TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/22 W137 2220811-4

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Veröffentlicht am 22.07.2020
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Entscheidungsdatum

22.07.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W137 2220811-4/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX (Verfahrensidentität), geb. XXXX , StA. Ägypten, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 1187067109-191223387 zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 10.04.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) vollinhaltlich abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung in den Herkunftsstaat verbunden. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

2. Mit Bescheid vom 29.11.2019 hat das Bundesamt gegen den Beschwerdeführer erneut eine Rückkehrentscheidung erlassen und mit einem befristeten Einreiseverbot verbunden. Gegen den Beschwerdeführer besteht eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

3. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich am 23.09.2019 wegen Suchtmitteldelikten rechtskräftig zu einer mehrmonatigen teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Vor Anordnung der Schubhaft war der Beschwerdeführer in einer Justizanstalt behördlich gemeldet.

4. Mit Bescheid vom 29.11.2019 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft angeordnet, der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 03.12.2020 – nach Verbüßen des unbedingten Teils der Strafhaft und einer Verwaltungsstrafhaft - in Schubhaft.

5. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 03.04.2020, W150 2220811-2/2E, im Zuge einer amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers vorliegen und diese auch verhältnismäßig ist.

6. Mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 24.06.2020 - schriftlich ausgefertigt am 06.07.2020, W282 2220811-3/2E – hat das Bundesverwaltungsgericht die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von 01.05.2020 bis 24.06.2020 wegen unterlassener Vorlage zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung für rechtswidrig erklärt. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft vorliegen und diese auch verhältnismäßig ist.

Begründend wurde insbesondere auf die Nutzung einer Vielzahl falscher Identitäten durch den Beschwerdeführer, den zwischenzeitlichen Aufenthalt im Verborgenen und die fehlende soziale Verankerung im Bundesgebiet verwiesen. Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit wurde zudem die Straffälligkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt.

7. Am 15.07.2020 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt ein weiteres Mal zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG vor. Ergänzend wurde ausgeführt, dass am 28.07.2020 eine neuerliche Vorführung zur ägyptischen Botschaft (zum neuen Konsul) erfolgen werde und zwei HRZ-Verfahren weiterhin im Laufen seien. Der Beschwerdeführer habe auch wiederholt seine Ausreiseunwilligkeit kundgetan.

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger von Ägypten. Er verfügt über keine Personal- oder Reisedokumente. Er gab in Österreich und anderen EU-Staaten gegenüber Behörden eine Vielzahl von Namen, zumindest vier unterschiedliche Geburtsdaten und zumindest drei unterschiedliche Herkunftsstaaten an. Ein Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats (HRZ) für Ägypten ist derzeit anhängig. Am 28.07.2020 erfolgt in diesem Zusammenhang eine erneute Vorführung zur ägyptischen Botschaft. Unabhängig davon führt das Bundesamt ein weiteres HRZ-Verfahren mit Algerien.

Der Beschwerdeführer ist nicht Asylwerber. Gegen ihn liegt eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten sowie ein rechtskräftiges Einreiseverbot für die Dauer von acht Jahren vor.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich wegen Suchtmitteldelikten zu zwei Freiheitsstrafen – vier Monate bedingt sowie 15 Monate teilbedingt (10 Monate davon bedingt nachgesehen) – verurteilt. Diese verbüßte er faktisch unmittelbar vor der laufenden Schubhaft.

Der Beschwerdeführer ist seit September 2019 durchgehend in Justizanstalten und Polizeianhaltezentren gemeldet. Davor war er obdachlos gemeldet und hat sich zwischenzeitlich dem Verfahren entzogen. Er ist insgesamt nicht vertrauenswürdig.

Der Beschwerdeführer stand in Österreich noch nicht in einem Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er verfügt über keine familiären und nur gering ausgeprägte soziale Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer verfügt über keinen gesicherten Wohnsitz.

Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und jedenfalls haftfähig. Es gibt keine Hinweise auf substanzielle gesundheitliche Probleme.

Es ist davon auszugehen, dass der zur Durchführung von Abschiebungen erforderliche Luftverkehr in den Herkunftsstaat im Sommer 2020 wiederaufgenommen wird. Der Beschwerdeführer wird seit knapp acht Monaten in Schubhaft angehalten. Eine Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist damit innerhalb des zulässigen gesetzlichen Anhaltezeitraumes realistisch. Die Verantwortung für das Erfordernis eines HRZ-Verfahrens liegt ausschließlich beim Beschwerdeführer. Er ist dabei nicht voll kooperativ. Versäumnisse des Bundesamtes in diesem Zusammenhang liegen nicht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 1187067109-191223387 (Schubhaft) sowie den Akten des Bundesverwaltungsgerichts zu den Zahlen 2220811-1 (erste Schubhaftbeschwerde) und 2220811-3 (letzte Verlängerungsprüfung). Unstrittig sind die Feststellungen zur mutmaßlichen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sowie zu seinem asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren (insbesondere auch die unterschiedlichen Angaben zu seiner Identität). Aus der Aktenlage ergeben sich die Feststellungen zu den laufenden HRZ-Verfahren und den diesbezüglich geplanten weiteren Schritten.

1.2. Die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers sind aus einem rezenten Auszug aus dem Strafregister ersichtlich und im Übrigen auch unstrittig. Die Feststellungen zu den amtlichen Meldungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einer rezenten Abfrage im Zentralen Melderegister (ZMR). Aus diesen Umständen ergibt sich wiederum die fehlende Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers.

1.3. Die Feststellungen betreffend die soziale Verankerung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ergeben sich aus der Aktenlage. Gegenteiliges wurde auch im Rahmen einer mündlichen Verhandlung am 24.06.2020 nicht behauptet.

1.4. Substanzielle gesundheitliche Probleme des Beschwerdeführers wurden in der Beschwerde nicht behauptet und sind auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich. Aus dem oben Dargestellten ergibt sich die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers, die überdies durch eine unmittelbar zuvor verbüßte mehrmonatige Strafhaft zusätzlich belegt ist.

1.5. Die weitgehende Einstellung des internationalen Luftverkehrs (seit Mitte März) ist notorisch. Es gibt derzeit keinen Grund zur Annahme, dass dieser noch über Monate hinweg aufrecht bleiben würde. Vielmehr wurden erste Lockerungsschritte bereits gesetzt und kann davon ausgegangen werden, dass er in einem zur Durchführung von Überstellungen/Abschiebungen erforderlichen Umfang innerhalb weniger Wochen wiederaufgenommen wird.

Vor diesem Hintergrund ergeben sich die vorgenommenen Prognosen hinsichtlich des voraussichtlichen Abschiebezeitpunktes.

1.6. Einer exakteren Prognose steht derzeit entgegen, dass für den Beschwerdeführer zuvor ein HRZ erlangt werden muss. Diesbezüglich trägt der Beschwerdeführer die Verantwortung, da er ohne Personal-/Reisedokument unterwegs war und zudem unterschiedliche Angaben zu seiner Identität machte. Diesbezüglich hat sich der Beschwerdeführer auch nur eingeschränkt kooperativ gezeigt. Es gibt keine Hinweise, dass das Bundesamt die diesbezüglich relevanten Schritte unterlassen oder nicht mit hinreichendem Nachdruck verfolgt hätte.

2. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchteil A) (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 – FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a Abs. 4 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

„§ 22a. (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“

§22a Abs. 4 bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage, da der Beschwerdeführer seit 03.12.2019 in Schubhaft angehalten wird.

Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen (innerstaatlichen) verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Art 5 Abs. lit. f EMRK und des Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG sowie einfachgesetzlichen Normen des mit 20. Juli 2015 im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 – FrÄG 2015 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 lauten:

Art 5 Abs. 1 lit. F EMRK

(1) Jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
f)         wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.

Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG

(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

§ 76 FPG (in der nunmehr gültigen Fassung)

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz „liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 - immer noch - vor, da „bestimmte Tatsachen“, nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete (Ziffern 1, 3 und 9 des § 76 Abs. 1 FPG), haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts deutlich reduzierter persönlicher Vertrauenswürdigkeit (nicht zuletzt aufgrund der Verurteilung wegen Suchtmitteldelikten) kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin.

Die bis zur Möglichkeit einer Abschiebung in den Herkunftsstaat erforderliche Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist – unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 80 FPG - vor dem dargestellten Hintergrund zumutbar und verhältnismäßig. Insbesondere trägt der Beschwerdeführer die Verantwortung für das Erfordernis der HRZ-Erlangung und kann diese Zeitspanne durch entsprechende Kooperation auch deutlich verkürzen. Verzögerungen, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen.

Die nunmehr noch zu erwartende Anhaltedauer liegt voraussichtlich einigen Monaten, jedenfalls aber deutlich unter der Schwelle der gesetzlich zulässigen maximalen Anhaltedauer. Dies ist unter Berücksichtigung des Vorverhaltens des Beschwerdeführers (falsche Identitätsangaben, Suchtmittelkriminalität) jedenfalls auch verhältnismäßig.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist. Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Dies liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Berücksichtigung eines unstrittigen oder zweifelsfrei belegten Vorverhaltens entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Einreiseverbot Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Identität öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Untertauchen Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2220811.4.00

Im RIS seit

13.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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