TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/21 W133 2221624-1

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Veröffentlicht am 21.07.2020
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Entscheidungsdatum

21.07.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W133 2221624-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 09.07.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin stellte am 17.04.2019 unter Vorlage eines Befundkonvoluts einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge als „belangte Behörde“ bezeichnet).

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Gutachten vom 07.06.2019 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Immunmediierte, nekrotisierende Myopathie

2 Stufen über unterem Rahmensatz, da unter stabilisierender und wirksamer Dauerbehandlung, bei chronisch-progredientem Verlauf mit Muskelschwund, insgesamt derzeit lediglich gering-mäßiggradige funktionelle Einschränkung.

04.07.01

30

2

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Prolaps C4/5 und L5/S1

Unterer Rahmensatz, da bei Bandscheibenvorfall cervikal und lumbal endlagig-mäßige funktionelle Einschränkung, sowie ohne relevante Wurzelreizsymptomatik.

02.01.02

30

3

Zustand nach Trigeminusentzündung

Unterer Rahmensatz, da überwiegend remittiert.

04.04.02

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, dass das führende Leiden 1 durch Leiden 2 wegen ungünstiger Leidensbeeinflussung um eine Stufe erhöht werde. Leiden 3 erhöhe mangels relevanter ungünstiger Leidensbeeinflussung nicht weiter. Die Hyperhidrose und die erhöhten Fettwerte würden ohne relevante funktionelle Einschränkungen keinen Grad der Behinderung erreichen. Eine Herzerkrankung sei nicht durch aktuelle, aussagekräftige Facharztbefunde belegt. Eine Gastritis bzw. ein Reflux würden bei einem normalem Allgemein- und Ernährungszustand keinen Grad der Behinderung erreichen.

Mit Schreiben vom 11.06.2019 räumte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Gutachten vom 07.06.2019 wurde der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.

Die Beschwerdeführerin brachte keine Stellungnahme ein. Das Gutachten wurde nicht bestritten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 09.07.2019 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da sie mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 40 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung, wonach der Grad der Behinderung 40 v.H. betrage.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin ohne Vorlage neuer Beweismittel mit handschriftlichem Schreiben vom 19.07.2019 fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin führt sie aus, dass sie aufgrund ihres Gesundheitszustandes der Meinung sei, dass bei ihr ein höherer Grad der Behinderung als 40 v.H. vorliege (schnelle Ermüdung, Erschöpfungszustände, sehr schwach, Muskelschwäche, Unterstützung im Alltag). Sie befinde sich zum Zeitpunkt der Verfassung der Beschwerde seit 11.07.2019 stationär im Krankenhaus und werde dort aufgrund ihrer Diagnose behandelt. Den gegenständlichen Einspruch reiche sie mithilfe der Sozialarbeit ein.

Die belangte Behörde legte am 24.07.2019 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W115 zugeteilt.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 07.02.2020 der Gerichtsabteilung W115 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin und hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

Sie brachte am 17.04.2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern wird:

1.       Immunmediierte, nekrotisierende Myopathie, unter stabilisierender und wirksamer Dauerbehandlung, bei chronisch-progredientem Verlauf mit Muskelschwund, insgesamt derzeit lediglich gering-mäßiggradige funktionelle Einschränkung;

2.       Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Prolaps C4/5 und L5/S1, bei Bandscheibenvorfall cervikal und lumbal endlagig-mäßige funktionelle Einschränkung, sowie ohne relevante Wurzelreizsymptomatik;

3.       Zustand nach Trigeminusentzündung, überwiegend remittiert.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 40 v. H.

Das führende Leiden 1 wird durch das Leiden 2 wegen ungünstiger Leidensbeeinflussung um eine Stufe erhöht. Das Leiden 3 erhöht mangels relevanter ungünstiger Leidensbeeinflussung nicht weiter.

Die Hyperhidrose und die erhöhten Fettwerte erreichen ohne relevante funktionelle Einschränkungen keinen Grad der Behinderung. Eine Herzerkrankung ist nicht durch aktuelle, aussagekräftige Facharztbefunde belegt. Eine Gastritis bzw. ein Reflux erreichen bei einem normalen Allgemein- und Ernährungszustand keinen Grad der Behinderung.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 07.06.2019 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.

Unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden medizinischen Befunde und der Untersuchungsergebnisse im Gutachten ist eine höhere Einschätzung des festgestellten Leidenszustandes zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergeben sich aus einem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister und ihren eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 07.06.2019. Darin wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Der Gutachter setzte sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Untersuchung auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, welche auf den im Rahmen einer persönlicher Untersuchung erhobenen Befunden basieren, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Nach den Vorgaben der Einschätzungsverordnung sind bei der Beurteilung von Neuromuskulären Erkrankungen die Ausprägung der muskulären Schwäche und sensible Störungen zu beurteilen. So erfolgte die Einschätzung von Leiden 1 (Immunmediierte, nekrotisierende Myopathie) durch den beigezogenen Arzt für Allgemeinmedizin im Einklang mit den Vorgaben der Anlage zur Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 04.07.01 mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H., da die Beschwerdeführerin unter stabilisierender und wirksamer Dauerbehandlung steht und insgesamt derzeit lediglich gering bis mäßiggradige funktionelle Einschränkungen vorliegen. An den Extremitäten war lediglich der Faustschluss beidseits leicht kraftvermindert und konnte eine geringgradige Verschmächtigung der Muskulatur im Beinbereich objektiviert werden. Im Rahmen der Untersuchung wurde ein normaler Allgemein- und Ernährungszustand festgestellt, waren das Gang- und Standbild der Beschwerdeführerin unauffällig, die Schrittlänge normal und das Setzen und Erheben unbehindert möglich.

Hinsichtlich des von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwandes, dass die bestehende Muskelschwäche, die Ermüdbarkeit und die allgemeine Schwäche nicht ausreichend gewürdigt worden seien, ist festzuhalten, dass aus vorliegenden Funktionseinschränkungen resultierende Krankheitsbilder aus gutachterlicher Sicht immer in der Diagnoseerstellung inkludiert sind und somit im Rahmen der Beurteilung des Grades der Behinderung mitberücksichtigt wurden.

Auch die Beurteilung des Wirbelsäulenleidens erfolgte im Einklang mit der Anlage zur Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 02.01.02 mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. korrekt, da nur endlagig mäßige Funktionseinschränkungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule objektiviert werden konnten. Zwar wurde die Überprüfung des Finger-Boden-Abstandes durch die Beschwerdeführerin wegen Schmerzangabe nicht zugelassen, war es der Beschwerdeführerin aber möglich, im Sitzen mit beiden Händen den Boden zu erreichen, um ihre Tasche abzustellen bzw. aufzunehmen. Von höhergradigen Einschränkungen kann somit auf Grund der Gesamtmobilität nicht ausgegangen werden. Zum diesbezüglich im Rahmen der Untersuchung in Vorlage gebrachten Befund eines näher genannten Diagnosezentrums vom 23.04.2019, in welchem degenerative Wirbelsäulenveränderungen und Prolaps C4/5, L5/S1 diagnostiziert werden, ist festzuhalten, dass dieser bei der Beurteilung durch den Gutachter Berücksichtigung fand. Für die Beurteilung von Gesundheitsschädigungen im Rahmen der Einschätzungsverordnung ist das Ausmaß der klinischen Symptomatik für die Einschätzung relevant. Da im Rahmen der umfassenden klinischen Untersuchung durch den beigezogenen Arzt für Allgemeinmedizin - bei Bandscheibenvorfall cervical und lumbal - lediglich endlagig mäßige funktionelle Einschränkungen ohne Wurzelreizsymptomatik objektiviert werden konnten, wurde dem Ausmaß der bestehenden Funktionseinschränkungen durch die Heranziehung der Positionsnummer 02.01.02 mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. entsprechend Rechnung getragen.

Die Beurteilung von Leiden 3 „Zustand nach Trigeminusentzündung“ wurde von der Beschwerdeführerin nicht moniert und ist auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nachvollziehbar und richtig erfolgt.

Die sachverständige Feststellung, dass das führende Leiden 1 durch das Leiden 2 wegen ungünstiger Leidensbeeinflussung um eine Stufe erhöht wird, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Leiden 3 erhöht mangels relevanter ungünstiger Leidensbeeinflussung nicht weiter.

Die Ausführungen des beigezogenen Arztes für Allgemeinmedizin in seinem Gutachten vom 07.06.2019, dass die Hyperhidrose und die erhöhten Fettwerte ohne relevante funktionelle Einschränkungen keinen Grad der Behinderung erreichen, sind nicht zu beanstanden. Eine Herzerkrankung ist nicht durch aktuelle, aussagekräftige Facharztbefunde belegt. Eine Gastritis bzw. ein Reflux erreichen bei einem normalen Allgemein- und Ernährungszustand (Größe: 162,00 cm, Gewicht: 63,00 kg) keinen Grad der Behinderung.

Zusammenfassend ist daher vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung des Untersuchungsergebnisses nicht ersichtlich, dass der Gutachter die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin tatsachenwidrig beurteilt hätte.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde war somit im Ergebnis nicht geeignet, das vorliegende Sachverständigengutachten zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde auch keine Befunde vor, welche den getroffenen Feststellungen widersprechen würden. Sie ist dem Sachverständigengutachten daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 07.06.2019. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45.

(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das Sachverständigengutachten vom 07.06.2019 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin 40 v.H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden im Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwendungen nicht geeignet, das vorliegende Gutachten zu entkräften.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für das Verfahren nach § 46 BBG eine Neuerungsbeschränkung besteht, wonach im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes kommt jedoch eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Beide Parteien stellten zudem keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2221624.1.00

Im RIS seit

13.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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