TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/3 W133 2228593-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.08.2020
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Entscheidungsdatum

03.08.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W133 2228593-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 24.01.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in dem Behindertenpass zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin ist seit 07.11.2018 Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 von Hundert (v. H.). Die Ausstellung erfolgte nach Einholung eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 30.04.2019, in dem die Funktionseinschränkungen 1. „Rheumatoide Arthritis“ bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 50 v.H. nach der Positionsnummer 02.02.03 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, und 2. „Hypertonie“ bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 10 v.H. nach der Positionsnummer 05.01.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, festgestellt wurden. Begründend wurde ausgeführt, Leiden 1 werde durch Leiden 2 nicht erhöht, da dieses geringgradig sei. Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

Mit E-Mailschreiben vom 08.08.2019 übermittelte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde ein Konvolut an aktuellen Befunden sowie ein Schreiben, in welchem sie Bezug auf einen „Pass“ für ihren PKW nimmt. Dieses Schreiben wurde von der belangten Behörde als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gewertet.

Mit Schreiben vom 09.08.2019 übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin ein Antragsformular betreffend die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass, welches die Beschwerdeführerin am 23.08.2019 ausgefüllt an die belangte Behörde retournierte.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung jener Ärztin für Allgemeinmedizin ein, welche das Vorgutachten vom 30.04.2019 erstellt hatte. In diesem Aktengutachten vom 07.10.2019 wurden die Funktionseinschränkungen nunmehr den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

chronisch lymphatische Leukämie

Unterer Rahmensatz bei komplikationslosem Verlauf unter Chemotherapie

10.03.08

50

2

rheumatoide Arthritis

Wahl des unteren Rahmensatzes dieser Richtsatzposition bei komplexem Krankheitsbild mit Befall sämtlicher Gelenke des

Bewegungs- und Stützapparates und Erfordernis immunmodulatorischer Dauertherapie; Sarkoidose und chronische Gastritis werden mitberücksichtigt

02.02.03

50

3

Hypertonie

fixer Rahmensatz

05.01.01

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 70 v.H. eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, Leiden 1 werde durch Leiden 2 um zwei Stufen erhöht, da sich dieses Leiden als zusätzlich schwerwiegend präsentiere. Leiden 1 werde durch Leiden 3 nicht erhöht, da dieses geringgradig sei. Der Zustand nach einer Katarakt-Operation erreiche ohne nachweisbare schwerwiegende Funktionseinschränkungen keinen Grad der Behinderung. Im Vergleich zum Vorgutachten vom 30.04.2019 sei Leiden 1 neu aufgenommen worden. Die Leiden des Vorgutachtens würden unverändert bestehen, der Grad der Behinderung dieser Leiden werde nicht verändert. Der Gesamtgrad der Behinderung werde um zwei Stufen erhöht und erreiche nunmehr 70 v.H. Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel analog zum Vorgutachten zumutbar sei.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 08.10.2019 wurde der Beschwerdeführerin im Rahmen eines förmlichen Parteiengehöres gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme mitgeteilt, dass gemäß dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten ein Grad der Behinderung von 70 v.H. festgestellt worden sei. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ würden nicht vorliegen. Das Aktengutachten vom 07.10.2019 wurde der Beschwerdeführerin gemeinsam mit diesem Schreiben übermittelt.

Mit Schreiben vom 05.11.2019 räumte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin betreffend die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abermals ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Aktengutachten vom 07.10.2019 wurde der Beschwerdeführerin mit diesem Schreiben nochmals übermittelt.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 11.11.2019 wurde der Beschwerdeführerin aufgrund ihres Antrages vom 08.08.2019 mitgeteilt, dass laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 70 v.H. festgestellt worden sei. Es sei daher ein neuer Behindertenpass auszustellen. Der Behindertenpass werde unbefristet ausgestellt. Der alte Behindertenpass sei ungültig und daher dem Sozialministeriumsservice binnen vier Wochen vorzulegen.

Mit Begleitschreiben der belangten Behörde vom 13.11.2019 wurde der Beschwerdeführerin ein Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von nunmehr 70 v.H. übermittelt. Diesem Behindertenpass kommt gemäß der Bestimmung des § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.

Am 21.11.2019 langte ein ärztliches Attest eines näher genannten Arztes für Allgemeinmedizin vom 18.11.2019 bei der belangten Behörde ein. Darin wird zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführerin aus medizinischer Sicht das Benützen von öffentlichen Verkehrsmitteln nur sehr eingeschränkt möglich sei.

Daraufhin holte die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Innere Medizin sowie Arztes für Allgemeinmedizin vom 22.01.2020 ein. In diesem Sachverständigengutachten konnten nach Durchsicht der vorgelegten Unterlagen und einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am selben Tag folgende Funktionseinschränkungen objektiviert werden: 1.) Chronisch lymphatische Leukämie, 2.) Rheumatoide Arthritis und 3.) Hypertonie. Die Leiden des Vorgutachtens vom 07.10.2019 seien übernommen worden. Es wurde aus medizinischer Sicht festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

Mit Bescheid vom 24.01.2020 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 08.08.2019 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab. Sie stützte diesen Bescheid auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens. Als Beilage zum Bescheid wurde der Beschwerdeführerin das eingeholte Sachverständigengutachten vom 22.01.2020 übermittelt.

Mit E-Mailschreiben vom 10.02.2020 brachte die Beschwerdeführerin ohne Vorlage von Beweismitteln fristgerecht eine Beschwerde bei der belangten Behörde ein. Darin führt sie aus, dass sie in ihren Bewegungen tagtäglich eingeschränkt sei. Sie könne weder Stiegen steigen noch irgendwo „höher hinauf steigen“, da sie zu wenig Kraft aufgrund von Schmerzen in den Knien habe. Diese Einschränkungen würden sich auch auf Tätigkeiten im Haushalt auswirken. Sie könne nicht mehr knien, geschweige denn vom Boden aufstehen. Sie sei natürlich bestrebt so viel als möglich allein zu bewältigen, deshalb gehe sie beispielsweise regelmäßig zum Sesselturnen zwecks Muskelaufbau. Sie wohne seit September 2018 in einer betreuten Wohngemeinschaft, weil sie schon länger Probleme beim Stiegen steigen habe. Bei der letzten Knochenmarkpunktion im Oktober 2019 sei im linken Bein ein Nerv "beleidigt” worden. Seitdem könne sie das linke Bein nicht mehr richtig belasten. Das Basismedikament Olumiant gegen ihre Rheumabeschwerden helfe zwar relativ gut, trotzdem habe sie im Alltag Einschränkungen in allen Bewegungen, sei es in den Fingern, Zehen, Sprunggelenken oder Knien. Sie sei auf ihr Auto angewiesen, besonders bei einem Wetterumschwung könne sie aufgrund ihrer Knieschmerzen nicht gut gehen.

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 14.02.2020 den Verwaltungsakt und die Beschwerde zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 70 v.H.

Die Beschwerdeführerin stellte am 08.08.2019 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in dem Behindertenpass.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1.       Chronisch lymphatische Leukämie mit komplikationslosem Verlauf nach abgeschlossener Chemotherapie;

2.       Rheumatoide Arthritis;

3.       Hypertonie.

Die Beschwerdeführerin ist im Alltag selbstständig mobil und braucht keine Hilfsmittel. Die grobe Kraft an den oberen und unteren Extremitäten ist erhalten, ebenso die Reflexe. Bei der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 22.01.2020 konnte ein unauffälliger Reflexstatus objektiviert werden. Das selbstständige Erheben sowohl von einer Liege als auch vom Sessel war möglich, das Bewältigen von Stiegen ebenso. Weiters ist die Beschwerdeführerin im Alltag weitgehend selbstständig. Zusammenfassend liegt somit keine maßgebliche funktionelle Beeinträchtigung des Bewegungsapparates vor.

Es liegen weiters keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten bzw. Funktionen vor.

Es besteht auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems und auch keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit.

Betreffend das Leiden 1 ist festzustellen, dass die Chempotherapie nach 5 Zyklen bereits im Jänner 2020 beendet war.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung, medizinischer Diagnose und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen medizinischen Beurteilungen im Sachverständigengutachten eines Facharztes für Innere Medizin und Arztes für Allgemeinmedizin vom 22.01.2020 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Die Beschwerdeführerin erhob in ihrer Beschwerde keine konkreten und substantiierten Einwendungen gegen das vorliegende Gutachten, welche geeignet wären, dieses zu entkräften oder in Frage zu stellen; diesbezüglich wird auf die nachfolgende Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung verwiesen. Eine vom Gutachten abweichende Beurteilung erweist sich als nicht möglich.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen über die Ausstellung eines Behindertenpasses, den aktuellen Grad der Behinderung und das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ im Behindertenpass basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich aus einem vom Bundesverwaltungsgericht aktuell eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen und zur aktuellen Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Facharztes für Innere Medizin und Arztes für Allgemeinmedizin vom 22.01.2020. In diesem Gutachten wird nachvollziehbar ausgeführt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für die Beschwerdeführerin aktuell zumutbar ist. Es wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Der Gutachter setzt sich auch nachvollziehbar mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden auseinander. Die getroffene Beurteilung basiert auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund und entspricht auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (zur Art und zum Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen und deren Auswirkungen wird auf die detaillierten, oben im Original wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen).

Die Feststellungen und die getroffene medizinische Beurteilung zu den Auswirkungen der vorliegenden Gesundheitsschädigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel decken sich auch mit den Ergebnissen der Untersuchung im Rahmen der Statuserhebung und auch mit den vorliegenden Befunden.

Im Rahmen der Untersuchung wurde folgender klinischer Status erhoben:

„Allgemeinzustand:
gut

Ernährungszustand:
gut

Größe: 155,00 cm Gewicht: 48,00 kg Blutdruck:

Klinischer Status - Fachstatus:
Caput:

sichtbare Häute und Schleimhäute gut durchblutet, Bulbusmotorik seitengleich, beidseits prompte Pupillenreaktion, Lesebrille.


Wirbelsäule:
im Lot, kein Schulter- oder Beckenschiefstand, Klopfschmerz lumbosakral, FBA 5 cm.


Obere Extremitäten:

Schulter, Ellbogen und Handgelenk beidseits unauffällig. Die Kleinfinger Gelenke leicht geschwollen, die Hände und Finger beidseits auch kalt, die aktive Fingerstreckung möglich, der Faustschluss nur noch mit dem Finger III rechts möglich, an den übrigen Finger zeigt sich ein Fingerspitzen-Hohlhand Abstand von 1 cm, die Sensibilität ist seitengleich, die grobe Kraft ebenfalls.


Untere Extremitäten:

Hüfte beidseits S 0/0/120, Außenrotation 30°, Innenrotation 10°, Abduktion 20°. Über beiden Kniegelenken trägt sie wärmende Knieschützer, Knie beidseits S 0/0/120, Bandapparat stabil. Unterschenkel schlank, Sprunggelenke frei, Zehen wackelbeweglich, die Beinachse im Lot, keine Beinlängendifferenz, MER seitengleich prompt, Lasegue beidseits negativ, die Sensibilität ist seitengleich, die grobe Kraft sowohl bei der Plantarflexion als auch der Dorsalextension vermindert, jedoch seitengleich.


Thorax:
symmetrisch, Herzaktion rein, rhythmisch, Pulmo beidseits VA.


Abdomen:
weich, unter Thoraxniveau, kein Druckschmerz, keine Abwehrspannung.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Sie kommt alleine, selbstständig gehend zu Untersuchung, trägt normales Schuhwerk ohne Einlagen. Das selbstständige Hinlegen sowie Aufrichten von Untersuchungsliege ist möglich, das Aufrichten in Linksseitlage. Das Gangbild ist eher steif, die Schrittlänge seitengleich, der Abrollvorgang verplumpt, mäßig flott. Der Zehenstand ist beidseits möglich (sie gibt an, dies sei erst ab dem Mittagsstunden möglich, in der Früh nicht), Fersenstand mit Festhalten, Einbeinstand rechts besser möglich als links, eine Kniebeuge angedeutet bis zu einer Kniegelenksflexion von 50° möglich, Nacken- und Schürzengriff endlagig. Selbstständiges An- und Auskleiden teils im Stehen möglich.“

Die Beurteilung der Mobilität der Beschwerdeführerin als ausreichend begründet der Gutachter nachvollziehbar damit, dass sie im Alltag selbstständig mobil ist und keine Hilfsmittel braucht. Die grobe Kraft an den oberen und unteren Extremitäten ist – wie sich aus dem eben wiedergegebenen klinischen Status ergibt - erhalten, ebenso die Reflexe. Bei der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 22.01.2020 konnte ein unauffälliger Reflexstatus objektiviert werden. Das selbstständige Erheben sowohl von einer Liege als auch vom Sessel war möglich, das Bewältigen von Stiegen ebenso. Weiters ist die Beschwerdeführerin im Alltag weitgehend selbstständig. Zusammenfassend konnte vom Gutachter somit keine maßgebliche funktionelle Beeinträchtigung des Bewegungsapparates objektiviert werden.

Schließlich ist anzumerken, dass sich dem eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen lassen, dass bei der Beschwerdeführerin vom beigezogenen Sachverständigen keine fachgerechte Untersuchung durchgeführt worden wäre; insbesondere widersprechen die Untersuchungsergebnisse auch nicht den von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Unterlagen.

Es liegt bei der Beschwerdeführerin – wie im vorgelegten ärztlichen Attest vom 18.11.2019 ausgeführt - aufgrund der rheumatoiden Arthritis sehr wohl eine eingeschränkte Mobilität vor, jedoch liegen – entgegen dem Beschwerdevorbringen - keine ausreichend erheblichen Einschränkungen vor, welche die beantragte Zusatzeintragung rechtlich rechtfertigen könnten; diesbezüglich wird auch auf die nachfolgenden Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

Die Beschwerdeführerin ist dem Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 22.01.2020. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

„§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet auszugsweise:

„§ 1 ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: 
1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a)…
b)…

2. …         
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und         
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder         
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder         
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder         
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder         
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)..."

Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnorts vom nächstgelegenen Bahnhof (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258 und VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013). In diesem Zusammenhang geht das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass die Wegstrecke zwischen ihrem Wohnsitz und der Bushaltestelle steil sei und etwa 600 m betrage, ins Leere.

In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zur Stammfassung BGBl. II 495/2013 wird - soweit im Beschwerdefall relevant - Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise) – (nunmehr seit der Novelle BGBl. II Nr. 263/2016 unter § 1 Abs. 4 Z. 3 geregelt):

„Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss benützt werden.

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-        Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

-        hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

-        schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

-        nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-        anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),

-        schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

-        fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

-        selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

…“       

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das Sachverständigengutachten eines Facharztes für Innere Medizin und Arztes für Allgemeinmedizin vom 22.01.2020 zu Grunde gelegt, wonach der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel möglich und auch zumutbar ist. Weder bestehen ausreichend erhebliche Einschränkungen der oberen oder unteren Extremitäten, noch entscheidungserhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder Funktionen. Auch liegen keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit vor sowie auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems im Sinne der genannten Verordnung. Ein psychiatrisches Leiden in einem Ausmaß, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in unzumutbarem Ausmaß behindert, wurde ebenfalls nicht belegt.

Die Beschwerdeführerin leidet zwar an einer rheumatoiden Arthritis, welche die Mobilität einschränkt, diese erreicht aber nicht ein solches Ausmaß, dass sich daraus die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel begründen würde.

Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, wurden von der Beschwerdeführerin keine Befunde vorgelegt, die das Gutachten entkräften würden. Das Gutachten erweist sich als richtig, vollständig und schlüssig.

Da festzustellen war, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches aktuell die Vornahme der Zusatzeintragung „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ rechtfertigt, war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid spruchgemäß abzuweisen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt zumutbar.

Die Beschwerdeführerin ist darauf hinzuweisen, dass bei einer befundmäßig objektivierten offenkundigen Verschlechterung ihres Leidenszustandes eine neuerliche Antragstellung und die neuerliche Prüfung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen, deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht ausreichend substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Beide Parteien haben zudem keine mündliche Verhandlung beantragt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2228593.1.00

Im RIS seit

13.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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