Entscheidungsdatum
21.07.2020Norm
BBG §40Spruch
W207 2218463-1/12E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Brehm & Sahinol Rechtsanwälte OG, gegen die als Bescheid bezeichnete Erledigung des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 30.04.2019, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 28 Abs. 1 und 31 VwGVG iVm § 9 Abs. 3 ZustG als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer stellte am 30.08.2018 beim Sozialministeriumservice (im Folgenden auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.
Die belangte Behörde gab sowohl ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde vom 11.10.2018 als auch ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 18.02.2019 unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. Aus der zusammenfassenden Gesamtbeurteilung des Arztes für Allgemeinmedizin vom 19.02.2019 ergab sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 19.02.2019 wurde der Beschwerdeführer über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt und ihm die eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten übermittelt. Dem Beschwerdeführer wurde in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben.
In weiterer Folge stellte der Beschwerdeführer, nunmehr rechtsfreundlich vertreten durch Brehm & Sahinol Rechtsanwälte OG, drei Mal (erstmalig mit Anwaltsschriftsatz vom 05.03.2019) Anträge auf Fristerstreckung, letztmalig bis zum 30.04.2019. Wie dem vorgelegten Verwaltungsakt interpretativ entnommen werden kann, schien die belangte Behörde diesen Anträgen jeweils zu entsprechen.
Mit als Bescheid bezeichneter Erledigung vom 30.04.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom 30.08.2018 ab und führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 30 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien den eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten, welche einen Bestandteil der Begründung bilden würden, zu entnehmen. Diese mit 30.04.2019 datierte Erledigung wurde allerdings an den Beschwerdeführer selbst und nicht an dessen rechtsfreundliche Vertretung adressiert und übermittelt.
Mit E-Mail vom 02.05.2019 übermittelte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers ein mit „Aufgetragene Äußerung“ betiteltes Schreiben, dieses datiert mit 02.05.2019. Darin wird - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben – Folgendes ausgeführt:
„…
Es wird ausdrücklich vorgebracht. dass der Einschreiter einen Grad der Behinderung von 50 % hat.
Der Einschreiter ist auf seinem rechten Auge blind. Auf seinem linken Ohr hört er nichts, er ist hier taub. Des Weiteren hat er derzeit erhebliche Schmerzen in der Wirbelsäule und hat eine schwere Bandscheibenproblematik. Aufgrund der Wirbelsäulen und Bandscheibenproblematik kann der Einschreiter de facto nicht richtig gehen, Er kann vor allem auch keine Stiegen runtergehen. Darüber hinaus hat er auch Orientierungsprobleme. Er ist auch in seiner Einschätzung von Distanzen stark beeinträchtigt.
Laut Krankengeschichte der AUVA wurde beim Einschreiter wie folgt diagnostiziert
„Fract apert front basal dext
Fract impress temporalis dext et haematoma epiduralae
Fract occipito-basalis sin.“
Weiters wurde in der Krankengeschichtete der AUVA wie folgt diagnostiziert:
„mehrfache Nasenbeinfraktur mehrfache Buch des Jochbogens Rechts mehrfache Kieferhöhlenfrakturen rechts sowie mehrfache Frakturen der Orbita rechts zusätzlich zeigen sich auch Frakturen des knöchernen Gaumens des harten Gaumens. Es besteht ein Zustand nach osteoklastischer Trepanation front-temporo-basal rechts“.
Des Weiteren wurde in der Krankengeschichte der AUVA wie folgt diagnostiziert:
„einseitig abnormes Medianus-SSEP“.
Des Weiteren wurde in der Krankengeschichte der AUVA wie folgt diagnostiziert:
„ein Sugdrain im Bereich der rechten Schädelhälfte liegend,
links eine Hirndrucksonde liegend
das rechte Auge hämatomverfärbt und zugeschwollen
die rechte Pupille weit entrundet, nicht lichtreaktiv, links die Pupille eng, schwach lichtreaktiv Tubus 8,0 aboral liegend“
Zum Beweis des obigen Vorbringens wird ausdrücklich die Herbeischaffung des AUVA-Aktes (AUVA zur GZ XXX) beantragt die beiliegende Krankengeschichte der AUVA vorgelegt.
Des Weiteren ist der Einschreiter psychisch verstimmt und traumatisiert von einem schweren Arbeitsunfall. Er fühlt sich auch permanent nervös und ist mit seiner Situation überfordert.
Des Weiteren wurde in der Krankengeschichte darauf war wie folgt diagnostiziert:
„schweres Schädel-Hirn-Trauma mit Psychosyndrom; Halbseitensymptomatik links und Amaurosis rechts“
Des Weiteren wurde in der Krankengeschichte der AUVA wie folgt diagnostiziert-
„Hörleistungsstörung linksseitig“
Beim Einschreiter wurde wie folgt im XXX diagnostiziert:
„Lumboischialigie und Sensibilitätsstörungen
Diskusprolaps
Anulus Fibrosus
Starker Tremor“
Beweis:
? PV
? einzuholendes medizinisches Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Unfallchirurgie;
? einzuholendes medizinisches Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Neurologie und Psychiatrie;
? einzuholendes medizinisches Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Intensivmedizin;
? einzuholendes medizinisches Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Anästhesiologie;
? einzuholendes medizinisches Gutachten aus dem Fachgebiet der Neurochirurgie;
? einzuholendes medizinisches Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet HNO;
? einzuholendes Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet Augenheilkunde;
? herbeizuschaffen der Akt der AUVA zur GZ XXX;
? Augenschein.
Name des Beschwerdeführers“
Diesem Schreiben vom 02.05.2019 wurde eine umfassende Krankengeschichte des Beschwerdeführers der AUVA vom 16.10.2006 beigelegt.
Dieses mit „Aufgetragene Äußerung“ betitelte Schreiben wurde von der belangten Behörde als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gewertet.
Die belangte Behörde legte in der Folge am 07.05.2019 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W264 zugewiesen.
Am 13.06.2019 langte eine Beschwerde des rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführers bei der belangten Behörde ein, welche am 17.06.2019 dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt wurde. Darin wird (neben umfangreichen Ausführungen zur behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften der behördlichen Erledigung vom 30.04.2029) Folgendes - hier in den für die gegenständliche Entscheidung relevanten Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben – Folgendes ausgeführt:
„…
Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:
Der gegenständliche Bescheid wurde am 30.4.2019 erlassen und ist sohin frühestens am 1.5.2019 an den Beschwerdeführer zugestellt worden. Die Beschwerde wurde daher fristgerecht erhoben.
Beweis:
? Bescheid des Sozialministeriumservice - BASB Landesstelle Wien - vom 30.04.2019 GZ XXX (Beilage ./1);
[……]
Es liegt weiters ein schwerster Verfahrensmangel dar (Grund für die Nichtigkeit), da die belangte Behörde den gegenständlichen Bescheid nicht an die rechtfreundliche Vertreterin des Beschwerdeführers übermittelt hat, sondern lediglich an den Beschwerdeführer direkt geschickt hat. Der Beschwerdeführer hat dessen rechtsfreundlicher Vertreterin den Bescheid per Mail zukommen lassen, weshalb die rechtsfreundliche Vertreterin den gegenständlichen Bescheid bis dato nicht im Original erhalten hat.
Beschwerdeanträqe:
Aus den obigen Gründen stellt der Beschwerdeführer die
Anträge:
Das Bundesverwaltungsgericht möge
l. gemäß S 44 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchführen,
II. den angefochtenen Bescheid des Sozialministeriumservice - BASB Landesstelle Wien - vom 30.04.2019 GZ: XXX, aufheben und dahingehend abändern, dass dem Beschwerdeführer der Behindertenpass ausgestellt wird;
in eventu
III. den angefochtenen Bescheid des Sozialministeriumservice - BASB Landesstelle Wien - vom 30.04.2019 GZ: XXX, aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverweisen.
Name des Beschwerdeführers“
Dieser Beschwerde wurden ein Befundblatt vom 04.04.2019, die vom Beschwerdeführer per E-Mail an die Rechtsvertretung übermittelte, als Bescheid bezeichnete Erledigung vom 30.04.2019 und abermals die Krankengeschichte des Beschwerdeführers der AUVA vom 16.10.2006 beigelegt.
Mit Mängelbehebungsauftrag der Gerichtsabteilung W264 vom 04.07.2019 wurde die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers aufgefordert, dem erkennenden Gericht binnen einer Frist von vier Wochen ab Zustellung eine den Kriterien des § 9 VwGVG entsprechende Beschwerde vorzulegen.
Am 05.08.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein als „Wiedervorlage nach Mängelbehebung“ bezeichnetes Schreiben des rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführers ein. Darin wird - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben – Folgendes ausgeführt:
„…
Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb das Sozialministeriumservice die aufgetragene Äußerung vom 2.5.2019 mittels Beschwerdevorlageschreiben vom 7.5.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt hat.
Ebensowenig ist nachvollziehbar, weshalb der Bescheid vom 30.4.2019 - der zu einem Zeitpunkt an die Partei abgefertigt wurde als noch die Äußerungsfrist offen war - nicht der ausgewiesenen Rechtsvertretung zugestellt wurde, sondern unzulässiger Weise der Partei.
Es liegt ein Nichtbescheid vor, da eine Zustellung an die ausgewiesene Rechtsvertretung nie erfolgte.
Sohin wäre die aufgetragene Äußerung von der Erstbehörde jedenfalls zu berücksichtigen, da bis dato infolge rechtswidriger Zustellung an die Partei statt an die Rechtsvertretung, lediglich ein Nichtbescheid vorliegt und sohin das Ermittlungsverfahren noch nicht als rechtskonform beendet angesehen werden kann.
…….“
In weiterer Folge holte die Gerichtabteilung W264 ein ergänzendes medizinisches Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.04.2020 auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung ein, mit dem die bisher eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten und damit auch der Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. bestätigt wurden.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.04.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 21.04.2020 der Gerichtsabteilung W264 (wegen einer beruflichen Veränderung) abgenommen und der Gerichtsabteilung W207 neu zugewiesen.
Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.05.2020 wurden die Parteien des Verfahrens über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt. Den Parteien wurde in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme beim Bundesverwaltungsgericht abzugeben.
Die belangte Behörde erstattete bis zum heutigen Tag keine Stellungnahme.
Der Beschwerdeführer brachte im Wege seiner Rechtsvertretung am 27.05.2020 eine Stellungnahme zum Parteiengehör ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer brachte am 30.08.2018 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.
Von der belangten Behörde wurden medizinische Sachverständigengutachten eingeholt und dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 19.02.2019 übermittelt. Dem Beschwerdeführer wurde in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben. Im Wege seiner nunmehrigen rechtlichen Vertretung ersuchte der Beschwerdeführers insgesamt drei Mal um Fristerstreckung, zuletzt bis zum 30.04.2019. Aus den Anwaltsschriftsätzen betreffend die Fristerstreckungsanträge vom 05.03.2019, 19.03.2019 und 09.04.2019 ergibt sich eindeutig die Berufung der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers auf eine Vollmacht gemäß § 8 RAO.
Festgestellt wird in diesem Zusammenhang daher, dass der Beschwerdeführer seit 05.03.2019 durch eine Rechtsanwaltskanzlei und damit durch eine berufsmäßige Parteienvertretung vertreten war, was der belangten Behörde gegenüber erstmalig mit Anwaltsschriftsatz vom 05.03.2019 bekannt gegeben wurde. Es lag somit eine Befugnis der ausgewiesenen Rechtsvertretung zur umfassenden Parteienvertretung und somit ein bestellter Zustellungsbevollmächtigter iSd § 9 ZustG vor.
Festgestellt wird, dass die belangte Behörde die als Bescheid bezeichnete Erledigung vom 30.04.2019, mit der der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom 30.08.2018 abgewiesen werden sollte, an den Beschwerdeführer selbst adressierte und diesem übermittelte. Eine Adressierung und Übermittlung an die ausgewiesene Rechtsvertretung erfolgte hingegen nicht.
Mit E-Mail vom 02.05.2019 übermittelte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers ein mit „Aufgetragene Äußerung“ betiteltes Schreiben, welches von der belangten Behörde als Beschwerde gewertet und dem Bundesverwaltungsgericht am 07.05.2019 vorgelegt wurde. Am 13.06.2019 langte darüber hinaus eine Beschwerde der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde ein, welche dem Bundesverwaltungsgericht am 17.06.2019 übermittelt wurde.
Aus dieser Beschwerde ergibt sich, dass der Beschwerdeführer seiner Rechtsvertretung die an ihn ergangene, als Bescheid bezeichnete behördliche Erledigung vom 30.04.2019 lediglich per E-Mail, nicht aber „im Original“, also nicht in Form der dem Beschwerdeführer physisch zugegangenen Fassung, übermittelt hat.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der oben festgestellte und für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt.
Die Feststellung, dass eine Übermittlung der als Bescheid bezeichneten Erledigung vom 30.04.2019 nur an den Beschwerdeführer selbst, nicht aber an den bestellten Zustellungsbevollmächtigten erfolgt ist, ergibt sich aus der Adresszeile dieser Erledigung, die den Beschwerdeführer selbst als Empfänger ausweist, sowie aus dem Umstand, dass eine Übermittlung einer an die ausgewiesene Rechtsvertretung adressierten Erledigung oder eine sonstige derartige Zustellverfügung im vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde nicht ersichtlich ist.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seiner Rechtsvertretung die an ihn ergangene, als Bescheid bezeichnete behördliche Erledigung vom 30.04.2019 lediglich per E-Mail, nicht aber „im Original“ - also nicht in Form der dem Beschwerdeführer selbst physisch zugegangenen Fassung - übermittelt hat, ergibt sich aus den glaubhaften Ausführung der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers in der am 13.06.2019 bei der belangten Behörde eingelangten Beschwerde. Dass der Beschwerdeführer die an ihn ergangene Erledigung vom 30.04.2019 seiner Rechtsvertretung lediglich per Mail, nicht aber durch physische Übergabe übermittelt hat, steht aufgrund der heutigen technischen Möglichkeiten durchaus mit der Lebensrealität im Einklang und wurde dies im Übrigen auch von der belangten Behörde im Rahmen der am 17.06.2019 erfolgten Übermittlung der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht nicht bestritten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Da mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde mangels Vorliegen eines anfechtbaren Bescheides zurückgewiesen wird, ist die gegenständliche Rechtssache iSd § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss zu erledigen.
Zu Spruchpunkt A)
Gemäß § 10 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Gemäß § 10 Abs. 2 AVG richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht.
Gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz (ZustG) können die Parteien und Beteiligten, soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).
Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, hat die Behörde gemäß § 9 Abs. 3 ZustG soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.
Im gegenständlichen Fall ist der Beschwerdeführer rechtsanwaltlich vertreten. Es liegt somit eine Befugnis zur umfassenden Parteienvertretung vor. Dies umfasst auch eine Zustellvollmacht, wonach Bescheide, Erkenntnisse und sonstige Schriftstücke dem bevollmächtigten Rechtsvertreter zuzustellen sind.
Die belangte Behörde stellte die Erledigung vom 30.04.2019, mit dem sie den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abzuweisen gedachte, aber nicht dem zustellbevollmächtigten Rechtsanwalt zu, sondern versandte diese Erledigung lediglich an die Adresse des Beschwerdeführers als Normadressat.
Insofern würde die Zustellung gemäß § 9 Abs. 3 zweiter Satz ZustG erst als in dem Zeitpunkt bewirkt gelten, in dem der Bescheid der Rechtsvertretung "tatsächlich zugekommen" ist.
Im Hinblick auf das "tatsächliche Zukommen" ist allerdings die restriktive Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu beachten, wonach für den Tatbestand des "tatsächlichen Zukommens" maßgeblich ist, dass der Bescheid im Original vom Vertreter tatsächlich (körperlich) in Empfang genommen wird (vgl. etwa VwGH vom 16.07.2014, Zl. 2013/01/0173 und vom 11.11.2013, Zl. 2012/22/0120).
Auch in der Entscheidung vom 22.11.2011, Zl. 2007/04/0082, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass der Umstand, dass die Erledigung, die im Original nicht dem Vertreter, sondern lediglich der Partei selbst zugestellt wurde, dem Rechtsvertreter der Partei mittels Telefax zugekommen und ihm somit in dieser Form zur Kenntnis gekommen ist, den in der unterlassenen Zustellung an den Parteienvertreter gelegenen Verfahrensmangel nicht heilen kann. Die Kenntnis des Vertreters vom Erledigungsinhalt durch Übermittlung einer Telekopie (bzw. Telefax) wie die Kenntnis durch Übergabe einer Fotokopie stellt kein "tatsächliches Zukommen" der Erledigung gegenüber dem Vertreter dar.
Es kann daher in Anbetracht dieser Rechtsprechung aufgrund der Übermittlung der Erledigung vom 30.04.2019 durch den Beschwerdeführer an seine Rechtsvertretung lediglich per E-Mail nicht von einem tatsächlichen Zukommen dieser mit 30.04.2019 datierten Erledigung gegenüber seinem Rechtsvertreter und somit nicht von einer Sanierung des Zustellmangels iSd § 9 Abs. 3 ZustellG ausgegangen werden.
Zusammengefasst reicht die bloße Kenntnisnahme der Erledigung durch den Vertreter, etwa durch eine Übermittlung per E-Mail, nicht aus, um den Zustellmangel zu heilen, sondern muss die Erledigung dem Vertreter im Original, sohin physisch in Form der dem Vertretenen zugegangenen Ausfertigung, tatsächlich zukommen, um eine Heilung des Zustellmangels iSd § 9 Abs. 3 ZustellG und damit die rechtswirksame Erlassung eines Bescheides bewirken zu können.
Eine rechtswirksame Zustellung der als Bescheid bezeichneten behördlichen Erledigung vom 30.04.2019 fand folglich bisher nicht statt, was bedeutet, dass ein Bescheid bisher nicht erlassen wurde.
Die verfahrensgegenständliche Beschwerde richtet sich daher gegen einen Nicht-Bescheid. Mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes war die Beschwerde somit spruchgemäß als unzulässig zurückzuweisen.
Im nach wie vor offenen Verwaltungsverfahren wird sich die belangte Behörde in weiterer Folge mit der am 02.05.2019 übermittelten Stellungnahme der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers sowie auch mit den Argumenten in der Beschwerde auseinanderzusetzen haben.
Da die Beschwerde zurückzuweisen war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG eine mündliche Verhandlung entfallen.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf die oben angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen.
Schlagworte
Zurückweisung Zustellbevollmächtigter Zustellmangel ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W207.2218463.1.00Im RIS seit
12.11.2020Zuletzt aktualisiert am
12.11.2020