TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/21 W133 2185203-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.07.2020
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Entscheidungsdatum

21.07.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W133 2185203-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumsservice, Landesstelle Wien, vom 30.11.2017, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Im Verwaltungsakt befindet sich ein Vorgutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 03.10.2013, welches aufgrund eines vormaligen Antrages der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses eingeholt worden war. In diesem Aktengutachten wurden zum damaligen Zeitpunkt die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Zustand nach Mammakarzinom links 8-2012

13.01.03

50

2

Zustand nach Schrittmacherimplantation 9-2011 bei rezivierenden vasovagalen Synkopen

g.z. 05.01.02

20

3

degenerative und posttraumatische Gelenksveränderungen

02.02.01

20

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Der durch die Schilddrüsenmedikation kompensierte Zustand nach Strumektomie erreichte keinen Grad der Behinderung. Es wurde eine Nachuntersuchung für September 2017 vorgeschlagen, da eine Besserung möglich war. Daher wurde der Beschwerdeführerin vom Sozialministeriumservice (in der Folge auch als „belangte Behörde“ bezeichnet) am 11.10.2013 ein bis 30.09.2017 befristeter Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. ausgestellt.

Am 19.09.2017 stellte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde unter Vorlage eines Befundkonvoluts einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Gutachten vom 27.11.2017 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Hüfttotalendoprothese rechts

Wahl dieser Position, da mäßig eingeschränkte Beweglichkeit bei Zustand nach Revisionsoperation

02.05.09

30

2

Zustand nach Mammakarzinom links 2012

2 Stufen unter dem oberen Rahmensatz, da kein Hinweis für Rezidiv.

13.01.02

20

3

Zustand nach Schrittmacherimplantation 9/2011 bei rezidivierenden vasovagalen Synkopen

Fixer Richtsatzwert

05.01.02

20

4

Degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates

Oberer Rahmensatz, da Beschwerden vor allem im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Handgelenke bei jeweils geringgradig eingeschränkter Beweglichkeit, berücksichtigt wird die Osteoporose.

02.02.01

20

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, dass das Leiden 1 durch das Leiden 4 nicht erhöht werde, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliege. Die Leiden 2 und 3 würden nicht weiter erhöhen, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung mit dem führenden Leiden 1 vorliege. Leiden 1 des Vorgutachtens (Zustand nach Mammakarzinom links) sei nach Ablauf der Heilungsbewährung von 5 Jahren und ohne Hinweis für ein Rezidiv einer Neueinstufung unterzogen worden. Leiden 1 des aktuellen Gutachtens sei neu hinzugekommen, da dieses objektivierbar gewesen sei. Die weiteren Leiden seien unverändert eingestuft worden, da keine einstufungsrelevante Verbesserung oder Verschlimmerung eingetreten sei. Der Gesamtgrad der Behinderung werde aufgrund der Neueinstufung bei Zustand nach Mammakarzinom und Ablauf der Heilungsbewährung um zwei Stufen herabgesetzt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30.11.2017 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da sie mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 30 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung, wonach der Grad der Behinderung 30 v.H. betrage. Das Gutachten vom 27.11.2017 wurde der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.

Gegen diesen Bescheid wurde ohne Vorlage medizinischer Beweismittel mit handschriftlichem Schreiben vom 24.12.2017, bei der belangten Behörde eingelangt am 29.12.2017, fristgerecht eine Beschwerde erhoben. Darin moniert die Beschwerdeführerin die durchgeführte persönliche Untersuchung und bringt diverse Korrekturen/Ergänzungen betreffend ihren Gesundheitszustand vor.

Die belangte Behörde legte am 05.02.2018 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W115 zugeteilt.

Zur Überprüfung der Beschwerdeeinwendungen wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Aktengutachten der Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin, welche das Gutachten vom 27.11.2017 erstellt hatte, unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung vom 30.08.2019 eingeholt. Darin wird zusammengefasst ausgeführt, dass sämtliche angeführten Leiden in der erstinstanzlich getroffenen Beurteilung bereits berücksichtigt worden seien, daher wurde abermals ein Grad der Behinderung von 30 v.H. festgestellt.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 07.02.2020 der Gerichtsabteilung W115 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.

Mit Schreiben vom 17.02.2020, der Beschwerdeführerin zugestellt am 19.02.2020, informierte das Bundesverwaltungsgericht die Parteien des Verfahrens über das Ergebnis der Beweisaufnahme und räumte ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit ein, dazu eine Stellungnahme abzugeben.

Weder die Beschwerdeführerin, noch die belangte Behörde erstatteten eine Stellungnahme. Das ergänzende Gutachten vom 30.08.2019 wurde nicht bestritten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin war Inhaberin eines bis 30.09.2017 befristeten Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H.

Am 19.09.2017 brachte sie den gegenständlichen Antrag auf neuerliche Ausstellung des Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.

Sie ist österreichische Staatsbürgerin und hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1.       Hüfttotalendoprothese rechts, mäßig eingeschränkte Beweglichkeit bei Zustand nach Revisionsoperation;

2.       Zustand nach Mammakarzinom links 2012 ohne Hinweis für Rezidiv;

3.       Zustand nach Schrittmacherimplantation 9/2011 bei rezidivierenden vasovagalen Synkopen;

4.       Degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates mit Beschwerden vor allem im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Handgelenke bei jeweils geringgradig eingeschränkter Beweglichkeit, berücksichtigt wird die Osteoporose.

Das führende Leiden 1 wird durch das Leiden 4 nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliegt. Die Leiden 2 und 3 erhöhen nicht weiter, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung mit dem führenden Leiden 1 vorliegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 30 v.H.

Im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2013 ist das vormalige Leiden 1 (Zustand nach Mammakarzinom links) nach Ablauf der Heilungsbewährung von fünf Jahren und ohne Hinweis für ein Rezidiv einer Neueinstufung unterzogen worden. Das Leiden 1 des aktuellen Gutachtens ist neu hinzugekommen, da dieses objektivierbar war. Die weiteren Leiden sind im Vergleich zum Vorgutachten unverändert eingestuft worden, da keine einstufungsrelevante Verbesserung oder Verschlimmerung eingetreten ist. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde aufgrund der Neueinstufung bei Zustand nach Mammakarzinom und Ablauf der Heilungsbewährung um zwei Stufen herabgesetzt.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Diagnose, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen in dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 27.11.2017, welches durch das vom Bundesverwaltungsgericht ergänzend eingeholte Aktengutachten derselben Ärztin vom 30.08.2019 nach nochmaliger Durchsicht sämtlicher vorgelegter Befunde vollinhaltlich bestätigt wird, der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt. Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Aktengutachten vom 30.08.2019 wurde von der Beschwerdeführerin nicht mehr bestritten.

Unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden medizinischen Befunde und der Untersuchungsergebnisse in den gegenständlich eingeholten Gutachten ist eine höhere Einschätzung der festgestellten Leidenszustände zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung betreffend die Ausstellung des befristeten Behindertenpasses sowie das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Neuausstellung des Behindertenpasses basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergeben sich aus dem im Akt aufliegenden ZMR-Auszug und ihren eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Gutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 27.11.2017, welches durch das vom Bundesverwaltungsgericht ergänzend eingeholte Aktengutachten derselben Ärztin vom 30.08.2019 nach nochmaliger Durchsicht sämtlicher vorgelegter Befunde vollinhaltlich bestätigt wird. In diesen Gutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, welche auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden basieren, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Führendes Leiden der Beschwerdeführerin sind die Funktionseinschränkungen durch die Hüfttotalendoprothese rechts. Dieses Leiden wurden von der beigezogenen Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin korrekt der Positionsnummer 02.05.09 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, welche Funktionseinschränkungen der Hüftgelenke mittleren Grades einseitig betrifft, mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. zugeordnet. Bei der gutachterlichen Untersuchung am 23.11.2017 konnte eine mäßig eingeschränkte Beweglichkeit bei Zustand nach einer Revisionsoperation objektiviert werden („Hüftgelenk rechts: Narbe lateral und ventro-lateral nach Implantation einer Hüfttotalendoprothese und Wechseloperation, kein Stauchungsschmerz, kein Rotationsschmerz, keine relevante Glutealinsuffizienz“, „Aktive Beweglichkeit: Hüften S rechts 0/90, IR/AR 20/0/20, links S 0/100, IR/AR 20/0/30“, „Das Gangbild ist rechts geringgradig hinkend, insgesamt mäßig zügig, Trendelenburg beidseits negativ.“). Das Hüftleiden rechts wurde unter Berücksichtigung der erfolgten Operationen in korrekter Höhe eingestuft, weder liegt eine höhergradige Einschränkung des Bewegungsumfangs vor noch ein Hinweis für eine Lockerung noch ein maßgebliches muskuläres Defizit. Im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2013 ist das Leiden 1 des aktuellen Gutachtens neu hinzugekommen, da dieses objektivierbar war.

Bei der Beschwerdeführerin besteht ein Zustand nach Mammakarzinom links 2012. Die Sachverständige ordnete diese Funktionseinschränkung als nunmehriges Leiden 2 korrekt der Positionsnummer 13.01.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zu. Bei Malignomen richtet sich die Einschätzung nach der Lokalisation, Art, Ausdehnung, Therapie und Funktionseinschränkung. Die gewählte Positionsnummer betrifft entfernte Malignome mit abgeschlossener adjuvanter Behandlung nach Abschluss der Heilungsbewährung. Die Heilungsbewährung tritt fünf Jahre nach Entfernung des Malignoms ein. Das Leiden 2 wurde von der beigezogenen Gutachterin korrekt zwei Stufen unter dem oberen Rahmensatz mit 20 v.H. eingeschätzt, da kein Hinweis für ein Rezidiv besteht. Das Leiden 1 des Vorgutachtens (Zustand nach Mammakarzinom links) wurde somit nach Ablauf der Heilungsbewährung von fünf Jahren und ohne Hinweis für ein Rezidiv als nunmehriges Leiden 2 einer Neueinstufung unterzogen. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde aufgrund dieser Neueinstufung korrekt um zwei Stufen herabgesetzt.

Das Leiden 3 „Zustand nach Schrittmacherimplantation 9/2011 bei rezidivierenden vasovagalen Synkopen“ (vormaliges Leiden 2) wurde von der Sachverständigen dem Ausmaß entsprechend unter der Positionsnummer 05.01.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. korrekt in die Diagnoseliste aufgenommen. Es handelt sich hierbei um einen fixen Richtsatz. Dieses Leiden wurde im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2013 unverändert eingestuft, da keine einstufungsrelevante Verbesserung oder Verschlimmerung eingetreten ist.

Schließlich wurde auch das Leiden Nr. 4 „Degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates“ (vormaliges Leiden 3) aufgrund der Beschwerden vor allem im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Handgelenke bei jeweils geringgradig eingeschränkter Beweglichkeit korrekt dem oberen Rahmensatz (20 v.H.) der Positionsnummer 02.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet. Diese betrifft generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen geringen Grades. Im Rahmen dieser Einstufung wurde die Osteoporose berücksichtigt. Diesbezüglich wird insbesondere auf die oben bereits wiedergegebene Statuserhebung nach einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin verwiesen. Die bei der Begutachtung am 23.11.2017 festgestellten Defizite im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates, insbesondere des rechten Hüftgelenks und der Wirbelsäule, wurden in der Beurteilung hinsichtlich der Einstufung nach der Einschätzungsverordnung in vollem Umfang berücksichtigt. Höhergradige Funktionseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule konnten nicht festgestellt werden. Im Bereich des linken Handgelenks konnte kein behinderungsrelevantes Leiden festgestellt werden. Das Leiden 4 wurde im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2013 unverändert eingestuft, da keine einstufungsrelevante Verbesserung oder Verschlimmerung eingetreten ist.

Zu den Beschwerdeeinwendungen der Beschwerdeführerin nahm die beigezogene Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin in ihrem Aktengutachten vom 30.08.2019 umfassend Stellung. So führt sie aus, dass weder eine Hörminderung noch ein einstufungsrelevantes Augenleiden anhand aktueller Befunde belegt ist. Auch liegt kein Hinweis für eine chronisch venöse Insuffizienz vor. Dass die fünfte Zehe links seit einer Operation nicht innerviert ist und von den Zehen 1 bis 4 mitbewegt wird, stellt kein behinderungsrelevantes Leiden dar. Weiters konnten keine maßgebliche Einschränkung im Bereich des rechten Sprunggelenks und kein einschätzungsrelevantes Leiden im Bereich der rechten Achillessehne festgestellt werden. Schließlich konnte bei der Untersuchung der Beschwerdeführerin am 23.11.2017 eine relevante Beinlängendifferenz nicht festgestellt werden. Dies schließt jedoch eine geringgradige Beinlängendifferenz nicht aus, die mit Einlagen ausgeglichen werden kann und somit zu keiner Änderung der Beurteilung sowohl des Hüftleidens als auch des Wirbelsäulenleidens führt.

Dass die Gutachterin, an deren Qualifikation und Unbefangenheit kein Zweifel besteht, die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin tatsachenwidrig beurteilt hätten, kann vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse nicht erkannt werden. Die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin wurden umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander nachvollziehbar und richtig berücksichtigt.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.02.2020 wurde der Beschwerdeführerin das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Aktengutachten vom 30.08.2019 übermittelt und ihr in Wahrung des Parteiengehörs die Möglichkeit gewährt, schriftlich Stellung zu nehmen. Das Gutachten vom 30.08.2019 blieb im Rahmen des eingeräumten Parteiengehörs unbestritten. Die Beschwerdeführerin ist den Ausführungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen, denen das Bundesverwaltungsgericht folgt, nicht mehr entgegengetreten.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde ist somit im Ergebnis nicht geeignet, die vorliegenden Sachverständigengutachten zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Die Beschwerdeführerin ist den Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten vom 27.11.2017 und 30.08.2019. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45.

(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Gutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 27.11.2017, welches durch das vom Bundesverwaltungsgericht ergänzend eingeholte Aktengutachten derselben Ärztin vom 30.08.2019 nach nochmaliger Durchsicht sämtlicher vorgelegter Befunde vollinhaltlich bestätigt wird, zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 30 v.H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden in den Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwendungen nicht geeignet, die vorliegenden Gutachten zu entkräften.

Die medizinischen Sachverständigengutachten sind auch nicht zu beanstanden, wenn sie im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung eine entscheidungswesentliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung in dem Sinne, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirken würde oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen würden, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen würden, im gegenständlichen Fall nicht gegeben sehen.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für das Verfahren nach § 46 BBG eine Neuerungsbeschränkung besteht, wonach im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes kommt jedoch eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Beide Parteien stellten zudem keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2185203.1.00

Im RIS seit

13.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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