TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/21 W133 2214596-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.07.2020
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Entscheidungsdatum

21.07.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W133 2214596-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumsservice, Landesstelle Wien, vom 03.01.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte zunächst am 11.08.2017 im Wege seiner Rechtsvertretung einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge als „belangte Behörde“ bezeichnet). Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie vom 23.11.2017 ein, in welchem die Funktionseinschränkung „Kniegelenksabnützung rechts, Kniegelenksteilendoprothese links“, bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 20 von Hundert (v.H.) nach der Positionsnummer 02.05.19 der Anlage der Einschätzungsverordnung, festgestellt wurde. Mit Bescheid vom 23.11.2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, welche mit Erkenntnis von ebendiesem vom 14.05.2018, hg. GZ. W238 2182926-1/6E, als unbegründet abgewiesen wurde.

Am 27.09.2018 stellte der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde, diesem Antrag wurde ein Befundkonvolut beigelegt.

Am 03.10.2018 wurde eine vom Beschwerdeführer gezeichnete Vollmacht vom 24.09.2018 zugunsten der rechtlichen Vertretung nachgereicht.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Gutachten vom 23.11.2018 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Kniegelenke: beidseits Zustand nach Implantation einer Halbschlittenprothese

Unterer Rahmensatz, da beidseits nur eine geringgradige Funktionseinschränkung besteht

02.05.19

20

2

Arterielle Hypertonie leichten Grades

Fixer Rahmensatz

05.01.01

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, der Grad der Behinderung von Leiden 1 lege den Gesamtgrad der Behinderung fest. Leiden 2 erhöhe nicht weiter, da kein wechselseitiges ungünstiges Zusammenwirken in behinderungsrelevantem funktionsbeeinträchtigendem Ausmaß vorliege. Die angegebenen Beschwerden in der Lendenwirbelsäule und die in den Befunden angeführten Veränderungen im Sinne einer stummen Spondylolisthese L5/S1 würden einer geringgradigen, altersentsprechenden Abnützung entsprechen, würden derzeit aber keine relevante funktionelle Einschränkung bieten und würden daher keinen Grad der Behinderung erreichen. Der Lymphstau (prätibiales Ödem) an der rechten unteren Extremität entspreche einem postoperativen Zustandsbild, sei bereits in Rückbildung begriffen, biete derzeit keine relevante funktionelle Einschränkung und erreiche daher keinen Grad der Behinderung. Im Vergleich zum Vorgutachten vom 23.11.2017 sei betreffend das Leiden 1 keine einschätzungsrelevante Verbesserung oder Verschlechterung eingetreten, Leiden 2 sei neu in die Einschätzung aufgenommen worden. Der Gesamtgrad der Behinderung bleibe unverändert.

Mit Schreiben vom 26.11.2018 räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Gutachten vom 23.11.2018 wurde dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.

Am 20.12.2018 langte bei der belangten Behörde ein Röntgenbefund eines näher genannten Diagnosezentrums vom 14.12.2018 ein.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 03.01.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 BBG ab, da er mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 20 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung, wonach der Grad der Behinderung 20 v.H. betrage.

Gegen diesen Bescheid wurde im Wege der rechtlichen Vertretung mit Schriftsatz vom 11.02.2019 ohne Vorlage von Beweismitteln fristgerecht eine Beschwerde erhoben. Darin wird ausgeführt, der Beschwerdeführer leide an einem Zustand nach Implantation einer Halbschlittenprothese der Kniegelenke beidseits., arterieller Hypertonie und degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule. Aus Sicht des Beschwerdeführers sei der Grad der Behinderung mit lediglich 20 v.H. zu gering bemessen worden, da auch aus der Einschätzungsverordnung ersichtlich sei, dass unter der Richtsatzposition 02.05.19 bei einer Funktionseinschränkung geringen Grades beidseitig eine Einstufung von 20 v.H. bis 30 v.H. möglich sei und beim Beschwerdeführer immerhin bereits zwei operative Eingriffe an beiden Kniegelenken notwendig gewesen seien. Somit wäre zumindest ein Grad der Behinderung von 30 v.H. für das führende Leiden anzusetzen gewesen. Weiters wäre auch das internistische Leiden höher als mit 10 v.H. einzustufen gewesen und die Wirbelsäulenbeschwerden seien bis dato ebenso nicht ausreichend berücksichtigt worden. Es wurde die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen der Inneren Medizin und der Orthopädie sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Die belangte Behörde legte am 15.02.2019 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W115 zugeteilt.

Zur Überprüfung der Beschwerdeeinwendungen wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Aktengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung vom 30.08.2019 eingeholt. Darin wird nach Durchsicht sämtlicher vorgelegter Befunde mit einer eingehenden Begründung zusammengefasst am Ergebnis des Vorgutachtens vom 23.11.2018 festgehalten.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 07.02.2020 der Gerichtsabteilung W115 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.

Mit Schreiben vom 02.03.2020, der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers zugestellt am 05.03.2020, informierte das Bundesverwaltungsgericht die Parteien des Verfahrens über das Ergebnis der Beweisaufnahme und räumte ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit ein, dazu eine Stellungnahme abzugeben. Durch das In-Kraft-Treten des 2. COVID-19-Gesetzes wurde die Frist zur Stellungnahme bis 30.04.2020 unterbrochen und begann ab 01.05.2020 neu zu laufen. Weder der rechtlich vertretene Beschwerdeführer, noch die belangte Behörde erstatteten innerhalb der (verlängerten) Frist eine Stellungnahme. Das Aktengutachten vom 30.08.2019 wurde nicht bestritten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer brachte am 27.09.2018 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.

Er ist österreichischer Staatsbürger und hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1.       Zustand nach Implantation einer Halbschlittenprothese an beiden Kniegelenken mit beidseits nur einer geringgradigen Funktionseinschränkung

2.       Arterielle Hypertonie leichten Grades

Das führende Leiden 1 wird durch das Leiden 2 nicht weiter erhöht, da kein wechselseitiges ungünstiges Zusammenwirken in behinderungsrelevantem Ausmaß vorliegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 20 v.H.

Da gegenständlich keine funktionelle Einschränkung und kein radikuläres Defizit im Bereich der Lendenwirbelsäule festgestellt werden konnten, wird das Ausmaß eines behinderungsrelevanten Leidens nicht erreicht.

Der Lymphstau (prätibiales Ödem) an der rechten unteren Extremität entspricht einem postoperativen Zustandsbild und war bereits zum Zeitpunkt der Begutachtung in Rückbildung begriffen. Es liegt diesbezüglich keine relevante und dauerhafte funktionelle Einschränkung vor und wird daher kein Grad der Behinderung erreicht.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Diagnose, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen in dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 23.11.2018 sowie dem vom Bundesverwaltungsgericht ergänzend eingeholten Aktengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.08.2019 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden medizinischen Befunde und der Untersuchungsergebnisse ist eine höhere Einschätzung der festgestellten Leidenszustände zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergeben sich aus dem im Akt aufliegenden ZMR-Auszug und seinen eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 23.11.2018 sowie auf dem vom Bundesverwaltungsgericht ergänzend eingeholten Aktengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.08.2019. Darin wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, welche auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden basieren, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Führendes Leiden des Beschwerdeführers ist der Zustand nach Implantation einer Halbschlittenprothese an beiden Kniegelenken, welches entsprechend den festgestellten Funktionseinschränkungen korrekt berücksichtigt wurde. Die Sachverständigen haben dieses Leiden nachvollziehbar dem unteren Rahmensatz (20 v.H.) der Positionsnummer 02.05.19 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet. Diese betrifft Funktionseinschränkungen geringen Grades in beiden Kniegelenken. Bei der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 14.11.2018 konnte betreffend die Kniegelenke nur eine geringgradige Funktionseinschränkung festgestellt werden („Kniegelenk rechts 0/0/100, links 0/0/110“). Da beidseits somit lediglich eine geringgradige Einschränkung der Beugefähigkeit festgestellt werden konnte, ist eine höhere Einstufung als die getroffene rechtlich nicht gerechtfertigt.

Auch die arterielle Hypertonie wurde unter Leiden 2 durch die Wahl der Positionsnummer 05.01.01 richtig eingestuft, zumal nur eine Hypertonie leichten Grades vorliegt und keine Folgeschäden dokumentiert sind. Befunde, aus denen sich Gegenteiliges ergeben hätte, sind im gegenständlichen Verfahren nicht in Vorlage gebracht worden.

Die Feststellung der Sachverständigen, dass das führende Leiden 1 durch das Leiden 2 nicht weiter erhöht wird, da kein wechselseitiges ungünstiges Zusammenwirken in behinderungsrelevantem Ausmaß vorliegt, ist nicht zu beanstanden. Der Vollständigkeit halber ist hinzuzufügen, dass das Leiden 2 auch nur in geringem Ausmaß vorliegt, durch welches nicht von einer besonders nachteiligen Auswirkung - im Sinne des § 3 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung - ausgegangen werden kann.

Da gegenständlich keine funktionelle Einschränkung und kein radikuläres Defizit im Bereich der Lendenwirbelsäule festgestellt werden konnten, wird das Ausmaß eines behinderungsrelevanten Leidens nicht erreicht. Der vorgelegte Röntgenbefund der Lendenwirbelsäule vom 14.12.2018 beschreibt eine Spondylolysis vera L5/S1, welche zu einem Wirbelgleiten von L5 gegenüber S1 um 1 cm führt. Beschrieben werden außerdem mäßige degenerative Veränderungen. Die Spondylolysis vera L5/S1 ist angeboren und stellt häufig einen Zufallsbefund dar. Das damit einhergehende Wirbelgleiten von 1 cm ist nicht zwingend mit Beschwerden verbunden. Maßgeblich für die Einstufung behinderungsrelevanter Leiden nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung sind jedoch objektivierbare Funktionseinschränkungen. Es konnten jedoch weder in den Gutachten vom 23.11.2017 und 23.11.2018, noch im vom Beschwerdeführer vorgelegten Gutachten eines näher genannten Facharztes für Orthopädie vom 18.09.2018 funktionelle Einschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule festgestellt werden. Auch war – wie bereits ausgeführt - kein radikuläres Defizit objektivierbar. Das Ausmaß eines behinderungsrelevanten Leidens ist somit nicht erreicht.

Der Lymphstau (prätibiales Ödem) an der rechten unteren Extremität entspricht einem postoperativen Zustandsbild und war bereits zum Zeitpunkt der Begutachtung in Rückbildung begriffen. Es liegt diesbezüglich daher keine relevante und dauerhafte funktionelle Einschränkung vor und wird daher dadurch kein Grad der Behinderung erreicht.

Dass die Gutachter, an deren Qualifikation kein Zweifel besteht, die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers tatsachenwidrig beurteilt hätten, kann vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse nicht erkannt werden. Die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers wurden umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander nachvollziehbar und richtig berücksichtigt.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.03.2020 wurde dem rechtlich vertretenen Beschwerdeführer das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Aktengutachten vom 30.08.2019 übermittelt und ihm in Wahrung des Parteiengehörs die Möglichkeit gewährt, schriftlich Stellung zu nehmen. Das Gutachten vom 30.08.2019 blieb im Rahmen des eingeräumten Parteiengehörs unbestritten. Der rechtlich vertretene Beschwerdeführer ist den Ausführungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen, denen das Bundesverwaltungsgericht (unter anderem) folgt, nicht entgegengetreten.

Das Vorbringen im Rahmen der Beschwerde war somit im Ergebnis nicht geeignet, die vorliegenden Sachverständigengutachten zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Der Beschwerdeführer ist den Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten vom 23.11.2018 und 30.08.2019. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45.

(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“

§ 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung), StF: BGBl. II Nr. 261/2010, lautet in der geltenden Fassung:

"Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine."

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 23.11.2018 sowie das vom Bundesverwaltungsgericht ergänzend eingeholte Aktengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.08.2019 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers aktuell 20 v.H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden in den eingeholten Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwendungen nicht geeignet, die vorliegenden Gutachten zu entkräften.

Die medizinischen Sachverständigengutachten sind – wie ebenfalls bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde - auch nicht zu beanstanden, wenn sie im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung eine entscheidungswesentliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung in dem Sinne, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirken würde oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen würden, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen würden, im gegenständlichen Fall nicht gegeben sehen.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Soweit der rechtlich vertretene Beschwerdeführer im Verfahren die Einholung weiterer medizinischer Sachverständigengutachten anderer Fachrichtungen moniert, ist dazu auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Behörden im Zusammenhang mit der Einschätzung des Grades der Behinderung verpflichtet sind, zur Klärung medizinischer Fachfragen ärztliche Gutachten einzuholen. Das Gesetz enthält aber keine Regelung, aus der geschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten einer bestimmten Fachrichtung bestünde. Es besteht demnach kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit des eingeholten Gutachtens an (vgl. VwGH 24.06.1997, Zl. 96/08/0114).

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für das Verfahren nach § 46 BBG eine Neuerungsbeschränkung besteht, wonach im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes kommt jedoch eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Die aktuellen Gutachten wurden nicht ausreichend substantiiert bestritten. Zu den im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwendungen wurde ein ergänzendes Gutachten eingeholt, welches nicht mehr bestritten wurde. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu etwa die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2214596.1.00

Im RIS seit

13.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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