TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/3 W133 2229143-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.08.2020
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Entscheidungsdatum

03.08.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W133 2229143-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumsservice, Landesstelle Wien, vom 22.01.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 30.08.2019 im Wege seiner Rechtsvertretung einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge als „belangte Behörde“ bezeichnet). Dem Antrag wurden eine vom Beschwerdeführer gezeichnete Vollmacht vom 28.08.2019 zugunsten der rechtlichen Vertretung und ein Sachverständigengutachten zur Feststellung des Pflegebedarfes vom 09.10.2018 sowie ein Patientenbrief eines näher genannten Facharztes für Orthopädie vom 09.08.2019 beigelegt.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Gutachten vom 18.12.2019 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

Unterer Rahmensatz, da ohne Hinweis auf Wurzelkompression.

02.01.02

30

2

Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus

Oberer Rahmensatz, da diabetische Polyneuropathie berücksichtigt wird.

09.02.01

30

3

Abnützungserscheinungen des Bewegungsapparates

Oberer Rahmensatz, da polytope Beschwerden mit geringen funktionellen Einschränkungen.

02.02.01

20

4

Aktinische Keratose

Unterer Rahmensatz, da weitgehend begrenzt.

01.01.02

20

5

Chronisch venöse Insuffizienz

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Schwellungsneigung ohne wesentliche Beeinträchtigung der Gelenksbeweglichkeit.

05.08.01

20

6

Bluthochdruck

Wahl der Position, da Vorhofflimmern und Herzschrittmacher berücksichtigt

05.01.02

20

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, dass Leiden 1 durch die weiteren Leiden nicht erhöht werde, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliege. Die Gutachterin stellte fest, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

Mit Schreiben vom 18.12.2019 räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Gutachten vom 18.12.2019 wurde dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.

Mit Schreiben vom 07.01.2020 brachte der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung eine Stellungnahme ein. Es wird zusammengefasst ausgeführt, dass das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht zur Kenntnis genommen werden könne. Die erfolgte Einstufung entspreche nicht dem tatsächlichen Beschwerde- sowie Zustandsbild des Beschwerdeführers. Die erfolgte Einstufung der Leiden 1, 2, 3 und 5 sei für den Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar und entspreche keinesfalls dem tatsächlichen Schweregrad. Beim Beschwerdeführer bestehe eine zunehmende Immobilität aufgrund von Unsicherheit in den Beinen bei bekannter Polyneuropathie und heftigen Lumbalgien. Es sei bereits eine Rollstuhlversorgung in die Wege geleitet worden. Zur Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung sei das vorliegende orthopädische Gutachten nicht ausreichend, aufgrund der Schwere der Leiden wäre die Einholung von Gutachten aus den Fachgebieten der Internen Medizin sowie der Neurologie erforderlich gewesen. Es wurde weiters vorgebracht, dass das vorliegende Herzleiden (Zustand nach Herzschrittmacherimplantation, Vorhofflimmern) gesondert einzustufen gewesen wäre. Die Feststellung der Sachverständigen, dass dieses Leiden bei dem unter der laufenden Nummer 6 berücksichtigten Leiden, Bluthochdruck, bereits mitberücksichtigt worden sei, sei nicht nachvollziehbar. Es wurde schließlich eingewendet, dass zwischen den Leiden 1, 2, 3, 5 und 6 sehr wohl eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliege, welche eine Einstufung mit einem Gesamtgrad der Behinderung von zumindest 50 v.H. rechtfertigen würde. Es wurde die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen Neurologie und Interne Medizin beantragt. Der Stellungnahme wurde ein Schreiben eines näher genannten Facharztes für Orthopädie vom 02.12.2019 beigelegt.

Aufgrund der eingebrachten Stellungnahme holte die belangte Behörde eine Stellungnahme der Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin, welche das Gutachten vom 18.12.2019 erstellt hatte, vom 22.01.2020 ein. Darin führt die Gutachterin aus, dass maßgeblich für die Einstufung behinderungsrelevanter Leiden nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung die bei der Begutachtung am 21.10.2019 anhand einer gründlichen Untersuchung und unter Beachtung sämtlicher vorgelegter Befunde festgestellten Behinderungen und Leidenszustände seien. Eine maßgebliche Unsicherheit in den Beinen bei Polyneuropathie und Lumbalgie habe nicht festgestellt werden können. Die behinderungsbedingt erforderliche Rollstuhlversorgung sei nicht ausreichend begründbar und nachvollziehbar. Das Herzleiden sei korrekt eingestuft worden, eine höhere Einstufung ohne Nachweis von Dekompensationszeichen sei nicht begründbar. Eine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung der Leiden 1, 2, 3, 5 und 6 liege nicht vor. Befunde, die neue Tatsachen, noch nicht ausreichend berücksichtigte Leiden oder eine maßgebliche Verschlimmerung belegen könnten, seien nicht vorgelegt worden. Die vorgebrachten Argumente würden keine neuen Erkenntnisse beinhalten, welche das vorhandene Begutachtungsergebnis entkräften könnten, sodass daran festgehalten werde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22.01.2020 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da er mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 30 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung, wonach der Grad der Behinderung 30 v.H. betrage. Das Gutachten vom 18.12.2019 und die Stellungnahme vom 22.01.2020 wurden dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz der rechtlichen Vertretung vom 28.02.2020 ohne Vorlage von Beweismitteln fristgerecht eine Beschwerde erhoben. Darin wird zusammengefasst ausgeführt, dass das eingeholte orthopädische Gutachten vom 16.12.2019 zur Beurteilung des vorliegenden Zustands- sowie Beschwerdebildes des Beschwerdeführers nicht ausreichend sei. Der Beschwerdeführer leide an einer Lumbalgie beidseits, Spondylarthrose L5/S1 beidseits, Osteochondrose L2/3 + L5/S1 Modic 2 sowie L3/4 Modic 1, Blockwirbel L4/5, Vertebrostenose L2/3, peripheren Polyneuropathie, Diabetes mellitus, Bluthochdruck und an einem Herzleiden (Vorhofflimmern, Zustand nach Herzschrittmacherimplantation). Aufgrund einer Unsicherheit in den Beinen bei bekannter Polyneuropathie und heftigen Lumbalgien bestehe eine zunehmende Immobilität, daher sei vom behandelnden Orthopäden eine Rollstuhlversorgung in die Wege geleitet worden. Die Einschätzung des laufenden Leidens 1 mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. sei nicht nachvollziehbar und schlüssig. Die bestehende diabetische Polyneuropathie, welche neurologisch zu beurteilen gewesen wäre, hätte gesondert mit einem Grad der Behinderung eingestuft werden müssen. Eine zusammenfassende Einstufung des Leidens Diabetes mellitus mit der bestehenden diabetischen Polyneuropathie sei nicht nachvollziehbar und schlüssig. Auch das vorliegende Herzleiden, Vorhofflimmern, Zustand nach Herzschrittmacherimplantation hätte gesondert mit einem Grad der Behinderung eingestuft werden müssen. Auch hier sei die Feststellung der Sachverständigen, dass dieses Leiden bei dem unter der laufenden Nummer 6 berücksichtigten Leiden, Bluthochdruck, mitberücksichtigt worden sei, nicht nachvollziehbar. Auch sei die Feststellung der Sachverständigen, dass kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken der Leiden vorliege, nicht nachvollziehbar. Im Zusammenwirken der Leiden 1, 2, 3, 5 und 6 liege sehr wohl eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vor, welche auch eine Einstufung mit einem Gesamtgrad der Behinderung von zumindest 50 v.H. rechtfertigen würde. In diesem Zusammenhang werde auf § 3 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung hingewiesen. Es wurde die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen Orthopädie, Neurologie und Interne Medizin beantragt. Der Beschwerde wurde eine vom Beschwerdeführer gezeichnete Vollmacht vom 17.12.2019 zugunsten der rechtlichen Vertretung beigelegt.

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 02.03.2020 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer brachte am 30.08.2019 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.

Er ist österreichischer Staatsbürger und hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1.       Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule ohne Hinweis auf Wurzelkompression;

2.       Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus, diabetische Polyneuropathie berücksichtigt;

3.       Abnützungserscheinungen des Bewegungsapparates, polytope Beschwerden mit geringen funktionellen Einschränkungen;

4.       Aktinische Keratose, weitgehend begrenzt;

5.       Chronisch venöse Insuffizienz mit Schwellungsneigung ohne wesentliche Beeinträchtigung der Gelenksbeweglichkeit;

6.       Bluthochdruck, Vorhofflimmern und Herzschrittmacher berücksichtigt.

Das führende Leiden 1 wird durch die weiteren Leiden nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 30 v.H.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Diagnose, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden daher die diesbezüglichen Beurteilungen im von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 18.12.2019 sowie die das Gutachten ergänzende Stellungnahme derselben Ärztin vom 22.01.2020 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden medizinischen Befunde und der Untersuchungsergebnisse im gegenständlich eingeholten Gutachten ist eine höhere Einschätzung der festgestellten Leidenszustände zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergeben sich aus dem im Akt aufliegenden ZMR-Auszug und seinen eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 18.12.2019 sowie der das Gutachten ergänzenden Stellungnahme derselben Ärztin vom 22.01.2020. Darin wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, welche auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden basieren, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Führendes Leiden des Beschwerdeführers sind degenerative Veränderungen der Wirbelsäule. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass beim Beschwerdeführer kein Hinweis auf ein Wurzelkompressionssyndrom besteht, wurde dieses Leiden von der beigezogenen Gutachterin nachvollziehbar und richtig dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 02.01.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, welche Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule mittleren Grades mit radiologischen Veränderungen betrifft, zugeordnet. Höhere Funktionseinschränkungen sind nicht befundmäßig dokumentiert und konnten auch im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung nicht objektiviert werden. Im Gutachten wurde folgender Status erhoben:

„Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: gut, 78 Jahre

Ernährungszustand:

adipös

Größe: 168,00 cm Gewicht: 107,00 kg Blutdruck:

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen, sichtbare Schleimhautpartien unauffällig, Pupillen rund, isocor, prompte Reaktion auf Licht. Halsvenen nicht gestaut. Thorax: symmetrisch, elastisch, Herzschrittmacher links pektoral

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch. Keine Dyspnoe, keine Zyanose.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Integument: Effloreszenzen im Bereich der gesamten Stirn und am Kapillitium, teilweise Errosionen, trocken verkrustet, fleckig, gerötet wie bei aktinischer Keratose, geringgradig auch im Bereich der Handrücken

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, seitengleich mittelkräftig entwickelte Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, Radialispulse beidseits tastbar, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist mit Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist ansatzweise möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Seitengleich mittelkräftig entwickelte Muskelverhältnisse. Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, Unterschenkelödeme beidseits, trophischen Störungen, livide Verfärbung, trockene Haut, kein Ulcus, beidseits Varizen, die Sensibilität wird im Bereich der Füße als gestört angegeben.

Kniegelenke beidseits: geringgradige Konturvergröberung, endlagige Bewegungsschmerzen, sonst unauffällig.

Senkspreizfuß beidseits

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften S0/90, IR/AR 10/0/30, Knie beidseits 0/0/125, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich annähernd frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, massiv Hartspann gesamte Wirbelsäule, jedoch kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen endlagig eingeschränkt beweglich

BWS/LWS: FBA: Kniegelenke werden erreicht, Rotation und Seitneigen zur Hälfte eingeschränkt

Lasegue bds. negativ, geprüfte Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit orthopädischen Schuhen ohne Hilfsmittel, das Gangbild ist behäbig, kleinschrittig, leicht vorgeneigt, Richtungswechsel sicher möglich.

Bewegungsabläufe beim Aufstehen und Hinlegen schmerzgehemmt in der Lendenwirbelsäule. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.“

Die von der Gutachterin gewählte Einstufung erweist sich somit auch unter Berücksichtigung der erhobenen nur mäßig eingeschränkten Beweglichkeit des Beschwerdeführers im Rahmen der Begutachtung als nachvollziehbar und richtig.

Als zweites Leiden wurde von der Gutachterin ein nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus festgestellt. Dieses Leiden wurde von der Sachverständigen unter Berücksichtigung der diabetischen Polyneuropathie korrekt dem oberen Rahmensatz der Positionsnummer 09.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet, welche Funktionseinschränkungen durch einen nicht insulinpflichtigen Diabetes mellitus betrifft. Aus den unsubstantiierten Ausführungen in der Beschwerde, dass die diabetische Polyneuropathie gesondert eingestuft hätte werden müssen, ergibt sich nicht, dass die Mitberücksichtigung der Polyneuropathie beim gegenständlichen Leidenszustand zu Unrecht erfolgt wäre. Auch wurde in der Beschwerde nicht dargelegt, inwiefern die gesonderte Einstufung der diabetischen Polyneuropathie zu einer allfälligen Erhöhung des festgestellten Grades der Behinderung hätte führen können.

Das Leiden Nr. 3 „Abnützungserscheinungen des Bewegungsapparates“ wurde aufgrund der polytopen Beschwerden mit geringen funktionellen Einschränkungen korrekt dem oberen Rahmensatz (20 v.H.) der Positionsnummer 02.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet. Diese betrifft generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen geringen Grades. Diesbezüglich wird insbesondere auf die oben bereits wiedergegebene Statuserhebung nach einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers verwiesen.

Die Einstufung des Leiden 4 „Aktinische Keratose“ wurde weder in der Stellungnahme zum Parteiengehör noch in der Beschwerde moniert. Die Einstufung dieses Leidens durch die Sachverständige erweist sich vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde und des Untersuchungsbefundes ebenfalls als nachvollziehbar und richtig.

Die „chronisch venöse Insuffizienz“ (Leiden 5) ordnete die beigezogene Gutachterin korrekt der Positionsnummer 05.08.01, eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, der Anlage zur Einschätzungsverordnung zu, welche Funktionseinschränkungen leichten Grades des venösen und lymphatischen Systems betrifft und bei der getroffenen Bewertung mit 20 v.H. eine ausgeprägte Schwellungsneigung voraussetzt. Die Sachverständige konnte beim Beschwerdeführer eine Schwellungsneigung feststellen. Da jedoch die Gelenksbeweglichkeit dadurch nicht wesentlich beeinträchtigt ist, erweist sich die getroffene Beurteilung ebenfalls als richtig.

Schließlich wurde der Bluthochdruck bei Berücksichtigung des Vorhofflimmerns und des Herzschrittmachers unter Leiden 6 durch die Wahl der Positionsnummer 05.01.02 auch richtig eingestuft, zumal eine mäßige Hypertonie vorliegt. Dem Vorbringen in der Stellungnahme zum Parteiengehör bzw. in der Beschwerde, dass das vorliegende Herzleiden (Vorhofflimmern, Zustand nach Herzschrittmacherimplantation) gesondert eingestuft werden hätte müssen, ist entgegenzuhalten, dass das Herzleiden korrekt eingestuft worden ist und eine höhere Einstufung ohne Nachweis von Dekompensationszeichen nicht begründbar war. Auch wurde in der Beschwerde nicht dargelegt, inwiefern die gesonderte Einstufung des Herzleidens zu einer allfälligen Erhöhung des festgestellten Grades der Behinderung hätte führen können.

Eine maßgebliche Unsicherheit in den Beinen bei Polyneuropathie und Lumbalgie konnte von der beigezogenen Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin bei der Begutachtung des Beschwerdeführers am 21.10.2019 anhand einer gründlichen Untersuchung und unter Beachtung der vorgelegten Befunde nicht festgestellt werden. Die behinderungsbedingt erforderliche Rollstuhlversorgung ist nicht ausreichend begründbar und nachvollziehbar. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Ausführungen im vom Beschwerdeführer mit dem gegenständlichen Antrag vorgelegten Pflegegutachten zu verweisen. Auf Seite 8 dieses Gutachtens wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in der Lage ist, selbstständig Nahrungsmittel, Medikamente und Bedarfsgüter des täglichen Lebens herbeizuschaffen. Auch wird in diesem Gutachten das Gangbild des Beschwerdeführers als frei und sicher beschrieben.

Die beigezogene Sachverständige legt in ihrem Gutachten vom 18.12.2019 und in ihrer Stellungnahme vom 22.01.2020 schlüssig dar, dass das führende Leiden 1 durch die weiteren Leiden (insbesondere die Leiden 2, 3, 5 und 6) nicht erhöht wird, da keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt. Es haben sich im gegenständlichen Verfahren keine Hinweise darauf ergeben, dass diese Einschätzung der Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin nicht den Tatsachen entsprechen würde und ergeben sich solche auch nicht aus dem unsubstantiierten Vorbringen in der Stellungnahme zum Parteiengehör bzw. in der Beschwerde.

Dass die Gutachterin, die im Übrigen auch dem Bundesverwaltungsgericht als eine sehr häufig herangezogene und erfahrene Sachverständige zur Verfügung steht, an deren Qualifikation und Unbefangenheit kein Zweifel besteht, die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers tatsachenwidrig beurteilt hätte, kann vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse nicht erkannt werden. Die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers wurden umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander nachvollziehbar und richtig berücksichtigt.

Die Vorbringen im Rahmen der Beschwerde bzw. in der Stellungnahme vom 07.01.2020 waren somit im Ergebnis nicht geeignet, das vorliegende Sachverständigengutachten bzw. die das Gutachten ergänzende Stellungnahme zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Der Beschwerdeführer ist dem Sachverständigengutachten bzw. der Stellungnahme auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 18.12.2019 und der gutachterlichen Stellungnahme vom 22.01.2020. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45.

(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“

§ 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung), StF: BGBl. II Nr. 261/2010, lautet in der geltenden Fassung:

"Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine."

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 18.12.2019 sowie deren ergänzende Stellungnahme vom 22.01.2020 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers aktuell 30 v.H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden im eingeholten Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die im Rahmen der Beschwerde bzw. der Stellungnahme erhobenen Einwendungen nicht geeignet, das vorliegende Gutachten zu entkräften.

Das medizinische Sachverständigengutachten vom 18.12.2019 sowie die Stellungnahme vom 22.01.2020 sind auch nicht zu beanstanden, wenn sie im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung eine entscheidungswesentliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung in dem Sinne, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirken würde oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen würden, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen würden, im gegenständlichen Fall nicht gegeben sehen.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Soweit der rechtlich vertretene Beschwerdeführer im Verfahren die Einholung weiterer medizinischer Sachverständigengutachten anderer Fachrichtungen moniert, ist dazu auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Behörden im Zusammenhang mit der Einschätzung des Grades der Behinderung verpflichtet sind, zur Klärung medizinischer Fachfragen ärztliche Gutachten einzuholen. Das Gesetz enthält aber keine Regelung, aus der geschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten einer bestimmten Fachrichtung bestünde. Es besteht demnach kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit des eingeholten Gutachtens an (vgl. VwGH 24.06.1997, Zl. 96/08/0114).

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für das Verfahren nach § 46 BBG eine Neuerungsbeschränkung besteht, wonach im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes kommt jedoch eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens inklusive Stellungnahme geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2229143.1.00

Im RIS seit

13.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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