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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §6 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des T in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Wiedner, Rechtsanwalt in Wien I, Freyung 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 4. Juli 1995, Zl. SD 795/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 4. Juli 1995 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Gegen den Beschwerdeführer, der sich seit 1972 in Österreich befinde, sei mit Bescheid vom 5. Juli 1984 ein bis zum 31. Dezember 1994 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. In weiterer Folge sei ihm Vollstreckungsaufschub, zuletzt bis zum 25. Februar 1993 gewährt worden. Seit diesem Zeitpunkt sei der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet jedoch nicht rechtmäßig. Zwar sei das Aufenthaltsverbot gegen ihn mit Bescheid vom 25. August 1993 aufgehoben worden, doch sei mit dieser Entscheidung keine Aufenthaltsberechtigung für den Beschwerdeführer verbunden gewesen. Er sei vielmehr verpflichtet gewesen, Österreich zu verlassen und vor der neuerlichen Einreise vom Ausland aus einen Antrag nach dem Aufenthaltsgesetz einzubringen. Aus diesem Grund sei auch sein Antrag nach dem Aufenthaltsgesetz von der Magistratsabteilung 62 abgewiesen worden. Die Erstbehörde sei daher zu Recht davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 FrG gegeben seien.
Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 leg. cit. betreffe, so sei ohne jeden Zweifel auf Grund des langjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich und im Hinblick auf seine familiären Bindungen (Gattin und Kind) von einem mit dieser Maßnahme verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen gewesen.
Dessen ungeachtet sei aber seine Ausweisung zum Schutz der öffentlichen Ordnung, im besonderen auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dringend geboten. Der über zwei Jahre unrechtmäßige Aufenthalt, vor allem aber auch das weitere Verbleiben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nach und trotz einer Bestrafung wegen des unerlaubten Aufenthaltes und trotz Abweisung seines Antrages nach dem Aufenthaltsgesetz, gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße. Hinzu komme, daß dem Beschwerdeführer - mangels Erfüllung der in § 6 Abs. 2, erster Satz des Aufenthaltsgesetzes - AufG normierten Voraussetzung, daß ein Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen sei - auch nicht die erforderliche Bewilligung nach diesem Gesetz erteilt werden dürfe. Bei Abstandnahme von der Ausweisung könnte sich der Beschwerdeführer unter Umgehung der genannten, ein wesentliches Element der mit dem Aufenthaltsgesetz getroffenen Regelung darstellenden Bestimmung den tatsächlichen, jedoch nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens zwiderlaufen würde. Die Ausweisung des Beschwerdeführers erweise sich somit auch im Grunde des § 19 leg. cit. als zulässig.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie mit Beschluß vom 28. November 1995, Zl. B 2605/95, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (Schriftsatz vom 22. Februar 1996) begehrt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der von ihr u.a. erstatteten Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Unbestritten bleibt in der Beschwerde die Feststellung der belangten Behörde, daß dem Beschwerdeführer (zuletzt) nur Vollstreckungsaufschub bis zum 25. Februar 1993 gewährt und ihm in der Folge auch keine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt worden sei. Mit dem Vorbringen, daß sein Aufenthalt "möglicherweise nicht auf einer gültigen Aufenthaltserlaubnis beruht, aber andererseits auf Grund der zugebilligten Vollstreckungsaufschübe usw. auch nicht als "illegal" anzusehen ist", vermag der Beschwerdeführer der Ansicht der belangten Behörde, er halte sich seit 25. Februar 1993 unrechtmäßig in Österreich auf, nichts Stichhältiges entgegenzusetzen. Auch der Gerichtshof hegt gegen diese Beurteilung im angefochtenen Bescheid keine Bedenken.
2.1. Soweit der Beschwerdeführer hinsichtlich der Erwägungen zu § 19 FrG ins Treffen führt, der angefochtene Bescheid lasse "eine Begründung der konkreten, durch den Weiterverbleib des Berufungswerbers im Bundesgebiet eintretenden Auswirkung auf die öffentliche Ordnung im Sinne ihrer Gefährdung "in hohem Maße" vermissen", übersieht er, daß das nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einen hohen Stellenwert aufweisende öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens als Teiles der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt von fast zweieinhalb Jahren und sein Verbleiben im Bundesgebiet trotz einer rechtskräftigen abweislichen Entscheidung nach dem AufG gravierend beeinträchtigt wurde (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 17. April 1997, Zl. 97/18/0155, mwN).
Das von der belangten Behörde dazu weiters herangezogene Argument, mangels Erfüllung der in § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierten Voraussetzung dürfe ihm die erforderliche Bewilligung nach diesem Gesetz auch nicht erteilt werden, versucht der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu bekämpfen, derzufolge Fremde, die sich seit vielen Jahren rechtmäßig auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung in Österreich aufgehalten haben, im Falle der relativ kurzen Versäumung der Frist zur Beantragung einer Aufenthaltsbewilligung in analoger Anwendung der Regelung des zweiten Satzes des § 6 Abs. 2 AufG zur Antragstellung im Inland berechtigt sind. Dieses Vorbringen geht allerdings schon deshalb fehl, weil die Gewährung von Vollstreckungsaufschüben nach § 6 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz - wie im Falle des Beschwerdeführers - zwar die Qualifizierung eines Aufenthalts im Inland im davon erfaßten Zeitraum als unrechtmäßig ausschließt, mangels gesetzlicher Grundlage aber nicht der Erteilung einer (verlängerbaren) Bewilligung nach dem AufG gleichgehalten werden kann (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 13. März 1997, Zl. 96/18/0544).
2.2. Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem Privat- und Familienleben führt die Beschwerde aber letztlich zum Erfolg: Er halte sich seit über 20 Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet auf und sei verheiratet, wobei sich zwei der drei dieser Ehe entstammenden Kinder - ebenso wie seine Ehegattin - in Österreich befänden. Die Ehegattin und die Kinder des Beschwerdeführers hätten schon seit langem sämtliche Voraussetzungen zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft erfüllt. Er besitze eine Arbeitserlaubnis mit Gültigkeitsdauer bis 1997, gehe einer regelmäßigen Arbeit nach und verdiene gemeinsam mit seiner Gattin etwa S 28.000,-- netto 14 mal jährlich.
Diesen schon in der Berufung vom 24. Mai 1995 geltend gemachten und in der Gegenschrift unwidersprochen gebliebenen Umständen des persönlichen und familiären Interesses hat die belangte Behörde - abgesehen davon, daß ihre Feststellung, es lebe (außer der Gattin) lediglich ein Kind des Beschwerdeführers in Österreich, vor dem Hintergrund der Aktenlage nicht nachvollziehbar ist - nicht das ihnen gebührende Gewicht beigemessen. Hätte sie dies getan, wäre sie auch angesichts des gewichtigen, für eine Ausweisung sprechenden öffentlichen Interesses zu dem Ergebnis gelangt, daß auf Grund des über 20-jährigen teils rechtmäßigen teils vorübergehend erlaubten Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seiner stark ausgesprägten familiären und privaten Bindungen im Inland der mit einer Ausweisung verbundene Eingriff in sein Privat- und Familienleben eine Intensität erreicht, der gegenüber diese fremdenrechtliche Maßnahme als zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) nicht dringend geboten erscheint und daher gemäß § 19 FrG unzulässig ist (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 23. November 1995, Zl. 94/18/0904, und vom 11. Juli 1996, Zl. 96/18/0180).
3. Indem die belangte Behörde unter diesen Umständen dennoch die Ausweisung des Beschwerdeführers nach § 19 FrG als dringend geboten erachtete, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages - auf die §§ 47 Abs. 1 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996180014.X00Im RIS seit
02.05.2001