TE Bvwg Beschluss 2020/7/16 W212 2229274-1

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Veröffentlicht am 16.07.2020
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Entscheidungsdatum

16.07.2020

Norm

AsylG 2005 §35
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W212 2229272-1/2E

W212 2229274-1/2E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SINGER über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX und 2.) mj. XXXX , geb. XXXX , beide StA. Somalia, vertreten durch Dellasega/Kapferer, RA Kanzlei in Innsbruck, gegen den Bescheid der österreichischen Botschaft Addis Abeba vom 21.11.2019, GZ. Addis-Abeba-ÖB/RECHT/0064/2019, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin und ihre minderjährige Tochter, die Zweitbeschwerdeführerin, Staatsangehörige Somalias, stellten am 13.04.2017 bei der Österreichischen Botschaft in Addis Abeba (im Folgenden: „ÖB Addis Abeba“) Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005.

Als Bezugsperson wurde der vermeintliche Ehemann der Erstbeschwerdeführerin beziehungsweise der Vater der Zweitbeschwerdeführerin XXXX , geb. XXXX , ebenfalls Staatsangehöriger Somalias, genannt, dem mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden „BFA“) vom 08.04.2015 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Dem Antrag wurden folgende Unterlagen (in Kopien) beigelegt:

Die Beschwerdeführerinnen betreffend:

-        Geburtsurkunden der Beschwerdeführerinnen

-        Heiratsurkunde (Datum der Eheschließung 10.07.2010)

Die Bezugsperson betreffend:

-        Meldebestätigung

-        Bescheid mit welchem der Bezugsperson der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist,

-        Mietvertrag für eine Wohnung mit einem monatlichen Mietzins in der Höhe von 373,50 €,

-        Lohn-/ und Gehaltsabrechnungen für die Monate Jänner bis März 2017,

-        E-Card

2. In weiterer Folge wurden die Anträge seitens der ÖB Addis Abeba an das BFA zur Überprüfung weitergeleitet und wurde bei dieser Gelegenheit mitgeteilt, dass die Richtigkeit somalischer Urkunden generell angezweifelt werden müsse, weshalb eine DNA-Analyse zur Feststellung der tatsächlichen Angehörigeneigenschaft angeregt werde.

3. Daraufhin wurden von der Bezugsperson am 24.11.2017 und von den Beschwerdeführerinnen am 17.01.2018 DNA-Tests durchgeführt und konnte dadurch zweifelsfrei festgestellt werden, dass es sich bei der Zweitbeschwerdeführerin um die gemeinsame Tochter der Erstbeschwerdeführerin und der Bezugsperson handelt.

4. Mit Aufforderung zur Stellungnahme der ÖB Addis Abeba vom 05.03.2018, übernommen am 08.03.2018, wurde den Beschwerdeführerinnen Parteiengehör eingeräumt und gleichzeitig mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ihre Anträge abzuweisen, zumal das BFA nach Prüfung mitgeteilt habe, dass die Gewährung des Status der Asylberechtigten beziehungsweise der subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Die Ehe zwischen der Erstbeschwerdeführerin und der Bezugsperson habe nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden und die von den Beschwerdeführerinnen in Vorlage gebrachten Dokumente würden nicht genügen, um deren Angehörigeneigenschaft nachzuweisen.

In beiliegender Stellungnahme des BFA vom 23.02.2018 wurde näher ausgeführt, dass das Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin die Eigenschaft als Familienangehörige im Sinne von § 35 AsylG 2005 gar nicht bestehen würde, zumal die von ihr behauptete Ehe nicht bereits vor der Einreise der Bezugsperson bestanden habe und keine nach den Grundsätzen des Herkunftslandes gültige Ehe geschlossen worden sei. Ein tatsächliches Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK sei ebenfalls nicht geführt worden und hätten sich massive Zweifel an der Echtheit der vorgelegten Urkunden ergeben. Die Richtigkeit somalischer Urkunden müsse generell in Zweifel gezogen werden und habe die Bezugsperson bei ihrer Einvernahme am 23.11.2012 ferner angegeben, weder standesamtlich noch traditionell verheiratet zu sein. Die Zweitbeschwerdeführerin sei zwar das leibliche gemeinsame Kind der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson, zumal dieses aber während eines Auslandsaufenthaltes der Bezugsperson vom 24.11.2016 bis 25.01.2017 in Äthiopien gezeugt worden sei und die Bezugsperson bereits am 15.05.2012 einen Asylantrag in Österreich gestellt habe, habe die Familienangehörigeneigenschaft des minderjährigen Kindes nicht bereits vor Einreise der Bezugsperson bestanden.

5. In einer Stellungnahme vom 15.03.2018 wurde die Behörde von der rechtsfreundlichen Vertretung der Beschwerdeführerinnen insbesondere darauf hingewiesen, dass die DNA-Analyse die Familienangehörigeneigenschaft der Zweitbeschwerdeführerin zweifelsfrei bestätigt habe. Die Bezugsperson habe bereits während ihrer Erstbefragung vom 15.05.2012 als Familienstand „verheiratet“ angegeben und sei es bei ihren späteren Einvernahmen lediglich zu Verständigungsproblemen zwischen ihr und dem Dolmetscher gekommen. Die vorgelegte Heiratsurkunde würde schließlich üblichen somalischen Heiratsurkunden entsprechen.

6. Nach neuerlicher Prüfung des Sachverhaltes teilte das BFA am 03.05.2019 mit, dass die Gewährung des Status der Asylberechtigten oder der subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen des Familienverfahrens für die Beschwerdeführerinnen weiterhin nicht wahrscheinlich sei.

Begründend wurde diesmal ausgeführt, dass die Beschwerdeführerinnen die Erfüllung der Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 - 3 AsylG 2005 nicht nachweisen hätten können und ihre Einreise zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten erscheine. Die Bezugsperson lebe in einer Einzimmerwohnung, welche für einen Haushalt von drei Personen nicht als ortsüblich anzusehen sei. Außerdem gehe sie derzeit keiner Beschäftigung nach.

7. Mit Schreiben vom 03.05.2019, übermittelt am selben Tag, wurde den Beschwerdeführern nochmals die Gelegenheit gegeben, die obangeführten Ablehnungsgründe durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen binnen Wochenfrist zu zerstreuen.

8. Am 10.05.2019 wurde von den Beschwerdeführern erneut Stellungnahme abgegeben.

Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Bezugsperson in Österreich einer geregelten Arbeit nachgehe und die von ihr bewohnte 20 m² große Einzimmerwohnung für ein Ehepaar mit einem (seinerzeit) 3 Jahre alten Kind durchaus für ortsüblich anzusehen sei. Abgesehen davon habe die Bezugsperson bereits eine verbindliche Abmachung mit Bekannten getroffen, wonach sich diese bereit erklärt hätten, der Bezugsperson und ihrer Familie im Bedarfsfall deren Zweizimmerwohnung zu überlassen. Zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern bestehe jedenfalls ein schützenswertes Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK und hätte die Behörde nicht darlegen können, dass die Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens zwischen der Bezugsperson in Österreich und ihrer minderjährigen Tochter in Somalia auch über Distanz möglich sei.

Der Stellungnahme wurden folgende Unterlagen beigelegt:

-        Bestätigung der Vereinbarung über den Wohnungstausch samt Mietvertrag,

-        Überlassungsmitteilung der XXXX , aus der hervorgeht, dass der Beschwerdeführer seit 02.05.2019 bei der XXXX arbeitet

Auch diese Stellungnahme wurde dem BFA zur Beurteilung der Prognoseentscheidung weitergeleitet.

9. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21.11.2019, zugestellt am 28.11.2019, verweigerte die ÖB Addis Abeba die Erteilung des Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG. Begründend führte sie aus, dass das BFA erneut mitgeteilt habe, dass durch das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen nicht unter Beweis gestellt werden hätte können, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status der Asylberechtigten oder der subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich sei. Die Beschwerdeführerinnen hätten die Erfüllung der Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 AsylG nicht nachweisen können, zumal die Bezugsperson keinen Nachweis eigener und fester Einkünfte erbringen habe können. Die Einreise erscheine auch nicht zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK als geboten.

Aus der beigelegten Stellungnahme des BFA vom 08.11.2019 ließ sich hiezu näher erschließen, dass die Bezugsperson seit dem 11.10.2019 als geringfügig Beschäftigter gemeldet sei und seit 10.09.2019 Arbeitslosengeld beziehe. Zwar sei von der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerinnen ein unbefristeter Dienstvertrag vorgelegt worden, doch sei die Bezugsperson nur 12 Tage als Arbeitnehmer gemeldet gewesen und habe sie danach wieder staatliche Unterstützung erhalten. Es sei demnach davon auszugehen, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerinnen zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Darüber hinaus werde die 20 m² Einzimmerwohnung nach wie vor als nicht ortsüblich angesehen und würde die vorgelegte Vereinbarung über den Wohnungstausch keinerlei Rechtsverbindlichkeiten aufweisen, zumal diese auch keine Einbindung des Vermieters aufweise.

10. Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 18.12.2019 bei der belangten Behörde fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in der zusammengefasst wie folgt vorgebracht wird:

Die Bezugsperson habe zum Zeitpunkt ihrer Stellungnahme vom 15.03.2018 sämtliche Voraussetzungen erfüllt, doch habe die Behörde den Einreiseantrag über ein Jahr unbeantwortet liegen lassen und den Beschwerdeführer erst dann wieder zur Stellungnahme aufgefordert, als er auf Grund der Trennung von seiner minderjährigen Tochter und seiner Ehefrau psychisch erkrankt sei und keiner regelmäßigen Beschäftigung mehr nachgehen habe können. Der Wohnungstausch würde auch ohne Kenntnis des Vermieters möglich sein, zumal eine Untervermietung nicht ausgeschlossen sei und keine Sozialleistungen für die Wohnung bezogen würden. Die Familienangehörigeneigenschaft der Beschwerdeführer liege nachweislich vor und müsse die Einreise trotz fehlender Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG bewilligt werden, insbesondere unter der Berücksichtigung, dass die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin im beschneidungsfähigem Alter sei und ihre Mutter sie davor nicht schützen könne.

11. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 04.03.2020, eingelangt am 05.03.2020, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der gegenständliche Verwaltungsakt übermittelt und mitgeteilt, dass von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung abgesehen werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

Der oben unter I. dargestellte und sich vollständig aus dem vorliegenden Verwaltungsakt erschließliche Verfahrensgang wird festgestellt.

2. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Behebung des Bescheides und Zurückverweisung:

2.1. § 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet wie folgt:

„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.“

2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lauten:

„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4)-(9) […]

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a. (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26. Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Familienangehörigen gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.“

2.3. Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 lauten:

„Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35.(1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.“

„Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

„§ 60. (1) […]

(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn

1.       der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,

2.       der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,

3.       der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und

(3) […]“

2.4. Mit Erkenntnis vom 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, hat der VwGH festgestellt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen werde daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

Im Erkenntnis vom 01.03.2016, Ro 2015/18/20002 bis 0007, hält der VwGH zunächst fest, dass der in § 35 Abs. 4 AsylG 2005 angeordnete Beweismaßstab, nach dem das Bundesamt zu beurteilen hat, ob es eine positive oder negative Mitteilung abgibt, für sich betrachtet rechtsstaatlich nicht bedenklich erscheint. Da das Gesetz vorsieht, dass eine positive Mitteilung des Bundesamtes schon dann zu ergehen hat, wenn die Gewährung von internationalem Schutz bloß wahrscheinlich ist, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass eine negative Prognose nur dann erfolgen darf, wenn die Gewährung dieses Schutzes in einem nach Einreise in Österreich zu führenden Asylverfahren nicht einmal wahrscheinlich ist; Gewissheit darüber, dass dem Antragsteller internationaler Schutz in Österreich gewährt werden wird, erfordert die Erteilung einer Einreiseerlaubnis hingegen nicht.

Um somit die Einreiseerlaubnis nach Österreich zu erhalten, muss der Antragsteller lediglich die niedrigere Beweisschwelle der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Gewährung internationalen Schutzes überspringen. Schon dann steht ihm die Möglichkeit offen, in das Bundesgebiet einzureisen und dort ein Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 - mit allen Verfahrensgarantien - zu absolvieren. Dass § 35 Abs. 4 AsylG 2005 die Vergabe eines Visums an die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes im künftigen Asylverfahren bindet, erscheint unter diesem Blickwinkel mit dem rechtsstaatlichen Prinzip somit nicht im Widerspruch zu stehen.

Der Verfassungsgerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, sofern in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 mwN sowie VfSlg. 14.421/1996 und 15.743/2000).

Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. VwGH vom 10.04.2013, Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel: „Verwaltungsverfahren Band I2“, E 84 zu § 39 AVG).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. das im Beschwerdefall im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).

Ungeachtet dieser für die Vertretungsbehörden bestehenden Bindungswirkung an die Prognoseentscheidung des Bundesamtes steht es dem Bundesverwaltungsgericht allerdings nunmehr - innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems - offen, auch die Einschätzung des Bundesamtes über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002). Auch wenn es sich bei der Mitteilung des Bundesamtes um keinen Bescheid handelt, der vom Antragsteller (selbständig) angefochten werden kann (VwGH 06. 10.2010, 2008/19/0527), setzt die Möglichkeit einer Überprüfung der Richtigkeit dieser Prognose durch das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls voraus, dass dieser Mitteilung des Bundesamtes in nachvollziehbarer Weise zu entnehmen ist, aus welchen Gründen das Bundesamt die Zuerkennung des beantragten Schutzstatus für nicht wahrscheinlich hält.

Hinzu kommt, dass der VfGH in seiner Rechtsprechung bereits wiederholt gefordert hat, im Visaverfahren nach § 35 AsylG 2005 auch die Einhaltung des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen und sicherzustellen (vgl. insbesondere auch VfGH vom 06.06.2014, B 369/2013, und vom 23.11.2015, E 1510-1511/2015-15).

2.5. Zunächst ist festzuhalten, dass der Bezugsperson mit Bescheid des BFA vom 08.04.2015 der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde. Zumal die Beschwerdeführerinnen ihren Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten stellten, haben sie nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 nachzuweisen.

Im gegenständlichen Fall sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 und 3 nicht nachgewiesen worden, da einerseits die Beschwerdeführerinnen (durch die Bezugsperson) keinen Nachweis für einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft erbringen konnten, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich anzusehen ist, und zweitens - im Hinblick auf die Einkommenssituation der Bezugsperson - der Aufenthalt der Beschwerdeführer zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte (§ 11 Abs. 5 NAG).

Die Bezugsperson lebt derzeit in einer 20 m² Einzimmerwohnung und beabsichtigt diese zukünftig mit ihrer vermeintlichen Ehefrau und der mittlerweile vierjährigen Tochter gemeinsam zu bewohnen. Zwar ist es richtig, dass sich Kinder in den ersten Lebensjahren in der Nähe und Kontakt zu den Eltern befinden sollten, mit Kindergartenalter wächst jedoch das Bedürfnis an Rückzugsmöglichkeiten und Bewegungsfreiheit, weshalb ihnen - in der Regel - ein eigenes (Kinder-)Zimmer zu Verfügung gestellt wird. Für eine dreiköpfige Familie mit einem vierjährigen Kind ist es demnach jedenfalls nicht ortsüblich eine 20 m² Einzimmerwohnung zu bewohnen.

Sofern von den Beschwerdeführern vorgebracht wird, einen Wohnungstausch mit Bekannten vereinbart zu haben, so ist zunächst festzuhalten, dass aus dieser Vereinbarung nicht hervorgeht, ob der Vermieter hiervon informiert wurde und dem Wohnungstausch eingewilligt hat; es kann demnach von keinem Rechtsanspruch auf diese Unterkunft ausgegangen werden. Wenn nun in der Beschwerde erstmals vorgebracht wird, dass die Bekannten dazu berechtigt wären, auch ohne Einbindung des Vermieters die von ihnen gemietete Wohnung Dritten zu überlassen, so ist darauf hinzuweisen, dass das Neuerungsverbot nach § 11a Abs. 2 FrPolG 2005 auch im Beschwerdeverfahren gegen abweisende Entscheidungen nach § 35 AsylG 2005 gilt (Hinweis E vom 1. März 2016, Ro 2015/18/0002) und überdies auch hiezu keine Belege vorgelegt wurden. Abgesehen davon, geht aus dem vorgelegten Mietvertrag der Bekannten auch nicht hervor, wie hoch der monatliche Mietzins für diese Wohnung ist, weshalb auch keine Berechnungen dahingehend angestellt werden konnten, ob es der Bezugsperson und den Beschwerdeführerinnen überhaupt möglich wäre, für die Mietkosten der größeren – und sohin vermutlich auch teureren - Wohnung aufzukommen.

Die Bezugsperson ist derzeit als geringfügig Beschäftigter gemeldet und bezieht zudem Arbeitslosengeld. Mit Stellungnahme vom 10.05.2019 wurde von der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerinnen zwar ein unbefristeter Dienstvertrag der Bezugsperson vorgelegt, nach den - unbestrittenen - Feststellungen der Behörde war sie jedoch nur wenige Tage als Arbeitnehmer gemeldet und in weiterer Folge wieder auf staatliche Unterstützung angewiesen. Der Behörde ist demnach nicht entgegenzutreten, wenn sie davon ausgeht, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerinnen zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, zumal nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine Lebensführung der Bezugsperson und der Beschwerdeführerinnen in Österreich ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen möglich ist.

Die Voraussetzungen des § 60 AsylG liegen sohin nicht vor.

Gemäß § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG 2005 gilt jedoch, dass der Einreise zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz im Rahmen der Familienzusammenführung trotz Nichterfüllens der Erteilungsvoraussetzungen auch dann stattzugeben ist, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens „dringend geboten“ erscheint.

Da von der Behörde keinerlei Feststellungen zum Ehe- beziehungsweise Familienleben zwischen den Beschwerdeführerinnen und der Bezugsperson getroffen wurden, konnte jedoch nicht abschließend geklärt werden, ob im gegenständlichen Fall die obangeführte Ausnahmeregelung zur Anwendung gelangt.

Zwar wurde von der Behörde mit Stellungnahme vom 23.02.2018 noch bestritten, dass eine Ehe zwischen der Erstbeschwerdeführerin und der Bezugsperson vor der Einreise der Bezugsperson rechtsgültig zustande gekommen sei, im weiteren Verlauf des Verfahrens wurde die zuvor behauptete fehlende Familienangehörigeneigenschaft der Erstbeschwerdeführerin jedoch nicht weiter als Grund für die negative Entscheidung angeführt und ging das BFA auch mit keinem Wort auf das Parteienvorbringen ein, wonach die behauptete Ehe bereits während der Erstbefragung der Bezugsperson erwähnt worden sei. Dass die Behörde weitere Ermittlungen zum Ehe- und Familienleben angestellt hätte, ist auch aus dem Akteninhalt nicht zu entnehmen.

So blieb es während des gesamten Verfahrens unklar, ob es sich bei der Erstbeschwerdeführerin nun um die Ehefrau der in Österreich befindlichen Bezugsperson handelt beziehungsweise ob die von ihr behauptete Ehe tatsächlich und nach den Vorschriften des Herkunftsstaates rechtsgültig zustande gekommen ist, ob ein maßgebliches tatsächliches familiäres Verhältnis im Sinne des Art. 8 EMRK vor der Trennung beziehungsweise vor der Flucht der Bezugsperson bestanden hat und wie sich der Kontakt seither gestaltet.

Hinsichtlich der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin bleibt festzuhalten, dass mittels DNA-Analyse zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte, dass diese die gemeinsame leibliche Tochter der Erstbeschwerdeführerin und der Bezugsperson ist, weshalb sie gemäß § 35 Abs. 5 AsylG eine Familienangehörige der in Österreich asylberechtigten Bezugsperson darstellt. Entgegen der Ansicht des BFA in seiner Stellungnahme vom 23.02.2018 ist es dafür auch unerheblich, dass die Zweitbeschwerdeführerin erst nach Einreise der Bezugsperson gezeugt und geboren wurde.

Hinzuweisen ist in dem Zusammenhang auch auf die ständige Rechtsprechung des EGMR, wonach ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt entsteht (vgl. EGMR 21.6.1988, Fall Berrehab, Appl. 10730/84 [Z 21]; 26.5.1994, Fall Keegan, Appl. 16969/90 [Z 44]). Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (EGMR 19.2.1996, Fall Gül, Appl. 23218/94 [Z 32]). Das Zusammenleben zwischen einem Elternteil und dem Kind ist dabei keine unabdingbare Voraussetzung für das Vorhandensein eines Familienlebens iSv Art 8 Abs1 EMRK. Das Auflösen einer Hausgemeinschaft von Eltern und Kindern alleine führt jedenfalls nicht zur Beendigung des Familienlebens, solange nicht jegliche Bindung gelöst ist (vgl EGMR 24.4.1996, Fall Boughanemi, Appl 22.070/93 [Z33 und 35], ÖJZ 1996, 834; VfSlg 16.777/2003; VfGH 12.10.2016, E1349/2016).

Auch wenn die Bezugsperson und ihre minderjährige Tochter, die Zweitbeschwerdeführerin, zu keiner Zeit im gemeinsamen Haushalt gelebt haben und derzeit kein persönlicher Kontakt zueinander besteht, kann – vor dem Hintergrund der obangeführten Rechtsprechung - allein daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass kein schützenswertes Familienleben vorliegt. Außerdem hätte das BFA hierbei auch zu berücksichtigen gehabt, dass das fehlende Zusammenleben nur daraus resultiert, dass es den Beschwerdeführerinnen bislang verwehrt worden ist, nach Österreich einzureisen.

Ob die Aufrechterhaltung des Familienlebens zwischen der Bezugsperson und der Zweitbeschwerdeführerin auch über Distanz möglich ist, wurde von der Behörde ebenfalls nicht dargelegt.

Insgesamt hat es das BFA sohin unterlassen, auch die familiäre Bindung der Bezugsperson zu ihrer minderjährigen Tochter entsprechend zu würdigen und wären hierbei auch die Auswirkungen der Entscheidung auf das Kindeswohl zu berücksichtigen gewesen. (vgl zur Berücksichtigung des Kindeswohles bei der Interessenabwägung nach Art8 EMRK: VfSlg 19.362/2011; VfGH 12.10.2016, E1349/2016; 11.6.2018, E343, 345/2018 mwN).

Der maßgebliche Sachverhalt war folglich nicht (zur Gänze) erhoben und keiner gesamtheitlichen Würdigung zugrunde gelegt.

Zwar ist darauf hinzuweisen, dass das Grundrecht auf Privat- und Familienleben nicht absolut verbürgt ist und Aspekten des wirtschaftlichen Wohls eines Landes durchaus ein hoher Stellenwert zukommen kann - so hat insbesondere auch der EuGH in seinem Urteil vom 21.04.2016, in der Rechtssache C-558/14 ausgesprochen, dass Anträge auf Familienzusammenführung wegen prognostizierter nicht ausreichender Einkünfte abgelehnt werden können – dennoch hätte das BFA das öffentliche Interesse am wirtschaftlichen Wohl des Landes jedenfalls mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen gewichtend abwiegen müssen.

Eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen und eine in weiterer Folge vorzunehmende Beurteilung darüber, ob die Einreise der Beschwerdeführer zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens „dringend geboten“ erscheint, wird aber erst dann möglich sein, wenn die Behörde hinreichende Feststellungen bezüglich des Ehe- und Familienlebens zwischen den Beschwerdeführerinnen und der Bezugsperson getroffen haben wird und sohin auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht genommen werden kann.

Das Bundesverwaltungsgericht weist noch auf die Spezifika und die verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11a FPG) des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens hin, weshalb die Durchführung der notwendigen Ermittlungen zum Ehe- und Familienleben nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden können.

2.6. Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war das Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A) wurde ausgeführt, dass die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in Visaangelegenheiten nicht im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Ehe Einreisetitel Ermittlungspflicht Familienleben Kassation Kindeswohl mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W212.2229274.1.00

Im RIS seit

12.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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