TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/2 95/18/1297

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Veröffentlicht am 02.10.1997
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §37;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des N in Wien, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in Wien I, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. August 1995, Zl. SD 570/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 9. August 1995 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei mit einem für einen Monat bis Ende November 1992 gültigen "Besuchersichtvermerk" nach Österreich eingereist und seither im Inland geblieben. Einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerks "für immer" habe er wieder zurückgezogen. Daraufhin sei er schriftlich aufgefordert worden, das Bundesgebiet bis zum 20. Dezember 1992 zu verlassen. Der Beschwerdeführer sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Er habe über neuerlichen Antrag einen von Ende Februar 1993 bis Ende März 1993 gültigen Sichtvermerk erhalten. Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer dieses Sichtvermerks sei er neuerlich aufgefordert worden, das Bundesgebiet zu verlassen, welcher Aufforderung er wieder nicht nachgekommen sei. Der vom Beschwerdeführer für sich und seine Familie (Gattin und Kind) gestellte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei rechtskräftig abgewiesen worden. Weder der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung noch die Einbringung einer Verfassungsgerichtshof-Beschwerde gegen die Abweisung dieses Antrages hätten dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung verschaffen können. Daran ändere auch die Tatsache nichts, daß der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten habe.

Wenngleich sich die Gattin und das Kind des Beschwerdeführers ebenfalls unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, sei mit der Ausweisung ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Die Ausweisung sei jedoch zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, dringend geboten, weil der seit langem unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers und dessen Verbleib im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung in hohem Maß gefährde. Dazu komme, daß der Beschwerdeführer auch nicht in der Lage sei, seinen Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer vertritt die Meinung, die belangte Behörde hätte bei ihrer Entscheidung darauf Bedacht zu nehmen gehabt, daß er gegen den seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abweisenden Bescheid des Bundesministers für Inneres eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof - welche dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten worden sei - erhoben habe, über die das Verfahren noch anhängig sei. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über besagte Beschwerde sei für die Entscheidung im Ausweisungsverfahren präjudiziell. Da somit die Vorfrage, ob dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung zukomme, in einem bereits anhängigen Verfahren geklärt werde, hätte die belangte Behörde das Verfahren bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Beschwerde gegen die Abweisung der Aufenthaltsbewilligung aussetzen müssen.

1.2. Damit verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage. Weder der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung noch die Beschwerde gegen die Abweisung dieses Antrages - daß dieser Beschwerde vom Verwaltungsgerichtshof aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet - vermochten dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen. Eine Vorschrift, welche die zur Erlassung einer Ausweisung zuständige Behörde verpflichtet, mit dieser Entscheidung bis zum Abschluß des einen eine Aufenthaltsbewilligung versagenden Bescheid betreffenden Beschwerdeverfahrens vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes zuzuwarten, existiert nicht. Von einer Präjudizialität der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im Verfahren betreffend die Versagung der Aufenthaltsbewilligung im Sinne einer notwendigen (unabdingbaren) Grundlage für die Entscheidung im Ausweisungsverfahren kann keine Rede sein, ist doch die zur Entscheidung über die Ausweisung berufene Fremdenbehörde sachlich zuständig zu prüfen, ob im Zeitpunkt ihrer Entscheidung der hiefür maßgebliche Tatbestand des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG verwirklicht ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 96/18/0416).

Die belangte Behörde kam daher auf Grundlage des unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltes zu Recht zu dem Ergebnis, daß sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Inland aufhält.

2.1. Die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe den Stand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens über die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Aufenthaltsbewilligung nicht erhoben, geht unter Zugrundelegung der Ausführungen zu Punkt II. 1.2. ins Leere.

2.2. Soweit der Beschwerdeführer die Meinung vertritt, die belangte Behörde hätte ihren Rechtsstandpunkt vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides mit ihm zu erörtern gehabt, ist er darauf zu verweisen, daß das Parteiengehör nur zu Tatfragen und nicht auch zu Rechtsfragen zu gewähren ist (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S. 237, E 60c zu § 37 AVG, wiedergegebene hg. Judikatur).

3. Die belangte Behörde hat im Hinblick auf die familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in die vom § 19 FrG geschützten Interessen angenommen. Die in der Beschwerde nicht bekämpfte Rechtsansicht, daß die Ausweisung des Beschwerdeführers nach dieser Regelung zulässig sei, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden, kommt doch der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 4. April 1997, Zl. 97/18/0075, mwN). Der Beschwerdeführer hat dieses maßgebliche öffentliche Interesse durch seinen insgesamt etwa zweidreivierteljährigen, nahezu zur Gänze unerlaubten Aufenthalt erheblich beeinträchtigt, wobei er noch nach und trotz rechtskräftiger Abweisung seines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und nach mehrmaliger Aufforderung, das Bundesgebiet zu verlassen, in Österreich verblieben ist. Dazu kommt, daß das Gewicht der familiären Interessen des Beschwerdeführers dadurch deutlich gemindert wird, daß seine Ehegattin und das Kind - die diesbezüglichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid läßt die Beschwerde unbestritten - ebenfalls über keine Aufenthaltsbewilligung verfügen. Da die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers aus diesen Gründen jedenfalls von den öffentlichen Interessen überwogen werden, braucht auf die Stichhaltigkeit des weiteren, von der Beschwerde zusätzlich (verstärkend) herangezogenen Arguments, daß der Beschwerdeführer nicht in der Lage sei, seinen Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren, nicht eingegangen zu werden.

4. Da sich die Beschwerde nach dem Gesagten als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Von der vom Beschwerdeführer beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995181297.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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