TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/21 W133 2225632-1

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Veröffentlicht am 21.07.2020
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Entscheidungsdatum

21.07.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §43
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W133 2225632-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 13.11.2019, betreffend Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer beantragte am 09.08.2017 die Ausstellung eines Behindertenpasses sowie die Vornahme der Zusatzeintragungen „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ und des „Bedarfes einer Begleitperson“ bei der belangten Behörde.

Diese holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In diesem allgemeinmedizinischen Gutachten vom 02.01.2018 beurteilte der Sachverständige aus medizinischer Sicht den Gesamtgrad der Behinderung mit 60 von Hundert (v.H.). Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde aus medizinischer Sicht als zumutbar erachtet.

Am 03.01.2018 stellte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer einen bis 01.11.2022 befristeten Behindertenpass mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 60 v.H. sowie der Zusatzeintragung „Der Inhaber kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen“ aus.

Am 08.01.2018 erstattete der sachverständige Arzt für Allgemeinmedizin eine gutachterliche Stellungnahme betreffend die beantragte Zusatzeintragung des „Bedarfes einer Begleitperson“. Der Gutachter erachtete aus medizinischer Sicht zusammengefasst auch eine Begleitperson als nicht erforderlich.

Mit Bescheid vom 08.01.2018 wies die belangte Behörde die Anträge auf Vornahme der Zusatzeintragungen „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ und des „Bedarfes einer Begleitperson“ gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab.

Gegen diesen Bescheid erhob der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer mit E-Mailschreiben vom 15.01.2018 fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, welche mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.06.2018, W133 2184286-1/5E, als unbegründet abgewiesen wurde.

Am 08.03.2019 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde den gegenständlichen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass, wobei auch die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ beantragt wurde. Dem Antrag wurde ein Parkausweis für Behinderte, ausgestellt vom Magistrat der Stadt Wien, beigelegt.

Mit Schreiben vom 05.04.2019 wurde der Beschwerdeführer im Weg seiner Rechtsvertretung von der belangten Behörde ersucht, aktuelle Befunde zu übermitteln.

Am 19.04.2019 langte ein umfangreiches Befundkonvolut des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde ein. Es wurde abermals der Parkausweis für Behinderte, ausgestellt vom Magistrat der Stadt Wien, vorgelegt.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In diesem Gutachten vom 09.09.2019 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Prostatakarzinom (Erstdiagnose 07/2017)

Unterer Rahmensatz bei laufender Heilungsbewährung und unauffälligen onkologischen Nachkontrollen. Keine Fernmetastasen.

Die Harninkontinenz ist in dieser Position berücksichtigt.

13.01.04

50

2

Chronische Polyarthritis

Oberer Rahmensatz bei erforderlicher Basistherapie. Typische polyarthritische Veränderungen beider Hände.

02.02.02

40

3

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

Oberer Rahmensatz, der die Schmerzen in den Hüftgelenken berücksichtigt. Geringe Funktionseinschränkungen.

02.01.01

20

4

Hypertonie, Leichte Hypertonie

05.01.01

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von abermals 60 v.H. eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, Leiden 1 werde durch das Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da Leiden 2 ebenfalls schwerwiegend sei. Die übrigen Leiden würden nicht weiter erhöhen, da das führende Leiden 1 nicht negativ beeinflusst werde. Eine Schrumpfniere rechts erreiche bei normalen Nierenfunktionsparametern keinen Grad der Behinderung. Im Vergleich zum Vorgutachten vom 02.01.2018 hätten sich keine Änderungen ergeben. Es wurde (wie im Vorgutachten) eine Nachuntersuchung für Sommer 2022 vorgeschlagen, da eine Evaluierung des Leidens 1 nach Ablauf der Heilungsbewährung notwendig sei. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde aus medizinischer Sicht als zumutbar erachtet.

Mit Schreiben vom 10.09.2019 räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme betreffend die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass ein. Das Gutachten vom 09.09.2019 wurde dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.

Mit E-Mailschreiben vom 27.09.2019 brachte der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer eine Stellungnahme bei der belangten Behörde ein. Darin wird zusammengefasst vorgebracht, dass die gegenständlich beigezogene Ärztin für Allgemeinmedizin ausdrücklich abgelehnt werde, da diese nicht in die Gerichtssachverständigenliste eingetragen und daher auch keine „Sachverständige“ sei. Im Übrigen verfüge die Allgemeinmedizinerin auch nicht über die – infolge der fachspezifischen körperlichen Behinderungen und Krankheiten des Beschwerdeführers – erforderlichen Qualifikationen, zumal das gegenständliche „Sachverständigengutachten“ nicht lege artis erstattet worden sei. Dies deshalb, da in den Vorverfahren rechtskräftig festgestellt worden sei, dass der Beschwerdeführer an chronischer Polyarthritis, degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Bluthochdruck bzw. Hypertonie und einem Zustand nach Prostatakarzinom leide. Seither seien weitere körperliche Behinderungen und Krankheiten hinzugekommen, nämlich eine Schrumpfniere rechts, Zustand nach Finger- und Zehenoperationen, Zustand nach radikaler Prostatektomie, Zustand nach Bestrahlung, Hormontherapie sowie Harninkontinenz. In weiterer Folge wird ausführlich darauf eingegangen, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar sei. Es wurde die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Bereichen Orthopädie, Rheumatologie und Urologie beantragt. Der Stellungnahme wurden ein Schreiben der MA 40 vom 21.01.2013 und ein Gutachten zur Feststellung des Ausmaßes der Gehbehinderung nach § 29b Abs. 1 StVO 1960 vom 05.12.2012 beigelegt.

Aufgrund der eingebrachten Stellungnahme holte die belangte Behörde in der Folge eine Stellungnahme der Ärztin für Allgemeinmedizin, welche das Gutachten vom 09.09.2019 erstellt hat, vom 13.11.2019 ein. Darin führt diese zusammenfassend aus, dass der Gesamtgrad der Behinderung unverändert bleibe und dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

Mit Schreiben vom 13.11.2019 räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme betreffend die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass ein. Das Gutachten vom 09.09.2019 und die Stellungnahme vom 13.11.2019 wurden dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.

Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer brachte innerhalb der ihm dafür eingeräumten Frist keine Stellungnahme ein.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 13.11.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 08.03.2019 auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass ab. Es wurde ausgeführt, dass mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H. keine Veränderung des bisherigen Grades der Behinderung eingetreten sei. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung, wonach der Grad der Behinderung weiterhin 60 v.H. betrage. In diesem Bescheid wird angemerkt, dass der Beschwerdeführer über seinen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ eine gesonderte Entscheidung erhalten werde.

Mit E-Mailschreiben vom 19.11.2019 brachte der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung gegen diesen Bescheid fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht bei der belangten Behörde ein. Darin wird zusammengefasst vorgebracht, dass die gegenständlich beigezogene Ärztin für Allgemeinmedizin ausdrücklich abgelehnt werde, da diese nicht in die Gerichtssachverständigenliste eingetragen und daher auch keine „Sachverständige“ sei. Darüber hinaus habe es die belangte Behörde rechtswidrig unterlassen, mit dem bekämpften Bescheid auch über die vom Beschwerdeführer ausdrücklich mitbeantragte Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ zu entscheiden. Im Übrigen verfüge die Allgemeinmedizinerin auch nicht über die – infolge der fachspezifischen körperlichen Behinderungen und Krankheiten des Beschwerdeführers – erforderlichen fachspezifischen Qualifikationen, zumal das gegenständliche „Sachverständigengutachten“ nicht lege artis erstattet worden sei. Dies deshalb, da in den Vorverfahren rechtskräftig festgestellt worden sei, dass der Beschwerdeführer an chronischer Polyarthritis, degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Bluthochdruck bzw. Hypertonie und einem Zustand nach Prostatakarzinom leide. Seither seien weitere körperliche Behinderungen und Krankheiten hinzugekommen, nämlich eine Schrumpfniere rechts, Zustand nach Finger- und Zehenoperationen, Zustand nach radikaler Prostatektomie, Zustand nach Bestrahlung, Hormontherapie, Harninkontinenz, Herzinsuffizienz, chronisch obstruktive Lungenerkrankung und sensomotorische Ausfälle der unteren Extremitäten. In weiterer Folge wird ausführlich darauf eingegangen, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar sei. Es wurde die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Bereichen Orthopädie, Rheumatologie, Urologie, Innere Medizin und Lungenkrankheiten beantragt. Der Stellungnahme wurden der bereits mehrfach vorgelegte Parkausweis für Behinderte, ausgestellt vom Magistrat der Stadt Wien, das ebenfalls bereits vorgelegte Schreiben der MA 40 vom 21.01.2013 und das bereits vorgelegte Gutachten zur Feststellung des Ausmaßes der Gehbehinderung nach § 29b Abs. 1 StVO 1960 vom 05.12.2012 beigelegt.

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 21.11.2019 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt mit der Bemerkung „Andere Beschwerde bereits laufend“ zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W115 zugeteilt.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 07.02.2020 der Gerichtsabteilung W115 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die belangte Behörde stellte dem Beschwerdeführer am 03.01.2018 einen bis 01.11.2022 befristeten Behindertenpass mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 60 v.H. aus.

Am 08.03.2019 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades seiner Behinderung im Behindertenpass.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1.       Prostatakarzinom (Erstdiagnose 07/2017) bei laufender Heilungsbewährung und unauffälligen onkologischen Nachkontrollen, keine Fernmetastasen, der Zustand nach radikaler Prostatektomie, die Hormontherapie und die Harninkontinenz sind in dieser Position berücksichtigt;

2.       Chronische Polyarthritis bei erforderlicher Basistherapie, typische polyarthritische Veränderungen beider Hände, der Zustand nach Finger- und Zehenoperation ist in dieser Position berücksichtigt;

3.       Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Schmerzen in den Hüftgelenken berücksichtigt, geringe Funktionseinschränkungen;

4.       Hypertonie.

Das führende Leiden 1 (Prostatakarzinom) wird durch das Leiden 2 (Chronische Polyarthritis) um eine Stufe erhöht, da Leiden 2 ebenfalls schwerwiegend ist. Die übrigen Leiden erhöhen nicht weiter, da das führende Leiden 1 nicht negativ beeinflusst wird.

Eine sonographisch beschriebene Schrumpfniere rechts erreicht bei kompensatorisch vergrößerter Niere links sowie im Normbereich liegenden Nierenfunktionsparametern keinen Behinderungsgrad.

Im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2018 haben sich keine Änderungen ergeben.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Diagnose, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 09.09.2019 sowie in deren ergänzender Stellungnahme vom 13.11.2019 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt weiterhin 60 v.H. Es wurden im Rahmen der anwaltlichen Beschwerde keine Befunde vorgelegt bzw. nachgereicht, die weitere oder höhere Funktionseinschränkungen als im Gutachten vom 09.09.2019 bzw. in der Stellungnahme vom 13.11.2019 bereits medizinisch festgestellt wurden, belegen würden; diesbezüglich wird auch auf die Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu dem im Jahr 2018 befristet ausgestellten Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 60 v.H. sowie zur gegenständlichen Antragstellung auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergibt sich aus dem im Akt aufliegenden Auszug aus dem Zentralen Melderegister; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen und zum Grad der Behinderung gründen sich auf das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 09.09.2019 sowie auf deren ergänzender Stellungnahme vom 13.11.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers. Darin wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Das Gutachten und die Stellungnahme setzen sich auch nachvollziehbar mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden und den Angaben des Beschwerdeführers auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben nur auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung auch richtig eingestuft.

Mit dem Beschwerdevorbringen wird keine Rechtswidrigkeit der von der medizinischen Sachverständigen in ihrem Gutachten vorgenommenen einzelnen Einstufungen der festgestellten Leiden konkret behauptet und ist eine solche auch von Amts wegen nicht ersichtlich. Den im Rahmen des Parteiengehörs erhobenen Einwendungen, welche im Wesentlichen den Beschwerdeeinwendungen entsprechen, hat die belangte Behörde durch die zusätzliche Einholung einer Stellungnahme Rechnung getragen, in welcher auf die Einwendungen des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers ausführlich eingegangen wird.

Die von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige legte schlüssig dar, dass das führende Leiden 1 (Prostatakarzinom) durch das Leiden 2 (Chronische Polyarthritis) um eine Stufe erhöht wird, da Leiden 2 ebenfalls schwerwiegend ist. Die übrigen Leiden erhöhen nicht weiter, da das führende Leiden 1 nicht negativ beeinflusst wird. Diese Feststellungen wurden vom anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer nicht bestritten.

Die Feststellung der Sachverständigen, dass eine sonographisch beschriebene Schrumpfniere rechts bei kompensatorisch vergrößerter Niere links sowie im Normbereich liegenden Nierenfunktionsparametern keinen Behinderungsgrad erreicht, ist nicht zu monieren.

In der Beschwerde wird nunmehr vorgebracht, dass der Beschwerdeführer zusätzlich zu den von der Sachverständigen festgestellten Leiden auch an Herzinsuffizienz, an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung und an sensomotorischen Ausfällen der unteren Extremitäten leide. Das Vorliegen dieser Leidenszustände wird im vorliegenden Fall zwar behauptet, ist allerdings nicht durch medizinische Befunde belegt und konnte auch im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung nicht objektiviert werden. Insofern konnte auch keine entsprechende Einstufung nach der Einschätzungsverordnung erfolgen.

Im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2018 haben sich somit keine Änderungen ergeben, es liegt weiterhin ein Grad der Behinderung von 60 v.H. vor.

Zum Vorbringen des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers, die gegenständlich beigezogene Ärztin für Allgemeinmedizin sei keine „Sachverständige“, da sie nicht in die Liste der Gerichtssachverständigen eingetragen sei, ist Folgendes auszuführen: Es mag zutreffen, dass die Gutachterin nicht in der Gerichtssachverständigenliste aufscheint, sie wurde allerdings gemäß § 90 KOVG (Kriegsopferversorgungsgesetz) als Sachverständige von der belangten Behörde bestellt und ist somit als amtliche Sachverständige im Sinne des § 52 Abs. 1 AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz) zu werten (siehe dazu jüngst auch VwGH vom 18.12.2018, Ra 2018/16/0167). Diese nach § 90 KOVG bestellten medizinischen Sachverständigen werden von der belangten Behörde speziell für medizinische Begutachtungen und Beurteilungen nach der Einschätzungsverordnung geschult, weshalb seitens des BVwG keinerlei Zweifel an der Qualifikation der beigezogenen Ärztin für Allgemeinmedizin bestehen.

Zusammenfassend ist daher vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse nicht ersichtlich, dass die beigezogene Sachverständige die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers tatsachenwidrig beurteilt hätte. Die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers wurden von der beigezogenen Sachverständigen vielmehr umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander nachvollziehbar und richtig berücksichtigt.

Insoweit in der Stellungnahme zum Parteiengehör bzw. in der Beschwerde inhaltlich auch auf die Frage der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Bezug genommen wird, ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 13.11.2019 lediglich über die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass abgesprochen hat, weshalb die Beurteilung der Zusatzeintragung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ auch nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht ist.

Die dokumentierten Funktionseinschränkungen sind in Zusammenschau mit dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen Status somit vollumfänglich - soweit ein einschätzungsrelevantes Leiden vorliegt - berücksichtigt worden. Aufgrund des festgestellten Ausmaßes der Funktionseinschränkungen war – wie bereits dargelegt wurde - zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung nicht möglich.

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen seiner Beschwerde keine weiteren Beweismittel vor, die dem Gutachtensergebnis widersprechen würden. Er ist dem Sachverständigengutachten bzw. der ergänzend eingeholten Stellungnahme auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 09.09.2019 sowie an der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 13.11.2019. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung das Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 09.09.2019 sowie deren ergänzende Stellungnahme vom 13.11.2019 zu Grunde gelegt, wonach zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. vorliegt. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, wurden vom anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer keine Beweismittel vorgelegt, die geeignet wären, das Gutachten bzw. die Stellungnahme auf gleicher fachlicher Ebene zu entkräften.

Da keine maßgebliche Verschlechterung des Gesamtleidenszustandes des Beschwerdeführers objektiviert werden konnte und weiterhin ein Grad der Behinderung von 60 v.H. festgestellt wurde, liegen die Voraussetzungen für die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass nicht vor. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Da der Sachverhalt feststeht und die Sache daher entscheidungsreif ist, war dem Antrag auf Einholung von weiteren Sachverständigengutachten aus diversen Fachgebieten nicht Folge zu geben, zumal im gegenständlichen Verfahren bereits ein medizinisches Sachverständigengutachten sowie eine dieses Gutachten ergänzende Stellungnahme eingeholt wurden und der Entscheidung zu Grunde gelegt werden. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein Rechtsanspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes besteht.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren objektivierten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen, deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens sowie der ergänzenden Stellungnahme geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus weder von der belangten Behörde, noch vom anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer eine mündliche Verhandlung beantragt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Neufestsetzung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2225632.1.00

Im RIS seit

13.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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