TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/20 W216 2232248-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.07.2020
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Entscheidungsdatum

20.07.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W216 2232248-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Benedikta TAURER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 18.03.2020, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 04.06.2020, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin hat am 21.11.2019 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (in der Folge: belangte Behörde) – unter Vorlage medizinischer Befunde – einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.

2. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein medizinisches Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 22.01.2020, mit dem Ergebnis eingeholt, dass ein Grad der Behinderung in Höhe von 30 v.H. festgestellt wurde.

3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 14.02.2020 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 45 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) Gelegenheit gegeben, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen.

Die Beschwerdeführerin hat keine Stellungnahme erstattet.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18.03.2020 hat die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 21.11.2019 auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass die ärztliche Begutachtung einen Grad der Behinderung von 30 v.H. ergeben habe, womit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses (Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H.) nicht vorliegen würden. Der Beschwerdeführerin sei gemäß § 45 Abs. 3 AVG mit Schreiben vom 14.02.2020 Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Da eine Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt sei, habe vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden können. In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BBG. Als Beilage wurde das Gutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin vom 14.02.2020 beigefügt.

5. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin – fristgerecht – Beschwerde erhoben. Darin wurde – unter Vorlage diverser medizinischer Befunde – im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin an zwei weiteren chronischen Erkrankungen leide, nämlich Morbus Bechterew und Arthritis psoriatica.

Nach Aufforderung durch die belangte Behörde hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 02.04.2020 weitere medizinische Befunde übermittelt und in ihrem Schreiben festgehalten, seit längerer Zeit an chronischen Schmerzen zu leiden, die zuvor nicht behandelt und auch nicht bescheinigt worden seien. Sie habe kaum Kraft in den Händen zur Ausübung ihrer Tätigkeit, was für sie durchaus eine Behinderung darstelle. Sie befinde sich nach wie vor im Krankenstand. Eine Besserung sei derzeit leider nicht möglich, da physikalische Behandlungen erst im September möglich seien sowie eine bereits bewilligte Kur erst an einem späteren Termin angetreten werden könne.

6. Zur Überprüfung der Einwendungen sowie zur Begutachtung der neu vorgelegten medizinischen Befunde wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten der bereits befassten Ärztin für Allgemeinmedizin aufgrund der Aktenlage eingeholt. In ihrem Sachverständigengutachten vom 15.04.2020 kommt die beigezogene Sachverständige zu dem Ergebnis, dass der Gesamtgrad der Behinderung, der bei der Beschwerdeführerin vorliege, um eine Stufe erhöht werde und daher 40 v.H. betrage.

7. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 04.06.2020 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 18.03.2020 im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung abgewiesen und ausgesprochen, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. nicht vorliegen würden. Die Ergebnisse der ärztlichen Begutachtung seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden. Das ärztliche Gutachten vom 16.04.2020 wurde der Entscheidung als Beilage angeschlossen.

8. Die Beschwerdeführerin brachte fristgerecht einen Vorlageantrag ein, in dem sie darauf hinweist, dass sie vom Spital mit Medikamenten versorgt worden sei, was zur Folge gehabt hätte, dass die Leber- und Nierenwerte sich drastisch verändert hätten und sofort alles abgesetzt habe werden müssen. Es liege eventuell eine allergische Reaktion vor. Zurzeit seien somit keine Medikamente möglich und ob eine spätere Stabilisierung stattfinden könne, sei fraglich. Chronische Schmerzen, die sie im täglichen Leben sehr stark beeinträchtigten und somit sehr wohl eine Behinderung darstellen würden, seien die Folge.

9. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht am 23.06.2020 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

Die Beschwerdeführerin stellte am 21.11.2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Die Beschwerdeführerin leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden

Pos.Nr.

GdB%

1

Psoriasisarthritis, Propfarthritis bei mäßiggradigen Arthrosen der Mittelgelenke der Finger II, III beidseits

Unterer Rahmensatz, da rasches Ansprechen auf Cortisonstoßtherapie und Therapieanpassung dokumentiert. Stationärer Therapieaufenthalt geplant. Mäßige Valgus-Fehlstellung beider Großzehengrundgelenke inkludiert.

02.02.02

30

2

Chronischer Rückenschmerz, Morbus Bechterew, ED 02/2020

Wahl des unteren Rahmensatzes, da rezente Diagnose bei länger andauernden Beschwerden ohne maßgebliches funktionelles Defizit mit Etablierung einer kombinierten Dauertherapie (zur gemeinsamen Behandlung von Leiden 1 und 2 als immunmodulierende Basistherapie und symptomorientierte Schmerztherapie).

02.01.02

30

3

Gallenblasenoperation im 24. Lebensjahr

Unterer Rahmensatz, da konsequente Kostanpassung seit Jahrzehnten erforderlich.

07.06.01

10

4

Autoimmunthyreoiditis Hashimoto, Therapieanpassung bei hyperthyreoter Stoffwechsellage 02/2020, Struma nodosa ED 10/2019

Unterer Rahmensatz, da rezente Anpassung der Substitutionstherapie erforderlich, Struma nodosa ohne Interventionserfordernis inkludiert.

09.01.01

10

5

Psoriasis vulgaris mit milder Ausprägung

01.01.01

10

Der bei der Beschwerdeführerin vorliegende Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 v.H.

Leiden 2 erhöht aufgrund des ungünstigen Zusammenwirkens als zusätzlicher Schmerzort das Hauptleiden um eine Stufe. Leiden 3 und 4 sind nicht maßgeblich wechselwirksam. Leiden 5 ist als in ursächlichem Zusammenhang mit dem Hauptleiden stehend zu beurteilen und erhöht daher dieses nicht.

Festgestellt wird, dass sowohl der Zustand nach Operationen im Bereich der rechten Hand, als auch der Zustand nach Curettage und Tubenligatur keinen Grad der Behinderung erreichen, da keine Komplikationen dokumentiert sind.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, deren Ausmaßes und medizinischer Einschätzung wird die diesbezügliche Beurteilung in den Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 15.04.2020 in Verbindung mit ihrem Sachverständigengutachten vom 04.02.2020 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Das Datum der Einbringung des Antrags sowie der Gegenstand des angefochtenen Bescheides stützen sich auf den Akteninhalt.

2.2. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht erstellten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

2.3. Der festgestellte Grad der Behinderung basiert auf den seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 15.04.2020 und vom 04.02.2020. Darin wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin, deren Ausmaß und wechselseitige Leidensbeeinflussung vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachten setzen sich in ihrer Gesamtheit umfassend und nachvollziehbar mit den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunden sowie den von ihr erhobenen Einwendungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen stimmen mit den im Rahmen der Untersuchung der Beschwerdeführerin und anhand der Befundlage festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen überein. Diese wurden auch entsprechend den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig zugeordnet.

Diesbezüglich ist im Lichte der Anlage zur Einschätzungsverordnung festzuhalten, dass das Leiden 1 (Psoriasisarthritis, Propfarthritis bei mäßiggradigen Arthrosen der Mittelgelenke der Finger II, III beidseits) im Gutachten vom 15.04.2020 zutreffend der Positionsnummer 02.02.02 mit dem unteren Rahmensatz von 30 v.H. zugeordnet wurde. Begründend wurde diesbezüglich seitens der Sachverständigen darauf korrekt verwiesen, dass bei der Beschwerdeführerin ein rasches Ansprechen auf die Cortisonstoßtherapie und Therapieanpassung dokumentiert und ein stationärer Therapieaufenthalt geplant sei. Die mäßige Valgus-Fehlstellung beider Großzehengrundgelenke sei inkludiert.

Hinsichtlich dem festgestellten Leiden 2 (Chronische Rückenschmerzen, Morbus Bechterew, ED 02/2020) wurde von der Sachverständigen korrekt die Positionsnummer 02.01.02 mit dem unteren Rahmensatz von 30 v.H., aufgrund der rezenten Diagnose bei länger andauernden Beschwerden ohne maßgebliches funktionelles Defizit mit Etablierung einer kombinierten Dauertherapie (zur gemeinsamen Behandlung von Leiden 1 und 2 als immunmodulierende Basistherapie und symptomorientierte Schmerztherapie), gewählt.

In Hinblick auf die Gallenblasenoperation im 24. Lebensjahr (Leiden 3) wurde von der Sachverständigen korrekt die Positionsnummer 07.06.01 mit dem unteren Rahmensatz von 10 v.H. aufgrund der seit Jahrzehnten erforderlichen konsequenten Kostanpassung herangezogen.

Ebenso wurden von der Sachverständigen das Leiden 4 (Autoimmunthyreoiditis Hashimoto, Therapieanpassung bei hyperthyreoter Stoffwechsellage 02/2020, Struma nodosa ED 10/2019) und das Leiden 5 (Psoriasis vulgaris mit milder Ausprägung) korrekt den Positionsnummern 09.01.01 bzw. 01.01.01 korrekt zugewiesen und mit jeweils 10 v.H. eingestuft.

2.4. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin waren geeignet, eine Änderung des Ermittlungsergebnisses insoweit herbeizuführen, als der bei ihr vorliegende Gesamtgrad der Behinderung um eine Stufe, von 30 v.H auf 40 v.H. erhöht worden ist. Eine weitere Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung konnte jedoch nicht objektiviert werden. Die befasste Sachverständige nahm zu den Beschwerdeeinwendungen und den vorgelegten medizinischen Befunden umfassend Stellung und erläuterte nachvollziehbar, warum eine höhere Einschätzung der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Funktionseinschränkungen nicht gerechtfertigt ist. Auch die – mit der Beschwerde und dem Vorlageantrag – vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird darin kein aktuell anderes Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind. Die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin wurde umfassend und differenziert nach dem konkret vorliegenden Krankheitsbild berücksichtigt. Eine eventuell spontan aufgetretene allergische Reaktion auf Medikamente vermag für sich alleine grundsätzlich eine Änderung des Gesamtgrades der Behinderung nicht zu bewirken.

Zu den vorgebrachten Schmerzen ist darauf hinzuweisen, dass die Beurteilung der Gesundheitsschädigungen anhand der vorliegenden Funktionsdefizite zu erfolgen hat und die aus vorliegenden Funktionseinschränkungen resultierenden Schmerzzustände aus gutachterlicher Sicht immer in der Diagnoseerstellung inkludiert sind.

Zusammengefasst konnten die Angaben der Beschwerdeführerin somit nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden. Das Beschwerdevorbringen war somit nicht geeignet, die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Grad der Behinderung in Höhe von 40 v.H. vorliegt, zu entkräften.

Das im Beschwerdevorverfahren eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen substantiiert in Zweifel zu ziehen.

Die Beschwerdeführerin ist dem – nicht als unschlüssig zu erkennenden – Sachverständigengutachten auch nicht substantiiert entgegengetreten.

Das im Beschwerdevorprüfungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten wird – in Verbindung mit dem Sachverständigengutachten vom 14.02.2020 – daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung einer fachkundigen Laienrichterin ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

„BEHINDERTENPASS

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.“

„§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

(…)“

„§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(…)“

„§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(…)“

§§ 2 und 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sehen Folgendes vor:

„Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.“

„Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-        sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-        zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.“

Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war. Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen hat nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 Einschätzungsverordnung sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN). Bei ihrer Beurteilung hat sich die Behörde eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen, wobei es dem Antragsteller freisteht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 30.04.2014, 2011/11/0098; 21.08.2014, Ro 2014/11/0023; 20.05.2015, 2013/11/0200).

Gegenständlich wurden seitens der belangten Behörde zwecks Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses zwei Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin eingeholt, welche den von der Judikatur (sowie von der Einschätzungsverordnung) aufgestellten Anforderungen entsprechen.

Wie oben eingehend ausgeführt, werden der gegenständlichen Entscheidung die schlüssigen Sachverständigenbeweise zugrunde gelegt, wonach der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin 40 v.H. beträgt. Wie ebenfalls bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die Einwendungen der Beschwerdeführerin nicht geeignet, die Sachverständigenbeweise zu entkräften.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt 40 v.H. beträgt.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Im gegenständlichen Fall sind maßgebend für die Entscheidung die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen und der daraus resultierende Gesamtgrad der Behinderung.

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und insbesondere aus dem durch diese eingeholten Sachverständigengutachten. Auf sämtliche Einwendungen der Beschwerdeführerin im Verfahren und vorgelegte Befunde wurde von der herangezogenen Sachverständigen detailliert eingegangen und wurden diese im Rahmen des Vorlageantrages nicht substantiiert bestritten. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W216.2232248.1.00

Im RIS seit

13.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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