TE Bvwg Beschluss 2020/7/30 W270 2219413-1

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Veröffentlicht am 30.07.2020
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Entscheidungsdatum

30.07.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
TNRSG §9
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W270 2219413-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Günther GRASSL über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch die Ethos Legal Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH, Teinfaltstraße 8, 1010 Wien, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz vom 13.02.2019, Zl. XXXX , betreffend Vorschreibung von Tabakgebühren, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung:

A)

Die Beschwerde wird wegen Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Feststellungen:

1. Im Jahr 2017 brachte die Beschwerdeführerin, sie hat ihren Sitz in XXXX Vereinigtes Königreich, in Österreich Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse auf den Markt.

2. Mit Bescheid vom 13.02.2019, Zl. XXXX , schrieb die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Leistung einer pauschalierten Jahresgebühr gemäß § 9 Abs. 9 Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz (in Folge: „TNRSG“) i.V.m. § 2 Abs. 3, 5 und 6 der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen hinsichtlich der Festlegung einer kostendeckenden Jahresgebühr für die Überwachung von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und von kostendeckenden Gebühren für die Zulassung neuartiger Tabakerzeugnisse (in Folge: „TabGebV“) vor.

3. Am 05.04.2019 erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen diesen Bescheid.

4. Am 24.05.2019 legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt den Verfahrensakten vor.

5. Eine Zustimmung der Bundesländer zur Regierungsvorlage 1056 d.B. 25. GP gemäß Art. 102 Abs. 4 i.V.m. Art. 42a B-VG erfolgte nicht.

II. Beweiswürdigung:

Die Feststellung unter Pkt. I.5. beruht auf einer Auskunft des Bundeskanzleramts (OZ x). Die übrigen Feststellungen ergeben sich aus den Verfahrensakten des verwaltungsbehördlichen sowie verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und blieben von den Parteien auch jeweils unbestritten.

III. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts

1. Gemäß § 17 VwGVG i.V.m. § 6 AVG hat ein Verwaltungsgericht seine sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen.

2. Gegenständlich ist das Bundesverwaltungsgericht für die Behandlung der Beschwerde –deren Zulässigkeit aus anderen Gründen nicht zu beanstanden war – sachlich nicht zuständig. Dazu nun im Einzelnen:

3. Auszugehen ist von folgender maßgeblicher Rechtslage:

3.1. Art. 10 Abs. 1 Z 4 und 12 B-VG lauten:

„4. Bundesfinanzen, insbesondere öffentliche Abgaben, die ausschließlich oder teilweise für den Bund einzuheben sind; Monopolwesen;“

5. … 11. …

„12. Gesundheitswesen mit Ausnahme des Leichen- und Bestattungswesens sowie des Gemeindesanitätsdienstes und Rettungswesens, hinsichtlich der Heil- und Pflegeanstalten, des Kurortewesens und der natürlichen Heilvorkommen jedoch nur die sanitäre Aufsicht; Maßnahmen zur Abwehr von gefährlichen Belastungen der Umwelt, die durch Überschreitung von Immissionsgrenzwerten entstehen; Luftreinhaltung, unbeschadet der Zuständigkeit der Länder für Heizungsanlagen; Abfallwirtschaft hinsichtlich gefährlicher Abfälle, hinsichtlich anderer Abfälle nur soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften vorhanden ist; Veterinärwesen; Ernährungswesen einschließlich der Nahrungsmittelkontrolle; Regelung des geschäftlichen Verkehrs mit Saat- und Pflanzgut, Futter-, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie mit Pflanzenschutzgeräten, einschließlich der Zulassung und bei Saat- und Pflanzgut auch der Anerkennung;“

3.2. Art. 102 Abs. 1, 2 und 4 B-VG lautet:

„Artikel 102. (1) Im Bereich der Länder üben die Vollziehung des Bundes, soweit nicht eigene Bundesbehörden bestehen (unmittelbare Bundesverwaltung), der Landeshauptmann und die ihm unterstellten Landesbehörden aus (mittelbare Bundesverwaltung). Soweit in Angelegenheiten, die in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt werden, Bundesbehörden, insbesondere Bundespolizeidirektionen, mit der Vollziehung betraut sind, unterstehen diese Bundesbehörden in den betreffenden Angelegenheiten dem Landeshauptmann und sind andessen Weisungen (Art. 20 Abs. 1) gebunden; ob und inwieweit solche Bundesbehörden mit Akten der Vollziehung betraut werden, bestimmen die Bundesgesetze; sie dürfen, soweit es sich nicht um die Betrauung mit der Vollziehung von im Abs. 2 angeführten Angelegenheiten handelt, nur mit Zustimmung der beteiligten Länder kundgemacht werden.

(2) Folgende Angelegenheiten können im Rahmen des verfassungsmäßig festgestellten Wirkungsbereiches unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden: Grenzvermarkung; Waren- und Viehverkehr mit dem Ausland; Zollwesen; Regelung und Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm; Passwesen; Aufenthaltsverbot, Ausweisung und Abschiebung; Asyl; Auslieferung; Bundesfinanzen; Monopolwesen; Geld-, Kredit-, Börse- und Bankwesen; Maß- und Gewichts-, Normen- und Punzierungswesen; Justizwesen; Pressewesen; Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit einschließlich der ersten allgemeinen Hilfeleistung, jedoch mit Ausnahme der örtlichen Sicherheitspolizei; Vereins- und Versammlungsrecht; Fremdenpolizei und Meldewesen; Waffen-, Munitions- und Sprengmittelwesen, Schießwesen; Patentwesen sowie Schutz von Mustern, Marken und anderen Warenbezeichnungen; Verkehrswesen; Strom- und Schifffahrtspolizei; Post- und Fernmeldewesen; Bergwesen; Regulierung und Instandhaltung der Donau; Wildbachverbauung; Bau und Instandhaltung von Wasserstraßen; Vermessungswesen; Arbeitsrecht; Sozial- und Vertragsversicherungswesen; geschäftlicher Verkehr mit Saat- und Pflanzgut, Futter-, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie mit Pflanzenschutzgeräten, einschließlich der Zulassung und bei Saat- und Pflanzgut auch der Anerkennung; Denkmalschutz; Organisation und Führung der Bundespolizei; militärische Angelegenheiten; Angelegenheiten des Zivildienstes; Fürsorge für Kriegsteilnehmer und deren Hinterbliebene; Bevölkerungspolitik, soweit sie die Gewährung von Kinderbeihilfen und die Schaffung eines Lastenausgleiches im Interesse der Familie zum Gegenstand hat; Schulwesen sowie Erziehungswesen in den Angelegenheiten der Schüler- und Studentenheime, ausgenommen das land- und forstwirtschaftliche Schulwesen und das land- und forstwirtschaftliche Erziehungswesen in den Angelegenheiten der Schülerheime; öffentliches Auftragswesen.

(3) …

(4) Die Errichtung von eigenen Bundesbehörden für andere als die im Abs. 2 bezeichneten Angelegenheiten kann nur mit Zustimmung der beteiligten Länder erfolgen.

[…]“

3.4. Art. 131 Abs. 1, 2 und 4 B-VG lautet:

„Artikel 131. (1) Soweit sich aus Abs. 2 und 3 nicht anderes ergibt, erkennen über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 die Verwaltungsgerichte der Länder.

(2) Soweit sich aus Abs. 3 nicht anderes ergibt, erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Sieht ein Gesetz gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 2 eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte vor, erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 in Vollziehung Bundessache sind. Sieht ein Gesetz gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 3 eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte vor, erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten des Bundes.

(3) …

(4) Durch Bundesgesetz kann

1. eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder vorgesehen werden: in Rechtssachen in den Angelegenheiten gemäß Abs. 2 und 3;

2. eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte des Bundes vorgesehen werden:

a) in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist (Art. 10 Abs. 1 Z 9 und Art. 11 Abs. 1 Z 7);

b) in sonstigen Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die nicht unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden, sowie in den Angelegenheiten der Art. 11, 12, 14 Abs. 2 und 3 und 14a Abs. 3.

Bundesgesetze gemäß Z 1 und Z 2 lit. b dürfen nur mit Zustimmung der Länder kundgemacht werden.

[…]“

3.5. § 9 Abs. 9 TNRSG lautet:

„(9) Die Bundesministerin bzw. der Bundesminister für Gesundheit hat im Einvernehmen mit der Bundesministerin bzw. dem Bundesminister für Finanzen durch Verordnung eine kostendeckende Jahresgebühr auf Basis der Verkaufszahlen von verwandten Erzeugnissen und Tabakerzeugnissen des vorangegangen Wirtschaftsjahres unter Berücksichtigung des tatsächlichen finanziellen Aufwands für Kontrolltätigkeiten aus dem Vorjahr und des voraussichtlichen finanziellen Aufwands für Kontrolltätigkeiten angemessen und marktkonform festzulegen. Vor Erlassung einer Verordnung ist der Wirtschaftskammer Österreich Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Diese Gebühr deckt die nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes und der auf dessen Grundlage erlassenen Verordnungen zu erfüllenden Aufgaben, insbesondere hinsichtlich Meldetätigkeiten, Kontrolltätigkeiten, Datenanalyse und -bewertung, Laboruntersuchungen, Risikobewertung und Bewertung von Studien. Nicht von der Jahresgebühr miterfasst sind die Kosten für die Zulassung gemäß § 10a.“

3.7. § 2 TabGebV lautet samt Überschrift:

„Pauschalierte Jahresgebühr

§ 2. (1) Herstellerinnen bzw. Hersteller oder Importeurinnen bzw. Importeure, die Tabakerzeugnisse oder verwandte Erzeugnisse in Verkehr bringen, haben eine pauschalierte Jahresgebühr zu entrichten. Diese Jahresgebühr ist gemäß § 9 Abs. 10 TNRSG von diesen selbst zu berechnen und die Berechnung einschließlich der zu Grunde gelegten aufgeschlüsselten Verkaufsmengendaten und eindeutigen produktspezifischen Identifikationsnummern an die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH jährlich bis spätestens 15. Juni elektronisch zu übermitteln.

(2) Basis für die Berechnung der pauschalierten Jahresgebühr sind die gemäß § 8 Abs. 9 TNRSG von der Herstellerin bzw. dem Hersteller oder der Importeurin bzw. dem Importeur dem Bundesministerium für Gesundheit und Frauen jährlich bis zum 31. Mai des Folgejahres gemeldeten Verkaufsmengendaten je Marke und Art (abhängig vom Produkt in Stück oder Kilogramm oder Milliliter) des Vorjahres.

(3) Die pauschalierte Jahresgebühr ist von der Herstellerin bzw. dem Hersteller oder der Importeurin bzw. dem Importeur bis spätestens 30. Juni nach der Meldung gemäß Abs. 2 nach den Gebührensätzen gemäß Anlage zu dieser Verordnung an die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH zu entrichten. Erstmals ist die Jahresgebühr für das Jahr 2017 auf Basis der Verkaufsmengendaten des Jahres 2016, welche bis 31. Mai 2017 zu melden sind, bis spätestens 30. Juni 2017 zu entrichten.

(4) Wurde die Selbstberechnung unterlassen oder erscheint diese nicht schlüssig und wird die Selbstberechnung nach Aufforderung durch die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH nicht nachgeholt bzw. schlüssig abgeändert, ist die pauschalierte Jahresgebühr durch die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH festzusetzen.

(5) Wird die so festgesetzte pauschalierte Jahresgebühr auch nach einmaliger Mahnung nicht entrichtet, ist sie der Herstellerin bzw. dem Hersteller oder der Importeurin bzw. dem Importeur durch die Bundesministerin bzw. den Bundesminister für Gesundheit und Frauen vorzuschreiben.

(6) Erfolgt die Entrichtung der pauschalierten Jahresgebühr nicht oder nicht fristgerecht, so ist ein Säumniszuschlag von 2 % des aushaftenden Betrages zusätzlich zur Jahresgebühr zu entrichten. Für die Einbringung von nicht entrichteten pauschalierten Jahresgebühren hat die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH überdies einen pauschalen Bearbeitungsbetrag in Höhe von 25,-- Euro einzuheben. Für die Vorschreibung des Zuschlages und des Bearbeitungsbetrages findet Abs. 5 sinngemäß Anwendung.

(7) Die nicht oder nur zum Teil entrichtete Gebühr ist in Bezug auf den noch aushaftenden Fehlbetrag durch die Bundesministerin bzw. den Bundesminister für Gesundheit und Frauen im Verwaltungsweg einzubringen.

(8) Durch die pauschalierte Jahresgebühr sind folgende Leistungen abgedeckt:

1. Inspektions- und Kontrolltätigkeiten, Untersuchungen und Begutachtungen der bei Inspektions- und Kontrolltätigkeiten entnommenen Proben, Datenanalysen und Bewertungen sowie Risikobewertungen von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen im Zuge der Marktüberwachung gemäß §§ 9 und 10d TNRSG;

2. Entgegennahme, Speicherung, Handhabung, Analyse und Veröffentlichung der gemäß §§ 8, 8a, 8c und 10b TNRSG zu übermittelnden Informationen.

(9) Von der pauschalierten Jahresgebühr nicht umfasst sind Kosten für:

1. Zulassungen gemäß § 10a TNRSG;

2. zusätzliche amtliche Kontrollen und Untersuchungen, die aufgrund von Verstößen gegen Bestimmungen des TNRSG notwendig werden. Diese sind nach tatsächlichem Aufwand zu verrechnen.“

4. Festzuhalten ist zunächst, dass der einfache Bundesgesetzgeber nicht gemäß Art. 131 Abs. 4 Z 2 lit. b B-VG (ausdrücklich) anordnete, dass das Bundesverwaltungsgericht – ausnahmsweise – für die Behandlung von Beschwerden gemäß § 130 Abs. 1 B-VG gegen aufgrund von § 2 Abs. 5 TNRSG erlassene verwaltungsbehördliche Entscheidungen zuständig sein soll.

5. Doch handelt es sich bei der prozessgegenständlichen Gebührenvorschreibung gemäß § 2 Abs. 5 TabGebV auch um keine Rechtssache in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von einer Bundesbehörde besorgt wird:

5.1. In den Randziffern 12 bis 16 seines Erkenntnisses vom 27.02.2019 zu Zl. Ro 2016/04/0048 hat der Verwaltungsgerichtshof zu Art. 131 B-VG ausgesprochen:

„12 2.2. Art. 131 B-VG sieht eine Aufteilung der (sachlichen) Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte in Form von Generalklauseln zu Gunsten der Landesverwaltungsgerichte (Art. 131 Abs. 1 und 6 leg. cit.) in Verbindung mit einer taxativen Aufzählung jener Angelegenheiten vor, über die die Verwaltungsgerichte des Bundes entscheiden (Art. 131 Abs. 2 und 3 leg. cit.).

13 Nach Art. 131 Abs. 2 erster Satz B-VG ist das Bundesverwaltungsgericht für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG zuständig "in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden". Schon der Text dieser Regelung knüpft offensichtlich an die Begrifflichkeit des Art. 102 Abs. 2 B-VG (arg: "Folgende Angelegenheiten können (...) unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden") an. Dieser Befund wird durch die Gesetzesmaterialien zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP 15 f) erhärtet. Danach spielt es keine Rolle, ob die betreffende Angelegenheit in Art. 102 Abs. 2 B-VG selbst genannt ist oder sich ihre Besorgung in unmittelbarer Bundesverwaltung aus anderen verfassungsgesetzlichen Bestimmungen ergibt (vgl. VwGH 24.6.2015, Ra 2015/04/0035, VwSlg. 19.148 A, mwH). Nach den Gesetzesmaterialien besteht eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes damit auch dann, wenn die Vollziehung durch Bundesbehörden erfolgt, die gemäß Art. 102 Abs. 4 B-VG mit Zustimmung der Länder für andere als die in Art. 102 Abs. 2 B-VG bezeichneten Angelegenheiten errichtet wurden (unter Hinweis auf Wiederin, Das Bundesverwaltungsgericht: Zuständigkeiten und Aufgabenbesorgung, in: Holoubek/Lang (Hrsg.), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz (2008) 29, (35 ff); vgl. dazu auch Wiederin, Das Bundesverwaltungsgericht: Zuständigkeiten und Aufgabenbesorgung, in: Holoubek/Lang (Hrsg.), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz (2013) 29 (37 ff)).

14 Kommt eine unmittelbare Bundesverwaltung im Sinn des Art. 102 B-VG - die durch das Fehlen einer Zuständigkeit des Landeshauptmanns als Träger der mittelbaren Bundesverwaltung gekennzeichnet ist - schon deshalb nicht in Betracht, weil weder nach Abs. 2 bzw. Abs. 4 dieser Bestimmung noch nach einer sonstigen bundesverfassungsgesetzlichen Grundlage eine Ausnahme vom Prinzip der mittelbaren Bundesverwaltung iSd Art. 102 Abs. 1 B-VG gegeben ist, besteht prinzipiell Grund zur Annahme, dass eine Vollzugskonstruktion vorliegt, die nicht unmittelbar von Bundesbehörden vollzogen wird (vgl. VwGH 20.3.2018, Ko 2018/03/0001, mwN).

15 Nur dann, wenn eine bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung für die Besorgung einer Angelegenheit der Bundesvollziehung unmittelbar durch Bundesbehörden besteht, kommt es für das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 131 Abs. 2 erster Satz B-VG - und damit der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes - zusätzlich darauf an, ob der Bundesgesetzgeber eine solche Besorgung unmittelbar durch Bundesbehörden auch tatsächlich vorgesehen hat (vgl. VwGH 26.1.2017, Ra 2016/11/0173).

16 Den zitierten Gesetzesmaterialien zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ist auch zu entnehmen, dass eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht besteht, "wenn in einer Angelegenheit, die in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt wird, (ausnahmsweise) eine erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesministers vorgesehen ist" (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP 15).“

5.2. Zwar zählt die Vollziehung von Angelegenheiten in der Ministerialinstanz, wenn sie gemäß Art. 102 Abs. 2 B-VG besorgt wird, notwendigerweise zur unmittelbaren Bundesverwaltung. Davon ist allerdings der Fall zu unterscheiden, dass in einer Angelegenheit, die in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt wird (ausnahmsweise) eine erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit eines Bundesministers vorgesehen ist (vgl. VwGH 20.03.2018, Ko 2018/03/0001, Rz. 54, mit Hinweisen auf einschlägiges Schrifttum sowie Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs).

5.3. Der Gesetzgeber rechnete das Tabakgesetz dem Kompetenztatbestand „Gesundheitswesen“ sowie einzelne Bestimmungen dem Kompetenztatbestand „Bundesfinanzen“ des Art. 10 Abs. 1 Z 4 B-VG zu (ErläutRV 1056 BlgNR 25. GP, 1).

5.4. Die Ermächtigung zur Erlassung der TabgebV sah die belangte Behörde – jedenfalls bezogen auf „pauschalierte Jahresgebühr“ – in § 9 Abs. 9 TNRSG.

5.5. In seinem Erkenntnis E 248/2019 vom 26.06.2020 hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Regelung der Gebührenerhebung sich allerdings nicht auf den Kompetenzbestand „Bundesfinanzen“ in Art. 10 Abs. 1 Z 4 iVm Art. 102 Abs. 2 B-VG stützen kann, womit (nur) öffentliche Abgaben gemeint sind, die zumindest teilweise für den Bund einzuheben sind, sondern „nur“ auf den Tatbestand „Gesundheitswesen“ gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG. Die in Rede stehende Jahresgebühr ist aus Sicht des Verfassungsgerichtshofs deswegen auch nicht als eine solche (also „öffentliche“) Abgabe zu qualifizieren, weil sie nicht der Einnahmenerzielung des Bundes zur relativ freien Verfügung im eigenen Haushalt dient, sondern einem eng umgrenzten Zweck der Deckung des Aufwandes in tatsächlicher Höhe betreffend eine ganz bestimmte Verwaltungsaufgabe. Auf Grund dieser Zweckbezogenheit wertet der Verfassungsgerichtshof die Regelung als „materiengesetzliche Regelung“ in einer Angelegenheit des Art. 10 B-VG (vgl. E 248/2019, Rz. 39f).

5.5. Wie festzustellen war (oben I.5.), haben die Bundesländer keine Ermächtigung i.S.d. Art. 102 Abs. 4 B-VG für den unmittelbaren Vollzug einer an sich der mittelbaren Bundesverwaltung zufallenden Angelegenheit durch eine Bundesbehörde erteilt. Auch sonst ist eine (besondere) verfassungsgesetzliche Ermächtigung für einen solchen Vollzug nicht ersichtlich. Die belangte Behörde war also in mittelbarer Bundesverwaltung tätig.

5.6. Sohin ist davon auszugehen, dass es sich bei der streitgegenständlichen Gebührenvorschreibung gemäß § 2 Abs. 5 TabGebV um keine Angelegenheit i.S.d. Art. 131 Abs. 2 B-VG handelt und das Bundesverwaltungsgericht nicht zur Behandlung einer gegen eine solche erhobene Beschwerde zuständig ist.

6. Da die Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts allerdings nicht offenkundig ist, war eine Entscheidung über die Zuständigkeit in der in den Verfahrensgesetzen vorgesehenen Form, d.h. fallbezogen ein (verfahrensabschließender) Beschluss über die Zurückweisung wegen Unzuständigkeit zu treffen und nicht bloß mit verfahrensleitender Anordnung i.S.d. § 31 Abs. 2 und 3 letzter Satz VwGVG 2014 vorzugehen (vgl. etwa VwGH 18.02.2015, Ko 2015/03/0001, Pkt. 9.6.).

7. In der Folge ist das Verwaltungsgericht, das den ersten förmlichen Zurückweisungsbeschluss zu erlassen hat, auch verpflichtet, die Akten des Verfahrens an das für zuständig erachtete Verwaltungsgericht zu übermitteln, um diesem die Möglichkeit zu geben, selbst einen förmlichen Beschluss über seine Unzuständigkeit zu erlassen (vgl. VwGH 09.06.2018, Ra 2017/17/0680, Rz. 8, m.w.N.). Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist das fallbezogen örtlich zuständige Verwaltungsgericht das Verwaltungsgericht Wien:

7.1. Die örtliche Zuständigkeit in Rechtssachen, die nicht zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes gehören richtet sich gemäß § 3 Abs. 2 Z 1 VwGVG in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG nach § 3 Z 1, 2 und – mit Ausnahme des letzten Halbsatzes – 3 AVG. Wenn sich die Zuständigkeit so allerdings nicht bestimmen lässt, ist gemäß § 3 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Land Wien zuständig.

7.2. Prozessgegenstand ist gegenständlich kein – örtlich fixierbares – „unbewegliches Gut“ i.S.d. § 3 Z 1 AVG, weswegen eine Zuordnung nach dieser Bestimmung ausscheidet.

7.3. Zwar brachte die Beschwerdeführerin als „dauernde Tätigkeit“ im Jahr 2017 in bestimmten Mengen Tabakerzeugnisse und sonstige verwandte Erzeugnisse auf den Markt, dies allerdings bezogen auf das ganze Bundesgebiet. Dasselbe gilt, so man das Inverkehrbringen als „Betrieb eines Unternehmens“ sieht. Eine Zuständigkeitsbestimmung auch nach § 3 Z 2 AVG scheidet damit aus.

7.4. Schließlich ist auch eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 3 Z 3 AVG nicht möglich: So hat die Beschwerdeführerin weder „Sitz“ noch „Aufenthalt“ im Inhalt (I.1.). Auch ein bestimmter Ort im Inland, an dem die Gebührenvorschreibung den „Anlass zum Einschreiten“ gab, ist nicht ersichtlich.

7.5. Damit greift fallbezogen die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Wien gemäß § 3 Abs. 3 VwGVG (vgl. hiezu etwa VwGH 30.05.2017, Ro 2017/07/0008, Rz. 44).

Zu B) Zulässigkeit der Revision

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Frage der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts oder eines Landesverwaltungsgerichts für die prozessgegenständliche Gebührenvorschreibung gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG weder durch Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bereits als geklärt zu sehen ist noch die zur Lösung der Zuständigkeitsfrage maßgebliche Rechtslage bereits für sich genommen klar und eindeutig ist. Die Frage ist auch von Relevanz für die Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof, weil, falls der Gerichtshof das Bundesverwaltungsgericht für zuständig erachten sollte, zu Unrecht eine meritorische Entscheidung verweigert wurde.

Schlagworte

Revision zulässig Tabakwaren Unzuständigkeit Unzuständigkeit BVwG Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W270.2219413.1.00

Im RIS seit

12.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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