Entscheidungsdatum
16.07.2020Norm
BFA-VG §22a Abs1aSpruch
W137 2114983-1/30E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch RAin Mag.a Nadja LORENZ, gegen die Festnahme des Beschwerdeführers am 15.08.2015 (03:40 Uhr) und Anhaltung bis 16.08.2015 (23:10 Uhr) zu Recht erkannt:
A)
Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat gemäß § 35 VwGVG dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von 1659,60 Euro zu Handen seiner ausgewiesenen Vertreterin binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien. Er kam (gemeinsam mit seiner Familie) am 15.08.2015, kurz nach 01:00 Uhr, mit dem Zug in Wien an und wurde zunächst gemäß § 39 FPG festgenommen. Nach Abklärung, dass 22 Personen (darunter die Familie des Beschwerdeführers) Asylanträge stellen wollen, wurde die Festnahme des Beschwerdeführers gemäß „§ 40 Abs. 2 BFA-VG“ verfügt und er wurde mit seiner Familie in eine Familienunterkunft überstellt.
1.2. Im Zuge eines von ihm gewünschten ärztlichen Untersuchungstermins seiner Tochter in den Morgenstunden des 16.08.2019 wurde eine genauere Untersuchung der Tochter von dieser, dem Beschwerdeführer und seiner Frau verweigert.
1.3. Kurze Zeit später – am Vormittag desselben Tages - öffnete sich bei der Tochter des Beschwerdeführers eine bereits seit einigen Tagen entzündete Pilonidalzyste (Sinus pilonidalis), wovon die Betreuung der Unterkunft umgehend informiert wurde. Die diesbezügliche Untersuchung fand erst am folgenden Tag (nach Beendigung der Anhaltung) statt.
1.4. Am 28.09.2015 brachte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertreterin eine Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung ein. Begründend wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Festnahme in rechtswidriger Weise erfolgt und/oder die diesbezügliche Bestimmung unionsrechtswidrig sei. Überdies sei es durch die mangelnde Versorgung der Pilonidalzyste seiner Tochter zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK durch Unterlassung gekommen.
Beantragt werde a) die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Festnahme; b) die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung; c) die Feststellung der Verletzung der durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte der Beschwerdeführer; d) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung; e) die Befreiung des Beschwerdeführers von der Eingabegebühr; f) die Verpflichtung der Behörde zum Ersatz der Aufwendungen; g) den Ersatz der Dolmetscherkosten und eines allfälligen Aufwandsersatzes.
1.5. Am 12.11.2015 übermittelte die Landespolizeidirektion (LPD) Wien den Verwaltungsakt und führte aus, dass aufgrund der Festnahme und Anhaltung gemäß § 40 Abs. 2 und 4 BFA-VG diese ausschließlich dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) zurechenbar seien.
1.6. Am 23.09.2016 wurde dem Beschwerdeführer in Deutschland subsidiärer Schutz zuerkannt. Dieser Status ist bis heute aufrecht.
1.7. Am 21.06.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers statt. Zuvor hatten sowohl die LPD Wien als auch das BFA (die beide als belangte Behörde geladen worden waren) schriftlich ihren Verzicht auf eine Teilnahme an der Verhandlung mitgeteilt und die jeweils andere Behörde gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht als zuständig namhaft gemacht.
1.8. Mit Erkenntnis vom 12.12.2019, W137 2114983-1/23E, hat das Bundesverwaltungsgericht die Festnahme und Anhaltung für rechtswidrig erklärt, eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC garantierten Rechte des Beschwerdeführers verneint, den Antrag auf Befreiung von der Eingabegebühr zurückgewiesen und den Antrag auf Kostenersatz wegen „geteilten Obsiegens“ abgewiesen.
1.9. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 25.06.2020, Ra 2020/14/0178-8, die oben angeführte Entscheidung in ihrem Spruchpunkt A)IV. (Kostenentscheidung) behoben und im Wesentlichen ausgeführt, dass es auf die Modalitäten der Anhaltung im gegenständlichen Falle letztlich nicht weiter ankomme.
2. Sachverhalt:
Der oben angeführte Verfahrensgang wird zur Gänze zum Sachverhalt erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der LPD Wien zu der Zahl 2949415 (ZAD-Nummer des Beschwerdeführers) sowie dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes und der in Punkt 1.9. angeführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes. Dieser Sachverhalt ist im Übrigen auch unstrittig.
2. Rechtliche Beurteilung:
2.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
2.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
2.3. Im gegenständlichen Fall ist der Beschwerdeführer – unter Zugrundelegung der oben angeführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes - vollständig obsiegende Partei im gegenständlichen Verfahren. Er hat daher Anspruch auf Kostenersatz, wobei der Verwaltungsgerichtshof klargestellt hat, dass im gegenständlichen Verfahren lediglich ein Beschwerdekomplex (Festnahme und gesamte Anhaltung) vorliegt.
3. Eine Übersetzung von Spruch und Rechtsmittelbelehrung erweist sich angesichts der vorhandenen Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers als nicht erforderlich.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen. Dies liegt im gegenständlichen Fall nicht vor.
Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Anhaltung Festnahme Feststellungsklage Kostenersatz Obsiegen Rechtswidrigkeit VerfahrenskostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2114983.1.00Im RIS seit
13.11.2020Zuletzt aktualisiert am
13.11.2020