nicht angefochten worden waren. Er hatte auch ausreichend Gelegenheit und persönliche Dispositionsfähigkeit, dies in der Verhandlung zu sagen oder – zumindest unmittelbar nach der Verhandlung – seinem Rechtsvertreter mitzuteilen. Selbst wenn der Beschwerdeführer also aufgrund seines psychischen Gesundheitszustands und mangelndem verfahrensrechtlichen Verständnis bis zum 12.02.2020 nicht gewusst haben sollte, dass die Aberkennung des Status des Asylberechtigten, die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 sowie die Rückkehrentscheidung samt Zulässigkeit der Abschiebung in die Russische Föderation bereits Ende November 2019 in Rechtskraft erwachsen waren, fiel dieses Hindernis an diesem Tag weg.

Der Wiedereinsetzungsantrag wäre daher spätestens bis zum Ablauf des 26.02.2020 zu stellen gewesen. Der erst am 14.05.2020 gestellte Antrag erweist sich daher als verspätet, weshalb die Beschwerde gegen den diesen zurückweisenden Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 iVm § 33 Abs. 3 VwGVG als unbegründet abzuweisen ist.

3.2.3. Lediglich ergänzend ist festzuhalten, dass man zu diesem Ergebnis auch käme, nähme man an, der Beschwerdeführer wäre sich erst am 01.03.2020 im Rahmen der Einvernahme vor der Landesdirektion Salzburg des Umfangs seiner Beschwerde gegen den Bescheid vom 11.11.2019 bewusst geworden, weil diesfalls die Frist gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG mit Ablauf des 16.03.2020 (der 15.03. fiel auf einen Sonntag) geendet hätte.

3.3. Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids schloss das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einer Beschwerde gegen den Bescheid die aufschiebende Wirkung aus. Dies stützte die belangte Behörde auf die Bestimmung des § 33 Abs. 4 VwGVG. Gemäß dieser Bestimmung kann die Behörde oder das Verwaltungsgericht einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die aufschiebende Wirkung zuerkennen. Für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen den einen Wiedereinsetzungsantrag ab- oder zurückweisenden Bescheid bildet die genannte Bestimmung hingegen keine Rechtsgrundlage, weshalb dieser Spruchpunkt ersatzlos zu beheben ist.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde in Teilen bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Beschwerdefrist Frist Fristablauf Fristversäumung Voraussetzungen Wegfall der Gründe Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W237.1403876.4.00

Im RIS seit

13.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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